TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/20 95/13/0049

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Veröffentlicht am 20.09.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §211 Abs1 litg;
BAO §213 Abs1;
BAO §215 Abs4;
BAO §217 Abs1;
BAO §236 Abs1;
BAO §239 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der T-GmbH in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Dezember 1994, Zl GA 7-1467/94, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In einer Berufung gegen die bescheidmäßige Abweisung einer beantragten Nachsicht hinsichtlich eines mit Nebengebührenbescheid festgesetzten Säumniszuschlages in Höhe von S 18.866,-- führte die Beschwerdeführerin folgendes aus:

Sie habe im 4. Kalendervierteljahr 1992 an die Firma R GmbH eine Rechnung ausgefertigt, in welcher Umsatzsteuer in Höhe von S 970.703,-- ausgewiesen war. Zwischen der Beschwerdeführerin und der R GmbH sei vereinbart worden, daß die Umsatzsteuer vom Abgabenkonto der R GmbH beim Finanzamt für Körperschaften auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin (ebenfalls beim Finanzamt für Körperschaften) "überrechnet" (richtig umgebucht) werden sollte. Der "Überrechnungsantrag" sei zeitgerecht eingebracht worden. Eine Einzahlung der von der Beschwerdeführerin vorangemeldeten Umsatzsteuerzahllast (S 964.486,--) sei im Hinblick auf die vereinbarte Überrechnung nicht erfolgt. Nach einem Telefonat mit der Finanzkasse vom 13. April 1993 wäre zu diesem Zeitpunkt der "Überrechnungsantrag" der R GmbH angemerkt und daher weder eine Zahlung noch eine Stundung notwendig gewesen.

Mit Bescheid vom 9. Mai 1994 sei ein Säumniszuschlag für nicht entrichtete Umsatzsteuer betreffend den Zeitraum Umsatzsteuer 10 bis 12/92 festgesetzt worden. Nach Kontaktaufnahme mit dem Finanzamt habe die Beschwerdeführerin erfahren, daß nach der Rechtsansicht eines Betriebsprüfers die von der Beschwerdeführerin im 4. Kalendervierteljahr 1992 gegenüber der R GmbH in Rechnung gestellte Leistung nicht umsatzsteuerbar sei. Von der Betriebsprüfung sei daher der Vorsteuerabzug nicht anerkannt und empfohlen worden, eine entsprechende Rechnungsberichtigung durchzuführen. Da eine rückwirkende Rechnungsberichtigung nach dem Umsatzsteuergesetz nicht zulässig sei, sei diese im Mai 1994 vorgenommen und vom Finanzamt auch verbucht und der Betrag dem Abgabenkonto der Beschwerdeführerin gutgebracht worden.

Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, daß die Festsetzung eines Säumniszuschlages zwar im Gesetz Deckung finde, aber dessen Einhebung nach der Lage des Falles sachlich unbillig sei, weil die Einbringung der jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldungen und des "Überrechnungsantrages" zeitgerecht erfolgt sei, weder die R GmbH noch die Beschwerdeführerin einen Einfluß auf die Durchführung der "Überrechnung" gehabt hätten, der "Überrechnungsantrag" 15 Monate unbearbeitet geblieben sei und der Begünstigte aus einer "Überrechnung" nicht verständigt werde, wenn diese aus welchen Gründen immer nicht durchgeführt werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, § 217 BAO mache den Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages allein davon abhängig, daß eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werde. Diese Gesetzesbestimmung berücksichtige somit nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet worden sei, bzw ob diese Abgabe zu Recht bestehe. Damit habe der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, daß er die Gründe, die zum Zahlungsverzug geführt hätten, im Anwendungsbereich des § 217 BAO grundsätzlich als unmaßgeblich erachte. Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeute dies, daß der Schluß, bereits der Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages schließe eine Unbilligkeit in sich, unrichtig sei. Da die im § 236 Abs 1 BAO vorgesehene Voraussetzung, nämlich das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung nicht gegeben sei, sei die Abweisung des Nachsichtsansuchens durch das Finanzamt zu Recht erfolgt.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Gewährung einer Nachsicht verletzt und beantragt Bescheidaufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde leitet aus der von ihr im

angefochtenen Bescheid aus dem hg Erkenntnis vom 11. September 1989, 88/15/0102, wörtlich übernommenen Aussage der grundsätzlichen Unmaßgeblichkeit der zum Zahlungsverzug führenden Gründe im Anwendungsbereich des § 217 BAO und der daraus für den damaligen Beschwerdefall gezogenen Schlußfolgerung ("auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies ...") ab, daß die gemäß § 236 Abs 1 BAO vorgesehene Voraussetzung, nämlich das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung, auch im vorliegenden Beschwerdefall nicht gegeben sei.

Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin im Beschwerdefall nicht behauptet hat, daß bereits der Eintritt der Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages eine Unbilligkeit in sich schließe, weshalb auch die diesbezügliche Aussage der belangten Behörde im Beschwerdefall verfehlt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis mit seinen diesbezüglichen Erwägungen

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die Aussage bezog sich deutlich erkennbar beschwerdefallbezogen auf die damals behauptete Unbilligkeit des Eintrittes der Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages - keinesfalls zum Ausdruck gebracht, daß eine Unbilligkeit der Einhebung von Säumniszuschlägen grundsätzlich nicht vorliegen könne und eine Nachsicht daher ausgeschlossen sei. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Einhebung eines nach dem Gesetz verwirkten Säumniszuschlages wie bei anderen Abgaben unbillig im Sinne des § 236 Abs 1 BAO sein könne, dies - damals - aber nicht der Fall war, weil die (damalige) Beschwerdeführerin einen erheblichen Abgabenbetrag

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ohne jedwedes Verschulden der Abgabenbehörde - erst ein Jahr nach Eintritt der Fälligkeit entrichtet hat.

Bereits im hg Erkenntnis vom 24. November 1987, 87/14/0097, kommt zum Ausdruck, daß die Einhebung eines Säumniszuschlages eine eine Nachsicht rechtfertigende Unbilligkeit darstellen würde, wenn dessen Festsetzung ausschließlich durch die verzögerte Erledigung eines Umbuchungsantrages entstanden ist und den Abgabepflichtigen an der Verzögerung kein Verschulden trifft oder wegen einer für den durch die Umbuchung zu Begünstigenden unvorhersehbaren kontokorrentmäßigen Verrechnung nichts oder weniger umgebucht werden konnte, als im Zeitpunkt der Einbringung des Umbuchungsantrages an Guthaben des Antragstellers zu Buche stand.

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ua auf die zeitgerechte Einbringung eines "Überrechnungsantrages" (da durch die Verrechnung Abgabenkonten desselben Finanzamtes betroffen waren, handelt es sich tatsächlich um einen Umbuchungsantrag) sowie darauf hingewiesen, daß weder er noch die den Antrag auf Umbuchung stellende GmbH einen Einfluß auf die Durchführung der Umbuchung gehabt habe, der Umbuchungsantrag fast 15 Monate unbearbeitet geblieben sei und der Begünstigte aus einer Umbuchung nicht verständigt werde, wenn diese aus welchen Gründen immer nicht durchgeführt werde. Damit hat die Beschwerdeführerin aber Gründe vorgebracht, die nach der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geeignet sind, eine (sachliche) Unbilligkeit der Einhebung eines nach dem Gesetz verwirkten Säumniszuschlages darzutun. In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde daher aus der Sicht des Beschwerdefalles insbesondere nicht geprüft, ob die nach den vorgelegten Verwaltungsakten erfolgte Abweisung des Umbuchungsantrages bei Beachtung der Bestimmung des § 215 Abs 4 BAO zu Recht erfolgt war. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, daß die Abgabenbehörde Guthaben nicht unbefristet zur Tilgung künftiger Abgabenschuldigkeiten des verfügungsberechtigten Abgabepflichtigen verbrauchen darf (vgl das hg Erkenntnis vom 24. November 1987, 87/14/0097). Auch ein so lange andauerndes Zuwarten mit der Erledigung des Umbuchungsantrages, bis auf dem Abgabenkonto kein Guthaben mehr aufscheint, fände im Gesetz keine Deckung. Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zur Beschwerde unter Bezugnahme auf das hg Erkenntnis vom 29. November 1994, 94/14/0094, meint, daß "Vorgänge" auf einem anderen Abgabenkonto nichts damit zu tun hätten, ob die Einhebung des gegenüber der Beschwerdeführerin festgesetzten Säumniszuschlages für diese billig oder unbillig sei, mißversteht sie auch dieses Erkenntnis, weil darin nur ausgesagt wurde, daß ein allfälliges Guthaben auf einem anderen Abgabenkonto als dem des Abgabepflichtigen, welchem gegenüber ein Säumniszuschlag festgesetzt worden war, nichts mit der Unbilligkeit der Einhebung dieses Säumniszuschlages zu tun hat und insofern keine Unbilligkeit der Einhebung des Säumniszuschlages vorliegt. Im damaligen Beschwerdefall fehlte aber - anders als im nunmehr vorliegenden Beschwerdefall - das Bindeglied zwischen den Abgabenkonten, nämlich ein zeitgerechter Überrechnungs- bzw Umbuchungsantrag.

Der Beschwerdeführerin ist daher zuzustimmen, daß sich die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin befaßt hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in dreifacher Ausfertigung einzubringen und der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995130049.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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