TE OGH 1986/4/15 5Ob89/85

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Veröffentlicht am 15.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler, Dr.Jensik, Dr.Zehetner und Dr.Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1) Ingeborg R***, Hausfrau, und 2) Eva S***, Angestellte, beide Ghegastraße 18, 4020 Linz wohnhaft und beide vertreten durch Wolfgang W***, Sekretär des Mieterschutzverbandes Österreichs, Museumstraße 5, 4020 Linz, wider die Antragsgegner 1) Rupert K***, und 2) Margarethe K***, beide Hauseigentümer, Damaschkestraße 11, 4020 Linz, beide vertreten durch Dr.Johann Poulakos, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unangemessenheit des Hauptmietzinses, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 2.Juli 1985, GZ 13 R 307,308/85-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 18.Dezember 1984, GZ 1 Msch 2 und 3/83-24, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Mietrechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung in die zweite Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die beiden Antragstellerinnen sind Hauptmieterinnen von in Anlage und Größe gleichartigen Wohnungen im 3.Stock des den Antragsgegnern gehörigen Hauses Ghegagasse 18 in Linz. Diese Wohnungen bestehen aus einem kleinen, offenen Vorraum, Küche (Einbaumöbel) mit Warm- und Kaltwasserentnahmestelle, Bad mit WC, Waschmuschel und Brausetasse (verkachelt) sowie elektrischem Heißwasserspeicher, elektrischem Heizstrahler und elektrischem Entlüftungsgebläse, und einem Wohn-Schlafzimmer; die Wohnnutzflächen betragen: a) 27,05 m 2 bei der Wohnung der Erstantragstellerin und

b) 27,97 m 2 bei der Wohnung der Zweitantragstellerin. Die im wesentlichen gleichartigen Mietverträge der beiden Antragstellerinnen wurden a) am 4.4.1978 (Erstantragstellerin) und

b) am 15.12.1981 (Zweitantragstellerin) auf unbestimmte Dauer geschlossen. Als monatliche Netto-Mietzinse wurden vereinbart:

a) S 1.600,-- (Erstantragstellerin) und b) S 1.800,-- (Zweitantragstellerin), beide Mietzinse wertgesichert nach dem Lebenshaltungskosten-Index der Landeshauptstadt Linz unter Zugrundelegung der Indexzahl vom Monat des Vertragsschlusses. Im März 1982 stellten beide Mieterinnen bei der Schlichtungsstelle der Landeshauptstadt Linz den Antrag auf Feststellung, daß ab März 1982 die getroffenen Vereinbarungen über den Mietzins insoweit unwirksam seien, als sie den Betrag von je

S 249,48 monatlich übersteigen. Sie behaupteten, ihre Wohnungen seien wegen des nachträglichen Einbaues der Sanitäreinrichtungen auf ihre, der Mieterinnen Kosten, nach dem vorherigen Wohnungsstandard der Kategorie D einzustufen.

Nach Außerkrafttreten der Entscheidung der Schlichtungsstelle entschied das von allen Parteien angerufene Erstgericht, daß der angemessene monatliche Hauptmietzins für die Wohnungen der Antragstellerinnen ab März 1982 S 64,-- pro Quadratmeter betrage, demnach insgesamt für die Wohnung der Erstantragstellerin S 1.728,-- (ohne Umsatzsteuer) und für die Wohnung der Zweitantragstellerin S 1.792,-- (ohne Umsatzsteuer). Das Mehrbegehren der Antragsteller wies es ab, zu dem Begehren der Vermieter, es möge festgestellte werden, daß der festgestellte Hauptmietzins der Wertsicherung unterliege, führte das Erstgericht in der Begründung an, daß dies nur bei Hauptmietzinsen im Sinne des § 16 Abs.2 MRG möglich sei. Zur Beurteilung der Angemessenheit des Hauptmietzinses kam das Erstgericht unter Zugrundelegung des Sachverständigenbefundes über Mietzinsvergleichswerte (Mittelwerte) mit Berücksichtigung verschiedener Abschläge für Minderwerte (Altbau, 3.Obergeschoß ohne Lift, Küchen ohne Heizmöglichkeit). Es stellte ferner fest, daß die Wohnung der Erstantragstellerin von Juni 1977 bis April 1978 und die Wohnung der Zweitantragstellerin von Juli 1980 bis Dezember 1981 nicht vermietet waren, die Umbauarbeiten in beiden Wohnungen jeweils erst nach dem Auszug der Vormieter (aus der Wohnung der Erstantragstellerin im Juni 1977 und aus der Wohnung der Zweitantragstellerin im Juli 1980) begonnen wurden und die Umbaukosten, die erhebliche Mittel verschlangen, zum größten Teil von den Antragsgegnern (Vermietern) bezahlt wurden. Die Mieterinnen haben sich jedoch in Zusatzvereinbarungen zum Mietvertrag verpflichtet, einen Investitionsbeitrag von je S 25.000,-- zu zahlen, der innerhalb von 5 Jahren in jährlichen Raten von 20 % abgeschrieben werden sollte.

