TE OGH 1986/11/11 5Ob325/86

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Veröffentlicht am 11.11.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Helmut F***, Rechtsanwalt, Theodor-Körner-Straße 13/I, 8600 Bruck/Mur, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des M***-T*** EC K***, Haubergerstraße 39, 8600 Kapfenberg (2 a S 68/84 des Kreisgerichtes Leoben) wider die beklagte Partei Robin S***, Eishockeyspieler, Quaringergasse 21-23/6/61, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Reinhard Ratschiller, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Wiederaufnahme infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17. Juni 1986, GZ 2 R 94/86-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 10. April 1986, GZ 2 f Cg 30/85-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.243,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 385,80 S an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Masseverwalter in dem mit Beschluß des Kreisgerichtes Leoben vom 21.9.1984, 2 a S 68/84, über das Vermögen des E*** M***-T*** EC-K*** eröffneten Konkurs. Der Beklagte hatte sich aufgrund der schriftlichen Vereinbarung mit diesem Eishockeyclub vom 29.11.1982 verpflichtet, für die Eishockeysaison 1983/84/85/86, und zwar jeweils beginnend vom 19. August des laufenden Jahres bis 15. März des Folgejahres als Eishockeyspieler tätig zu sein.

Mit 10.10.1984 wurde das Dienstverhältnis beendet; mit Schriftsatz vom 25.10.1984 meldete der Beklagte seine Forderung aus dem Spielervertrag vom 29.11.1982 an und gliederte diese auf wie folgt:

1.) Fixum für August/September 1984

a 70.000,-- S                           140.000,-- S

2.) 3/7 des Gesamtfixums von 252.858,-- S

zuzüglich Punkteprämie von 31.000,-- S  283.858,-- S

3.) Restsaison Einkommen                    228.142,-- S

4.) Trainingsentschädigungsrückstand         18.000,-- S

zusammen                                    670.000,-- S.

In der allgemeinen Prüfungstagsatzung am 21.11.1984 anerkannte der Masseverwalter einen Betrag von 83.333 S und bestritt den Restbetrag von 586.667 S. In der weiteren allgemeinen Prüfungstagsatzung am 21.4.1984 anerkannte der Masseverwalter einen Betrag von 95.000 S und bestritt den Restbetrag von 575.000 S. Die letztlich bestrittene und anerkannte Forderung wurde in das Anmeldeverzeichnis zu 2 a S 64/84 des Kreisgerichtes Leoben eingetragen.

Mit der am 13. Juni 1985 eingebrachten Klage begehrte der Masseverwalter unter Berufung auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO die Bewilligung der Wiederaufnahme der Prüfungstagsatzung vom 21.11.1984, die Beseitigung der darin abgegebenen Erklärung der Anerkennung der Forderung mit S 95.000,- verbunden mit der in der Hauptsache unter Kostenfolgen abgegebenen Erklärung, die vom Beklagten zu 2 a S 68/84 OZ 17 angemeldete Forderung von S 670.000,-

