TE OGH 1985/5/15 9Os52/85

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Veröffentlicht am 15.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner A wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 26.November 1984, GZ. 2 b Vr 969/84-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten, des Verteidigers Dr. Gahleithner sowie der gesetzlichen Vertreter Werner und Margarita A zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 13 Abs. 1 JGG. der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.(im Urteil unrichtig: 26.) Juni 1969 geborene Werner A A) des Verbrechens des versuchten (zu ergänzen: schweren) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 StGB. und B) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. schuldig erkannt, weil er 'im Frühjahr 1984' in Perchtoldsdorf (zu A) in Gesellschaft der (deshalb nicht verfolgten) Jugendlichen Christoph und Nikolaus B als Beteiligte versuchte, Friedrich C durch Einsteigen in ein (seiner Ehegattin Brigitte gehöriges) Gebäude und Aufbrechen eines Behältnisses 'Bücher und gebundene Zeitungen' im Gesamtwert von ca. 60.000 S mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen, und (zu B) im Haus der Brigitte C eine Tür mit einem sichelartigen Gegenstand beschädigte.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 4, 5 und 9

lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z. 5) beschwert sich der Angeklagte unter dem Aspekt einer unvollständigen und unzureichenden Begründung des Urteils (mit dem Ziel, die Tatzeit des Diebstahlsversuchs ins Frühjahr 1983 vorzuverlegen und damit die Begehung der Tat noch vor der mit Vollendung des 14. Lebensjahres eintretenden Strafmündigkeit nachzuweisen) darüber, daß sich das Jugendschöffengericht mit Beweisergebnissen, welche 'die Tatfeststellung mit Frühjahr 1984 als ausgeschlossen erscheinen lassen, nicht befaßt' habe. Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde indes keine formalen Begründungsmängel in der Bedeutung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes auf.

Sie erörtert nämlich nur die Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der - soweit relevant, durch das Gericht ohnedies gewürdigten - Verfahrensergebnisse und bekämpft somit insoweit lediglich in unzulässiger (und damit unbeachtlicher) Weise die erstgerichtliche Beweiswürdigung. Das Erstgericht stützte (S. 5 ff. der Urteilsausfertigung) die Konstatierung, daß die Tat im 'Frühjahr 1984' - worunter nach den (mit dem Urteilsspruch eine Einheit bildenden) Entscheidungsgründen in Wahrheit die Monate 'Jänner oder Februar 1984' gemeint sind (vgl. S. 7 und 8 der Urteilsausfertigung) - begangen worden ist, auf die für glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugen Friedrich und Brigitte C (S. 5 ff. = 81 ff., 202, 203), wonach sie (vor ihrem die Anzeigeerstattung bei der Gendarmerie veranlassenden Kontrollgang am 22.März 1984) zuletzt im September 1983 oder einige Wochen davor im Haus Nachschau hielten, sowie auf die Angaben des Angeklagten vor der Gendarmerie (S. 105 ff.), bei der er - im Zuge einer detaillierten Schilderung des wiederholten Aufsuchens der in Rede stehenden Liegenschaft, nämlich erstmals 'glaublich im April 1983', dann 'ca. drei Wochen später', ferner in den Monaten 'Mai und Juni 1983 ... mehrmals', 'den ganzen Sommer 1983 über', 'im Winter 1983/84' und 'im Frühjahr 1984 (Jänner, Februar)' - den Zeitpunkt des Bereitstellens der Bücher und Zeitschriften zum Abtransport (in mitgebrachten Sporttaschen und in Polsterüberzügen) ausdrücklich mit Frühjahr 1984 bezeichnete (vgl. S. 106) und zudem das Unterbleiben des Abtransports dieses Schriftenmaterials damit erklärte, daß das Eindringen in das Haus der Eheleute C mittlerweile entdeckt worden war und die Gendarmerie bereits Erhebungen durchführte (vgl. S. 107). Dadurch erachtete das Erstgericht die davon abweichende Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach er den Diebstahl schon im Frühjahr 1983, somit noch im Alter der Strafunmündigkeit begangen habe, ebenso widerlegt, wie die Angaben der Zeugen Christoph und Nikolaus B (S. 7 der Urteilsausfertigung). Solcherart hat das Schöffengericht schlüssig und empirisch unbedenklich begründet, warum es zur Überzeugung gelangte, daß der Diebstahlsversuch in den ersten Monaten des Jahres 1984 und damit jedenfalls nach dem (am 20.Juni 1983 erfolgten) Eintritt der Strafmündigkeit des Angeklagten unternommen wurde. Demzufolge war das Erstgericht nicht gehalten, sich mit den Angaben des Thomas D vor der Gendarmerie (S. 112 i.V.m. 206) auseinanderzusetzen, wonach die Tat schon im August 1983 verübt worden sei; läge doch ein solcher Tatzeitpunkt ebenfalls nach der Vollendung des 14. Lebensjahres des Beschwerdeführers. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer vermißte Erörterung der (in der Hauptverhandlung verlesenen) Angaben der Zeugen E, F, G, D, H, I und J vor der Gendarmerie (S. 133 f., 142 ff., 112 bis 117, 206), wonach Beschädigungen und Zerstörungen im Haus der Eheleute C bereits in den Monaten 'Juli oder August 1983' bzw. in den 'Sommerferien 1983' oder 'kurz darnach' vorhanden gewesen sein sollen. Denn diese Angaben stehen in keinem erörterungsbedürftigen Gegensatz zu der einen subjektiven Eindruck wiedergebenden Aussage des Zeugen Friedrich C (S. 81, 203), wonach er (zuletzt) einige Wochen vor seinem im September 1983

