TE Vwgh Erkenntnis 2005/8/4 2001/17/0158

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Veröffentlicht am 04.08.2005
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §217 Abs7 idF 2000/I/142;
BAO §219;
BAO §236 Abs1;
BAO §236;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der H Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG, Tuchlauben 17, 1014 Wien, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Juli 2001, Zl. RV/98-09/01, betreffend Nachsicht von Säumniszuschlägen in Angelegenheit von Versicherungs- und Feuerschutzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Finanzen) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 9. November 2000 wurden der beschwerdeführenden Partei Säumniszuschläge in der Höhe von jeweils 2 % für die von ihr für den Monat August 2000 nicht fristgerecht entrichtete Versicherungs- und Feuerschutzsteuer (S 38,103.355,70 motorbezogene Versicherungssteuer, S 7,044.285,30 Versicherungssteuer und S 86.391,92 Feuerschutzsteuer) in der Höhe von insgesamt S 904.681,-- vorgeschrieben. Die Festsetzung der Säumniszuschläge sei erforderlich gewesen, weil die beschwerdeführende Partei die angeführten Abgaben nicht fristgerecht entrichtet habe.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2000 ersuchte die beschwerdeführende Partei um Nachsicht der mit Bescheid vom 9. November 2000 festgesetzten Säumniszuschläge.

Als Bevollmächtigte hätten die Versicherer die Versicherungs- und Feuerschutzsteuer selbst zu berechnen und diese Abgaben bis spätestens am 15. Tag des auf den Abrechnungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonates abzuführen. Die Versicherungs- und Feuerschutzsteuer für den Monat August 2000 in der Höhe von S 45,234.033,-- sei demzufolge am 16. Oktober 2000 fällig geworden. Auf Grund der krankheitsbedingten Abwesenheit der bei der beschwerdeführenden Partei für die Entrichtung der Abgaben zuständigen Mitarbeiterin sei dieser Fälligkeitstermin nicht wahrgenommen worden. Nach ihrer Rückkehr habe diese Mitarbeiterin die Abfuhr der gegenständlichen Abgaben im Wege eines telefonischen Zahlungsauftrages an die Hausbank der beschwerdeführenden Partei am 20. Oktober 2000 mit einer Verspätung von vier Tagen veranlasst. Für diese viertägige Säumnis seien Säumniszuschläge in der Höhe von S 904.681,-- vorgeschrieben worden, was bezogen auf die Bemessungsgrundlage einer Zinsbelastung von 180 % entspräche.

Die beschwerdeführende Partei begründete ihren Nachsichtsantrag im Wesentlichen damit, dass das Wesen des Säumniszuschlages gewiss das einer gewollte Härten bewusst in Kauf nehmenden, formstrengen Sanktion sei. Das wirtschaftliche Missverhältnis zwischen schuldhaftem Fehlverhalten und dessen steuerlicher Auswirkung sowie die prozentuelle und fälligkeitsbezogene Starrheit der Berechnung seien prinzipiell gewollt. Die grundsätzliche Nachsichtsfähigkeit von Säumniszuschlägen lasse die fallbezogene Entschärfung unbilliger Folgen daher grundsätzlich zu. Die Unbilligkeit nach der Lage des Falles als Voraussetzung für die Ermessensübung bei der Nachsicht einer Abgabe könne in der Person des Abgabepflichtigen oder in der Sache selbst begründet sein. Im Beschwerdefall sei auf die sachliche Unbilligkeit Bedacht zu nehmen. Sachliche Unbilligkeit sei dann anzunehmen, wenn der Belastungseingriff beziehungsweise die Nichtabwendung der Belastungsfolgen als solche im Einzelfall unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Person des Abgabepflichtigen ein unzumutbares und unverhältnismäßiges Ergebnis zur Folge hätte. Zur sachlichen Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung führten unter anderem Umstände der Einhebung, die im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes im Widerspruch stünden und über die mit der Einhebung des Säumniszuschlages typischerweise verbundenen Härten hinausgingen.

