TE OGH 1985/10/2 3Ob560/84

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Veröffentlicht am 02.10.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert E*****, vertreten durch Dr. Erwin Hölzl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Alexander Hacker, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 500.000 S und Feststellung s. Ng. (Gesamtstreitwert 520.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26. März 1984, GZ 1 R 43/84-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 3. Dezember 1983, GZ 3 Cg 545/81-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit sie das Feststellungsbegehren betreffen, als Teilurteile bestätigt; soweit sie das Leistungsbegehren betreffen und im Kostenpunkt werden sie aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des durch die Teilurteile erledigten Feststellungsanspruches, an das Erstgericht zurückverwiesen.

Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wird gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen sein.

Text

Entscheidungsgründe bzw.

Begründung:

In der am 17. Dezember 1981 eingebrachten Klage begehrte der Kläger 500.000 S Schmerzengeld samt 4 % Zinsen ab „Klagsbehändigung“ (29. Dezember 1981) und die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm in Hinkunft alle jene Schäden zu ersetzen, die sich als Folgen der Behandlung im Krankenhaus ***** vom 6. bis 9. April 1976 darstellen.

Der Kläger behauptete, er habe am 6. April 1976 im Untersulzbachtal im Bereich der Knappenwand dadurch einen Bergunfall erlitten, daß ihn ein von einer ihm unbekannten Person losgetretener größerer Stein am Kopf und auch am fünften und sechsten Halswirbel getroffen habe. Nach kurzer Versorgung durch den praktischen Arzt Dr. H***** in Neukirchen am Großvenediger sei er von der Bergrettung in das Krankenhaus ***** eingeliefert worden, dessen Rechtsträger die Beklagte sei. Während des dortigen stationären Aufenthaltes vom 6. bis 9. April 1976 sei er nur an seiner Kopfwunde behandelt worden. Seine Verletzungen an der Halswirbelsäule seien überhaupt nicht beachtet worden. Deshalb seien am 9. April 1976 Lähmungserscheinungen aufgetreten und er an diesem Tag vom Roten Kreuz in die neurochirurgische Abteilung der Landesnervenklinik ***** überstellt und nach einigen Stunden in das Unfallkrankenhaus ***** eingeliefert worden, wo er bis Anfang Mai 1976 verblieben und behandelt worden sei. Wegen der unsachgemäßen ärztlichen Versorgung und Behandlung im Krankenhaus ***** sei er querschnittgelähmt. Er habe erst im Herbst 1979 oder 1980 davon Kenntnis erlangt, daß er im Krankenhaus ***** ungenügend und nicht fachgerecht behandelt worden sei, worfür die Beklagte hafte. Das Krankenhaus ***** sei im April 1976 personal- und ausstattungsmäßig zur fachgemäßen Behandlung des Klägers überhaupt nicht in der Lage gewesen und hätte ihn daher sofort in ein entsprechend ausgestattetes Krankenhaus überstellen müssen. Das begehrte Schmerzengeld sei angemessen, das Feststellungsbegehren durch die Dauerfolgen begründet (ON 1, 4 und 28).

Die Beklagte beantragte die Abweisung beider Begehren. Sie gestand zu, Rechtsträger des Krankenhauses ***** zu sein und daß der Kläger dort am 6. April 1976 wegen einer Kopfverletzung und wegen geringfügiger Prellungen behandelt wurde, bestritt aber eine Sorgfaltsverletzung des ärztlichen Personals. Der an Epilepsie leidende Kläger sei vor und nach dem erwähnten Unfall im genannten Krankenhaus sowohl stationär als auch ambulant behandelt worden und hätte sich dabei immer als schwieriger Patient erwiesen, weil er wenig kooperativ gewesen sei und die ärztlichen Anordnungen kaum befolgt habe. Nachdem der Kläger vermutlich wegen eines epileptischen Anfalls beim Bergsteigen abgestürzt sei, sei er vom 26. August bis 3. September 1974 im Krankenhaus ***** stationär behandelt worden, dann aber gegen Revers entlassen worden, weil wegen seiner uneinsichtigen Haltung, unter anderem habe er jede medikamentöse Anfallsbekämpfung verweigert, keine sinnvolle Behandlung möglich gewesen sei. Die Ursachen der am 6. April 1976 im Krankenhaus ***** behandelten Verletzungen des Klägers seien ungeklärt. Es sei möglich, daß der Kläger wegen eines epileptischen Anfalls gestürzt sei. Er sei am späten Nachmittag des 6. April 1976 wegen der Kopfverletzung in das Krankenhaus eingeliefert worden. Die primär erforderliche Wundversorgung sei unverzüglich und fachgerecht durchgeführt worden. Hinweise auf eine Verletzung der Halswirbelsäule hätten nicht festgestellt werden können, der Kopf sei frei beweglich gewesen, alle drei Reflexbewegungen, die auf eine Verletzung des Rückenmarks hinweisen würden, seien normal gewesen. Der Kläger sei bei der Einlieferung zeitweilig bewußtlos gewesen und unter schwerer Schockeinwirkung gestanden. Nach Durchführung der Wundbehandlung und Bekämpfung seines Schockzustandes sei er, als am 8. April 1976 Sensibilitätsstörungen aufgetreten seien, unverzüglich in das Landeskrankenhaus ***** eingeliefert worden. Die Beklagte wendete auch Verjährung ein und bestritt die Höhe des begehrten Schmerzengeldes.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des begehrten Schmerzengeldes von 500.000 S samt 4 % Zinsen seit 30. Dezember 1981 und gab auch dem Feststellungsbegehren statt.

Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Kläger leidet seit dem 10. Lebensjahr an epileptischen Anfällen. 1962 zog er sich bei einem Sturz eine Siebbeinzertrümmerung zu, die eine operative Öffnung der Stirnbeinhöhle zur Folge hatte, wobei die Diagnose einer Spina bifida occulta S 1 gestellt wurde, was jedoch weiter keine Beschwerden machte. In den nächsten Jahren kam es zu mehreren Unfällen, einmal auch zu einem Arbeitsunfall, der jedoch nicht als solcher anerkannt wurde, weil der Kläger vielleicht auch in einem epileptischen Anfall gestürzt sein könnte. An diesen Sturz schloß sich keine unmittelbare ärztliche Behandlung an. Wegen der zunehmenden Anfallsfrequenz bis zu viermal wöchentlich wurde der Kläger im Jahre 1969 pensioniert. Im Laufe der Jahre mußte sich der Kläger wiederholt in stationäre Behandlung des Krankenhaues ***** begeben, da er sich häufig bei Stürzen, die meist durch epileptische Anfälle hervorgerufen wurden, Verletzungen zugezogen hatte. Den Vorschlag einer epileptischen Behandlung lehnte er ab. Im Krankenhaus war er als schwieriger Patient bekannt, da er praktisch jede Medikamenteneinnahme verweigerte und immer möglichst schnell wieder nach Hause wollte, sodaß er gegen Revers entlassen werden mußte.

Am 6. April 1976 wurde der Kläger beim Bergsteigen in der Knappenwand schwer verletzt. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, mehrere ausgedehnte Rißquetschwunden am Schädel, Hautabschürfungen, Prellungen und einen Verrenkungsbruch der Halswirbelsäule zwischen dem fünften und sechsten Halswirbelkörper. Ob als Ursache dieser Verletzungen ein epileptischer Anfall und ein nachfolgender Sturz oder eine Verletzung durch einen herabfallenden Stein und nachfolgenden Sturz in Frage kommt, kann nicht festgestellt werden. Dem herbeigerufenen Arzt war der Kläger bekannt, da er ihm im Rahmen des Sonntagsdienstes schon manchmal erste Hilfe hatte leisten müssen. Ihm war bekannt, daß der Kläger an einem Anfallsleiden laboriert. Wenn Dr. H***** in solchen Fällen zum Kläger gerufen wurde, war der Anfall meist schon vorüber, der Kläger wirkte jedoch meist noch etwas benommen. Dr. H***** fand diesmal den Kläger noch bewußtlos vor, die Reflexe waren herabgesetzt; durch eine kurze Untersuchung in groben Zügen stellte er jedoch fest, daß der Kläger in den vitalen Belangen nicht behindert war. Der Kläger wurde mit einer Trage auf dem Rücken liegend abtransportiert und mit einem Rettungswagen in das Krankenhaus ***** gefahren. Dort wurde er von Primar Dr. Anton K***** in Empfang genommen. Er war bereits bei Bewußtsein, aber noch benommen, sodaß er nur auf starke Reize, etwa lautes Anschreien, reagierte. Die Versorgung der Kopfwunden wurde unter Lokalanästhesie durchgeführt. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Kläger selbst auf den Operationstisch gestiegen ist oder gehoben werden mußte. Dr. K***** führte eine Pupillen-, eine Kniescheiben-, eine Sehnen- und Fersensehnenreflexkontrolle durch und stellte nichts Auffälliges fest. Im Bereich des Halses führte er eine Routinekontrolle des Drehens und Hebens durch und stellte auch dadurch nichts Auffälliges fest. Zur Durchführung von Sensibilitätskontrollen war der Kläger noch zu somnolent. Da für Dr. K***** kein Hinweis auf eine Lähmung bestand, führte er auch keine besonderen Motorikkontrollen durch. Röntgenaufnahmen wurden nicht gemacht. Wäre der Kläger bei seiner Einlieferung in das Krankenhaus ***** geröntgt worden, so hätte man mit Sicherheit auf Grund der Bilder sofort die Gefahr von Lähmungserscheinungen erkannt und ihn sofort nach ***** transferieren müssen, da das Krankenhaus ***** weder in technischen Bereichen noch vom ärztlichen Personal her für derart schwere, komplizierte Verletzungen eingerichtet war. Im vorliegenden Fall ist auf Grund der schweren Verschiebung der Wirbelkörper eine sofortige zumindest teilweise Lähmung wahrscheinlich, doch kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, daß sofort Lähmungserscheinungen auftreten müssen. Es ist durchaus auch möglich, daß diese erst im Laufe der folgenden Tage auftreten, allerdings ist es unwahrscheinlich, daß solche Lähmungserscheinungen länger auf sich warten lassen. Je später Lähmungserscheinungen auftreten, umso günstiger ist dies für den Patienten. Je früher die ersten Lähmungserscheinungen erkannt werden, umso eher kann durch konservative oder operative Maßnahmen ein weiteres Fortschreiten der Lähmungserscheinungen aufgehalten werden. Es gibt allerdings keine Garantie dafür, daß durch Erkennen von Lähmungserscheinungen zum frühest möglichen Zeitpunkt ein weiteres Fortschreiten der Lähmungserscheinungen mit Sicherheit aufgehalten werden kann, nur ist eben die Wahrscheinlichkeit eine viel höhere. Eine so schwere Verschiebung der Wirbelkörper, wie sie der Kläger erlitt, kann nur auf eine ganz erhebliche Gewalteinwirkung zurückgeführt werden, sodaß der Kläger diese Verletzung sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beim Sturz zugezogen hat, nicht jedoch ein allfälliger unsachgemäßer Transport von der Knappenwand ins Tal bzw. mit dem Rettungsauto in das Krankenhaus ***** bzw. später vom Krankenhaus ***** nach ***** dafür in Frage kommen kann. Die Somnolenz des Klägers in den Tagen nach Einlieferung in das Krankenhaus ***** steht in keinem Zusammenhang mit der Wirbelsäulenverletzung und den dadurch hervorgerufenen Lähmungserscheinungen. Wann die ersten Lähmungserscheinungen aufgetreten sind, kann nicht festgestellt werden.

