TE OGH 1986/7/9 3Ob567/86

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Veröffentlicht am 09.07.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache für Ralph Peter W***, geboren 6. September 1966, Gesellenheim der Stadt Wien, 1100 Wien, Zohmanngasse 28, infolge Revisionsrekurses der Eltern Agnes und Peter W***, 1030 Wien, Schlachthausgasse 44/4, gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes vom 22. April 1986, GZ 15 c R 7/86-92, womit der Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Pflegschaftsgericht vom 30. Dezember 1985, GZ 25 P 30/81-88, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Erstmals am 17. Juli 1984 (ON 67), dann wieder am 1. August 1984 (ON 68) und 16. August 1984 (ON 70) beantragte der Vater, den am 6. September 1966 geborenen Ralph Peter W*** wieder der Erziehung durch die leiblichen Eltern zu überlassen und seine Minderjährigkeit zu verlängern. Am 25. August 1984 ersuchten beide Eltern unter Hinweis auf diese Anträge um baldige Entscheidung.

Das zuständige Jugendamt äußerte sich am 3. September 1984 dahin, daß keine Gründe für die Aufhebung der gerichtlichen Erziehungshilfe vorlägen und auch keine Umstände gegeben seien, die eine Verlängerung der Minderjährigkeit rechtfertigen würden. Mit Beschluß vom 7. Dezember 1984 (ON 79) wies daraufhin das Erstgericht den Antrag auf Verlängerung der Minderjährigkeit ab. Über einen gegen diesen Beschluß von den Eltern im Jänner bzw Februar 1985 erhobenen Rekurs (ON 80 und 81), welcher der zweiten Instanz vom Erstgericht am 12. Februar 1985 bzw nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses auch an Ralph Peter W*** am 19. März 1985 vorgelegt wurde, entschied das Gericht zweiter Instanz mit Beschluß vom 9. August 1985 (ON 85) dahin, daß der Beschluß des Erstgerichtes zwecks notwendiger Ergänzung des Verfahrens aufgehoben werde.

Nach Vornahme weiterer Erhebungen entschied das Erstgericht mit Beschluß vom 30. Dezember 1985 (ON 88) dahin, daß die Anträge der Eltern, Ralph Peter W*** in ihre Pflege und Erziehung einzuweisen und die Minderjährigkeit zu verlängern, abgewiesen würden. Das Erstgericht verwies einerseits darauf, daß Ralph Peter W*** nunmehr seit 6. September 1985 volljährig geworden sei und vertrat zum Antrag auf Verlängerung der Minderjährigkeit darüberhinaus die Auffassung, daß keine Umstände vorlägen, die eine solche Entscheidung rechtfertigen würden.

Das Gericht zweiter Instanz gab einem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Eltern keine Folge. Es vertrat die Ansicht, daß über einen noch zur Zeit der Minderjährigkeit gestellten Antrag auf Verlängerung der Minderjährigkeit nach § 173 ABGB nach Eintritt der Volljährigkeit nicht mehr positiv entschieden werden könne. Und wegen des Erlöschens der aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten gemäß § 172 ABGB könne auch dem Antrag auf Zuweisung solcher Rechte nicht mehr entsprochen werden.

Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz erheben die Eltern einen Revisionsrekurs mit der Begründung, die Entscheidung der Vorinstanzen sei rechtswidrig, stelle einen Rechtsmißbrauch und eine Rechtsbeugung dar und verstoße gegen die Bestimmungen der Menschenrechtskonvention und des Staatsgrundgesetzes.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Revisionsrekurs ist jedoch aus folgenden Gründen unzulässig:

Gemäß § 16 Abs. 1 AußStrG kann gegen einen Beschluß der zweiten Instanz, der den Beschluß der ersten Instanz bestätigt, nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, wegen Aktenwidrigkeit oder wegen Nullität (Nichtigkeit) Revisionsrekurs erhoben werden. Keiner dieser allein zulässigen Rekursgründe wird jedoch von den Beschwerdeführern aufgezeigt.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur vor, wenn eine Frage im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (E des OGH EFSlg 47.208, 44.642).

Gemäß § 173 Abs. 1 ABGB hat das Gericht auf Antrag des Vaters oder der Mutter die Minderjährigkeit des Kindes "noch vor dem Eintritt der Volljährigkeit" zu verlängern, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Aus dieser Formulierung des Gesetzes folgt, daß nach Eintritt der Volljährigkeit einem noch vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Antrag auf Verlängerung der Minderjährigkeit nicht mehr stattgegeben werden kann. Daß nämlich schon durch die Antragstellung allein der Eintritt der Volljährigkeit hinausgeschoben werde, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (E des OGH EFSlg 40.859). Aus welchem Grund eine zeitgerechte Beschlußfassung unterblieb, ist dabei unbeachtlich (E des OGH EFSlg 35.989). Die vom Gericht zweiter Instanz vertretene Auffassung ist daher nicht offenbar gesetzwidrig, sondern entspricht vielmehr dem Wortlaut des Gesetzes und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ebenso übrigens auch Pichler in dem von Rummel herausgegebenen ABGB-Kommentar RN 2 zu §§ 173, 174 ABGB). Eine Aktenwidrigkeit wird im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt. Und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der angefochtene Beschluß nichtig sein soll, abgesehen davon, daß nach dem oben Gesagten eine positive Erledigung des Antrages der Eltern wegen zwischenzeitig eingetretener Volljährigkeit ohnedies nicht möglich wäre.

Soweit im Ergänzungsschriftsatz der Eltern gerügt wird, es sei die Zuständigkeitsordnung verletzt worden, ist der erhobene Vorwurf unbegründet. Wenn ein Erziehungsnotstand als erwiesen angenommen wird, gehört eine Pflegschaftssache gemäß § 22 JGG in Wien nicht mehr vor die gewöhnlichen Pflegschaftsgerichte, sondern vor den Jugendgerichtshof. Im übrigen werden nur Punkte zur Sprache gebracht, die mit dem jetzt zu entscheidenden Problem nichts zu tun haben und zu denen der Oberste Gerichtshof auch schon deshalb nicht Stellung nehmen kann, weil es sich um rechtskräftig entschiedene Fragen handelt.

Der unzulässige Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E08528

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00567.86.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19860709_OGH0002_0030OB00567_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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