TE OGH 1986/4/16 9Os36/86

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Veröffentlicht am 16.04.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.April 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Tomasz W*** und einen anderen wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Ziffer 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Tomasz W*** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 20.Jänner 1986, GZ 1 a Vr 2139/84-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, des Angeklagten Tomasz W*** und des Verteidigers Dr. Michlmayr zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.November 1967 geborene Kraftfahrzeugtechnikerlehrling Tomasz W*** (I.) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB und (II.) des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 3 StGB schuldig erkannt, weil er (zu I.) am 3.November 1984 in verabredeter Verbindung mit weiteren mindestens ca 10 Unbekannten vorsätzlich Johann P*** durch Faustschläge und Fußtritte am Körper verletzte, was eine Rißquetschwunde und einen Bluterguß mit Schwellung im Bereich des rechten Auges, eine Abschürfung am linken Knie, eine Prellung des fünften Fingers der rechten Hand sowie Schmerzen im Bereich des rechten Schulterblattes des Genannten zur Folge hatte, und (zu II.) Ende Dezember 1984 mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, wissentlich dadurch, daß er sich von Albert C*** aus einem von diesem kurz zuvor seinem Dienstgeber gestohlenen Bargeldbetrag den Eintrittspreis für eine Diskothek in der Höhe von ca 50 S bezahlen ließ, den Erlös einer Sache, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte (richtig: eine Sache, nämlich die Eintrittskarte, die aus dem Erlös einer gestohlenen Sache angeschafft worden war), an sich brachte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus den Z 5, 9 lit a und b des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist teils nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, teils nicht begründet. Den erstgerichtlichen Feststellungen zum Schuldspruch I zufolge gehörte der Angeklagte einer Gruppe von ca 20 Anhängern des Fußballklubs R*** an, die sich nach einem Spiel gegen den Fußballklub A*** durch die Hackingerstraße in Wien 14 bewegte. Beim Anblick des durch violette Kleidungsstücke als A***-Fan gekennzeichneten Johann P*** schrie einer aus der Gruppe: "Den violetten Arsch schlagen wir jetzt nieder!" Daraufhin näherte sich der Angeklagte dem P*** von hinten, schlug ihn zunächst mit der Hand in den Rücken, lief sodann um ihn herum, stellte sich ihm in den Weg und versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Während P*** den Angeklagten zur Rede stellen wollte, wurde er bereits von mehreren R***-Fans aus der Gruppe attackiert und kam, da von allen Seiten auf ihn eingeschlagen wurde, trotz Gegenwehr zu Fall. Hierauf traten die R***-Fans auf den am Boden Liegenden, schlugen neuerlich auf ihn ein und ergriffen schließlich die Flucht.

In (Solidarisierung mit) dem erwähnten Ausruf erblickt das Erstgericht eine unmittelbar vor der Tatausführung zustande gekommene "kommandoähnliche" stillschweigende Verabredung der Rapidanhänger, einschließlich des Angeklagten, zu einem gemeinsamen gewalttätigen Vorgehen gegen das Opfer. Aus der Tatsache, daß der körperlich unterlegene Angeklagte den Angriff auf das Opfer wagte, schloß es (vgl S 357 f.), daß der Täter demzufolge schon vor der Attacke auf die tatkräftige Unterstützung der anderen R***-Fans rechnete, der gemeinsame Tatentschluß demnach schon gefaßt worden war, e h e der Angeklagte die Initiative zur Tatausführung ergriff. Diese Begründung ist der Mängelrüge (Z 5) zuwider durchaus denkrichtig und lebensnah sowie durch die Verfahrensergebnisse (vgl insbes S 296 unten und S 304) gedeckt. Mit dem (bloß) spekulativen Einwand, es könnte der Ausruf möglicherweise (auch) zeitlich n a c h dem Angriff des Angeklagten erfolgt sein, wird kein Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt, sondern lediglich in unzulässiger Weise die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs. 2 StPO) angefochten. Daran vermag auch der von der Nichtigkeitsbeschwerde ins Treffen geführte "Zweifelsgrundsatz" nichts zu ändern. Denn dieser ist keiner negativen Beweisregel gleichzuhalten und verpflichtet das Gericht selbst dann, wenn ein Verfahrensresultat eine andere Auslegung oder Schlußfolgerungen zuläßt (wie es die Beschwerde hier behauptet), keineswegs dazu, sich auf jeden Fall für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden; denn auch in einem solchen Fall kann sich das Gericht - wenn es von der Richtigkeit einer dem Angeklagten nachteiligen Version des Geschehens überzeugt ist - die dieser Überzeugung entsprechende Meinung bilden, sofern sie den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 ENr 40, 42, 42 a zu § 258 ua). Soweit in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) im Gegensatz zu den oben wiedergegebenen Urteilsannahmen bestritten wird, daß der Angeklagte zeitlich v o r der Tat mit den anderen Beteiligten den gemeinsamen Tatentschluß gefaßt hatte, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Z 2 StGB mangelten, wird die Beschwerde nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht; denn die Strafprozeßordnung erfordert bei materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründen stets ein Festhalten an dem durch die Urteilsfeststellungen vorgegebenen Tatsachensubstrat.

Der in der Beschwerde sowohl in der Mängelrüge als auch in der Rechtsrüge (sachlich § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) geltend gemachte Umstand, daß der Angeklagte selbst das Opfer nicht verletzte, ist (wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat) unter den gegebenen Umständen rechtlich bedeutungslos, weil es bei der Zurechnung einer in verabredeter Verbindung zugefügten Verletzung im Sinne der Qualifikation nach § 84 Abs. 2 Z 2 StGB nicht erforderlich ist, daß jeder der Verabredeten an der Tatausführung aktiv beteiligt ist, geschweige denn die Verletzung unmittelbar selbst verursacht (Leukauf-Steininger 2 RN 11 f zu § 84 StGB ua).

Zum Schuldspruch Punkt II (wegen sog. "Ersatzhehlerei") wendet die Beschwerde das Vorliegen der Voraussetzungen mangelnder Strafwürdigkeit nach § 42 Abs. 1 StGB ein (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO).

Auch dieser Vorwurf hält einer Überprüfung nicht stand. Erfordern doch die (kumulativen) Bedingungen des § 42 Abs. 1 (Z 1) StGB u.a. eine g e r i n g e S c h u l d des Täters, worunter ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildlichen Verhaltens hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zu verstehen ist (Leukauf-Steininger Komm 2 § 42 Nr 9). Davon kann aber vorliegend, ungeachtet der geringen Höhe des für den Eintritt bezahlten Geldbetrages, nicht (mehr) gesprochen werden, weil der Beschwerdeführer in Kenntnis der Modalitäten der Vortat - Dienstnehmerdiebstahl - und seiner eigenen Strafbarkeit ohne wesentliche innere Hemmungen (S 308 f, 346 d.A) einen Teil der Diebsbeute für seine Zwecke verwenden ließ. Aus den dargelegten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde sohin zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten sowie sein volles Geständnis hinsichtlich des Verhehlungsfaktums und verhängte über ihn gemäß §§ 28, 84 Abs. 1 StGB, 11 Z 1 JGG eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten, deren Vollzug es gemäß § 43 (Abs. 1) StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Anwendung des § 13 JGG, allenfalls eine Reduzierung der Freiheitsstrafe anstrebt, ist nicht begründet.

Der Berufungswerber vermag keine zusätzlichen Milderungsgründe ins Treffen zu führen, und es sind solche aus den Akten auch nicht ersichtlich. Geht man aber von der erstgerichtlichen Basis aus und legt man zudem den vorliegend notorisch bedeutsamen Erwägungen der Generalprävention - Rowdytum im Zusammenhang mit Sportereignissen - die gebührende Bedeutung bei, dann rechtfertigt allein schon das Körperverletzungsdelikt die vom Schöffengericht gefundene und ohnehin bedingt nachgesehene Unrechtsfolge, weshalb deren Reduktion nicht in Betracht kam.

Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E08062

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00036.86.0416.000

Dokumentnummer

JJT_19860416_OGH0002_0090OS00036_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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