TE OGH 1985/1/15 4Ob505/85

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Veröffentlicht am 15.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate R***, Verkäuferin, Wien 5., Margaretengürtel 68/57/1, vertreten durch Dr. Johann Werth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard K***, Lehrer, Mauerbach, Steinbachstraße 17, vertreten durch Dr. Peter Armstark, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 115.000,-- s. A., infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Juli 1984, GZ 11 R 113/84-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 19. März 1984, GZ 17 Cg 129/82-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuen Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte war bis 31. August 1980 Mieter der Wohnung top. 15 bis 17 des Hauses Wien 15, Neubaugürtel 41. Er überließ diese Wohnung mit Vereinbarung vom 21. August 1980 der Klägerin, die ihm an diesem Tage "für Möbel und Investitionsablöse" S 165.000 bezahlte. Am 30. August 1980 schloß die Klägerin mit den Hauseigentümern des genannten Bestandgegenstandes einen Mietvertrag. Anläßlich der Übergabe der Wohnung unterfertigte die Klägerin folgende Erklärung (Beilage 4):

"Übernahme der Wohnung

1150 Wien, Neubaugürtel 41/17

Frau Renate R*** übernimmt laut Vereinbarung vom 21. 8. 1980 und

laut Mietvertrag vom 29. 8. 1980 mit 1. Sept. 1980 die - wie

besichtigt - komplett eingerichtete Wohnung 1150, Neubaugürtel 41/17

mit folgenden Schlüsseln: ........... (es folgt die Aufzählung der

Schlüssel)

Frau Renate R*** stellt an den Vormieter, Herrn Gerhard K***,

keine wie immer gearteten Ansprüche.

Wien, am 1. Sept. 1980             Renate R*** eh."

Im November 1980 erfuhr die Klägerin in der Kanzlei des Klagevertreters, daß verbotene Ablösen zurückgefordert werden können. Die Klägerin begehrt vom Beklagten mit der am 2. April 1982 anhängig gemachten Klage Zahlung von S 115.000 s.A. mit der Behauptung, der Beklagte habe ihr bei Überlassung der Wohnung nur einige alte, nahezu wertlose Möbel übergeben. Der Wert dieser Möbel und der vom Beklagten sonst getätigten Investitionen betrage höchstens S 50.000. Der darüber hinausgehende Betrag von S 115.000 stelle eine verbotene Ablöse im Sinne des § 17 Abs 1 MG dar. Die Klägerin habe diesen Betrag in Unkenntnis der Rechtslage bezahlt; sie verwies daher gegenüber der Verjährungseinrede des Beklagten auch auf § 1431 ABGB.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und behauptete, der Wert der in der Wohnung vorgenommenen Investitionen und der zurückgelassenen Möbel sei wesentlich höher gewesen als der ihm von der Ablöse (nach Abzug der Provision des Vermittlungsbüros) verbliebene Betrag von S 127.000. Die Wohnung sei komplett eingerichtet gewesen. Der Ablösebetrag sei für die Beschaffung einer Ersatzwohnung bestimmt gewesen. Die Klägerin habe anläßlich der Übergabe am 1. September 1980 auf alle Ansprüche gegenüber dem Beklagten verzichtet. Der Anspruch nach § 17 MG sei verjährt. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf eingehende Feststellungen über die vom Beklagten bei Aufgabe seiner Mietrechte an die Klägerin überlassenen Möbel, deren Zustand und die sonstigen von ihm in der Wohnung vorgenommenen Investitionen, nicht aber über deren Wert. Daß die Ablöse (teilweise) zur Schaffung einer Ersatzwohnung durch den Beklagten bestimmt gewesen sei, nahm das Erstgericht nicht an. Der Beklagte habe zumindest einen Teil der Zahlung für die Aufgabe seiner Mietrechte verlangt. Diesen Betrag könne jedoch die Klägerin nicht mehr zurückfordern, weil der Anspruch gemäß § 17 Abs 2 MG verjährt sei. Die Berufung der Klägerin auf § 1431 ABGB stelle eine bloße Rechtsbehauptung dar, die kein Tatsachenvorbringen enthalte.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Die zweite Instanz teilte zwar die Ansicht der Klägerin, daß sie ein entsprechendes Vorbringen zur Begründung ihres Rückforderungsanspruches nach § 1431 ABGB erstattet habe. Sie habe nämlich schon in der Klage vorgetragen, die Ablöse in Unkenntnis der Rechtslage bezahlt und erst im November 1981 davon erfahren zu haben, daß derartige Vereinbarungen nach dem Mietengesetz ungültig und verboten seien. Damit sei jedoch für die Klägerin nichts gewonnen, weil sie nach dem klaren Wortlaut der Erklärung vom 1. September 1980 auf allfällige Rückforderungsansprüche zu einem Zeitpunkt verzichtet habe, zu dem sie nicht mehr in einer Zwangslage gewesen sei. Die Zwangslage falle zwar nicht immer schon mit der Unterfertigung des Mietvertrages weg, sei aber jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn dem Mieter - wie hier - die Wohnung samt Schlüsseln übergeben werde. Außerdem habe die Klägerin zum Rechtsgrund des § 1431 ABGB nicht vorgebracht, über welche Tatsachen sie bei der Zahlung geirrt habe.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung der Rechtsfrage des materiellen Rechts abhängt, ob die Klägerin mit der am 1. September 1980 abgegebenen Erklärung, gegen den Beklagten keine wie immer gearteten Ansprüche zu stellen, auf Rückforderungsansprüche nach § 1431 ABGB verzichtete. Das Berufungsgericht hat die Absicht der Parteien, die sie mit dieser vom Erstgericht nicht zur Begründung der Klagsabweisung herangezogenen Verzichtserklärung bezweckten, nicht erforscht, sondern aus dem seiner Ansicht nach klaren Wortlaut der Urkunde einen Verzicht auf die Rückforderung der geleisteten Ablöse erschlossen, obwohl weder diese Urkunde (noch die darin bezogenen Verträge vom 21. August und 29. - richtig: 30. - August 1980) von der Vereinbarung oder Zahlung einer Ablöse handeln. Die Klägerin hat die Behauptung eines Verzichtes auf Rückforderungsansprüche bestritten und in ihrer Parteienvernehmung darauf verwiesen, sie habe bei Unterfertigung dieser Erklärung nur an Sachmängel der Wohnung gedacht. Das Berufungsverfahren leidet daher an Feststellungsmängeln, die eine gegen die Bestimmung des § 914 ABGB gröblich verstoßende Auslegung der Erklärung vom 1. September 1980 zur Folge haben könnten. Die Wahrung der Rechtssicherheit erfordert es daher, die von der Revisionswerberin in dieser Richtung gehörig ausgeführte Rüge (Punkt 2. lit b und Punkt 3., letzter Absatz der Revisionsschrift) aufzugreifen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Für die Rückforderung verbotener und ungültiger Leistungen, die entgegen den Bestimmungen des § 17 Abs 1 MG vor dem 1. Jänner 1982 (Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes: § 58 Abs 1 MRG) erbracht wurden, gelten die bisherigen Vorschriften.

