TE OGH 1986/6/27 11Os96/86 (11Os97/86)

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Veröffentlicht am 27.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafvollzugssache des Karl Heinz A*** sowie in der Strafsache gegen den Genannten wegen des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Linz vom 13.November 1985, AZ. 7 Bs 393/85, und des Bezirksgerichtes Wels vom 12.Februar 1986, GZ. U 1207/80-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Es verletzen das Gesetz:

1. In der Strafvollzugssache AZ. Ns 1065/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis, betreffend Karl Heinz A***, der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegerichtes vom 13. November 1985, 7 Bs 393/85, mit welchem der Beschwerde des Verurteilten Karl Heinz A*** gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 3.September 1985, Ns 1065/85-9, Folge gegeben und dieser Beschluß dahin abgeändert wurde, daß Karl Heinz A*** die Einleitung des Strafvollzuges wegen Vollzugsuntauglichkeit (§ 5 Abs. 1 StVG) nachträglich aufgeschoben wurde, in den Bestimmungen der §§ 5 Abs. 1 und 133 Abs. 1 StVG;

2. in der Strafsache U 1207/80 des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis gegen Karl Heinz A*** wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB der Beschluß dieses Gerichtes vom 12. Februar 1986, ON. 40, mit welchem die Einleitung des Strafvollzuges der mit Urteil dieses Gerichtes vom 9.Februar 1981,

U 1207/80-19, über Karl Heinz A*** verhängten Freiheitsstrafe von einem Monat wegen Vollzugsuntauglichkeit aufgeschoben wurde, in der Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVG.

Text

Gründe:

Der am 25.Februar 1934 geborene Frührentner Karl Heinz A*** wurde am 9.April 1985 vom kreisgerichtlichen Gefangenenhaus Wels zur Verbüßung einer mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 12. Dezember 1984, GZ. 11 Vr 1498/84-25, wegen des Verbrechens der (am 6.September 1984) versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten (rechtskräftig seit 11.März 1985) in die Strafvollzugsanstalt Suben überstellt (ON. 34) und hätte im Anschluß daran auch noch eine mit Urteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 9.Februar 1981, GZ. U 1207/80-19, wegen des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB verhängte Freiheitsstrafe von einem Monat verbüßen sollen. Er stellte am 4.Juni 1985 (eingelangt am 5.Juni 1985) beim Kreisgericht Ried im Innkreis als Vollzugsgericht den Antrag auf nachträglichen Aufschub des Strafvollzuges gemäß dem § 133 StVG (ON. 1 in Ns 1065/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis). Dies mit der sinngemäßen Begründung, daß er bereits seit dem Jahr 1977 - somit schon bei Strafantritt - auf beiden Augen erblindet sei; dieser Umstand lasse in Verbindung damit, daß er infolge der Haft von seiner ihm kirchlich angetrauten Ehefrau Katharina M*** getrennt leben müsse, welche schwerst gehbehindert sei, die Strafhaft für ihn besonders belastend erscheinen. Sein Begehren wurde vom Leiter der Strafvollzugsanstalt Suben mit Schreiben vom 17. Juni 1985 (ON. 2) befürwortet, nachdem der Anstaltsarzt am 14. Juni 1985 ein Gutachten erstattet hatte, demzufolge bei Karl Heinz A*** seit etwa acht Jahren totale Blindheit ohne Aussicht auf Besserung besteht und worin die Meinung vertreten wird, daß die Vollzugsvoraussetzungen im Sinn des § 133 StVG nicht gegeben seien; die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis stimmte dem Antrag des Verurteilten am 20.Juni 1985 (S. 4) zu.

Der gerichtsmedizinische Sachverständige Univ.Prof. Dr.Klaus J*** gelangte in seinem Gutachten vom 1.Juli 1985 (ON. 5 des Ns-Aktes) zum Ergebnis, daß A*** zufolge seiner totalen Erblindung im Sinn des § 5 StVG für eine normale Haft untauglich ist, die Strafe jedoch in einer Sonderanstalt für Blinde vollzogen werden könne, zumal A*** einer Aufsichtsperson bedürfe (welche allerdings nicht besonders ausgebildet sein muß) und nach entsprechender Anlernung solche Arbeiten verrichten könne, welche normalerweise von Blinden geleistet werden, wie etwa Korb- und Flechtarbeiten oder ähnliche Tätigkeiten.

Der Leiter der Strafvollzugsanstalt Suben teilte hiezu dem Kreisgericht Ried im Innkreis mit Schreiben vom 28.August 1985 mit, daß ihm keine Anstalt bekannt ist, welche in organisatorischer Hinsicht geeignet wäre, einen blinden Strafgefangenen zu betreuen; eine Aufsichtsperson im Sinn des oberwähnten Gutachtens sei im Strafvollzug nicht vorgesehen.

Die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis wiederholte hierauf am 30. August 1985 (ON. 8) unter Hinweis darauf, daß eine "Sonderanstalt für Blinde" nicht existiere, ihre bereits erwähnte frühere (zustimmende) Stellungnahme (Vorgehen nach dem § 133 StVG). Mit Beschluß vom 3.September 1985, ON. 9, wies das Kreisgericht Ried im Innkreis den Antrag des Strafgefangenen Karl Heinz A*** auf nachträglichen Aufschub des Strafvollzuges ab. Es begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß Vollzugsuntauglichkeit im Sinn des § 5 Abs. 1 StVG nicht vorliege, zumal sich der Strafgefangene A*** bereits fünf Monate lang (unbeschäftigt) in Strafhaft befinde, ohne gesundheitliche Schäden davongetragen zu haben, er zu Blindenarbeiten wie Korb- und sonstigen Flechtarbeiten herangezogen werden könne und es am Anhaltspunkte dafür fehle, daß der Inhaftierte nicht wie ein gesunder Strafgefangener erzieherisch betreubar sei.

Gegen diesen ihm am 12.September 1985 zugestellten Beschluß erhob Karl Heinz A*** am 24.September 1985 das Rechtsmittel der Beschwerde (ON. 10).

Das Oberlandesgericht Linz holte hierauf ein (weiteres) gerichtsmedizinisches Gutachten des Univ.Prof. Dr.Gerhard K*** ein (ON. 14; erstattet am 28.Oktober 1985). Darin kam der Sachverständige zum Ergebnis, daß der Strafgefangene Karl Heinz A*** aufgrund seiner völligen Erblindung arbeitsunfähig und hilflos im Sinn des ASVG sei, lediglich in einem speziell für die Betreuung von Blinden und Sehschwachen eingerichteten Institut zu einfachen Arbeiten angelernt werden könnte und sich demnach bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme in Strafhaft in einem solchen Zustand befunden habe, in dem ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Vollzug aus physischen Gründen undurchführbar erscheine.

Das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht gab hierauf mit Beschluß vom 13.November 1985, 7 Bs 393/85 (ON. 12 im Akt Ns 1065/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis) der Beschwerde des Verurteilten Folge und änderte den angefochtenen Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis dahin ab, daß bei Karl Heinz A*** die Einleitung des Strafvollzuges wegen Vollzugsuntauglichkeit (§ 5 Abs. 1 StVG) nachträglich aufgeschoben wird. Es verwies zur Begründung im wesentlichen auf den Inhalt der Gutachten der Sachverständigen Univ.Prof. Dr.Klaus J*** und Univ.Prof. Dr.Gerhard K*** und fügte dem bei, daß zufolge telefonischer Auskunft des Bundesministeriums für Justiz in keiner österreichischen Strafvollzugsanstalt eine Abteilung für den Vollzug von Freiheitsstrafen an Blinden eingerichtet ist und die Justizwachebeamten für einen Vollzug an Blinden auch nicht geschult werden. Beim Strafgefangenen A*** sei daher wegen des bereits bei Antritt der Strafhaft bestehenden Zustandes (§ 133 Abs. 1 StVG) ein dem Wesen der Strafe entsprechender Vollzug aus physischen Gründen undurchführbar. Die Voraussetzungen für eine Ersatzhaft im Sinn des § 5 Abs. 3 StVG erachtete das Beschwerdegericht als "noch nicht gegeben". Karl Heinz A*** wurde demgemäß am 22.November 1985 (10,00 Uhr) aus der Strafhaft entlassen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 9. Februar 1981, GZ. U 1207/80-19, war Karl Heinz A*** des Vergehens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Monats verurteilt worden. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft. Nachdem die zu 1./ erwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz im Verfahren Ns 1065/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis bekanntgeworden war, schob das Bezirksgericht Ried im Innkreis (§ 7 Abs. 1 StVG) mit Beschluß vom 12.Februar 1986, U 1207/80-40, die Einleitung des Vollzuges dieser Freiheitsstrafe wegen Vollzugsuntauglichkeit (§ 5 Abs. 1 StVG) auf. Dieser Beschluß wurde dem Verurteilten am 25. Februar 1986 zu eigenen Handen zugestellt, der Bezirksanwalt erklärte Rechtsmittelverzicht; damit wurde auch dieser Bechluß rechtskräftig.

Rechtliche Beurteilung

Der in der Strafvollzugssache Ns 1065/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis ergangene Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 13.November 1985, 7 Bs 393/85, sowie der Beschluß des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 12.Februar 1986, U 1207/80-40, verletzen - wie die Generalprokuratur in ihrer Beschwerde gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO zutreffend darlegt - das Gesetz in der Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVG, der erstgenannte Beschluß auch in jener des § 133 Abs. 1 StVG, und zwar aus folgenden Gründen:

Gemäß dem § 5 Abs. 1 StVG ist dann, wenn ein dem Wesen der Freiheitsstrafe (§ 20 StVG) entsprechender Strafvollzug wegen einer Krankheit oder Verletzung, wegen Invalidität oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Schwächezustandes auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Strafvollzugsortsänderung (§ 10 StVG) mit den Einrichtungen der in Betracht kommenden Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen nicht durchführbar ist oder im Hinblick auf einen dieser Zustände das Leben des Verurteilten durch die Überstellung in die betreffende Anstalt gefährdet wäre, die Einleitung des Strafvollzuges so lange aufzuschieben, bis dieser Zustand aufgehört hat.

Zweck des Strafvollzuges ist es gemäß dem § 20 Abs. 1 StVG dem Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung zu verhelfen und ihn davon abzuhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen, und außerdem den Unwert des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens aufzuzeigen. Im Sinn des Absatzes 2 der genannten Gesetzesstelle sind hiezu die Strafgefangenen entsprechend von der Außenwelt abzuschließen, sonstigen Beschränkungen der Lebensführung zu unterwerfen und erzieherisch zu beeinflussen.

Aus diesen Gesetzesbestimmungen ergibt sich daher, daß unbeschadet der keineswegs nebensächlichen und auch eingehend geregelten (vgl. den dritten Unterabschnitt des StVG, §§ 44 ff. StVG) Funktion, welche der Arbeit im Rahmen des Strafvollzuges zukommt, der Frage der Arbeitsfähigkeit oder -unfähigkeit eines Verurteilten bei Beurteilung seiner Vollzugstauglichkeit unter dem Gesichtspunkt der Erreichung der Strafzwecke nicht jene dominierende Bedeutung zukommt, die das Oberlandesgericht Linz ersichtlich annahm (vgl. § 44 StVG über die "Arbeitspflicht" und die Anmerkungen 2 und 4 hiezu bei Kunst). Dieses Gericht irrt vielmehr, wenn es - wie aus den Gründen seiner Entscheidung ableitbar - vermeint, die Annahme der Vollzugsuntauglichkeit praktisch allein auf Arbeitsunfähigkeit und "Hilflosigkeit" des Verurteilten stützen zu können. Zu Recht hatte das Kreisgericht Ried im Innkreis in der Begründung seines Beschlusses vom 3.September 1985 (ON. 9) darauf verwiesen, es sehe keine Anhaltspunkte dafür, daß ein erblindeter Strafgefangener etwa nicht wie ein anderer Strafgefangener erzieherisch betreut werden könnte. Wie die Erfahrung - auch im gegenständlichen Fall, in welchem sich der Verurteilte bereits monatelang in Strafhaft befand - zeigte, ist der Vollzug der Strafhaft an Blinden in der Regel auch nicht mit Gesundheitsschädigung verbunden. Daß der Strafvollzug einem Behinderten, den die Beschränkungen der Haft härter treffen als einen Gesunden, den Unwert des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens eindringlich in Erinnerung bringt, kann ebensowenig bezweifelt werden wie der Umstand, daß auch ein erblindeter Verurteilter durch die mit dem Strafvollzug verbundene Abschließung von der Außenwelt davon abgehalten wird, weiterhin schädlichen Neigungen nachzugehen. Hiezu sei darauf hingewiesen, daß Karl Heinz A*** insgesamt 24 gerichtliche Vorverurteilungen aufweist. Innerhalb der letzten acht Jahre, demnach bereits im Zustand der Blindheit, verübte er nachstehende Straftaten:

1. Am 18.August 1980 das Vergehen der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z. 2 StGB, wofür er mit Urteil des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 9.Februar 1981, U 1207/80-19, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Monats verurteilt wurde. (In diesem Verfahren wurde die Einleitung des Strafvollzuges mit Beschluß des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 12.Februar 1986,

U 1207/80-40, wegen Vollzugsuntauglichkeit gemäß § 5 Abs. 1 StVG aufgeschoben.)

2. Am 15.April 1983 das Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und drei Tage später das Vergehen der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB, wofür er mit Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 17.Mai 1983, 6 E Vr 955/82 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 S, im Uneinbringlichkeitsfall zu 45 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt wurde.

3. Im Sommer 1983 das Verbrechen des teils versuchten und teils vollendeten Beischlafes mit Unmündigen nach den §§ 206 Abs. 1 und 15 StGB (drei Angriffe), wofür er mit Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 2.Mai 1985, 6 Vr 132/85-14, unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das im folgenden zu 4. angeführte Urteil rechtskräftig zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünfzehn Monaten verurteilt wurde (von der Einleitung des Strafvollzuges wurde hier im Hinblick auf die zu 4. ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz von vornherein Abstand genommen).

4. Am 6.September 1984 das Verbrechen der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB (an einer 77-jährigen), wofür er mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 12.Dezember 1984, 11 Vr 1498/84-25, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verurteilt wurde. In diesem Verfahren wurde der weitere Strafvollzug mit dem nunmehr gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO bekämpften Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Beschwerdegerichts vom 13.November 1985, Bs 393/85, gemäß dem § 133 Abs. 1 StVG nachträglich aufgeschoben.

Es erweist sich sohin, daß sich der Verurteilte durch seine Blindheit nicht davon abhalten läßt, (wiederholt) strafbare Handlungen, und zwar auch solche gravierender Art, zu begehen, sobald er sich in Freiheit befindet. Sein Zustand steht somit der Durchführung eines dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechenden Strafvollzuges nicht entgegen.

Im Zusammenhang damit sei noch darauf verwiesen, daß der Verurteilte - entgegen der vom Oberlandesgericht Linz zum Ausdruck gebrachten Ansicht - im Hinblick auf die bereits während des Stadiums seiner Blindheit begangenen mehrfachen schweren Sexualverbrechen als für die Sicherheit der Person (wozu auch die Sicherheit vor Angriffen gegen die Freiheit in geschlechtlicher Beziehung gehört; vgl. Kunst, StVG, Erl. 5 zu § 5, S. 25) besonders gefährlich angesehen werden muß und folglich eventualiter die Voraussetzungen für eine Ersatzhaft im Sinn des § 5 Abs. 3 (Z. 1 a) StVG als gegeben angesehen werden müßten.

Da bei Karl Heinz A*** sohin ungeachtet dessen, daß derzeit in Österreich keine speziell für die Betreuung von Blinden und Sehschwachen eingerichteten Strafvollzugsanstalten bestehen, in welchen er auch zu einfachen (etwa Korbwarenerzeugungs- oder sonstigen Flecht-)Arbeiten angelernt werden könnte, die im § 5 Abs. 1 StVG normierten Voraussetzungen der Vollzugsuntauglichkeit - und folglich auch die hierauf verweisenden Voraussetzungen für einen nachträglichen Aufschub des Strafvollzuges im Sinn des § 133 Abs. 1 StVG - nicht vorliegen, wäre rechtsrichtig vom Oberlandesgericht Linz der Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 3.September 1985, Ns 1065/85-9, nicht Folge zu geben gewesen. Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 13.November 1985, 7 Bs 393/85, mit welchem gegenteilig entschieden wurde, verletzt demnach das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 5 Abs. 1 und 133 Abs. 1 StVG. Desgleichen verletzt auch der Beschluß des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 12. Februar 1986, U 1207/80-40, das Gesetz in der Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVG, und zwar ebenfalls aus den bereits dargelegten Gründen. Der vom Generalprokurator ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war darum stattzugeben.

Anmerkung

E08682

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00096.86.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19860627_OGH0002_0110OS00096_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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