Auf Grund des langjährigen tatsächlichen Gestionsverhaltens der beschwerdeführenden Partei sei davon auszugehen, dass diese stets mit größter Zuverlässigkeit, Präzision und Umsicht ihre Abgabenleistungen vielfältigster Art erfüllt und diese ungeachtet des unverhältnismäßig großen Zahlungsvolumens stets mit Genauigkeit, Pünktlichkeit und Pflichtbewusstsein erfüllt habe. Die Versagung der Nachsicht der gegenständlichen Säumniszuschläge, deren Vorschreibung auf ein geringfügiges und entschuldbares Versehen der zuständigen Mitarbeiterin zurückzuführen sei, sei nicht gerechtfertigt. Bei Erkennen der Säumnis sei die Bezahlung der gegenständlichen Abgaben von der Mitarbeiterin sofort veranlasst worden. Das Verhalten der beschwerdeführenden Partei gegenüber dem Abgabengläubiger sei in höchstem Ausmaß korrekt, zuverlässig, pünktlich und genau, weshalb sie den zu respektierenden legitimen Zielen ohnedies aus eigenem im höchsten Maße gerecht werde. Es bedürfe nicht der Ausübung eines Druckmittels, um ein Verhalten zu erreichen, das der beschwerdeführenden Partei ohnehin jederzeit eigen sei. Die beschwerdeführende Partei sei innerhalb der vorangegangenen sechs Monate nur einmal hinsichtlich der Zahlung der Abgaben für den Monat April 2000 (Zahlung am Montag statt am Freitag) säumig geworden. Damals sei auf Grund dieser einmaligen Säumnis die Regelung des § 221 Abs. 1 BAO angewandt worden, wobei die beschwerdeführende Partei keine Kenntnis von dieser Säumnis gehabt habe. Bei Kenntnis eines derartigen Vorfalles wären von der beschwerdeführenden Partei zusätzliche Maßnahmen gesetzt worden, um Fristversäumnisse in Zukunft jedenfalls zu vermeiden. Aus diesem Grund wäre es auch angebracht, den Steuerpflichtigen von einer erstmaligen Säumnis im Sinne des § 221 Abs. 1 BAO zu verständigen. Da die beschwerdeführende Partei im Übrigen in den letzten Jahren ihren Zahlungsverpflichtungen immer pünktlich und termingerecht nachgekommen sei, wäre im Beschwerdefall nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen die Voraussetzung für eine Nachsicht der gegenständlichen Säumniszuschläge gegeben. Gemessen an der Dauer der Verspätung und einer im Wirtschaftsleben üblichen Verzinsung für die Nutzung von Kapital erscheine die Höhe der gegenständlichen Säumniszuschläge jedenfalls als unzumutbare Belastung.

