TE OGH 1985/5/15 9Os37/85

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Veröffentlicht am 15.05.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 17.Jänner 1985, GZ 6 Vr 2552/84-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Benda zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 40-jährige Gerhard A des Verbrechens der (teils vollendeten, teils versuchten) schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB (zu ergänzen: und § 15 StGB) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz (A) in der Nacht zum 9.April 1984 versucht, Willibald B durch gefährliche Drohung, und zwar durch die öußerung, er möge aus der Wohnung der Gabriele C kommen, sonst sei er bald 'hin', sowie durch die Ankündigung, bei der Firma D (der Dienstgeberin des Willibald B) dafür zu sorgen, daß er 'dort hinausfliegt', somit durch Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, zum Verlassen der Wohnung der Gabriele C und zur Unterfertigung eines Schreibens zu nötigen, wonach B am 8. April 1984 mit Monika A (der Ehegattin des Angeklagten) geschlechtlich verkehrt habe, und (B) den Genannten durch gefährliche Drohung zur Aufgabe des Kontaktes zu Monika A genötigt, wobei die Tat den Selbstmord des Genötigten zur Folge hatte, und zwar 1.) am 13.April 1984 durch die wiederholte öußerung, er werde durch Information des Arbeitgebers des Genötigten dafür Sorge tragen, daß B gekündigt werde, und 2.) in der Zeit zwischen 13.April 1984 und 17.April 1984 durch die schriftliche Ankündigung, er werde B ständig anzeigen, er werde ihn zum Schadenersatz verhalten, B habe mit seiner Kündigung zu rechnen, er werde ihn wegen seines Verhaltens 'in den Häfen bringen'.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist der Schöffensenat - was sich trotz der mißverständlichen Formulierung auf Seite 477 aus dem Urteilsspruch und den Entscheidungsgründen in ihrem Zusammenhalt unzweideutig ergibt - ohnedies davon ausgegangen (vgl S 471 ff), daß es dem Angeklagten nicht gelang, B zur Unterfertigung der im Spruch unter Punkt A genannten Bestätigung zu nötigen und wurde der Angeklagte insoweit auch bloß des Versuches schuldig erkannt (vgl S 466). Das Unterbleiben der Zitierung des § 15 StGB aber verschlägt nichts, weil die Entwicklungsstufe der Tat ohnedies mit hinreichender Deutlichkeit im Urteilssatz und in den Gründen zum Ausdruck kommt (vgl EvBl 1982/10; 10 Os 12/79). Die bezüglichen Beschwerdeausführungen gehen daher im Ergebnis ins Leere. Es trifft nicht zu, daß das vom Angeklagten mit der Inhaberin der Firma D (am 12.4.1983) geführte inhaltlich (noch) neutrale Gespräch vom Erstgericht 'zur Begründung einer Nötigung' herangezogen worden ist. Diesbezüglich ist vielmehr dem Urteil zweifelsfrei zu entnehmen, daß das Erstgericht das nötigende Verhalten des Angeklagten in der am 9.4.1984 B gegenüber abgegebenen Erklärung erblickt, er werde bei der Firma D dafür sorgen, daß B 'dort hinausfliege', wenn er nicht aus der Wohnung der Gabriele C komme und das oben angeführte 'Geständnis' unterschreibe, sowie darin, daß er von B zwischen 13. und 17.4.1984 die Lösung der Kontakte zu Monika A mit der Androhung zu erreichen trachtete, andernfalls die Kündigung durch den Arbeitgeber zu veranlassen.

Die vom Beschwerdeführer in Verkennung dieses Nichtigkeitsgrundes (vgl hiezu Mayerhofer-Rieder StPO 2 § 281 Z 5 Nr 185 ff) als 'aktenwidrig' bezeichnete Urteilskonstatierung, er habe die am 9.4.1984 auf welche Weise auch immer erlittenen Verletzungen am Knie 'aggraviert' und B unter der Behauptung einer tatsächlich nicht gegebenen oder auch nur erwarteten Arbeitsunfähigkeit Schadenersatzforderungen angedroht (S 472, 475), findet - entgegen dem Rechtsmittel - in den dem Erstgericht als Feststellungsgrundlage dienenden Angaben des Beschwerdeführers vor der Bundespolizeidirektion Graz vom 25.April 1984 (siehe Seiten 201, 203) und in seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung vom 4.10.1984 (S 391, 392 in Verbindung mit S 443) sowie dem Erhebungsergebnis vom 24.April 1984 (S 139) und der Krankengeschichte des Unfallskrankenhauses Graz (S 429, 431) hinreichend Deckung.

Das inhaltlich als Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu wertende Vorbringen in der Mängelrüge betreffend den Beruf der Zeugin E, das Vorhandensein von Tonbandaufzeichnungen über die Gespräche in der Nacht zum 13. April 1984 sowie die Vorgabe des Angeklagten, (B belastende) Zeugenaussagen und Schriftstücke zu besitzen, geht ins Leere, weil all dies vom Erstgericht nicht als Mittel der Nötigung beurteilt wurde und sohin lediglich als illustrativ geschildertes Randgeschehen zu den im Urteilsspruch definierten Nötigungshandlungen anzusehen ist. Gleiches gilt für die Behauptung des Angeklagten, das Schöffengericht habe in seiner 'ständigen Beobachtung' der Monika A und in seinem Gespräch mit der Dienstgeberin des B Nötigungsakte erblickt und kann sonach das gesamte darauf bezügliche Beschwerdevorbringen auf sich beruhen, und zwar ebenso wie jenes, das sich darzutun bemüht, die öußerung des Angeklagten, B werde 'bald hin sein' sei nicht als Drohung mit dem Tode aufzufassen; denn eine derartige Qualifikation der Drohung (§ 106 Abs 1 Z 1 StGB) wurde vom Erstgericht gar nicht angenommen (vgl S 466).