Ist nämlich eine vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossene Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses nach den bisher in Geltung gestandenen Vorschriften rechtsunwirksam, so sind diesbezüglich - anders als für "Altverträge" im allgemeinen (§ 43 Abs 1 MRG) - die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften weiter anzuwenden (§ 43 Abs 2 MRG). Damit wird für die Rechtsfolgen nichtiger Vereinbarungen - auch solcher, die zwischen dem früheren Mieter und dem neuen Mieter geschlossen wurden (§ 17 Abs 1 lit a MG) - die Weitergeltung des alten Rechts fingiert, sodaß auch die Neuregelung der Verjährung in § 27 Abs 3 MRG nicht anzuwenden ist. Auch für die Verjährung von Rückforderungsansprüchen aus solchen Vereinbarungen gelten vielmehr die bisherigen Vorschriften (Würth-Zingher, MRG 139 FN 5; Würth in Rummel, ABGB, II Rdz 6 zu § 43 MRG; auch MietSlg. 35.459; vgl. ferner Würth aaO Rdz 8 zu § 27 MRG). Da die Klägerin Leistungen aus einer vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes getroffenen Vereinbarung zurückfordert, ist ihr Rückforderungsanspruch also nach den bisherigen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beurteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung zur bisherigen Regelung galt die (einjährige) Verjährungsfrist des § 17 Abs 2 MG nicht, wenn die auf Grund einer nach § 17 Abs 1 MG ungültigen und verbotenen Vereinbarung erbrachte Leistung auf einem Irrtum beruhte, der den Mieter schon gemäß § 1431 ABGB zur Rückforderung berechtigt; die kurze Verjährungsfrist des § 17 Abs 2 MG wurde somit nur bei wissentlicher Zahlung einer Nichtschuld angewendet (Rummel in Rummel aaO Rdz 12 zu § 1432; SZ 20/56; EvBl 1975/60; MietSlg. 33.308 ua.). Diese Abgrenzung beruht auf der Ansicht, daß durch die mietengesetzliche Sondervorschrift des § 17 Abs 2 MG der allgemeinen Bestimmung des § 1431 ABGB nicht derogiert wurde (MietSlg. 33.308, 34.402).