Am 7. April wurde der Kläger vom Turnusarzt Dr. Alexander K*****, der den Kläger im Bett liegend vorfand, im Krankenbett untersucht. Außer den voll versorgten Kopfverletzungen stellte Dr. K***** nichts Auffallendes fest. Obwohl er den Kläger von Kopf bis Fuß untersuchte, ist er sich sicher, daß es damals weder Bewegungsstörungen noch Sensibilitätsstörungen gegeben hat, daß der Kläger also beide Beine und beide Arme normal bewegen konnte. Auch der Kopf konnte bewegt werden. In der Krankengeschichte findet sich allerdings kein Wort über durchgeführte Motorikkontrollen, obwohl diese, wenn sie durchgeführt werden, vermerkt werden sollten. Am 7. April fand sodann vormittags die übliche Visite durch den Chefarzt statt, bei der Nachmittagsvisite war ein Oberarzt dabei. Da weder von Dr. K***** noch von den Krankenschwestern oder sonstigen Pflegepersonen dem Chefarzt oder Oberarzt etwas Auffälliges berichtet wurde, kam es auch zu keiner weiteren Kontrolle mehr. Der Kläger war weiterhin somnolent und daher nur schwer ansprechbar. An diesem Tag wurde er auch von seiner Gattin besucht, der er die Hand gab. Wie dieses Handgeben allerdings genau vor sich ging, kann nicht festgestellt werden. Es kann weiters nicht festgestellt werden, ob der Kläger an diesem Tag oder in der darauffolgenden Nacht Stuhl- oder Urinabgang hatte, bzw. ob er Nahrung zu sich nahm.

Erst am darauffolgenden Tag, dem 8. April 1976 ging die Benommenheit zumindest so weit zurück, daß dem Kläger auffiel, daß er seine Extremitäten nicht normal bewegen konnte und Gefühlsstörungen am ganzen Körper aufgetreten waren. Insbesondere verspürte er in den Händen ein Kribbeln. Als er dies den Ärzten mitteilte, wurde sofort sein Transport mit dem Rettungsauto an die Neurochirurgie des Landeskrankenhauses ***** durchgeführt. Dort wurde neben einem schweren Schädelhirntrauma und versorgten Rißquetschwunden am Schädel eine Luxationsfraktur der Halswirbelsäule C 5/C 6 mit Querschnittlähmung aller vier Extremitäten (Tetraplegie) diagnostiziert. Röntgenologisch zeigte sich eine starke Verschiebung um mehr als eine halbe Wirbelkörperbreite zwischen dem fünften und sechsten Halswirbelkörper. Es wurde ein Einrichtungsversuch durchgeführt, der zur Verbesserung der Stellung führte. Am nächsten Tag erfolgte die Verlegung zur Weiterbehandlung in das Unfallkrankenhaus *****, wobei dort eine fast vollständige Querschnittlähmung aller vier Extremitäten festgestellt wurde. Es wurde eine neuerliche, diesmal vollständige Einrichtung durchgeführt. Am 15. April und am 20. April 1976 hatte der Kläger wieder epileptische Anfälle, und verhielt sich typisch charakterverändert wie bei chronischer Epilepsie üblich: mürrisch, unzugänglich, aggressiv, reizbar, wortkarg, introvertiert, Sonderlingshaltung. Am 16. April 1976 bespuckte er auch das Personal. In der Folge wurde eine Nachbehandlung im Rehabilitationszentrum ***** durchgeführt, die in den folgenden Jahren wiederholt wurde.

Bei Schädelverletzungen, wie sie der Kläger bei seiner Einlieferung in das Krankenhaus ***** aufgewiesen hatte, bzw. bei Unfällen, wie sie der Kläger erlitten hatte, sind vom ärztlichen Standpunkt aus in Richtung auf Lähmungserscheinungen genauere Kontrolluntersuchungen, als sie tatsächlich durchgeführt wurden, erforderlich. Durch solche Kontrolluntersuchungen hätten mit ziemlicher Sicherheit solche Lähmungserscheinungen festgestellt und sodann die nötigen Vorkehrungen, im gegebenen Fall also eine sofortige Überführung an das Krankenhaus in *****, durchgeführt werden müssen. Solche genaueren Kontrolluntersuchungen sehen so aus, daß der Patient aufgefordert wird, seine Gliedmaßen, Finger etc. zu bewegen, um zu sehen, ob er dazu imstande ist. Des weiteren müßte der Patient aufgefordert werden, allfällige Gefühlsstörungen anzugeben. Bei starker Somnolenz eines Patienten ergeben sich bei solchen Kontrolluntersuchungen naturgemäß Schwierigkeiten; ohne Mithilfe des Patienten erscheint eine solche genauere Kontrolluntersuchung nicht möglich. Es ist durchaus üblich, daß bei mehrfach Verletzten, die einer größeren Gewalteinwirkung unterworfen gewesen sind, Röntgenbilder angefertigt werden. Wie bereits erwähnt, hätte man durch Anfertigung von Röntgenbildern auf jeden Fall die schwere Verletzung der Halswirbelsäule sofort erkennen können. Inwieweit bei gröberen Schädelverletzungen Röntgenaufnahmen durchgeführt werden, ist allerdings von Krankenhaus zu Krankenhaus verschieden, es ist dies auch eine Kostenfrage.