unternommenen Rundgang um das Haus dessen Inneres noch in Ordnung vorgefunden hatte.

Insoweit der Beschwerdeführer schließlich ins Treffen führt, die auf seiner Verantwortung vor der Gendarmerie beruhende Feststellung der (ungefähren) Tatzeit mit 'Frühjahr 1984' - die der Angeklagte dabei kalendermäßig ausdrücklich mit den Monaten Jänner, Februar 1984 bezeichnet hatte (S. 107) und die daher, wie bereits dargelegt wurde, vom Erstgericht an anderer Stelle der Urteilsgründe (S. 7 und 8 der Urteilsausfertigung) gleichfalls mit diesen Monaten umschrieben wurde - sei mit der (behaupteten) 'weiteren Feststellung', die Zeugen B hätten zur Tatzeit auf dem Grundstück der Brigitte C Kirschen gegessen, unvereinbar, übersieht er zunächst, daß letztere Feststellung im Urteil gar nicht enthalten ist. Im übrigen aber läßt er zudem außer acht, daß das Erstgericht im Weg der ihm gemäß § 258 Abs. 2 StPO. zukommenden Beweiswürdigung den Aussagen der Zeugen Christoph und Nikolaus B ebenso wie jener der Mutter des Angeklagten, wonach die Kirschen auf dem Grundstück der Brigitte C schon im Mai reif gewesen seien und sie die Verwüstungen im Inneren des Hauses bereits im Sommer 1983 wahrgenommen habe, den Glauben zur Gänze versagte (vgl. S. 7 der Urteilsausfertigung).

Die behaupteten Begründungsmängel liegen daher nicht vor. Einen Verfahrensmangel (Z. 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Nichterledigung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrags (S. 205) auf 'Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Höhe des Schadens bezüglich der Tür und allfälliges Vorgehen nach § 42 StGB.

hinsichtlich des Faktums B (Sachbeschädigung) der Anklage'. über diesen Beweisantrag hat das Erstgericht nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls tatsächlich nicht in einer den Prozeßgesetzen entsprechenden Weise (§§ 77, 238 StPO.) entschieden. Diese Formverletzung konnte aber im Hinblick auf die unmißveständlich klargestellte Zielsetzung des Beweisantrages - nach dem durch den Sachverständigen der Eintritt bloß unbedeutender Folgen der Tat dargetan werden sollte - auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben (§ 281 Abs. 3 StPO.). Denn für die Annahme mangelnder Strafwürdigkeit der Tat reicht die Erfüllung dieser in der Z. 2 des § 42 Abs. 1 StGB. umschriebenen Bedingung allein nicht aus.