Die Klägerin behauptete, den Betrag von S 165.000 in Unkenntnis der Rechtslage bezahlt zu haben, und stützte ihren Rückforderungsanspruch auf § 1431 ABGB. Nach dieser Bestimmung ist der bei der Zahlung unterlaufene Rechtsirrtum dem Tatsachenirrtum ausdrücklich gleichgestellt. Auch ein verschuldeter (Rechts-)Irrtum schließt die Rückforderung nicht aus (Rummel in Rummel, ABGB II, Rdz 5 zu § 1431; SZ 52/70 ua.). Nach § 1431 ABGB zu beurteilende Rückforderungsansprüche verjähren nach dreißig Jahren (SZ 52/70; MietSlg. 34.402 mwN). Zur Beurteilung der Frage, ob die Forderung der Klägerin danach der dreißigjährigen Verjährung unterliegt, reicht die Feststellung des Erstgerichtes, sie habe erst im November 1980 in der Kanzlei des Klagevertreters erfahren, daß verbotene Ablösen zurückgefordert werden können, nicht aus. Entscheidend ist, ob sie bei der Zahlung der Ablöse in Unkenntnis darüber war, daß es sich hiebei um eine verbotene und ungültige Leistung handelte. Das Klagsvorbringen läßt aber auch die Deutung zu, daß sich die Klägerin (zunächst) in einem Tatsachenirrtum darüber befand, daß der Wert der abgelösten Möbel und Investitionen weit geringer als die bezahlte Ablöse war. Es wird daher noch zu klären sein, ob und aus welchem Irrtum die Klägerin den zurückgeforderten Betrag geleistet hat. Ein Verzicht der Klägerin auf die erhobenen Kondiktionsansprüche kann dem Wortlaut der von ihr am 1. September 1980 abgegebenen Erklärung nicht zweifelsfrei entnommen werden, da diese Urkunde nur von der Übernahme der Wohnung (samt Schlüsseln) durch die Klägerin handelt und die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung, an den Vormieter "keine wie immer gearteten Ansprüche zu stellen", ohne Erörterung der von den Parteien damit verbundenen Absicht keinen Aufschluß darüber gibt, welche Ansprüche von dem Verzicht erfaßt werden sollten. Sollte nach den allgemeinen Auslegungsregeln für Verträge (§§ 914, 915 ABGB) - für den erforderlichen Vertragscharakter des Verzichtes reicht eine konkludente Zustimmung des Erklärungsempfängers aus (vgl. Rummel in Rummel aaO Rdz 3 zu § 1444 ABGB) - eine Auslegung, die dem erklärten Verzicht Bestimmtheit gibt, nicht zu erzielen sein, so wäre die Klausel als allgemeine unbestimmte Verzichtsleistung gemäß § 869 ABGB und gemäß § 937 ABGB, der auch bei Verzicht auf ein Recht angewendet wird (Gschnitzer in Klang 2 IV/1, 582), ohne Wirkung.

Zum Schutze der Mieter bestimmte § 17 Abs 2 Satz 2 MG (jetzt: § 27 Abs 3 Satz 2 MRG), daß auf den Rückforderungsanspruch aus ungültigen und verbotenen Vereinbarungen nach § 17 Abs 1 MG im voraus nicht verzichtet werden kann. Diese Bestimmung bezog sich jedoch nur auf den besonderen mietenrechtlichen Rückforderungsanspruch nach § 17 MG. Im vorliegenden Fall kann die Klägerin ihren Kondiktionsanspruch nur mehr auf § 1431 ABGB stützen. Die nur bei Ansprüchen nach § 17 MG (§ 27 MRG) relevante Frage, wann die Zwangslage des Mieters wegfällt und einen rechtswirksamen Verzicht auf diesen Rückforderungsanspruch möglich macht (vgl. Würth in Rummel aaO II Rdz 10 zu § 27 MRG), bedarf somit hier keiner Lösung.

Aus all dem ergibt sich, daß die Rechtssache noch nicht spruchreif ist. Es ist noch zu klären, ob die Klägerin die Ablöse infolge eines Irrtums bezahlte und ob sie auf den Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB rechtswirksam verzichtete. Liegt ein solcher Verzicht nicht vor, werden außerdem Feststellungen über den Umfang jener, nicht auf die überlassenen Möbel und Investitionen anzurechnenden Leistungen zu treffen sein, die die Klägerin an den Beklagten für die Aufgabe des Mietgegenstandes erbrachte und die sie daher im Falle eines ihr unterlaufenen Rechtsirrtums gemäß § 1431 ABGB noch zurückfordern kann. Da die aufgetragenen Verfahrensergänzungen eine Verhandlung in erster Instanz erforderlich machen, sind die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenausspruch stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E08894

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00505.85.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19850115_OGH0002_0040OB00505_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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