TE OGH 1986/1/30 13Os2/86

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Veröffentlicht am 30.01.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Kriemhilde P*** wegen der Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 23.Mai 1985, GZ. 7 Vr 2886/83-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte hierauf verwiesen.

Text

Gründe:

Die Versicherungsangestellte Kriemhilde P*** wurde im zweiten Rechtsgang der Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB (1) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt. Darnach hat sie von Anfang 1980 bis Februar 1983 in Graz als Beteiligte mit abgesondert verfolgten Beamten der Zulassungsstelle der Bundespolizeidirektion Graz und weiteren Versicherungsvertretern mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und andere unrechtmäßig zu bereichern, zahlreiche Versicherungsnehmer durch die Vorspiegelung, zwecks Erwirkung der Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr als Bevollmächtigte eine ordnungsgemäß gestempelte Vollmacht vorlegen zu müssen, zur Ausfolgung von je 100 S, somit durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen in einem nicht näher bekannten, jedoch 5.000 S nicht übersteigenden Betrag schädigten (1); ferner hat sie gegenüber Versicherungsnehmern, in deren Namen sie die Anmeldung von Kraftfahrzeugen bei der Zulassungsstelle der Bundespolizeidirektion Graz durchführte, Geldbeträge in nicht mehr eruierbarer Höhe, jedoch im Gesamtbetrag von unter 5.000 S dadurch, daß sie die zum Kauf der Vollmachtstempel kassierten Beträge von jeweils 100 S, in einzelnen Fällen, in denen eine Vollmachtstempelung nicht vorgenommen wurde, nicht zur Gänze, sondern nur zu einem Betrag von maximal 50 S den Anmeldern rückverrechnete und den Differenzbetrag teils für sich selbst und teils für den Schalterbeamten der Bundespolizeidirektion vereinnahmte, die genannten Beträge sich und Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet, sich (oder Dritte) unrechtmäßig zu bereichern (2). Diese Schuldsprüche werden von der Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und 10 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Schon die Mängelrüge (Z. 5) schlägt durch.

Das Schöffengericht hat die Feststellung, daß "die Angeklagte nach Anmeldung der Fahrzeuge gegenüber den Kunden eine genaue Abrechnung nicht durchführte, sondern immer nur vage davon gesprochen wurde, daß für die Vollmacht Beträge eingehoben worden waren und daß ein Teil dieser Beträge an die Beamten ausbezahlt wurde" (S. 278), pauschal auf das abgeführte Beweisverfahren, insbesondere aber auf die Aussagen der Zeugen Othmar S*** und Theodor S*** gegründet (S. 278).

Für die entscheidungsrelevante Frage, wie mit den Zulassungswerbern abgerechnet wurde (siehe die den zweiten Rechtsgang anordnende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 31. Jänner 1985, 13 Os 206/84, insbesondere S. 245 der Akten des Landesgerichts), finden sich indes in den genannten besonderen Beweisquellen keine Anhaltspunkte, zumal die in sich ungereimte Bekundung des Zeugen S***, daß die Verrechnung "gerecht" gewesen sei (S. 269), nicht als taugliche Feststellungsgrundlage angesehen werden kann. Die Aussage des Zeugen S*** blieb überhaupt unergiebig (S. 265 f.).

Dazu kommt, daß die Konstatierung, die Angeklagte fühle sich der ihr zur Last gelegten strafbaren Handlungen schuldig (S. 278), ebenso jeglicher Grundlage entbehrt. Hat sie doch in der Hauptverhandlung geradezu das Gegenteil bekundet, ausdrücklich bestritten, für Vollmachtstempel kassierte Beträge auch nur teilweise für sich behalten zu haben (S. 253, 254 in Verbindung mit S. 265) und rundweg ihren Freispruch verlangt (S. 270). Sie hat zwar eingestanden, Teile der für die Stempelung der Vollmacht gewidmeten Beträge Beamten des Verkehrsamts zugewendet zu haben (S. 254, 255 in Verbindung mit S. 265), was ihr als Veruntreuung angelastet wird. Sie hat aber stets die Verwendung der einbehaltenen Gelder im Interesse der Anmeldungswerber betont und macht nun, auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit. a StPO gestützt, diesbezüglich einen Feststellungsmangel zum Bereicherungsvorsatz (§ 133 Abs 1 StGB) geltend.

Auch dies zu Recht. Ein solcher Vorsatz ist durch die widmungswidrige Verwendung des anvertrauten Guts allein jedenfalls dann noch nicht hinreichend indiziert, wenn der widmungswidrig Verfügende der Meinung gewesen sein konnte, dabei zum Nutzen des Auftraggebers zu handeln (Leukauf-Steininger 2 § 133 StGB, RN. 26; Kienapfel BT. II § 133 StGB, RN. 63 und 64; Bertel in WK., § 133 StGB Rz. 38, 39). Solche auf das Vertrauen der Angeklagten auf die nachträgliche Genehmigung der eigenmächtigen teilweisen Zuwendung der "Vollmachtsgebühr" an Beamte des Verkehrsamts hindeutende Verfahrensergebnisse liegen aber vor (Verantwortung der Angeklagten: S. 254, 255 in Verbindung mit S. 265; Zeuge S*** über "zusätzliche Einnahmen von der Polizei": S. 269; Urteil S. 278 Mitte). Unter diesen Umständen ist mit der Konstatierung, die Angeklagte habe "die Vollmachtsgebühr ganz oder teilweise widmungswidrig" verwendet (S. 279), die subjektive Tatseite, konkret der Bereicherungsvorsatz, nicht festgestellt.

Es war daher schon in nichtöffentlicher Beratung (§ 285 e StPO) der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu nochmaliger Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Der Vollständigkeit halber sei, wie schon im ersten Rechtsgang, darauf hingewiesen, daß sowohl eine vermögensrechtliche Schädigung der Republik Österreich zufolge § 10 Abs 4 AVG als auch eine Geschenkhingabe für eine Pflichtwidrigkeit (§ 307 Abs 1 StGB) ausscheidet; ferner, daß mangels angenommenen Fortsetzungszusammenhangs jede Zuwendung für sich zu beurteilen ist und darum dem Beamten jeweils ein bloß geringfügiger Vermögensvorteil gewährt wurde (§ 307 Abs 2 StGB).

Anmerkung

E07444

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00002.86.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19860130_OGH0002_0130OS00002_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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