Vielmehr müssen alle im § 42 Abs. 1 Z. 1 bis 3 StGB. angeführten Voraussetzungen kumulativ gegeben sein (ÖJZ-LSK. 1977/293 u.v.a.), sodaß schon bei Fehlen einer von ihnen § 42 StGB. nicht anwendbar ist.

Vorliegend kann nun bei der Beurteilung der Schuld (§ 42 Abs. 1 Z. 1 StGB.) nicht außer Betracht bleiben, daß der Angeklagte nach den Urteilsannahmen vor Begehung dieser Tat zusammen mit anderen Jugendlichen bzw. Strafunmündigen schon wiederholt unberechtigt in das Haus der Geschädigten eingedrungen war, mit dem dort befindlichen Inventar eigenmächtig nach Belieben zum Nachteil des Eigentümers schaltete, wobei er einen Teil davon sogar mit Bereicherungsvorsatz verbrachte, und solcherart ein Verhalten an den Tag legte, daß eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder doch zumindest gleichgültige Einstellung des Täters zeigt. Unter diesem Blickwinkel gesehen kann jedenfalls nicht gesagt werden, daß sich im vorliegenden Tatgeschehen eine geringe, im Vergleich mit den Regelfällen einer Sachbeschädigung erheblich zurückbleibende Schuld des Beschwerdeführers offenbart.

Mangelt es aber schon an der ersten Voraussetzung der Anwendung des § 42 StGB., dann war das Erstgericht auch nicht dazu gehalten, zu prüfen, ob die vom Angeklagten an sich zugegebene (S. 201 f.) und im Urteil durch die Bezugnahme auf das diesbezüglich abgelegte Geständnis (US. 5) festgestellte Beschädigung nur unbedeutende Folgen im Sinne der Z. 2 des § 42 Abs. 1 StGB.

nach sich gezogen hat. Es mußte demnach der auf die Klärung dieses Umstandes (Z. 4) und die Anwendung des § 42 StGB. (Z. 9 lit. b) abzielenden Beschwerde gegen den Schuldspruch Punkt B aus den angeführten Gründen ebenfalls ein Erfolg versagt werden. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 129 StGB. unter Anwendung des § 11 Z. 1 JGG. zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die es gemäß § 43 (Abs. 1) StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es den bisher unbescholtenen Lebenswandel, das Geständnis und den Umstand, daß der Diebstahl nur bis zum Versuch gediehen war, als mildernd, das Zusammentreffen von zwei strafbaren Handlungen hingegen als erschwerend. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes oder aber die Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG. an. Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Wenngleich der Tatplan zur Begehung des Diebstahls offensichtlich vom Berufungswerber ausgegangen ist, bedarf es nach Lage des Falles neben dem aus den zuvor dargelegten Gründen zwar erforderlichen Schuldspruch nicht (auch noch) des Ausspruchs einer Strafe, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Dies vor allem deshalb nicht, weil der Angeklagte, der zur Tatzeit (erst) im fünfzehnten Lebensjahr stand und nach den Erhebungen der Jugendgerichtshilfe in geordneten Verhältnissen heranwächst, das Unrecht seines Verhaltens erkennbar eingesehen hat und ersichtlich durch das unmittelbar neben seinem Elternhaus gelegene, jahrelang unbewohnte und demzufolge vernachlässigt wirkende Haus (mit Gartenhäuschen) der Eheleute C angelockt wurde, das Grundstück näher zu erforschen. Bei all diesen Voraussetzungen kann aber beim Angeklagten noch mit Grund angenommen werden, daß der Schuldspruch allein genügt, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. In Stattgebung seiner Berufung war daher der Strafausspruch aufzuheben und der Ausspruch sowie die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe für eine dreijährige Probezeit vorläufig aufzuschieben.

Es war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E05815

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00052.85.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19850515_OGH0002_0090OS00052_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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