1.2. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2000 wies das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern das Nachsichtsansuchen der beschwerdeführenden Partei ab. Da die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages eine objektive, vom Verschulden unabhängige Rechtsfolge der nicht fristgerechten Abgabenentrichtung sei, sei die Festsetzung eines Säumniszuschlages auch bei einer Säumnis von nur vier Tagen eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage und rechtfertige nicht die Annahme sachlicher Unbilligkeit.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 1. Februar 2001 Berufung und brachte vor, dass gesetzliche Regelungen auf Grund ihrer allgemeinen Gültigkeit und ihres hohen Abstraktionsgrades im Einzelfall immer wieder zu unbilligen Härten führten. Für solche Sachverhalte, die zwar in den Anwendungsbereich einer belastenden Norm fielen, aber zufolge ihrer individuellen Besonderheiten - unter Bedachnahme auf Sinn und Zweck der Rechtsnorm - nicht oder nicht voll von der Belastung erfasst sein sollten, biete die Nachsicht eine Möglichkeit, die formelle Strenge des Gesetzes zu entschärfen und einen Ausgleich zu schaffen. Die Vorschreibung der gegenständlichen Säumniszuschläge in der Höhe von S 904.681,-- sei eine außergewöhnlich harte Auswirkung der Abgabenvorschriften. Die Belastung der beschwerdeführenden Partei sei unverhältnismäßig und stehe in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu dem Zinsverlust, den die Finanzbehörde durch die viertägige Verspätung erlitten habe, und dem Zinsgewinn, den die beschwerdeführende Partei durch diese zeitliche Verzögerung lukriert habe. Wäre die beschwerdeführende Partei bestrebt gewesen, unter Missachtung ihrer abgabenrechtlichen Verpflichtungen einen Zinsgewinn durch verspätete Entrichtung ihrer Abgaben zu erzielen, hätte sie die Zahlungsfrist erheblich länger überschritten, da eine längere Säumigkeit in gleicher Höhe sanktioniert würde. Der Gesetzgeber bringe in § 221 Abs. 1 BAO zum Ausdruck, dass Steuerpflichtige wie die beschwerdeführende Partei, die ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich ordnungsgemäß nachkämen und nur ausnahmsweise säumig seien, von der Entrichtung eines Säumniszuschlages befreit sein sollten. Die Abweisung des Nachsichtsansuchens der beschwerdeführenden Partei würde im Beschwerdefall eine besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften bedeuten und insoferne eine Unbilligkeit im Sinne von § 236 BAO darstellen.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei als unbegründet abgewiesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setze der Tatbestand der Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einhebung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben würden. Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe könne nach der Lage des Falles eine persönliche oder eine sachliche sein. Die beschwerdeführende Partei habe ihr Ansuchen ausdrücklich nur auf das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit gestützt. Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liege vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintreten würde. Eine solche Unbilligkeit liege nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen sei. Jedenfalls müsse es zu einer anormalen Belastungswirkung und - verglichen mit ähnlichen Fällen -

zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles sei aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege und die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folge. Die Kraft Gesetzes entstehende Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages stelle eine objektive, vom Verschulden des Abgabenschuldners unabhängige Rechtsfolge der nicht fristgerechten Abgabenentrichtung dar. Bei der Festsetzung eines Säumniszuschlages bestehe kein Raum für die Berücksichtigung subjektiver Gründe für das Nichtbeachten des Fälligkeitszeitpunktes. Auch ein bloßes Versehen oder ein entschuldbarer Irrtum löse die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages aus. Die Nichtberücksichtigung von subjektiven Momenten bei der Festsetzung des Säumniszuschlages sei eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage, sodass dadurch keine sachliche Unbilligkeit begründet werden könne.

Aus § 217 Abs. 1 in Verbindung mit § 219 BAO ergebe sich, dass die Nichtentrichtung einer Abgabe bis spätestens am Fälligkeitstag unabhängig von der Dauer der Säumnis zur Vorschreibung eines Säumniszuschlages in der Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages führe. Dass der Säumniszuschlag im Verhältnis zum Zinsgewinn des Abgabepflichtigen umso höher sei, je kürzer die Säumnis sei, sei daher eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage.

Der Umstand, dass § 211 Abs. 2 BAO für bestimmte Entrichtungsarten eine Toleranzfrist von drei Tagen einräume, bedeute nicht, dass die Zahlung innerhalb dieser Nachfrist noch rechtzeitig wäre. Richte es beispielsweise ein Abgabepflichtiger - aus welchen Gründen auch immer - so ein, dass er seine Zahlungen nicht spätestens am Fälligkeitstag, sondern (gerade noch) innerhalb der dreitägigen Respirofrist leiste, so habe er auch das damit verbundene Risiko der Vorschreibung eines Säumniszuschlages zu tragen. Nach Ansicht der Finanzlandesdirektion könnten die im Nachsichtsansuchen angeführten Gründe für die Fristversäumnis (Erkrankung der für die Entrichtung der Versicherungs- und Feuerschutzsteuer zuständigen Mitarbeiterin) allenfalls einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen. Das Argument der beschwerdeführenden Partei, wonach die Versäumung der Zahlungsfrist um nur vier Tage entschuldbar wäre, könnte nur in einem Verfahren zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand berücksichtigt werden. Ein solcher Antrag nach § 308 Abs. 1 BAO sei aber von der beschwerdeführenden Partei nicht gestellt worden und sei somit nicht Gegenstand des Verfahrens. Im Übrigen ergebe sich aus den Ausführungen im Nachsichtsansuchen, dass die beschwerdeführende Partei erst bei Kenntnis von einer "ausnahmsweisen Säumnis" zusätzliche Maßnahmen gesetzt habe, um Fristversäumnisse in Zukunft jedenfalls zu vermeiden. Es sei der beschwerdeführenden Partei insoferne ein Organisationsfehler anzulasten, als von ihr offensichtlich keine Kontrollmaßnahmen gesetzt worden seien, um auch im Falle der Erkrankung der zuständigen Mitarbeiterin die fristgerechte Entrichtung der Versicherungs- und Feuerschutzsteuer sicher zu stellen.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

