TE OGH 1986/7/2 9Os101/86

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Veröffentlicht am 02.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Lachner und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Weitzenböck als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter K*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 14. Mai 1986, GZ 11 Vr 667/85-91, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem (einstimmigen) Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Walter K*** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 6. September 1985 in Bruckneudorf (seine Ehefrau) Anna K*** dadurch vorsätzlich getötet hat, daß er mit einem Messerbajonett in Dolchform mit zweischneidiger, spitz zulaufender, 43,5 cm langer Klinge vorerst der vor ihm flüchtenden Frau zumindest vier wuchtige Hiebe gegen den Kopf und den Nacken sowie gegen die Rückenpartie versetzte und sodann der schwerst verletzt bäuchlings auf dem Boden Liegenden insgesamt 23 Stiche in den Rücken zufügte, von denen 20 den Rumpf gänzlich durchdrangen, mehrere die Lungen, die Leber sowie das Darmgekröse perforierten und einer das Herz durchstach. Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer allein auf die Z 1 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In deren Ausführung rügt er das Urteil als nichtig, weil das Mitglied (Beisitzer) des Schwurgerichtshofes Richter Dr. Alois P*** während des Vorverfahrens "zweimal faktisch als Untersuchungsrichter tätig gewesen" sei, indem Dr. P*** am 6.September 1985 die Bestellung des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Doz.Dr.B*** (zwecks Vornahme eines Ortsaugenscheines und Durchführung der Leichenöffnung) angeordnet und außerdem am 8.Oktober 1985 mit ihm (dem Angeklagten) nach Vorführung aus der Untersuchungshaft eine "persönliche Aussprache" geführt habe; der genannte Richter sei daher gemäß § 68 Abs. 2 StPO von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung - in der er diese Ausgeschlossenheit sogleich geltend gemacht habe - ausgeschlossen gewesen.

Zum erstbezeichneten Vorwurf ergibt sich zwar aus dem an das Landesgericht Eisenstadt zum AZ 5 a Ns 138/85 gerichteten Bericht (ON 43) des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien über die Teilnahme des Sachverständigen Doz.Dr.B*** am Ortsaugenschein (im Wohnhaus der Eheleute K***), daß gegen Mittag des 6.September 1985 "von Seiten des Landesgerichtes Eisenstadt (Dr. P***)" die telefonische Verständigung erfolgte, wonach aus Anlaß eines Mordes in Bruckneudorf die Durchführung eines Lokalaugenscheins mit anschließender Leichenöffnung notwendig sei. Hiezu hat jedoch der genannte Richter in dem von ihm verfaßten Amtsvermerk vom 16.Mai 1986 (ON 90) unter Hinweis auf die Aktenlage aufklärend berichtet, daß Augenschein und Obduktion am 6.September 1985 nicht von ihm, sondern vom zuständigen Untersuchungsrichter Dr. W*** angeordnet (vgl. S 5, 11/I) und auch durchgeführt wurden (S 1, 77/II), wogegen er die offensichtlich aus Versehen erfolgte Erwähnung seines Namens in dem bezeichneten Bericht (ON 43) damit erklärte, daß (auch) er an dem genannten Tag (6.September 1985) in einer anderen Strafsache (nämlich zum AZ 5 a Vr 369/85 des Landesgerichtes Eisenstadt) die Durchführung einer Obduktion angeordnet und in diesem Zusammenhang mit Dr. B*** (fernmündlich) Rücksprache gehalten habe (S 227, 231/III). Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, daß Dr. P*** insoweit in der den Beschwerdeführer betreffenden Sache als Untersuchungsrichter jedenfalls nicht tätig gewesen ist.

Gleiches gilt für die am 8.Oktober 1985 erfolgte Aussprache des Angeklagten mit dem genannten Richter. Seine Vorführung aus der Untersuchungshaft hat Dr. P*** auf Grund des (mit Freitag, den 4. Oktober 1985 datierten und am Montag, den 7.Oktober 1985 beim Landesgericht Eisenstadt eingelangten) schriftlichen Ansuchens des Inhalts: "Ich bitte um dringende persönliche Aussprache" (vgl. S 229/III) deshalb veranlaßt, weil sich der nach der Geschäftsverteilung zuständige Untersuchungsrichter Mag. T*** in der Woche vom 7. bis 11.Oktober 1985 auf Urlaub befand und dessen - überwiegend in Zivilsachen tätiger - Vertreter Dr. W*** verhindert war.