Zur rechtlichen Beurteilung der Sache führte das Erstgericht aus, daß hier § 16 Abs.1 Z 6 MRG anzuwenden und die Vereinbarung eines Hauptmietzinses bis zu einem nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig sei; der vereinbarte Investitionsbeitrag stelle keine verbotene Zahlung im Sinne des § 27 MRG dar.

Das von allen Parteien angerufene Gericht zweiter Instanz änderte in teilweiser Stattgebung des Rekurses der antragstellenden Mieterinnen den Sachbeschluß des Erstgerichtes ab und stellte fest, daß ab März 1982 die getroffenen Vereinbarungen über den Hauptmietzins für die Wohnungen der Antragstellerinnen insoweit unwirksam sei, als sie den Betrag von S 249,48 monatlich übersteigen; die darüber hinausgehenden Anträge wies es ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht zweiter Instanz im wesentlichen an:

Die Rechtsunwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung nach § 43 Abs.2 MRG sei von Amts wegen wahrzunehmen und aufzugreifen. Gemäß § 43 Abs.1 MRG gelte das 1.Hauptstück dieses Gesetzes auch für Mietverträge, die vor dem 1.1.1982 geschlossen wurden, sofern keine Sonderanordnung getroffen sei. § 43 Abs.2 MRG normiere ausdrücklich, daß nach bisherigem Recht unzulässige Vereinbarungen selbst dann nicht - auch nicht teilweise - heilen, wenn ihr Abschluß im zeitlichen Geltungsbereich des MRG wirksam wäre; ein vor dem 1.1.1982 unzulässig vereinbarter Mietzins sei also auch nicht mit dem Teil saniert, der dem Kategoriemietzins oder dem angemessenen Mietzins entspricht. Darüberhinaus werde die Fortsetzung des alten Rechts angeordnet. Zur Prüfung der Zulässigkeit der Höhe des Mietzinses werde die Weitergeltung der aufgehobenen Vorschriften fingiert. Altmietzinse, die bis 1.1.1982 nicht auf Grund freier Vereinbarung, sondern gesetzlicher Regelung einzuheben waren, seien grundsätzlich in dieser Höhe weiterhin zu leisten. Demnach sei eine in der Zeit zwischen 1.1.1968 und 31.12.1981 nach § 16 MG geschlossene Vereinbarung über den Mietzins einer Wohnung unwirksam, wenn die Frist für die Neuvermietung nach § 16 Abs.1 Z 2 MG; die sechs Monate betrage, nicht eingehalten wurde. Da die Wohnungen der Antragstellerinnen jedoch über einen längeren als sechs Monate währenden Zeitraum vor Vertragschluß unvermietet gewesen seien, sei bei Abschluß der Mietverträge am 4.4.1978 (Erstantragstellerin) bzw. 15.12.1981 (Zweitantragstellerin) eine freie Mietzinsvereinbarung unzulässig gewesen; der erlaubte Mietzins richte sich vielmehr nach § 2 MG. Dennoch könnten die antragstellenden Mieterinnen mit ihrem Rekurs nicht vollen Erfolg haben, da sie an ihren Antrag vor der Schlichtungsstelle im nun abgeführten gerichtlichen Verfahren gebunden seien: dieser habe jedoch die Unwirksamkeit des den Betrag von monatlich S 249,48 übersteigenden Hauptmietzinsbegehrens der Vermieter zum Inhalt gehabt.

Die Rechtsansicht der Vermieter in ihrem Rekurs, es seien im Hinblick auf die in den beiden Mietverträgen mit den Antragstellerinnen vereinbarte Wertsicherungsklausel die vom Erstgericht als angemessen festgesetzten Mietzinsbeträge nach Maßgabe des § 16 Abs.4 MRG und des dort vorgesehenen Multiplikators wertgesichert, ingoriere, daß sich § 44 MRG insgesamt nur auf Mietverträge beziehen könne, für die bereits nach altem Mietrecht freie Mietzinsvereinbarungen zulässig gewesen seien. Da für die gegenständlichen Verträge diese Voraussetzungen nicht gegeben gewesen seien, sei auch die vereinbarte Wertsicherungsklausel nicht wirksam und diese rechtsungültige Vereinbarung werde durch keine Bestimmung des MRG geheilt.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes bekämpfen die Vermieter mit Revisionsrekurs. Sie stellen den Hauptantrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung den Antrag der beiden Mieterinnen auf Herabsetzung des Hauptmietzinses abzuweisen. Hilfsweise begehren sie die abändernde Feststellung, daß der Hauptmietzins für die von den beiden Antragstellerinnen gemieteten Wohnungen ab März 1982 pro m 2 Wohnnutzfläche je S 64,--, zumindest aber je S 40,-- betrage, bzw. "in eventu, die Angelegenheit an die Vorinstanzen, allenfalls an das Erstgericht, zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen".