1.5. Die belangte Behörde legte die Akten des Abgabenverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

1.6. Auf die Gegenschrift der belangten Behörde replizierte die beschwerdeführende Partei mit ergänzendem Schriftsatz vom 21. Jänner 2002.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die maßgebenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1961, betreffend allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für

die von den Abgabenbehörden des Bundes verwalteten Abgaben (Bundesabgabenordnung - BAO), lauteten (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000; § 217 in der Fassung BGBl. Nr. 681/1994) auszugsweise:

"6. Abschnitt

Einhebung der Abgaben

A. Fälligkeit, Entrichtung und Nebengebühren im Einhebungsverfahren

1. Fälligkeit und Entrichtung

...

§ 211. (1) Abgaben gelten in nachstehend angeführten Fällen als entrichtet:

...

     c) bei Einzahlung durch Postanweisung,

     1.        wenn der eingezahlte Betrag der

empfangsberechtigten Kasse bar ausgezahlt wird, am Tag der

Auszahlung,

     2.        wenn der eingezahlte Betrag auf das Postscheckkonto

der empfangsberechtigten Kasse überwiesen wird, am Tag der Überweisung durch das Abgabepostamt;

d) bei Überweisung auf das Postscheckkonto oder ein sonstiges Konto der empfangsberechtigten Kasse am Tag der Gutschrift;

...

(2) Erfolgt in den Fällen des Abs. 1 lit. c die Auszahlung oder Überweisung durch das Abgabepostamt oder in den Fällen des Abs. 1 lit. d die Gutschrift auf dem Postscheckkonto oder dem sonstigen Konto der empfangsberechtigten Kasse zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der zur Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist, so hat die Verspätung ohne Rechtsfolgen zu bleiben; in den Lauf der dreitägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen.

...

2. Säumniszuschlag

§ 217. (1) Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 218 hinausgeschoben wird. Auf Nebengebühren der Abgaben (§ 3 Abs. 2 lit. d) finden die Bestimmungen über den Säumniszuschlag keine Anwendung.

...

§ 219. Der Säumniszuschlag beträgt 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

§ 220. (1) Der Säumniszuschlag wird im Zeitpunkt des Eintrittes der Verpflichtung zu seiner Entrichtung fällig.

(2) Eine für die Abgabe zustehende gesetzliche Zahlungsfrist gilt auch für den diese Abgabe betreffenden Säumniszuschlag.

§ 221. (1) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefaßt verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 und 3 erst mit Ablauf der dort genannten Frist.

...

E. Abschreibung (Löschung und Nachsicht) und Entlassung aus der Gesamtschuld

...

§ 236. (1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre."

§ 8 des Bundesgesetzes vom 8. Juli 1953 betreffend die Erhebung einer Versicherungssteuer (Versicherungssteuergesetz 1953), BGBl. Nr. 133/1953 idF BGBl. I Nr. 130/1997, lautet:

"Steuererhebung

§ 8. (1) Der Versicherer (§ 7 Abs. 1) oder der Bevollmächtigte (§ 7 Abs. 1 und 2) hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Anmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates die Steuer für den Anmeldungszeitraum nach den Prämieneinnahmen selbst zu berechnen. Stehen die Prämieneinnahmen der Höhe nach noch nicht fest, so ist die Steuer nach dem wahrscheinlichen Prämienverlauf zu berechnen. Weicht die zeitgerecht entrichtete Abgabe von der auf die tatsächlichen Einnahmen entfallenden Abgabe um nicht mehr als ein Prozent ab, so bleibt diese Differenz für die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages außer Betracht. Die Steuer ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten."