Nach den im wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Angeklagten und des Richters Dr. P*** (vgl. S 115 ff, 225 ff, 229/III) waren Gegenstand dieser Aussprache ein damals in Purbach erfolgter Einbruch in eine dem Angeklagten gehörige Hütte, in welchem Zusammenhang er seine Ausführung zwecks Ermittlung des tatsächlichen Schadensumfanges anstrebte, und die Sorge des Angeklagten um seine (drei) Kinder (S 116 f, 118, 225 f/III).

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 68 Abs. 2 StPO ist von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung (u.a.) ausgeschlossen, wer in derselben Sache, sei es auch bloß zeit- oder vertretungsweise, als Untersuchungsrichter tätig gewesen ist. Durch den Ausschluß der in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig Gewesenen von der Mitwirkung und Urteilsfällung in der Hauptverhandlung soll - anders als in Jugendstrafsachen (§ 36 Abs. 2 JGG) - jeder Anschein einer Befangenheit der mit der Entscheidung in der Hauptsache befaßten Richter vermieden werden, der daraus entstehen könnte, daß man ihre spätere Unparteilichkeit (wenngleich von der Sache her unbegründet) speziell wegen ihrer Tätigkeit im Vorverfahren im Hinblick auf eine daraus resultierende Voreingenommenheit in Zweifel zöge. Ein derartiger Eindruck könnte allerdings nicht schon durch bloße Verfügungen rein formeller Art oder von ganz untergeordneter Bedeutung erweckt werden (vgl. 13 Os 50/79; SSt 52/57). Im vorliegenden Fall hat Dr. P*** während der urlaubsbedingten Abwesenheit bzw. Verhinderung des zuständigen Untersuchungsrichters und dessen Vertreters unter ausdrücklichem Hinweis darauf, (bloß) Vertreter des Letzteren zu sein, weder Anträge welcher Art auch immer aufgenommen noch über solche entschieden und auch sonst keinerlei Verfügungen getroffen, den Angeklagten vielmehr wegen seines Ausführungswunsches ausdrücklich auf den zuständigen Untersuchungsrichter verwiesen.

Art und Umfang der in Rede stehenden Aussprache, die in keinerlei konkreten Untersuchungshandlungen Niederschlag gefunden hat, fehlt daher die Eignung, hieraus die Unparteilichkeit des genannten Richters bei der Entscheidung in der Hauptsache in Zweifel zu ziehen. Da die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 StPO demnach nicht vorliegen, war Dr. P*** als Mitglied des Schwurgerichtshofes von der Mitwirkung und Urteilsfällung in der Hauptverhandlung nicht ausgeschlossen.

Soweit aber der Beschwerdeführer Äußerungen des genannten Richters bei der erwähnten Aussprache in die Richtung einer allfälligen Unverhältnismäßigkeit zwischen dem abzuklärenden (an sich geringen) Vermögensschaden einerseits und einer über dem Angeklagten wegen der Tötung seiner Ehefrau schwebenden (allenfalls bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe reichenden) Strafdrohung ins Treffen führt, genügt der Hinweis, daß eine Ablehnung Dris. P*** wegen Befangenheit nicht erfolgt ist, eine (bekämpfbare) Entscheidung darüber demnach in erster Instanz nicht erging und die (bloße) Befangenheit (u.a.) eines Richters Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z 1 StPO jedenfalls nicht zu bewirken vermag (SSt. 40/32; EvBl. 1970/245, 1975/142).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet nach §§ 285 d Abs. 1 Z 2, 344 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung abgesprochen werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09081

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0090OS00101.86.0702.000

Dokumentnummer

JJT_19860702_OGH0002_0090OS00101_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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