Es halten aber auch die einer meritorischen Behandlung zugänglichen Einwände der Rechtsrüge (Z 9 lit a und 9 lit b) einer überprüfung nicht stand:

Daß die konstatierten öußerungen des Angeklagten, er werde B 'hinmachen' und dafür Sorge tragen, daß er bei der Firma D 'hinausfliege', keine bloßen Unmutsäußerungen waren - wie die Beschwerde behauptet -, sondern nach dem Willen des Angeklagten die festgestellten Zwecke (Verlassen der Wohnung der Gabriele C; Unterfertigung des 'Geständnisses'; Lösung des Kontaktes zu Monika

A) bewirken sollten, stellt als (demnach täterbezogene) Auslegung

des Sinngehaltes einer öußerung eine Tatfrage dar, die, weil vom Erstgericht denkfolgerichtig und lebensnah beantwortet, im schöffengerichtlichen Verfahren einer Kritik (mittels Mängelrüge) unzugänglich ist.

Daß aber sämtliche inkriminierte öußerungen des Angeklagten objektiv die Androhung von übeln (im Sinne des § 74 Z 5 StGB) zum Ausdruck brachten und auch dazu geeignet waren, den Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit sowie die Wichtigkeit der angedrohten übel begründete Besorgnisse einzuflößen, ist bei der gegebenen Fallgestaltung nicht zu bezweifeln. Es bleibt also lediglich zu prüfen, ob das Verhalten des Beschwerdeführers, wie er vermeint, nach § 105 Abs 2 StGB gerechtfertigt ist. Dies ist im Ergebnis zu verneinen. Daß die Drohung mit dem 'Hinmachen' jedenfalls den guten Sitten widerstreitet und unter keinen Umständen ein sittlich erlaubtes Mittel zur Durchsetzung eines (wenn auch tatsächlich gegebenen) Anspruches angesehen werden kann, ist evident und bedarf keines Beleges.

Bezüglich der weiteren Drohungen jedoch, der Angeklagte werde dafür sorgen, daß B bei seiner Dienstgeberfirma 'hinausfliegen' und Schadenersatzzahlungen (wegen eines von B verschuldeten Verkehrsunfalles) zu erbringen haben werde und den geforderten Leistungen - Verlassen der Wohnung der Gabriele C; Unterfertigung eines 'Geständnisses' über stattgehabten Ehebruch; Aufgeben des Kontaktes zu Monika A - besteht ersichtlich keine Konnexität zwischen dem erstrebten Erfolg und dem angewendeten Mittel (vgl SSt 17/89), weshalb die Drohungen mit dem geltenden sittlichen Wertkatalog nicht in Einklang gebracht werden können. Es verbleibt sonach lediglich die Drohung des Angeklagten, er werde dafür sorgen, daß B 'in den Häfen käme'. Bei ihr liegt nach dem gegebenen Kontext (vgl S 475) die Annahme nahe, daß sie mit dem Kontakt zwischen B und der Ehefrau des Angeklagten in unmittelbarem Zusammenhang steht; sie könnte unter Umständen also als (legitime) Ankündigung einer Anzeige wegen des Vergehens nach § 194 StGB für den Fall aufgefaßt werden, daß das Verhältnis zwischen Monika A und B nicht beendet wird. Gleichwohl kann in diesem Punkt die Klärung der Frage, ob die öußerung so gemeint war und deswegen die Voraussetzungen des § 105 Abs 2 StGB erfüllt sind, auf sich beruhen. Denn wenn ein Tatbestand jedenfalls schon durch eine der im Urteil angeführten im Fortsetzungszusammenhang (S 7 des Urteils) begangenen mehreren Handlungen verwirklicht wurde, kann ein Rechtsirrtum in Ansehung des Ausspruches über die anderen nicht mit Erfolg geltend gemacht werden; müßte der Schuldspruch wegen schwerer Nötigung doch auch dann aufrecht bleiben, wenn die Drohung, B 'in den Häfen zu bringen', wegfiele (vgl Mayerhofer-Rieder StPO 1 § 282 Nr 19 und die dort angeführte Judikatur; 10 Os 30/84). Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die Fortsetzung der strafbaren Handlung durch längere Zeit sowie die fünf einschlägigen Vorstrafen. Als mildernd zog es hingegen das Geständnis des Angeklagten und seine affektive Spannung zur Tatzeit in Betracht und verhängte es über ihn gemäß § 106 Abs 1 StPO eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er (lediglich) Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, ist nicht begründet. Auch wenn man nämlich zusätzlich als mildernd in Rechnung stellen wollte, daß es ihm um die Erhaltung seiner Ehe ging, könnte angesichts der Modalitäten der Tat und des einschlägig getrübten Vorlebens künftiges Wohlverhalten nicht prognostiziert werden (§ 43 Abs 1 StGB).

Es mußte daher aus spezialpräventiven Erwägungen auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05826

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00037.85.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19850515_OGH0002_0090OS00037_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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