Die beiden Antragstellerinnen begehren in ihrer Rechtsmittelgegenschrift, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben, allenfalls es als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Vermieter ist, da er sich gegen den die Abänderung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses aussprechenden Teil der Entscheidung zweiter Instanz richtet, fraglos zulässig (siehe die in Zingher-Würth, MRG'86, im Anhang unter Nr.28 und 31 zu § 37 MRG abgedruckten Entscheidungsleitsätze), er ist aber auch berechtigt.

Dem Rekursgericht ist in der Ansicht beizustimmen, daß in Ermangelung einer besonderen Übergangsbestimmung für sogenannte Altverträge - die vor dem 1.1.1982 geschlossen wurden - das I.Hauptstück des MRG gilt (§ 43 Abs.1 MRG), die Unwirksamkeit von Vereinbarungen in solchen Altverträgen und die Rechtsfolgen dieses Mangels jedoch nach der Rechtslage zur Zeit der Vereinbarung zu beurteilen sind (WÜrth-Zingher, MRG 2 Rdz 5 und 6 zu § 43); es ist auch richtig, daß solche Mängel von Amts wegen aufgegriffen und geprüft werden müssen (dss.aaO Rdz 5), daß im Falle der Nichteinhaltung der für Neuvermietungen mit freier Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs.1 Z 2 MG bestimmten Frist von sechs Monaten nach der Räumung der Wohnung durch den früheren Mieter oder Inhaber anstelle des unzulässig vereinbarten freien Mietzinses der gesetzliche Mietzins nach § 2 Abs.1 MG tritt und Wertsicherungsvereinbarungen in diesem Falle von der Unwirksamkeit erfaßt sind und deshalb auch nicht nach dem Inkrafttreten des neuen Mietrechtes des MRG irgendeine Rechtswirkung entfalten können. Den Vermietern ist jedoch darin zuzustimmen, daß die Entscheidungen der Vorinstanzen in keiner Weise zu ihrem der Vermieter, Sachvorbringen in der ersten Instanz Feststellungen getroffen oder sonst in irgend einer Weise Stellung genommen haben, daß die Wohnungen der Antragstellerinnen innerhalb der Frist des § 16 Abs.1 Z 2 MG zur Neuvermietung gelangt sind (vorbereitender Schriftsatz mit Beweisanbot ON 7, S 35 ff), und daß dem Verfahren deshalb ein wesentlicher, weil entscheidungserheblicher Mangel anhaftet, der von den Vermietern nun mit Recht erstmals geltend gemacht wird, denn sie hatten keine Verpflichtung, die zu ihren Gunsten ergangene Entscheidung des Erstgerichtes in ihrer damaligen Rechtsmittelgegenschrift in Hinblick auf diesen Mangel zu bekämpfen (vgl. Fasching im Handbuch Rdz 1785 und im Kommentar IV Anm.7 zu § 468 ZPO). Aus diesem Grunde muß die Entscheidung des Gerichtes zweiter Isntanz aufgehoben und die Mietrechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Beschlußfassung in diese Instanz zurückverwiesen werden. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß die antragstellenden Mieter die nun aufgehobene Entscheidung nicht bekämpft haben, so daß ungeachtet des nunmehrigen (gänzlichen) Aufhebungsbeschlusses die neuerliche Entscheidung nicht mehr zur Feststellung eines allfälligen gesetzlichen Mietzinses nach § 2 Abs.1 MG in einer Höhe von unter S 249,48 monatlich kommen darf, daß aber andererseits die Vermieter die Entscheidung des Erstgerichtes soweit unbekämpft ließen, daß deshalb auch ein monatlich S 1.728,-- (ohne Umsatzsteuer) für die Erstantragstellerin und S 1.792,-- (ohne Umsatzsteuer) für die Zweitantragstellerin übersteigender Hauptmietzins nicht als angemessen bestimmt werden darf, wenn nach dem Ergebnis des ergänzenden Verfahrens eine freie Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs.1 MG als zulässig anzusehen sein sollte; in diesem Falle müßte freilich auch die Wertsicherungsklausel in den beiden Mietverträgen Berücksichtigung finden, wie dies von den Vermietern begehrt wurde.

Aus den dargelegten Erwägungen ist dem Revisionsrekurs der Vermieter Recht zu geben.

Anmerkung

E08029

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00089.85.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19860415_OGH0002_0050OB00089_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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