TE OGH 1985/5/14 11Os62/85

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Veröffentlicht am 14.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilhelm A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Februar 1985, GZ 5 d Vr 10.192/84-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 (dritter Fall) StGB und demgemäß auch im Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 23.Juni 1946 geborene beschäftigungslose Wilhelm A des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 (dritter Fall) StGB (I des Schuldspruches), des Vergehens des Siegelbruches nach dem § 272 Abs. 1 StGB (II des Schuldspruches) und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (III des Schuldspruches) schuldig erkannt. Ihm liegt (inhaltlich des Urteilstenors) zur Last, in der Zeit vom 1.April bis 21. Mai 1984 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch 'Manipulationen' am Beikasten (= Endverschluß) der Telefonanlage seines Wohnhauses und Legen einer Leitung vom Beikasten in seine Wohnung, wodurch es ihm möglich war, dort über einen bereits abgemeldeten Viertelteilnehmeranschluß Telefongespräche zu führen, bewirkt zu haben, daß deren Gebühreneinheiten auf den Zählern anderer Nebenstellen aufschienen und den betreffenden Inhabern von der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland zur Zahlung vorgeschrieben wurden (I des Urteilssatzes), zwischen dem 18. und dem 21.Mai 1984 die von einem Beamten der Post- und Telegraphendirektion am Endverschluß angebrachte Bleiplombe entfernt (II des Urteilssatzes) und am 29.Juli 1984 seiner Lebensgefährtin Brigitte B durch Faustschläge vorsätzlich leichte Verletzungen, nämlich Hautabschürfungen und Blutunterlaufungen an der Stirne und der linken Brustseite, zugefügt zu haben (III des Urteilssatzes). Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweiwe Berechtigung zu. Zutreffend macht nämlich der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge implicite geltend, daß die Urteilsfeststellungen zum Faktum I für die rechtliche Beurteilung der Tat (als Verbrechen des Betruges) nicht ausreichen.

Zwar ist entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung in der Tathandlung, wie sie das Erstgericht feststellte - Herstellen eines Telefonanschlusses auf eine Weise, daß die Gesprächseinheiten auf den Zählern rechtmäßig bestehender Telefonanschlüsse aufschienen - eine irreführende Sachmanipulation (vgl Kienapfel, Bes. Teil II, RN 39, 40 zu § 146), sohin eine Täuschung der zuständigen (die Zähler ablesenden) Organe der Post- und Telegraphendirektion zu erblicken: diese Organe nahmen sodann - durch diesen Irrtum (kausal) bedingt - eine schädigende Vermögensverfügung vor, indem die aufgelaufenen Gebühren entsprechend den Zählerangaben den Inhabern der betreffenden Fernsprechanschlüsse zur Zahlung vorgeschrieben wurden. Auf dieser Grundlage ist an sich das Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale eines Betruges zu bejahen. Das Schöffengericht unterließ es jedoch, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Angeklagte sich solcher Reichweite seiner Tat bewußt wurde, er es also zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß bei seiner unbefugten Benützung des Telefonnetzes Zählwerke anderer (befugter) Fernsprechteilnehmer in Gang kamen und auf Grund einer sich daraus ergebenden Täuschung von Postbediensteten jenen anderen Teilnehmern ein finanzieller Schaden erwuchs.

Dieser Feststellungsmangel hindert eine abschließende Beurteilung und läßt die bekämpfte Entscheidung nichtig nach der Z 10 (allenfalls 9 lit b) des § 281 Abs. 1 StPO erscheinen. Da sich sohin zeigt, daß in diesem Umfang eine Erneuerung des Verfahrens nicht zu vermeiden ist, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde mit teilweiser Urteilsaufhebung vorzugehen, wobei auf das weitere Beschwerdevorbringen zu diesem Urteilsfaktum nicht mehr eingegangen zu werden brauchte.