Im Jahre 1980 hielt sich der Kläger wiederum im Rehabilitationszentrum ***** auf. Es entwickelte sich dabei eine vertrauensvolle Beziehung zum Sozialarbeiter Daniel P*****, mit dem er auch die möglichen Ursachen seiner Querschnittlähmung besprach. Auch mit anderem Pflegepersonal wurde darüber gesprochen. Dabei wurde insbesondere von P***** die Meinung vertreten, daß der Kläger sofort von ***** in das Krankenhaus nach ***** hätte eingeliefert werden sollen. Im Herbst 1980 erfuhr der Kläger von fachlich geschultem Personal im Rehabilitationszentrum auch, daß dann, wenn seine Lähmungserscheinungen Folge des Unfalls gewesen wären, er im Krankenhaus nicht mehr hätte Harnlassen können und er auch ohne fremde Hilfe nicht fähig gewesen wäre, zu essen und zu trinken. P***** veranlaßte den Kläger schließlich, sich juristischen Beistand zu besorgen. Bei einer Rechtsberatung anläßlich des Amtstages des Bezirksgerichtes Mittersill erhielt der Kläger dann entgegen früheren Beurteilungen die Auskunft, daß ein allfälliger Anspruch gegen das Krankenhaus ***** noch nicht verjährt sein müsse, worauf er um Verfahrenshilfe ansuchte, der nunmehrige Klagsvertreter bestellt wurde, der am 17. Dezember 1981 die Klage einbrachte.

Der heutige Zustand des Klägers ist von einer teilweisen Querschnittlähmung mit weitgehender Wiederherstellung der Sensibilität und relativ guter aktiver Beweglichkeit der Arme und Hände mit der typischen Spastizität und Neigung zu Muskelkrämpfen in den Armen und besonders in den Beinen gekennzeichnet. Im Bereich des Schädels und der Wirbelsäule bestehen keine wesentlichen Beschwerden, wohl aber ausstrahlende Schmerzen in alle vier Extremitäten. Routinemäßig nimmt der Kläger keine Schmerzmittel zu sich; wenn mitunter ungewöhnlich starke Schmerzen auftreten, werden ihm Spritzen verabreicht. Die Harnentleerung wird durch Klopfen und Drücken der Bauchdecke ausgelöst. Der Kläger hat ein subjektives Empfinden, wann der Harn abgeht, und kann dann mithelfen. Das Stuhlabsetzen erfolgt ohne wesentliche Schwierigkeiten (jeden 3. Tag ein Zäpfchen und anschließende Stuhlentleerung). Der Kläger ist subjektiv der Meinung, daß sich sein Zustand langsam, aber stetig bessert. So hat sich z.B. die Durchblutung im Sinne einer subjektiven Erwärmung aller vier Extremitäten gebessert. Ein Umblättern z.B. von Buchseiten und ein Einfinger-Schreibmaschineschreiben mit dem rechten Zeigefinger auf der elektrischen Schreibmaschine ist möglich. Trinken, z.B. mit einem Glas oder Anziehen ist jedoch nicht möglich, ebenso nicht das Zähneputzen, Waschen und Kämmen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im wesentlichen aus, das von der Beklagten zu vertretende Verschulden der den Kläger im Krankenhaus ***** behandelnden Ärzte bestehe darin, daß weder Röntgenaufnahmen des Kopfes gemacht worden, noch in kurzen Abständen Kontrollen der Motorik und Sensibilität durchgeführt worden seien. Der Kausalzusammenhang erscheine dadurch bewiesen, daß bei sofortigem Erkennen der Verletzung mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Lähmungserscheinungen verhindert oder vermindert werden hätten können. Das begehrte Schmerzengeld sei den mit der Querschnittlähmung verbundenen Schmerzen und dem Ungemach angemessen, das Feststellungsbegehren wegen der möglichen Folgeschäden berechtigt. Die Verjährungseinrede sei nicht berechtigt, weil die Verjährungszeit erst im Herbst 1980 begonnen habe, als der Kläger erstmals auf einen möglichen Zusammenhang zwischen seiner Querschnittlähmung und seiner Behandlung im Krankenhaus ***** hingewiesen worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es legte seiner Entscheidung die erstgerichtlichen Feststellungen in ihrer Gesamtheit als entsprechend begründet und ausreichend zugrunde und führte zur Frage des Ursachenzusammenhanges im wesentlichen aus:

Soweit insbesondere Bestimmungen des Krankenanstaltenrechts (z.B. § 12 Salzburger KAG; § 8 Abs. 2 KAG) und des Ärzterechts (z.B. § 1 Abs. 1 und § 7 ÄrzteG) als Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB aufgefaßt würden, trete zumindest weithin eine Milderung oder Umkehr der Beweislast ein. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ausreichend deutlich behauptet habe, daß der nunmehrige Zustand des Klägers auch bei fachgerechtem Verhalten (der Ärzte des Krankenhauses *****), etwa umgehender Röntgenaufnahmen oder weitergehender Kontrolluntersuchungen, jeweils mit sofortiger Überstellung in eine entsprechend eingerichtete Anstalt, in dieser Weise aufgetreten wäre. Jedenfalls sei ein solcher Nachweis nicht erbracht worden. Die Frage einer gleichsam umfassenden Anwendung des § 1311 ABGB könne jedoch auf sich beruhen, weil der Kläger den Ursachenzusammenhang ausreichend nachgewiesen habe. Diesbezüglich werde im Schadenersatzrecht schon allgemein kein strenger Nachweis verlangt. Dies gelte verstärkt für die schwierige Beweisführung bezüglich bloßer Unterlassungen, vor allem in Bereichen, die für den Geschädigten kaum näher einschaubar seien. Insbesondere werde auch auf den Beweis des ersten Anscheins verwiesen. Dabei werde nicht übersehen, daß der Unfall selbst zumindest zunächst als Ursache nicht nur für den Bruch der Wirbelsäule, sondern auch für die Lähmungserscheinungen in Betracht zu ziehen gewesen sei. Im Verfahren sei jedoch hinreichend deutlich und mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit hervorgekommen, daß bei fachgerechtem Verhalten im Krankenhaus der Beklagten die nunmehr in Rede stehenden Weiterungen im Zustand des Klägers nicht eingetreten wären. Es sei einzuräumen, daß die betreffenden Formulierungen, wann der Beweispflicht genügt sei, nicht immer völlig einheitlich seien, wenn etwa der bloße Nachweis der Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges oder jener einer überwiegenden oder hohen bzw. sehr hohen oder bis an die Grenze der Sicherheit gehenden Wahrscheinlichkeit gefordert werde. Beispielsweise werde auch zum Beweis des ersten Anscheins ausgeführt, es genüge, daß die Gegenseite eine andere, nicht gerade recht unwahrscheinliche Ursache aufzeige, oder es müsse sich doch um eine zumindest gleich wahrscheinliche Ursache handeln. Das Berufungsgericht erachte jedoch den Beweis der entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit, daß das Fehlverhalten im Krankenhaus den Beklagten erst für den nunmehrigen Zustand des Klägers ausschlaggebend gewesen sei, als erbracht. Dabei sei hinsichtlich der Tatsachengrundlage der erstgerichtlichen Entscheidung zu beachten, daß Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit zu würdigen seien und Feststellungen etwa auch im Rahmen der Ausführungen zur Beweiswürdigung oder zur rechtlichen Beurteilung enthalten sein können.

Für den Beginn der Verjährung komme es nach § 1489 Satz 1 ABGB darauf an, daß der Geschädigte die Klage mit entsprechender Erfolgsaussicht erheben könne. Das sei dem Kläger erst seit 1980 möglich geworden, als er von einem möglichen Zusammenhang zwischen seinem Zustand und einem im Krankenhaus der Beklagten unterlaufenen Kunstfehler erfahren habe. Daß er davon nicht schon früher Kenntnis erhalten habe, sei ihm nicht vorzuwerfen.

Zur Bemessung des Schmerzengeldes bedürfe es keiner genaueren Feststellungen über die Stärke und Dauer der Schmerzen, weil schon die Feststellungen über den von der Beklagten zu vertretenden Zustand des Klägers mit den entsprechenden Hinweisen auf die Schmerzhaftigkeit und den andauernden schwerwiegenden Bruch in seiner Lebensführung aufzeigten, daß der geforderte Schmerzengeldbetrag nicht überhöht sei. Es komme ja auf die Gesamtheit der Folgen an, wobei hier eine teilweise Querschnittlähmung vorliege, die im April 1976 einen am 14. September 1934 geborenen Mann getroffen habe. Herausgehoben seien lediglich die einschneidenden Einschränkungen in den persönlichen Verrichtungen.

In der mit Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache begründeten Revision begehrt die Beklagte die Abänderung durch Abweisung der Klagebegehren, allenfalls die Aufhebung zwecks Zurückverweisung und neuerlicher Entscheidung durch das Berufungsgericht.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt.

Die beklagte Marktgemeinde ist Rechtsträgerin des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses in *****. Dabei handelt es sich um eine Krankenanstalt im Sinne des § 1 Abs. 1 KAG, BGBl. Nr. 1/1957 i.d.g.F., die u.a. zur Feststellung des Gesundheitszustandes durch Untersuchungen, zur Vornahme operativer Eingriffe und zur Vorbeugung, Besserung und Heilung von Krankheiten durch Behandlung bestimmt ist.

In eine Krankenanstalt können Pfleglinge nur durch die Anstaltsleitung auf Grund der Untersuchung durch den hiezu bestimmten Anstaltsarzt aufgenommen werden (§ 22 Abs. 1 leg. cit.), wobei die Aufnahme von Pfleglingen auf anstaltsbedürftige Personen und auf Personen beschränkt ist, die sich einem operativen Eingriff unterziehen. Bei der Aufnahme ist auf den Zweck der Krankenanstalt und auf den Umfang der Anstaltseinrichtungen Bedacht zu nehmen. Unabweisbare Kranke müssen in Anstaltspflege übernommen werden (Abs. 2 dieser Gesetzesstelle). Als anstaltsbedürftig gelten Personen, deren auf Grund ärztlicher Untersuchung festgestellter geistiger oder körperlicher Zustand die Aufnahme in Krankenanstaltspflege erfordert (Abs. 3 dieser Gesetzesstelle). Als unabweisbar sind Personen zu betrachten, deren geistiger oder körperlicher Zustand wegen Lebensgefahr oder wegen Gefahr einer sonst nicht vermeidbaren schweren Gesundheitsschädigung sofortige Anstaltsbehandlung erfordert (Abs. 4 dieser Gesetzesstelle). Pfleglinge von Krankenanstalten dürfen gemäß § 8 Abs. 2 KAG nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft ärztlich behandelt werden.

Anstaltsbedürftige Pfleglinge sind zu entlassen, wenn ihre Überstellung in eine andere Krankenanstalt notwendig wird und sichergestellt ist (§ 24 Abs. 1 KAG).