§ 6 Feuerschutzsteuergesetz 1952, BGBl. Nr. 198/1952 idF

BGBl. I Nr. 130/1997, lautet:

"Steuererhebung

§ 6. (1) Der Versicherer (§ 5 Abs. 1) oder der Bevollmächtigte (§ 5 Abs. 2) hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Anmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates die Steuer für den Anmeldungszeitraum nach den Prämieneinnahmen selbst zu berechnen. Stehen die Prämieneinnahmen der Höhe nach noch nicht fest, so ist die Steuer nach dem wahrscheinlichen Prämienverlauf zu berechnen. Weicht die zeitgerecht entrichtete Abgabe von der auf die tatsächlichen Einnahmen entfallenden Abgabe um nicht mehr als ein Prozent ab, so bleibt diese Differenz für die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages außer Betracht. Die Steuer ist spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten."

2.2. Die beschwerdeführende Partei bringt vor, dass einerseits die Einhebung der Säumniszuschläge im Beschwerdefall sachlich unbillig sei, da die Höhe der gegenständlichen Säumniszuschläge gemessen an der Dauer der Säumnis von vier Tagen und der im Wirtschaftsleben üblichen Verzinsung für die Nutzung von Kapital eine unzumutbare Belastung darstelle, und dass andererseits aus der Neufassung des § 217 BAO durch die Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 zu schließen sei, dass der wahre Wille des Gesetzgebers auch schon vor dieser Novelle dahin gegangen sei, dass eine durch geringfügiges Verschulden des Abgabepflichtigen ausgelöste Versäumung einer Zahlungsfrist nicht mit Säumniszuschlägen zu sanktionieren sei.

Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die in § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Die beschwerdeführende Partei stützt ihre Beschwerde auf das Vorliegen sachlicher Unbilligkeit im Falle der Einhebung der gegenständlichen Säumniszuschläge.

Sachlich bedingte Unbilligkeit ist dann anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintreten würde, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen würde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 1985, Zl. 84/17/0007, vom 23. September 1988, Zl. 85/17/0121, vom 19. Mai 1994, Zl. 92/17/0235, und vom 14. Juli 1994, Zl. 91/17/0170).

Wie die belangte Behörde unter Verweis auf die ständige hg. Rechtsprechung zutreffend ausführte, kann jedoch eine steuerliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist und durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden, nicht durch Nachsicht behoben werden (vgl. neben dem zitierten hg. Erkenntnis vom 22. September 1992 das hg. Erkenntnis vom 14. September 1993, Zl. 93/15/0024).

Die Festsetzung der in Rede stehenden Säumniszuschläge ist darauf zurückzuführen, dass die beschwerdeführende Partei innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten zum zweiten Mal mit der Entrichtung der Versicherungs- und Feuerschutzsteuer säumig wurde. Die Höhe des Säumniszuschlages von 2 % ergibt sich - für alle Fälle - aus § 219 BAO. Der Beschwerdefall weist keine Besonderheiten auf, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis zeitige. Es liegt insofern im Beschwerdefall nur die Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor.

Weder die Ausführungen der beschwerdeführenden Partei, dass die Höhe der gegenständlichen Säumniszuschläge im Vergleich zu der nur viertägigen Säumnis bei der Entrichtung der gegenständlichen Abgaben in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu dem ihr daraus erwachsenen Zinsgewinn stehe und die Säumniszuschläge gemessen an einer wirtschaftsüblichen Verzinsung von Fremdkapital unangemessen seien, noch der Hinweis auf das geringe Verschulden, das der beschwerdeführenden Partei anzulasten sei, lassen erkennen, dass im Beschwerdefall eine besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften vorliege, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte.