Für den Fall eines neuerlichen Schuldspruches nach dem § 146 StGB wird das Erstgericht allerdings auch zu beachten haben, daß nach den Umständen des Falles die Heranziehung der Qualifikationsnorm des § 147 Abs. 1 Z 1 (dritter Fall) StGB nicht in Frage kommt. Nach dieser Gesetzesstelle haftet, wer einen Betrug begeht, indem er zur Täuschung ein unrichtiges Meßgerät benützt. Wenn nun der Angeklagte durch 'Manipulationen am Endverschluß' bewirkte, daß die für seine Telefonate anfallenden Gebühreneinheiten anderen Teilnehmern verrechnet wurden und 'somit das die Gebühreneinheiten messende Gerät diese der Zahl nach falsch maß' (S 195 f d.A), so bringt dies nur die zwangsläufige Folge der irreführenden und zur schädigenden Vermögensverfügung führenden Sachmanipulation zum Ausdruck. Damit wurde aber keineswegs das Zählwerk des Meßgerätes selbst verändert. Es wurde vielmehr bloß der Meßvorgang dahin beeinflußt, daß jene Gebühreneinheiten, die aus über das Telefon des Angeklagten geführten Gesprächen entstanden, von den Zählern legaler Fernsprechanschlüsse miterfaßt und solcherart deren Inhabern gewissermaßen unterschoben und kostenmäßig angelastet wurden (vgl hiezu auch Liebscher im WK RZ 6; Kienapfel aaO, RN 76 zu § 147 StGB).

Im übrigen kann der Nichtigkeitsbeschwerde allerdings nicht gefolgt werden.

Beim Vorwurf zum Schuldspruch II wegen des Vergehens nach dem § 272 Abs. 1 StGB fehle es an jeglichen Tatsachenfeststellungen (§ 281 Abs. 1 Z 9

lit a StPO), läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß Spruch und Gründe des Ersturteils eine Einheit bilden und mit der im ersteren vorgenommenen Konkretisierung und Individualisierung der Tat, ferner mit der ausdrücklichen Feststellung in den Gründen, daß am 21.Mai 1984 die am 18.Mai 1984 angebrachte Bleiplombe an dem durch einen Draht mit der Wohnung des Beschwerdeführers verbundenen Endverschluß fehlte (S 192 d.A), und mit den Ausführungen in der Beweiswürdigung, mit welchen die Verantwortung des Angeklagten, er habe die Plombe nicht entfernt, für unglaubwürdig befunden wurde (S 194 d.A), unzweideutig jenes Tatsachensubstrat (ausreichend) umschrieben wird, welches das Erstgericht dem Tatbestand des Siegelbruches unterstellte.

Die Behauptung einer materiellen Urteilsnichtigkeit erfordert aber unbedingtes Festhalten an sämtlichen Urteilsfeststellungen, deren Vergleich mit dem Gesetz und den daraus abzuleitenden Vorwurf unrichtiger Rechtsfindung.

Auch die Rüge zum Urteilsfaktum III verfängt nicht. Denn wenn das Erstgericht in bezug auf die Zufügung der Verletzungen mit durchaus logischen und im Einklang mit der forensischen Erfahrung stehenden Erwägungen den Aussagen der Zeugin B vor der Polizei Glaubwürdigkeit beimaß und nicht ihrer Darstellung in der Hauptverhandlung folgte, so ist dies als ein Akt freier Beweiswürdigung zu werten. Daß das Erstgericht im gegebenen Zusammenhang die unrichtige Berufsbezeichnung der Zeugin vor der Polizei und den Widerruf ihrer Anschuldigung, der Angeklagte habe ihr Geld genommen (vgl S 15, 19, 22, 132, 172, 181 f d.A), nicht erörterte, bedeutet keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht. Denn das Gericht ist zur gedrängten Darstellung seiner Gründe - dh unter Weglassung nebensächlicher Details und Vermeidung überflüssiger Weitläufigkeiten - gehalten (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO). Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Urteilsfakten II und III wendet, teils gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet, teils nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Mit seiner durch die Aufhebung des Urteils im Strafausspruch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E05689

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00062.85.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19850514_OGH0002_0110OS00062_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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