Den zitierten Bestimmungen des KAG entsprechen Bestimmungen der Salzburger Krankenanstaltenordnung 1975, LGBl. Nr. 97. Durch die nach anstaltsärztlicher Untersuchung erfolgte Aufnahme des anstaltsbedürftigen Klägers in ihr Krankenhaus am 6. April 1976 übernahm die Beklagte als Rechtsträgerin der Krankenanstalt gegenüber dem Kläger die Verpflichtung, insbesondere die sich aus den vorzitierten gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Pflichten ordentlich zu erfüllen, ihn vor allem sorgfältig zu untersuchen, seine Leiden durch gewissenhafte Behandlung nach Möglichkeit zu bessern und zu heilen und, falls dazu die Überstellung in eine andere Krankenanstalt notwendig sein sollte, ihn dorthin zu entlassen. Die ärztliche Behandlung durfte nur durch die anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft erfolgen.

Zur Erfüllung der ärztlichen Behandlungspflicht bediente sich die Beklagte der in ihrer Krankenanstalt tätigen Ärzte, für deren Verschulden sie dem Kläger nach § 1313 a ABGB wie für ihr eigenes haftet (SZ 11/32; JBl. 1953, 18 und 1959, 595; EvBl. 1966/257, SZ 41/87 u.a.).

Diese Ärzte waren nach § 22 Abs. 1 ÄrzteG (in der damals geltenden Fassung) verpflichtet, jeden von ihnen in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken, also auch den Kläger, ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen und hiebei nach der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie durch Einhalten der bestehenden Vorschriften das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.

Nach den der rechtlichen Beurteilung zu unterziehenden, vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes erstellten die Ärzte, die den Kläger nach seiner Einlieferung am 6. April 1976 im Krankenhaus der Beklagten untersuchten und behandelten, nur eine unvollständige Diagnose, weil sie zwar ein gedecktes Schädel-Hirn-Trauma, zahlreiche Rißquetschwunden am Kopf, zahlreiche Prellmarken und oberflächliche Hautabschürfungen, sonst aber keine gröberen Verletzungen feststellten, obwohl der Kläger unter anderem auch einen Verrenkungsbruch der Halswirbelsäule, nämlich eine Luxation des sechsten Halswirbels mit Verschiebung gegenüber dem fünften Halswirbel (nach dorsal) um mehr als eine halbe Wirbelbreite erlitten hatte. Diese schwere Verletzung wurde erst nach der Überstellung des Klägers in die Landesnervenklinik ***** dort erkannt.

Daß der Verrenkungsbruch der Halswirbelsäule im Krankenhaus der Beklagten nicht erkannt wurde, läßt darauf schließen, daß die dortigen Ärzte den Kläger nicht gewissenhaft untersucht und damit einen Kunstfehler begangen, also gegen die anerkannten Grundsätze der medizinischen Wissenschaft verstoßen haben.

Ärzte haben nach § 1299 ABGB den Mangel der gewissenhaften Betreuung ihrer Patienten nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung zu vertreten (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB Rdz 26 zu § 1299), also jene Sorgfalt, die von einem ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsarzt in der konkreten Situation erwartet wird. Dieser objektive Sorgfaltsmaßstab (hiezu SZ 49/47; EvBl. 1982/3; ZVR 1983/279) wird durch die typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises und durch die differenzierten Erwartungen des Verkehrs bestimmt, wobei der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe entscheidend ist (EvBl. 1981/159 u.a.). Im vorliegenden Fall konnte Primar Dr. K***** im Zuge der bald nach der Einlieferung des Klägers am 6. April 1976 durchgeführten Untersuchung bei der Routineuntersuchung des Halses (Drehen und Heben des Kopfes) nichts Auffälliges, etwa eine Schmerzreaktion des Klägers feststellen, und es waren damals auch die Reflexe an den Beinen vorhanden. Für Primar Dr. K***** ergab sich daraus daher noch kein Hinweis auf eine Lähmung oder auf eine Verletzung der Wirbelsäule.

Dazu führte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten aus, daß eine Röntgenbilduntersuchung allgemein nicht indiziert sei, wenn sich nach der klinischen Untersuchung kein Hinweis auf Skelettveränderungen ergebe; der angenommene Unfallshergang habe weitere Verletzungen als eher unwahrscheinlich bzw. weitere diagnostische Maßnahmen bei dem damaligen schlechten Allgemeinzustand des Klägers als belastend erscheinen lassen. Der Sachverständige erklärte aber im selben, noch vor der Aussage des Zeugen Dr. K***** erstatteten Gutachten, es hätten später genauere Kontrolluntersuchungen in kürzeren Abständen durchgeführt werden sollen (S 11 des Gutachtens, Aktenseite 99). In Kenntnis der Aussage dieses Arztes, daß dieser den Kläger am 7. April 1976 von Kopf bis Fuß untersucht habe und sicher sei, daß es damals weder Bewegungs- noch Sensibilitätsstörungen gegeben habe, und daß der Kläger beide Arme und Beine normal und auch den Kopf, diesen möglicherweise aber nicht voll, habe bewegen können, ergänzte der Sachverständige sein Gutachten in der Tagsatzung vom 7. Oktober 1983 mündlich unter anderem dahin, daß bei Unfällen, wie der Kläger einen erlitten habe, vom ärztlichen Standpunkt aus genauere Kontrolluntersuchungen auf Lähmungserscheinungen erforderlich wären. Diese Untersuchungen bestünden darin, daß der Patient aufgefordert werde, seine Gliedmaßen, Finger etc., zu bewegen. Der Patient müsse dabei auch aufgefordert werden, allfällige Gefühlsstörungen anzugeben. Ohne Mithilfe des Patienten sei eine solche genaue Kontrolluntersuchung nicht möglich (Protokollseite 9, Aktenseite 129). Der Sachverständige betonte noch einmal, daß man auf Grund der äußeren Verletzungen des Klägers, wenn dieser gut ansprechbar gewesen wäre, häufigere Kontrolluntersuchungen auf seine Beweglichkeit machen hätte sollen (Protokollseiten 10/11, AS 130/131). Wäre der Kläger sofort bei seiner Einlieferung in das Krankenhaus der Beklagten geröntgt worden, hätte man auf Grund der Bilder die Gefahr sofort erkannt und ihn sofort nach ***** transferieren können. Es sei durchaus üblich, bei mehrfach Verletzten, die einer großen Gewalteinwirkung unterworfen gewesen seien, wie z.B. bei schweren Autounfällen, Röntgenbilder anzufertigen, um auch bei einem Bewußtlosen die Gefahr von Lähmungserscheinungen erkennen zu können. Im vorliegenden Fall sei es wahrscheinlich so gewesen, daß man wegen der bekannten Epilepsie des Klägers dessen Schläfrigkeit auf diese Krankheit zurückgeführt und nicht an eine Verletzung der Wirbelsäule gedacht habe. Auf die Frage, ob bei solchen äußeren Verletzungen, wie sie der Kläger bei seiner Einlieferung am 6. April 1976 aufgewiesen habe, Röntgenuntersuchungen gemacht werden sollten, meinte der Sachverständige zwar, daß solche Bilder 'eher' gemacht worden wären, wenn der Kläger nicht für seine epileptischen Anfälle bekannt gewesen wäre und wenn nicht seine Schädelwunde auf ein Schädel-Hirn-Trauma und eine daraus resultierende Schläfrigkeit hingewiesen hätte. Wenn der Kläger tatsächlich von selbst auf den Operationstisch gestiegen wäre, hätte natürlich weniger Anlaß bestanden, ihn auf allfällige Lähmungserscheinungen zu röntgen. Der Sachverständige räumte aber ein, daß man, 'wenn man auf Nummer Sicher gehen wollte', am besten jeden Patienten mit etwas größeren Schädelverletzungen auch auf allfällige Lähmungserscheinungen untersuchen und röntgen sollte, doch sei dies auch eine Kostenfrage. Man könne deshalb nicht verlangen, jeden Patienten, der etwas schwerere Schädelverletzungen aufweise, auch auf den Verdacht von Lähmungserscheinungen hin zu röntgen (Protokollseiten 12/13, AS 132/133).

Betrachtet man diese schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen, wie das die Vorinstanzen richtig getan haben, in ihrer Gesamtheit, und nicht, wie das die Revisionswerberin tut, jeweils nur aus dem Zusammenhang gerissene Einzelaussagen, dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß darin, daß beim Kläger, dessen Somnolenz erst am 8. April 1976 zumindest soweit zurückgegangen war, daß ihm auffiel, daß er seine Extremitäten nicht normal bewegen konnte und Gefühlsstörungen am ganzen Körper hatte, bald nach Einlieferung und Versorgung der Schädelwunde Röntgenaufnahmen hätten gemacht werden müssen.

Der Kläger wurde nach einem nicht näher aufgeklärten schweren Bergunfall unter anderem mit einem Schädel-Hirn-Trauma, mehreren ausgedehnten Rißquetschwunden am Schädel, mit zahlreichen Prellmarken und oberflächlichen Hautabschürfungen zwar nicht mehr bewußtlos, aber schockiert und benommen in das Krankenhaus der Beklagten eingeliefert, wobei die Somnolenz erst am 8. April 1976, also zwei Tage nach der Einlieferung soweit zurückging, daß er Wahrnehmungen über die Beweglichkeit seiner Extremitäten und Gefühlsstörungen machen und weitergeben konnte. Der unklare Unfallshergang und die sofort erkannten mehrfachen schweren Unfallsfolgen machten genauere Kontrolluntersuchungen auf durch oberflächliche klinische Untersuchungen nicht erkennbare, aber durchaus mögliche weitere Unfallsfolgen, vor allem innere Verletzungen erforderlich, wobei aber genauere klinische Untersuchungen auf allfällige Lähmungserscheinungen wegen der die nötige Mitarbeit des Patienten ausschließenden starken Somnolenz des Klägers zunächst nicht möglich waren.

Es kann dahingestellt bleiben, ob jeder Patient mit etwas schwereren Schädelverletzungen auch auf den Verdacht von Lähmungserscheinungen hin geröntgt werden muß. Beim Kläger hätte auf Grund des festgestellten Sachverhaltes eine solche, auch die Wirbelsäule einbeziehende Röntgenuntersuchung aber schon deshalb nicht unterlassen werden dürfen, weil sie die sonst angezeigten, wegen der Somnolenz aber nicht möglichen genaueren klinischen Untersuchungen ersetzen hätte müssen.

Bei der ärztlichen Behandlung des Klägers im Krankenhaus der Beklagten ist daher insofern ein von dieser zu vertretender schwerer Behandlungsfehler begangen worden, als wegen der Unterlassung der in diesem konkreten Fall gebotenen Röntgenaufnahmen auch der Wirbelsäule der durch eine solche Untersuchung sofort erkennbare schwere Verrenkungsbruch der Halswirbelsäule nicht diagnostiziert und deshalb auch nicht behandelt wurde, weil die Überstellung des Klägers in eine zur Behandlung einer derart schweren Verletzung geeignete Krankenanstalt tagelang unterblieb.

Damit haben die den Kläger behandelnden Ärzte der Krankenanstalt der Beklagten ihre damals im § 22 Abs. 1 ÄrzteG normierte Pflicht, auch den als Epileptiker bekannten Kläger wie jeden anderen in ihre ärztliche Behandlung übernommenen Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu behandeln, nicht entsprechend erfüllt. Dieses, wie bereits ausgeführt, von der Beklagten nach § 1313 a ABGB zu vertretende rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der in ihrem Krankenhaus behandelnden Ärzte war nach den maßgeblichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen für die Querschnittslähmung des Klägers aus folgenden Gründen kausal:

Die Nichtvornahme der gebotenen Röntgenaufnahmen und die viel zu späte Überstellung in eine zur Behandlung geeignete Krankenanstalt stellen Unterlassungen dar. Eine Unterlassung ist für den Schadenseintritt kausal, wenn die pflichtgemäße Handlung den Eintritt des Schadens weniger wahrscheinlich gemacht hätte als deren Unterlassung (JBl. 1971, 307 und 1972, 426; MietSlg. 33.215; JBl. 1984, 554 u.a.). Insbesondere dann, wenn das schädigende Verhalten in Unterlassungen besteht, genügt ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit des Zusammenhanges für die Haftung (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 1295; SZ 27/43, 33/139 und 36/45; JBl. 1972, 426; KRSlg. 674; JBl. 1984, 554). Gerade bei möglicherweise mit ärztlichen Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschäden von Patienten sind wegen der besonderen Schwierigkeiten eines exakten Beweises an den Kausalitätsbeweis geringere Anforderungen zu stellen, zumal ein festgestellter schuldhafter Behandlungsfehler auf einen nachteiligen Kausalverlauf geradezu hinweist.

In Übereinstimmung mit diesen nach der Rechtsprechung erforderlichen Kriterien haben die Vorinstanzen einen solchen natürlichen Zusammenhang zwischen den Unterlassungen im Krankenhaus der Beklagten und der Querschnittslähmung des Klägers als bewiesen angesehen. Diese Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhanges betrifft den Bereich der nicht revisiblen Beweiswürdigung (insbesondere EvBl. 1983/120 und die dort ausführlich zit. Lehre und Rechtsprechung). Insoweit die Revisionswerberin in ihrer Rechtsrüge vermeint, dem Kläger sei der Kausalitätsbeweis nicht gelungen, ist der Revisionsgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Das Berufungsgericht hat daher die Schadenersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach mit Recht bejaht.

Es hat aber auch die von der Beklagten eingewendete Verjährung zutreffend verneint, weil der Kläger bis 1980 keine Kenntnis davon hatte, daß seine Querschnittslähmung durch Unterlassungen der behandelnden Ärzte im Krankenhaus der Beklagten zurückzuführen sein könnte.

Zu den für das Entstehen eines Schadenersatzanspruches maßgeblichen Umständen, die dem Geschädigten im Sinne des § 1489 ABGB bekannt sein müssen, gehört u.a. auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhanges und bei der Verschuldenshaftung auch die Kenntnis der Umstände, die ein solches Verschulden begründen. Für jemanden, der durch einen ärztlichen Kunstfehler einen Schaden erlitten hat, ohne mangels entsprechenden medizinischen Fachwissens vom Kunstfehler Kenntnis zu haben, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist so lange nicht zu laufen, als diese Unkenntnis andauert, mögen ihm auch Schaden und Schädiger bekannt sein (Schubert in Rummel, ABGB Rdz 3 zu § 1489; JBl. 1964, 371; KRSlg. 643, 653 und 670 u.a.).

Die Revision ist daher, soweit sie das Feststellungsbegehren und den Grund des Schmerzengeldbegehrens betrifft, nicht berechtigt. Das angefochtene Urteil war daher insoweit als Teilurteil zu bestätigen. Hingegen ist die Revision insoweit begründet, als sie die Höhe des Schmerzengeldbegehrens betrifft.

Nach § 1325 ABGB hat die Beklagte dem Kläger ein den erhobenen Umständen angemessenes Schmerzengeld zu bezahlen, allerdings nur für die von ihr zu vertretende Querschnittslähmung, nicht aber auch für die sonstigen Leiden des Klägers, insbesondere auch nicht für die am 6. April 1976 erlittenen Unfallverletzungen. Weil das Schmerzengeld alles Ungemach, das der Kläger im ideellen Bereich im Zusammenhang mit der Querschnittslähmung erdulden mußte und muß, abzugelten hat, müssen diese Umstände möglichst umfassend erhoben werden. Wenn dabei auch die mit der Lähmung an sich verbundenen Unlustgefühle besonders ins Gewicht fallen werden, werden u.a. auch Art, Dauer und Stärke der durch die Lähmung verursachten Schmerzen zu beachten und zu klären sein, ob der zum Schluß der mündlichen Verhandlung zu bemessende Schmerzengeldbetrag eine einmalige Abfindung unter Berücksichtigung der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu berücksichtigenden Folgen oder nur eine Teilabfindung sein soll.

Diese ergänzenden Feststellungen werden kaum ohne Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen möglich sein.

Weil die Sache hinsichtlich des Schmerzengeldes noch nicht spruchreif ist und die Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz vermutlich rascher und kostensparender sein wird (§ 496 Abs. 3 ZPO), waren die Urteile der Vorinstanzen, soweit sie das Schmerzengeldbegehren betreffen, und im Kostenpunkt aufzuheben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenvorbehalte beruhen hinsichtlich des mit den Teilurteilen erledigten Feststellungsbegehrens auf den §§ 52 Abs. 2 und 392 Abs. 2 ZPO, im übrigen auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Textnummer

E06504

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00560.840.1002.000

Im RIS seit

13.09.1995

Zuletzt aktualisiert am

18.09.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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