TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/28 2002/01/0411

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Veröffentlicht am 28.06.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des NB in W, vertreten durch Dr. Georg Karasek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Juli 2002, MA 61/IV-B 230/99, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 9. März 1999 bei ihr eingelangten Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 in Verbindung mit § 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.

Sie traf - lediglich - folgende Feststellungen zum Sachverhalt:

"Er (der Beschwerdeführer) lebt seit Februar 1992 in Österreich, ist ledig und selbständig tätig.

Die ha. Ermittlungen haben ergeben, dass (der Beschwerdeführer) seit seiner Wohnsitznahme in Österreich wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. 1993 wurde er wegen versuchter Entwendung mit einer Geldstrafe belegt. 1998 wurde er vom Bezirksgericht Oberpullendorf wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. 1999 wurde er ebenfalls vom Bezirksgericht Oberpullendorf wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. Sämtliche Gerichtsakten wurden eingeholt und das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten einer Wertung unterzogen.

Die beiden letztgenannten Verurteilungen sind noch nicht getilgt. Die gesetzliche Tilgung wird erst - weitere Straffreiheit vorausgesetzt - mit 31. Jänner 2006 eintreten.

Daneben scheinen zahlreiche Verkehrsdelikte, darunter wiederholtes Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, auf. Im September 2000 wurde (dem Beschwerdeführer) die Lenkerberechtigung, ebenfalls wegen Schnellfahrens, entzogen."

Daran anschließend begründete die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht, weshalb sie - entgegen der vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vertretenen Ansicht - nicht gehindert sei, das Fehlverhalten des Beschwerdeführers auch dann in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen, wenn es nicht so gravierend sei, dass dies die Erfüllung der Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 und Z 6 StbG in Frage stelle.

Auf dieser rechtlichen Grundlage beurteilte die belangte Behörde den Fall des Beschwerdeführers wie folgt:

"Die Verleihungsbehörde hat sehr wohl die für den Einbürgerungswerber sprechenden Umstände (wie weitgehende Anpassung an die österreichischen Lebensverhältnisse, sehr gute Kenntnis der deutschen Sprache, berufliche Integration etc.) beachtet und gewertet, im Hinblick auf die zahlreichen Rechtsverletzungen des (Beschwerdeführers) und den zweifellos höher zu wertenden Anspruch der Öffentlichkeit auf Beachtung von Rechtsnormen konnte jedoch der vom Einbürgerungswerber vermittelte Gesamteindruck eine positive Ermessensübung nicht zulassen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Mit der auch in der Beschwerde vertretenen Rechtsansicht, rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen "in einem Ausmaß von weniger als drei Monaten" hätten bei der Ausübung des der Behörde in § 10 StbG eingeräumten freien Ermessens unter den in § 11 StbG genannten Gesichtspunkten keine Berücksichtigung zu finden, setzt sich der Beschwerdeführer in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

In dem Erkenntnis vom 8. März 2005, Zl. 2004/01/0166, auf das der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht - bloß beispielsweise - gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu diesem Thema aber insgesamt ausgeführt:

"Richtig ist, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde die Begehung strafbarer Handlungen (auch solche, die nur verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden sind) im Rahmen der Ermessensübung nach § 11 StbG berücksichtigen und als Grund für die Ablehnung des Antrages heranziehen kann. Sie darf sich dabei allerdings nicht damit begnügen, die Bestrafungen als solche darzustellen, sondern hat vielmehr die den Bestrafungen (Verwaltungsstrafen) zu Grunde liegenden Tathandlungen zu ermitteln und hierüber Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung vor dem Hintergrund der Gesichtspunkte des § 11 StbG erlauben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2002/01/0168). Solche Feststellungen hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht getroffen, weshalb sich ihr Bescheid schon von daher als mangelhaft erweist."

Auch im vorliegenden Fall fehlen Feststellungen darüber, worin das jeweils geahndete Verhalten des Beschwerdeführers im Einzelnen bestanden haben soll und vor allem auch darüber, wie lange diese Vorfälle zurückliegen (vgl. zum Erfordernis solcher Feststellungen als Grundlage einer fehlerfreien Ermessensentscheidung zuletzt etwa auch die Erkenntnisse vom 7. Oktober 2003, Zl. 2002/01/0156, und vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/01/0600; einen Bescheid der im vorliegenden Fall belangten Behörde betreffend das Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0490; als Gegenbeispiel einer fehlerfreien Ermessensübung das Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 2003/01/0543).

Die belangte Behörde hat in ihren insgesamt sehr kurz gehaltenen Ausführungen aber auch keinerlei Versuch unternommen, konkrete Feststellungen über das für die Ermessensentscheidung nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem wesentliche Ausmaß der beruflichen und persönlichen Integration des Beschwerdeführers (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis vom 8. März 2005 mit weiteren Nachweisen) zu treffen. Mit der bloß beispielsweisen Aufzählung der "für den Einbürgerungswerber sprechenden Umstände" in dem zuvor wiedergegebenen Klammerausdruck fehlt es auch in dieser Hinsicht an ausreichenden Grundlagen für eine rechtliche Beurteilung.

Da die belangte Behörde den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt nicht festgestellt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 28. Juni 2005

Schlagworte

Ermessen VwRallg8 Ermessen besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002010411.X00

Im RIS seit

01.08.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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