TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/9 99/21/0215

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.1999
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des R, (geboren am 23. Mai 1976), in Unterrohrbach, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Juni 1999, Zl. Fr-598/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 23. Juni 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei seit 20. August 1992 in Österreich aufhältig und verfüge (durchgehend) seit 23. März 1993 über einen - seit 14. September 1997 unbefristeten - Aufenthaltstitel. Mit Urteil des Landesgerichtes Krems vom 15. Mai 1998 sei er wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren, wovon zwei Jahre unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden seien, rechtskräftig verurteilt worden, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge durch Verkauf in Verkehr gesetzt habe, wobei er in der Absicht gehandelt habe, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Demnach habe er in Judenau im Herbst 1997 ca. 50 g Amphetamin an E.K. sowie in Horn und anderorts in der Zeit von Herbst 1997 bis Anfang März 1998 ca. 710 g Amphetamin an P.F. und in der Zeit von September 1997 bis Jänner 1998 ca. 500 g Amphetamin an G.R. weiterverkauft. Als große Suchtgiftmenge seien bereits 10 g reines Amphetamin anzusehen, weil diese Menge im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen darzustellen vermöge. Auf Grund dieses Sachverhalts sei davon auszugehen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit, aber auch die Volksgesundheit, durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers (in Österreich) gefährdet würde (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG).

Im Hinblick auf die Dauer seines Aufenthalts und den Umstand, dass sich in Österreich seine Mutter, die ebenfalls über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfüge und mit der er in einem gemeinsamen Haushalt lebe, aufhalte und er bis zu seiner Verhaftung erlaubt beschäftigt gewesen sei - zuletzt habe er eine Beschäftigungsbewilligung mit Gültigkeit bis 30. April 1998 gehabt -, stelle die Verhängung des Aufenthaltsverbotes einen nicht unerheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Dazu sei jedoch anzumerken, dass familiäre Beziehungen zu den Eltern durch Großjährigkeit relativiert würden und auf ein berufliches Fortkommen des Fremden nicht Bedacht zu nehmen sei. Die öffentlichen Interessen an einem größtmöglichen Ausschluss der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bzw. einer Beeinträchtigung der Volksgesundheit (Suchtgiftdelikte stellten auch Angriffe auf die Volksgesundheit dar) überwögen das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib (in Österreich). Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei auf Grund der besonderen Gewichtung der Suchtgiftkriminalität auch dringend geboten. Die Suchtgiftkriminalität und die daraus resultierenden negativen Erscheinungsformen (Beschaffungskriminalität, Prostitution, volksgesundheitliche Schäden) stellten für den österreichischen Staat eine als besonders gefährlich zu beurteilende Kriminalitätsform dar, der besonders rigoros entgegenzutreten sei. Das besondere Gewicht der strafbaren Handlung des Beschwerdeführers lasse sich auch daraus ableiten, dass er zu einer unbedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei. Auf Grund seines bisherigen Verhaltens in Österreich könne nicht ausgeschlossen werden, dass er abermals in besonders schwer wiegender Form straffällig werde. Darüber hinaus habe sich sein strafbares Verhalten über einen längeren Zeitraum (zumindest sechs Monate) erstreckt. All diesen den öffentlichen Sicherheitsinteressen besonders abträglichen Komponenten könne er keine ausreichenden, für ihn positiven Sachverhaltselemente gegenüberstellen, nach denen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht erforderlich wäre, und sehe sich die belangte Behörde außerstande, die Kannbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG zu seinen Gunsten anzuwenden.

Den Beweisanträgen des Beschwerdeführers, insbesondere auf Einvernahme des P.H. und der J.S., sei nicht Folge gegeben worden, weil einerseits seine berufliche Qualifikation und Integration bis zur Setzung der Verbrechenshandlung nicht angezweifelt worden sei und andererseits die Gefährdungsprognose und die Ermessenserwägungen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes rechtfertigten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde lässt die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 15. Mai 1998 bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Ebenfalls unbekämpft bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass das der genannten Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (negative Prognose) rechtfertige; auch dagegen hegt der Gerichtshof im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität keinen Einwand.

2. Die Beschwerde bekämpft indes die von der belangten Behörde im Grunde des § 37 FrG vorgenommene Beurteilung und macht geltend, dass die belangte Behörde nicht ausreichend auf die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich, den Umstand, dass er während dieses Aufenthalts nur ein einziges Mal straffällig geworden sei, sowie das Ausmaß seiner Integration und seiner familiären sozialen Bindungen in Österreich Bedacht genommen habe. Er halte sich seit seiner Einreise im Alter von 14 Jahren rechtmäßig in Österreich auf, habe hier seine einzigen Verwandten (insbesondere seine Mutter), sei immer einer geregelten Arbeitstätigkeit nachgegangen, habe sogar während seiner Strafhaft die Lehrabschlussprüfung abgelegt und habe nach seiner Entlassung aus der Strafhaft sofort wieder Arbeit gefunden. Er verfüge über keine sozialen Bindungen in Polen und kenne dieses Land nicht. Angesichts seiner Verurteilung zu einer (nur) teilbedingten Freiheitsstrafe liege eine positive Zukunftsprognose vor, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht dringend geboten sei.

3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte Dritter und zum Schutz der Gesundheit anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) iS des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, macht doch die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität nach der hg. Judikatur die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der genannten Ziele notwendig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0351, mwN). Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Interessenabwägung kann nicht als rechtswidrig angesehen werden. Die angesichts der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers und seiner familiären und privaten Bindungen gegebenen persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet sind, wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, dadurch in ihrem Gewicht gemindert, dass die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch das über einen längeren Zeitraum andauernde Fehlverhalten des Beschwerdeführers - dem zur Last liegt, Suchtgift den bestehenden Vorschriften zuwider in einer großen Menge gewerbsmäßig anderen Personen verkauft zu haben - deutlich beeinträchtigt wird. Unbeschadet dessen ist festzuhalten, dass auf Grund der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten volle Integration des Beschwerdeführers dem Aufenthaltsverbot aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 98/18/0373, mwN). Im Hinblick darauf ist es nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob er - wie in der Beschwerde behauptet - bereits im Alter von 14 Jahren oder - wie von der belangten Behörde festgestellt - erst im Alter von 16 Jahren in Österreich Aufenthalt genommen hat.

Wenn die belangte Behörde die Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FrG - unabhängig von der von der Beschwerde angesprochenen teilbedingten Strafnachsicht - vorgenommen hat, so hat sie die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich. Mit seinem auf Polen bezogenen Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass mit dem vorliegenden Bescheid nicht ausgesprochen wird, in welches Land er auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. (Vgl. dazu nochmals das Erkenntnis Zl. 98/18/0373, mwN).

Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung des schwer wiegenden öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zutreffend größeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation.

4. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte die zeugenschaftliche Einvernahme des P.H. und der J.S. durchführen müssen, um einen besseren Überblick über das Ausmaß der sozialen Integration des Beschwerdeführers in Österreich zu erhalten und die nachteiligen Folgen des Aufenthaltsverbotes besser beurteilen zu können, nicht zielführend.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 9. September 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999210215.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten