TE OGH 1986/2/11 10Os9/86

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Veröffentlicht am 11.02.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Miroslav S*** und Pavel J*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten S*** und J*** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11.Oktober 1985, GZ 20 f Vr 3472/85-127, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Karollus, und der Verteidiger Dr. Haumer und Dr. Rast, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird hinsichtlich beider Angeklagten Folge gegeben und es werden die über sie verhängten Freiheitsstrafen wie folgt erhöht:

bei S*** auf 7 (sieben) Jahre;

bei J*** auf 6 (sechs) Jahre.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen der Angeklagte Pavel J*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und der Angeklagte Miroslav S*** desselben Verbrechens als Beteiligter nach § 12, dritter Fall StGB sowie außerdem des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Dem Angeklagten Pavel J*** liegt zur Last, am 4.März 1985 in Gesellschaft des mittlerweile verstorbenen Kurt S*** als Beteiligter (§ 12 StGB) dem Abdul Aziz AL-S*** und der Renata F*** dadurch, daß er und S*** von den Genannten unter Anhaltung von Faustfeuerwaffen Geld bzw die Ausstellung eines Schecks forderten, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung von Waffen einen Barscheck über 120.000 S mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich (oder Dritte) durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (A). Miroslav S*** wurde schuldig gesprochen, Anfang März 1985 zu dieser von J*** und S*** verübten Tat dadurch beigetragen zu haben, daß er jene bei der Tatplanung unterstützte und ihnen die Räumlichkeiten, in denen die Straftat erfolgen sollte, beschrieb (B), sowie am 10. und 19. März 1985 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, versucht zu haben, Abdul Aziz AL-S*** durch gefährliche Drohung, nämlich durch die in zwei von ihm abgefaßten Schreiben des Inhalts: "Bis 21.3. 3.400.000 S or" und "Konto 6045-01-70315 Creditanstalt Bankverein or" sinngemäß erfolgte Ankündigung der Zufügung zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung zu nötigen, welche Abdul Aziz AL-S*** am Vermögen schädigen sollte (C).

Die Geschwornen hatten die den Angeklagten J*** betreffende, anklagekonform gestellte Hauptfrage A/ (mit der Einschränkung, daß der Hinweis, S*** habe bei der Tat Aufpasserdienste geleistet, zu entfallen hat) bejaht sowie die dazugehörigen Zusatzfragen a/ und b/ nach entschuldigendem Notstand und nach Tatbegehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit verneint. Bezüglich S*** waren von den Geschwornen die Hauptfrage B/ nach Begehung eines schweren Raubes in Gesellschaft des J*** und des S*** sowie die Eventualfrage I/ in Richtung Bestimmungstäterschaft verneint, hingegen die auf Beitragstäterschaft lautende Eventualfrage II/ und die Hauptfrage C/ nach versuchter Erpressung bejaht, die dazugehörigen Zusatzfragen e/ und g/ betreffend Begehung jener Taten im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit aber verneint worden. Eine Beantwortung aller übrigen Eventual- und Zusatzfragen hatte demgemäß zu entfallen.

Dieses Urteil wird von beiden Angeklagten mit (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

S***:

Rechtliche Beurteilung

Die auf die Z 9, 11 lit a, 11 lit b und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten ist zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt, zum Teil unbegründet. Soweit geltend gemacht wird, der Beschwerdeführer sei nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens, namentlich der Verantwortung des Angeklagten J*** in der Hauptverhandlung an dem an AL-S*** und F*** verübten schweren Raub in keiner Weise beteiligt gewesen, und aus den in den von ihm verfaßten Briefen enthaltenen Ausdruck "or" könne nicht auf eine Drohung mit einer Körperverletzung geschlossen werden, wird ein materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt, denn hiezu wäre ein Festhalten an den im Verdikt der Geschwornen angenommenen Tatsachen vorausgesetzt. Die Geschwornen stellten aber durch die Bejahung der Eventualfrage II und der Hauptfrage C fest, daß der Angeklagte S*** zur Ausführung des schweren Raubes an AL-S*** und F*** dadurch beitrug, daß er J*** und S*** bei der Tatplanung unterstützte und ihnen die Räumlichkeiten, in denen der Raub erfolgen sollte, beschrieb, sowie weiters, daß Sinngehalt der von ihm verfaßten Briefe eine Drohung zumindest mit einer Körperverletzung war, welche nach den von den Geschwornen angenommenen Tatumständen auch objektiv geeignet war, begründete Besorgnisse hervorzurufen. Eine Bekämpfung der Richtigkeit des Wahrspruches nach Art einer Schuldberufung unter Bezugnahme auf einzelne Ergebnisse des Beweisverfahrens ist in der Prozeßordnung nicht vorgesehen.

Der Einwand schließlich, der Beschwerdeführer habe (entsprechend der Antwort der Geschwornen auf die Eventualfrage I) nicht zum Raub angeraten und könne daher diese Tat auch nicht unterstützt haben - womit der Sache nach ersichtlich der Nichtigkeitsgrund der Z 9 des § 345 Abs. 1 StPO geltend gemacht werden soll - geht fehl, denn die Beteiligungsformen des zweiten und des dritten Falles des § 12 StGB können in tatsächlicher Hinsicht sowohl einzeln als auch nebeneinander verwirklicht werden, ein sonstiger Tatbeitrag (dritter Fall) ginge lediglich in rechtlicher Hinsicht in der Beteiligungsform der Bestimmung zur Tat (zweiter Fall) auf (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 RN 47 zu § 12; Foregger-Serini, StGB 3 Erl. VI zu § 12 und die dort zitierte Judikatur).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten J***:

Dieser Angeklagte macht die Nichtigkeitsgründe der Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO geltend.

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung erblickt er im Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB.

Tatsachen, wonach seine Tat nicht unter den Tatbestand des schweren Raubes, sondern unter jenen der Nötigung fiele, wurden jedoch in der Hauptverhandlung nicht vorgebracht. Der Angeklagte J*** selbst verantwortete sich vor dem Geschwornengericht dahin, er sei in den Tatplan seines Komplizen S*** zwar nicht voll eingeweiht worden, weil S*** ihm lediglich erklärt habe, er müsse "mit einem Araber abrechnen", räumte aber ein, daß er (zumindest) von dem Zeitpunkt an, als S*** und das Raubopfer AL-S*** mit dem Scheck (aus einem anderen Raum) gekommen seien, gewußt habe, daß "es sich hier um Geld" handle und sich sogleich gedacht habe, S*** würde mit dem weiteren Raubopfer Renata F*** in eine Bank fahren, wonach er (dennoch) die Drohung gegen das Leben AL-S*** durch weiteres Anhalten einer Faustfeuerwaffe an dessen Kopf aufrecht erhielt, bis S*** und F*** mit Bargeld aus der Bank zurückkamen (S 293, 294, 296/II). Damit wich er zwar von seiner Verantwortung im Vorverfahren (S 221 ff, 251/I) ab, wonach er die Begehung eines Raubes mit S*** und S*** bereits in allen wesentlichen Details verabredet hatte, bevor sie sich zum Tatort begaben, gab jedoch zu - mit dem Vorsatz, durch die Zueignung eines Barschecks oder des auf Grund dieses Schecks auszufolgenden Geldes sich (und Dritte) unrechtmäßig zu bereichern - zum Zweck der Abnötigung einer fremden beweglichen Sache weiterhin noch vor dem Gewahrsamswechsel durch Drohung mit einer Schußwaffe tätig gewesen zu sein (vgl ÖJZ-LSK 1979/328; JBl 1985, 175 = ÖJZ-LSK 1984/105; Kienapfel BT II 2 RN 20 und 77 zu § 142 StGB).

Die Verantwortung des Angeklagten J*** in der Hauptverhandlung konnte demnach keinesfalls zu einer von der Anklage abweichenden rechtlichen Beurteilung führen. Die Voraussetzungen für eine auf Nötigung lautende Eventualfrage waren sohin nicht gegeben. Die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung rügt der Angeklagte J*** unter Berufung auf Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO.

Die Behauptung, die Rechtsbelehrung enthalte "mangelhafte Ausführungen über den Vorsatz bzw über Fahrlässigkeit und den Unterschied zur bewußten Fahrlässigkeit" läßt mangels Substantiierung nicht erkennen, worin eine Nichtigkeit erblickt wird und ist damit einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich. Entgegen den weiteren Ausführungen, in denen - unter Wiederholung der Verantwortung des Beschwerdeführers - moniert wird, die Geschwornen hätten darüber belehrt werden müssen, "daß ohne Bereicherungs- bzw Wegnahmevorsatz der Tatbestand des § 142 StGB keinesfalls erfüllt sein könnte", ergibt sich aus der Rechtsbelehrung (S 5 und 7 der Beilage B zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 126), daß die Geschwornen ohnedies darüber belehrt wurden, daß die Begehung eines Raubes die Wegnahme oder Abnötigung einer fremden beweglichen Sache mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, voraussetzt.

Den weiteren Beschwerdeausführungen zuwider enthält die Rechtsbelehrung auch ausführliche und gesetzeskonforme Darlegungen zum entschuldigenden Notstand im Sinn des § 10 StGB (S 25 f der Rechtsbelehrung). Zutreffend wurde dabei eine - von der Beschwerde augenscheinlich vermißte - Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt unterlassen. Der Wahrspruch der Geschwornen, mit dem sie durch Verneinung der Zusatzfrage a/ aussprachen, daß dem Angeklagten J*** eine Notstandssituation nicht zustatten komme, beruht auf einer zutreffenden und vollständigen Rechtsbelehrung. Die Erörterungen in der Beschwerde, in denen der Sache nach versucht wird, mit Beweiswürdigungsargumenten der Verantwortung des Beschwerdeführers über einen von S*** ausgeübten Druck, dem er sich nicht hätte entziehen können, zum Durchbruch zu verhelfen, stellen sich als ein im Nichtigkeitsverfahren nicht vorgesehener und daher unzulässiger Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.

Zu den Berufungen:

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten J*** nach dem ersten Strafsatz des § 143 unter Anwendung des § 41 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 1/2 Jahren und den Angeklagten S*** nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Jahren.

Es wertete beim Angeklagten S*** als erschwerend das Zusammentreffen zweier auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Verbrechen sowie einen raschen Rückfall, als mildernd ein teilweise abgelegtes Geständnis sowie, daß er bezüglich des Raubes (nur) Beihilfetäter war und es hinsichtlich der Erpressung beim Versuch blieb, beim Angeklagten J*** als erschwerend keinen Umstand, als mildernd die weitgehend geständige Verantwortung und "die Unbescholtenheit in Österreich".

Die Angeklagten streben mit ihren Berufungen die Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe, S*** auch die Umwandlung in eine Geldstrafe an; die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Berufung eine Erhöhung des Strafausmaßes bezüglich beider Angeklagten.

Nur der Berufung der Anklagebehörde kommt Berechtigung zu. Zu Unrecht wurde dem Angeklagten J*** eine "Unbescholtenheit in Österreich" als Milderungsgrund zugerechnet. Die Annahme eines bisher ordentlichen Lebenswandels im Sinn des § 34 Z 2 StGB darf sich nicht auf die Betrachtung der Lebensumstände des Täters während seines - hier überdies nur relativ kurzen - Aufenthaltes in Österreich beziehen, sondern muß sich (soweit Informationen verfügbar sind) auch auf sein Verhalten in anderen Ländern erstrecken. J*** ist jedoch in seinem Heimatland nicht unerheblich vorbestraft (ON 105 iVm ON 115). Auch Trunkenheitsdelikte, selbst wenn sie nach österreichischem Recht als Verwaltungsübertretungen zu qualifizieren wären, hindern - vor allem bei wiederholter Begehung, wie hier - die Annahme eines ordentlichen Lebenswandels. Dazu kommt, daß der Angeklagte J*** in seinem Heimatland außerdem nicht nur wegen der auch in Österreich gerichtlich strafbaren Verletzung der Unterhaltspflicht bestraft wurde, sondern vor allem auch wegen Verletzung der Freiheit des Hauses unter Anwendung einer Waffe, einem Delikt, dem gerade unter den Umständen des vorliegenden Falles erhebliche Bedeutung zukommt.

Mit Recht verweist die Anklagebehörde auch darauf, daß die Rolle des Angeklagten S*** nicht entsprechend gewichtet wurde, dessen Mitwirkung bei der Planung des Raubverbrechens von entscheidender Bedeutung war. Der Umstand, daß er bezüglich des Raubes (nur) Beihilfetäter war, fällt demgegenüber deshalb nicht in nennenswertem Maß als mildernd ins Gewicht, weil es nach Lage des Falles allein die naheliegende Befürchtung S***'S (und seiner Komplizen) war, die Raubopfer könnten ihn wiedererkennen, weil er früher in der Wohnung der Opfer gearbeitet hatte. Nur diese Erwägung gab den Anlaß dazu, daß sich S*** an der unmittelbaren Tatausführung nicht beteiligte, es war somit nicht seine geringere verbrecherische Intensität, sondern nur eine zweckorientierte Spekulation der Grund dafür, daß S*** die beiden Komplizen nur bis in die Nähe des Tatortes begleitete.

Zutreffend wird von der Staatsanwaltschaft auch auf den besonders hohen Schuldgehalt des überaus brutalen Raubüberfalls verwiesen. Die beiden Raubopfer wurden über erhebliche Zeit mit Schußwaffen bedroht. Zu diesen schon durch die Zeitdauer bedingten psychischen Qualen kommt, daß jedes der beiden in Lebensgemeinschaft verbundenen Raubopfer bei der Gestaltung der vorliegenden Tat auch jeweils um das Leben des Partners bangen und außerdem befürchten mußte, Zwischenfälle bei der Einlösung des Schecks könnten zur "Hinrichtung" des Partners führen, Umstände die nach der Qualität des Unrechtsgehaltes der Tat einer erpresserischen Entführung nahekommen.

Angesichts des hohen kriminellen Gehaltes der Tat erscheint nicht nur die Anwendung einer außerordentlichen Strafmilderung (bei J***) unvertretbar, es bedarf vielmehr bei beiden Tätern der Festsetzung von Freiheitsstrafen, die sich von der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens abheben müssen.

Ausgehend von diesen Erwägungen und unter Bedachtnahme darauf, daß dem Angeklagten S*** zudem ein Erpressungsversuch zur Last liegt, der eine hohe Geldsumme zum Ziel hatte, war demnach in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft das Strafausmaß bei S*** auf sieben Jahre und bei J*** auf sechs Jahre zu erhöhen.

Die beiden Angeklagten waren mit ihren (unbegründeten) Berufungen darauf zu verweisen.

Anmerkung

E07563

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00009.86.0211.000

Dokumentnummer

JJT_19860211_OGH0002_0100OS00009_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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