Eine im wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen schuldhaftem Fehlverhalten und dessen steuerlicher Auswirkung allenfalls erblickbare Härte ist unmittelbares und gewolltes Ergebnis des § 219 BAO (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1997, Zl. 93/13/0080, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, Zl. 91/15/0017).

Die Einhebung von Säumniszuschlägen ist nicht schon deshalb unbillig, weil den Abgabenschuldner an der verspäteten Entrichtung der Abgaben kein oder nur ein geringfügiges Verschulden trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1995, Zl. 94/13/0264).

Die mit den von der beschwerdeführenden Partei zitierten hg. Erkenntnissen (insbesondere mit den Erkenntnissen vom 20. September 1995, Zl. 95/13/0049, und vom 3. Oktober 1988, Zl. 87/15/0103) entschiedenen Beschwerdefälle sind mit dem gegenständlichen Beschwerdefall nicht vergleichbar, sondern unterscheiden sich auf der Sachverhaltsebene in wesentlichen Punkten; insbesondere ist die Verantwortung für den Eintritt der Säumnis im Beschwerdefall eindeutig und unbestritten der Sphäre der beschwerdeführenden Partei zuzuordnen (vgl. das ebenfalls von der beschwerdeführenden Partei zitierte hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, Zl. 93/15/0233). Die in den genannten Erkenntnissen vom 20. September 1995 und vom 3. Oktober 1988 getroffenen Aussagen lassen sich daher auf den Beschwerdefall nicht übertragen. Wenn in dem Erkenntnis vom 27. März 1996 davon die Rede ist, dass den Abgabepflichtigen an der Verzögerung kein Verschulden treffen dürfe (worauf im ergänzenden Schriftsatz durch Unterstreichung besonders hingewiesen wird), so ist damit die Verzögerung mit der Durchführung der Umbuchung gemeint. Auch in diesem Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof die hier referierte Rechtsprechung zur Auslegung des § 236 Abs. 1 BAO zu Grunde gelegt.

Im Übrigen schließt der von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte Grund für die Verzögerung der Abgabenentrichtung ein ihr zuzurechnendes Organisationsverschulden nicht aus.

Auch der Hinweis in der Beschwerde und in dem ergänzenden Schriftsatz vom 21. Jänner 2002 auf die Einfügung des § 217 Abs. 7 BAO durch die Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Wie in dem Schriftsatz zutreffend festgehalten wird, zeigt diese Novelle, dass der Gesetzgeber offensichtlich den Umstand, dass das Verschulden bei der Verhängung des Säumniszuschlages gänzlich außer Betracht bleiben sollte, für unbefriedigend hielt.

Aus den Materialien zur Novelle BGBl. I Nr. 142/2000, mit welcher § 217 Abs. 7 BAO eingefügt wurde, ergibt sich jedoch nicht, dass der Gesetzgeber der Meinung gewesen wäre, mit der Neufassung des § 217 BAO lediglich eine Klarstellung zu treffen. Gerade der Umstand, dass es der Gesetzgeber für erforderlich erachtet hat, für Fälle, in denen kein grobes Verschulden vorliegt, eine Herabsetzungsmöglichkeit bzw. die Möglichkeit der teilweisen Nichtfestsetzung vorzusehen, zeigt, dass der Gesetzgeber insoweit einen Handlungsbedarf als gegeben angesehen hat. Träfe die Auffassung der Beschwerdeführerin zu, dass in derartigen Fällen eine Nachsicht gerechtfertigt wäre, bestünde die Änderung durch die Einfügung des § 217 Abs. 7 BAO zwar darin, dass der Gesichtspunkt des Verschuldens nunmehr auch bereits bei der Festsetzung des Säumniszuschlags berücksichtigt werden kann; die Neuregelung wäre aber insofern nicht unbedingt erforderlich gewesen, als eine Berücksichtigung des Verschuldens im Wege der Nachsicht möglich gewesen wäre, sodass sich die vom Gesetzgeber im Jahr 2000 offenbar als nicht möglich angesehene Berücksichtigung der Geringfügigkeit des Verschuldens auch nach der alten Rechtslage ergeben hätte.

