TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/23 2004/21/0258

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Veröffentlicht am 23.11.2004
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des P, geboren 1963, vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Triester Straße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 31. August 2004, Zl. Fr 5080/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 24. Juni 2003 wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 Suchtmittelgesetz - SMG, teilweise in Form des Versuches nach § 15 StGB, zu einer im Rechtsmittelweg auf drei Jahre herabgesetzten Freiheitsstrafe. Diesem Urteil zufolge habe der Beschwerdeführer zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 25. März 2003 3,1g Kokain von Albanien über eine nicht näher bekannte Fahrtroute und mit einem Mittäter im Dezember 2002 50g in Italien gekauftes Kokain nach Österreich geschmuggelt. Mit dem gleichen Mittäter habe er am 10./11. Jänner 2003 insgesamt etwa 150 bis 200g Kokain nach Österreich geschmuggelt und am 25. März 2002 (richtig wohl: 2003) in Wien zur Vorbereitung eines Suchtgiftgeschäftes einem verdeckten Ermittler 3,1g Kokain zur Probe übergeben. Zusammen mit einem Mittäter habe er am 13. Jänner 2003 an einen verdeckten Ermittler 198,5g Kokain (ca. 163g Reinsubstanz) zu verkaufen versucht. Das Gericht habe angenommen, dass sich der Beschwerdeführer wegen seiner äußerst schlechten finanziellen Situation entschlossen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung von Suchtgiftgeschäften eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und dass er keine gefestigte Einbindung in das Suchtgiftmilieu aufweise.

Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - sei am 24. September 1991 illegal in das Bundesgebiet eingereist; sein Asylantrag sei mit Bescheid vom 14. Oktober 1991 abgewiesen worden. Zuletzt sei dem Beschwerdeführer am 25. Juni 2002 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck erteilt worden. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Ehefrau und fünf Kindern in Österreich. Er habe über einen längeren Zeitraum Arbeitslosengeld bzw. zuletzt Notstandshilfe bezogen, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer "am Arbeitsmarkt gut integriert" gewesen sei. Nach Angabe des Beschwerdeführers sei seine Ehefrau berufstätig und habe bereits die Verleihung der (österreichischen) Staatsbürgerschaft für sich und ihre Kinder beantragt.

Die belangte Behörde schloss aus dem angeführten Sachverhalt erkennbar auf eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG und nahm die Gefährlichkeit nach § 36 Abs. 1 FrG im Wesentlichen mit der Begründung als gegeben an, dass der Beschwerdeführer Kokain in einer großen Menge "gewerbsmäßig gewinnbringend" weiterverkauft bzw. dies zu tun versucht habe und es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Kriminalitätsform handle. Wegen der mit Suchtgiftmissbrauch einhergehenden Begleitkriminalität und der besonders großen Wiederholungsgefahr in diesem Bereich bestehe ein bedeutendes öffentliches Interesse an der Verhinderung dieser Kriminalitätsform. Der Beschwerdeführer gefährde massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Er habe aus reinem Gewinnstreben gehandelt und sich nicht um die schädlichen Auswirkungen der von ihm verkauften Suchtgifte bei den Konsumenten gekümmert. Zusammenfassend ergebe sich durch sein persönliches Verhalten eine hinreichend schwere Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen, wodurch jedenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt werde. Seinem Berufungsvorbringen, dass er keine gefestigte Einbindung in das Suchtgiftmilieu aufweisen würde und daher eine günstige Zukunftsprognose zu treffen sei, könne nicht gefolgt werden. Auch unter Berücksichtigung des der Behörde eingeräumten Ermessens sei das Aufenthaltsverbot zulässig.

Letztlich nahm die belangte Behörde einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers an, wertete jedoch an Hand des festgestellten Sachverhalts das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer wiegend als das gegenläufige private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich, weshalb das Aufenthaltsverbot sowohl nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten als auch nach § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0349).

Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen. Der Gerichtshof hegt somit keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) FrG erfüllt sei. Entgegen der Beschwerdeansicht besteht auch keinerlei Zweifel daran, dass aus dem strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers auf eine Gefährdung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Gesundheit Anderer geschlossen und somit die Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG aufgestellt werden müsse.

Der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, den gesamten Strafakt beizuschaffen, "um Hintergrund und Umstände der mir zur Last gelegten Tat entsprechend feststellen zu können". Mit dieser Rüge zeigt der Beschwerdeführer jedoch keinen Umstand auf, der geeignet wäre, die dargestellte Beurteilung seiner Gefährlichkeit in Frage zu stellen. Ebenso wenig legt er dar, welche relevanten Sachverhaltselemente aus dem nicht beigeschafften Asylakt hätten entnommen werden können. Dass der Beschwerdeführer in das Suchtgiftmilieu nicht gefestigt eingebunden ist, ist nicht entscheidungsrelevant. Aus dem Umfang seines Suchtgifthandels muss zweifelsfrei geschlossen werden, dass er nicht davor zurückschreckt, zur Erlangung einer fortlaufenden Einnahme derartige, die Gesundheit Anderer in höchstem Maß schädigende strafbare Handlungen zu begehen. Diese Gefährlichkeit kann entgegen der Beschwerdeansicht nicht mit einer "angespannten finanziellen Situation" relativiert werden, ist doch keinesfalls auszuschließen, dass der Beschwerdeführer in einer vergleichbaren Situation weitere gleichartige strafbare Handlungen setzen könnte.

Soweit der Beschwerdeführer die Ermessensübung der belangten Behörde zu seinem Nachteil anspricht, ist ihm zu entgegnen, dass beim vorliegenden Sachverhalt eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers mit dem Gesetz nicht in Einklang gestanden wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

Entgegen der Beschwerdeansicht kann aber auch die Beurteilung der belangten Behörde nach § 37 FrG nicht als rechtswidrig erkannt werden. Zutreffend schloss die belangte Behörde aus dem langen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und dem inländischen Aufenthalt seiner Ehefrau und seiner Kinder auf einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben. Ebenso zutreffend wertete sie aber auch das öffentliche Interesse an der Unterbindung der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Suchtgiftkriminalität als äußerst schwerwiegend. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 99/21/0215) ist in solchen Fällen selbst bei einer ansonsten völligen sozialen Integration ein Aufenthaltsverbot nicht unzulässig. Dahingestellt kann bleiben, ob der Beschwerdeführer in den inländischen Arbeitsmarkt "gut" oder "nicht gut" integriert gewesen sei; die belangte Behörde zieht das Berufungsvorbringen nicht in Zweifel, dass er nach seiner Haftentlassung als Pizzakoch arbeiten könnte.

Zusammenfassend ist das öffentliche Interesse an der Verhinderung einer wie vom Beschwerdeführer gezeigten derart schweren Suchtgiftkriminalität so groß, dass auch die beträchtliche inländische Integration des Beschwerdeführers samt seiner Familie das Aufenthaltsverbot nicht im Sinn des § 37 FrG unzulässig macht. Da mit dem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (dorthin) abgeschoben werde, geht der Beschwerdehinweis auf eine Bedrohungssituation in seinem Heimatland ins Leere.

Letztlich bekämpft der Beschwerdeführer die Dauer des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes. Er zeigt jedoch keine Umstände auf, die die Annahme der belangten Behörde in Zweifel ziehen könnten, dass ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erforderlich sei, sprechen doch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers und somit der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes schon früher weggefallen sein werden.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. November 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004210258.X00

Im RIS seit

04.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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