Auch aus den in der Beschwerde zitierten Passagen der Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 311 BlgNR, 21. GP, ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die Auffassung vertreten hätte, dass eine Berücksichtigung des Verschuldens schon nach der früheren (im Beschwerdefall anzuwendenden) Rechtslage möglich bzw. erforderlich gewesen wäre. Wenn darin auf den Normzweck verwiesen wird, bedeutete dies nicht, dass der Gesetzgeber meinte, § 217 BAO sei diesem Normzweck entsprechend auszulegen gewesen. Im Gegenteil dienen diese Erläuterungen dazu, die Regelungsnotwendigkeit aus der Sicht des Gesetzgebers des Jahres 2000 darzustellen, wobei überdies darauf hinzuweisen ist, dass die Erläuterungen sich ausdrücklich auf den (im Gesetzestext "insbesondere" erwähnten) Fall der Unrichtigkeit der Selbstbemessung beziehen, den im Beschwerdefall gegebenen Sachverhalt der verspäteten Entrichtung der (im Beschwerdefall der Höhe nach offenbar nicht strittigen) Abgabe daher explizit gar nicht betreffen (wobei einzuräumen ist, dass der Gesetzestext eine generelle Berücksichtigung des Fehlens eines groben Verschuldens im Rahmen der Festsetzung eines Säumniszuschlags vorsieht). Der Gesetzgeber ging also gerade davon aus, dass die frühere Regelung hinsichtlich der Erreichung des angenommenen Normzwecks jedenfalls im Jahr 2000 als überschießend anzusehen war und der Normzweck die darin enthaltene Strenge nicht bzw. nicht mehr erfordere (vgl. zur früheren Rechtslage Ritz, BAO-Kommentar, Rz 1 zu § 217, der von einer "objektiven Säumnisfolge" spricht, sowie das hg. Erkenntnis vom 17. September 1997, Zl. 93/13/0080). Diese Erwägungen bestätigen das Auslegungsergebnis, dass § 217 BAO in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 eine Berücksichtigung des Verschuldens nicht erlaubte. Es konnte demnach im Hinblick auf die dargestellte Rechtsprechung zu § 236 BAO auch im Wege der Nachsicht wegen sachlicher Unbilligkeit nicht zu einer Reduzierung oder zum Entfall der Zahlungspflicht kommen, weil die Vorschreibung von Säumniszuschlägen auch in Fällen, in denen kein grobes Verschulden vorliegt, vom Gesetzgeber vor der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 offensichtlich in Kauf genommen worden war und insofern der Beschwerdefall keine Unterschiede zu einer Vielzahl anderer Fälle, in denen die Vorschreibung des Säumniszuschlages erfolgte, aufweist (vgl. das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 22. März 1995, Zl. 94/13/0264).

Der Umstand, dass der Gesetzgeber den § 217 BAO nach der Verwirklichung des hier zu beurteilenden Sachverhaltes dahingehend geändert hat, dass auf die Gründe für den Zahlungsverzug Bedacht genommen werden kann, führt somit nicht dazu, dass sich etwas an der Einschätzung hinsichtlich der Möglichkeit der Nachsichtgewährung geändert hätte. Es ist daher auch nicht näher darauf einzugehen, ob der im ergänzenden Schriftsatz genannte Fall der Krankheit des Steuerpflichtigen mit der im vorliegenden Fall ins Treffen geführten Krankheit einer Mitarbeiterin einer juristischen Person vergleichbar ist.

Da die belangte Behörde die Rechtsfrage des Vorliegens einer sachlichen Unbilligkeit, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen, verneint hat, bestand - wie die belangte Behörde zutreffend ausführte - im Beschwerdefall kein Raum für eine Ermessensentscheidung.

2.3. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

2.5. Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 4. August 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001170158.X00

Im RIS seit

17.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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