zur Gänze zu bestreiten. Er habe erst am 23.5.1985 beim Arbeitsamt Bruck/Mur in Erfahrung gebracht, daß dem Beklagten vom zuständigen Arbeitsamt Bruck/Mur keine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erteilt worden sei, der am 29.11.1982 abgeschlossene Spielervertrag damit nichtig sei; wenn ihm dieser Umstand bereits anläßlich der allgemeinen Prüfungstagsatzung bekannt gewesen wäre, hätte er die angemeldete Forderung zur Gänze bestritten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der vom Kläger herangezogene Wiederaufnahmsgrund sei nicht gegeben, weil ihm die Unterlassung der Rückfrage beim Arbeitsamt vor dem Anerkenntnis als Verschulden angelastet werden müsse. Aus der Nichtigkeit der Spielervereinbarung sei für den Wiederaufnahmskläger nichts gewonnen, da das abgegebene Anerkenntnis ohnehin nur Ansprüche bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses, also Ansprüche umfasse, die dem Beklagten unabhängig von den Rechtsfolgen der mangelnden Beschäftigungsbewilligung zustünden. Die neuen Tatsachen und Beweismittel hätten daher für den Kläger keine günstigere Entscheidung gebracht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Beklagte war in der Saison 1978/79 beim HC-S***, 1979/80 beim EC-R*** I***, 1983/84 bei der Gemeinschuldnerin, 1984/85 beim A***-S*** und 1985/86 bei der E*** WEV angemeldet und spielberechtigt. Als Gegenleistung für die Tätigkeit des Beklagten verpflichtete sich die Gemeinschuldnerin bei einem monatlichen Fixum von 70.000 S, einem Gesamtfixum von 590.000 S, somit bei einem Gesamtsaisoneinkommen von 652.000 S, eine Punkteprämie von 2.000 S und eine Trainingsentschädigung zu bezahlen. Der Beklagte ist Ausländer. Weder die Gemeinschuldnerin noch der Beklagte haben ein Ansuchen an das Arbeitsamt um Genehmigung der Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gestellt. Der Beklagte hat mit Kenntnis der Gemeinschuldnerin ohne Beschäftigungsbewilligung in der Saison 1983 seine Tätigkeit als Spieler aufgenommen und diese bis zur Konkurseröffnung ausgeführt. Mit Schriftsatz vom 25.10.1984 machte der Beklagte im Konkurs seine Ansprüche geltend. Der Kläger hat es unterlassen, vor der allgemeinen Prüfungstagsatzung und auch später bis Juni 1985, Nachforschungen bei der Gemeinschuldnerin bzw. beim zuständigen Arbeitsamt darüber anzustellen, ob bezüglich der Tätigkeit des Beklagten eine Genehmigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt. Mit Schreiben vom 10.10.1984 verwies der Beklagte noch gegenüber dem Kläger auf das bereits erschöpfte Ausländerkontingent der Bundesliga-Vereine. Der Beklagte brachte am 21.12.1984 gegen den Masseverwalter eine Klage auf Feststellung ein, daß über den anerkannten Betrag hinaus noch ein weiterer Betrag von 244.068 S zu Recht bestehe. In der Folge anerkannte der Masseverwalter einen weiteren Betrag von 11.667 S, somit also insgesamt 95.000 S, worauf der Beklagte sein Feststellungsbegehren mit Schriftsatz vom 10.5.1985 auf 232.401 S einschränkte. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung dieses Schriftsatzes machte der Verhandlungsrichter den Kläger darauf aufmerksam, daß der Beklagte über keine Genehmigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verfügen soll. Die fernmündliche Anfrage und in der Folge auch die mit 7.6.1985 datierte und beim Kläger am 10.6.1985 eingelangte schriftliche Mitteilung des Arbeitsamtes Bruck/Mur bestätigte dies. Der Kläger brachte hierauf die Klage ein.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß es dem Kläger bei sorgsamer Vorbereitung bereits bei der Prüfungstagsatzung möglich gewesen wäre, Kenntnis davon zu haben, daß der Beklagte keine Ausländerbeschäftigungsbewilligung hatte. Die diesbezügliche Unterlassung der Nachforschung sei dem Masseverwalter im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO als Verschulden anzulasten. Die Klage sei daher abzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Die klagende Partei stütze ihr Begehren auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Nach dieser Gesetzesstelle könne ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden sei, auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelange oder Beweismittel auffinde oder zu benützen in den Stand gesetzt werde, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Die Wiederaufnahme nach dieser Gesetzesstelle setze die Kenntnis neuer Tatsachen voraus, welche der Kläger hier in dem Umstand sehe, daß für den Beklagten keine Beschäftigungsbewilligung vorgelegen hätte. Nach § 530 Abs 2 ZPO sei aber die Wiederaufnahme nach Abs 1 Z 7 dieser Gesetzesstelle nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, die neuen Tatsachen vor Schluß der mündlichen Verhandlung - hier Prüfungstagsatzung - auf welche die Entscheidung - hier Anerkenntnis des Masseverwalters in der Prüfungstagsatzung - ergangen sei, geltend zu machen. Die Unkenntnis der Partei im früheren Prozeß müsse unverschuldet gewesen sein. Was als Verschulden anzusehen sei, definiere die Zivilprozeßordnung in § 530 Abs 2 ZPO nicht. Wie das Erstgericht bereits richtig ausgeführt habe, sei nach der Rechtsprechung bei Beurteilung, ob den Wideraufnahmskläger ein Verschulden nach § 530 Abs 2 ZPO treffe, von der Bestimmung des § 1297 ABGB auszugehen (SZ 7/31; RZ 1966/148). Demnach werde vermutet, daß jeder, der den normalen Verstandesgebrauch besitze, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, der bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden könne; die Außerachtlassung dieses Fleißes und dieser Aufmerksamkeit stelle ein Versehen dar. Nach Fasching (IV S. 517 f.) könne aber § 1297 ABGB nicht angewendet werden, da nach den Grundsätzen des Prozeßrechtes primär ein prozessualer Maßstab angewendet werden müsse. Das sei schon deshalb erforderlich, weil die Führung eines Prozesses ja einen anderen Grad von Aufmerksamkeit erfordere, als das außergerichtliche Verhalten der Partei. Es müsse also sehr wohl unterschieden werden zwischen prozessualem Verschulden und außerprozessualem Verschulden, zwischen dem Verschulden der rechts- und prozeßunkundigen Partei außerhalb des Rechtsstreites und dem Verschulden der rechtlich belehrten und rechtskundig vertretenen Partei im Prozeß. Letztere werde sich einem strengeren Verschuldensmaßstab unterwerfen müssen. Trotzdem gelte für alle diese Fälle eine einzige Grundregel, ein einziger, allerdings prozessualer Verschuldensmaßstab, der jedoch in den einzelnen Fällen zu verschiedenen, dem Einzelfall sachgerechten Ergebnissen führen müsse, nämlich, ob eine prozessuale Diligenzpflicht verletzt worden sei oder nicht. Die klagende Partei vertrete in ihrer Rechtsrüge die Auffassung, daß hier ausschließlich ein prozessualer Maßstab anzuwenden sei und § 81 KO die Obliegenheiten des Masseverwalter genau umreiße. Das Erstgericht, das der Rechtsprechung folgend den Sachverhalt einer Prüfung nach § 1297 ABGB unterzogen habe, sei richtig zum Ergebnis gelangt, daß dem Kläger ein Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO anzulasten sei. Es werde in diesem Zusammenhang auf die zutreffenden und das Verschulden des Klägers darlegenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Das vom Erstgericht dargelegte Verhalten des Klägers sei als die oben angeführte "Außerachtlassung dieses Fleißes und dieser Aufmerksamkeit" zu bezeichnen, was letztlich ein "Versehen" darstelle. Richtig sei, daß § 81 KO die Pflicht und Verantwortlichkeit des Masseverwalters umschreibe, doch gälten für ihn, soweit er ohne gerichtliche Weisung für die Konkursmasse tätig sei, die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechtes (§ 1299 ABGB). Für die Beurteileung, ob ein Verschulden eines Rechtsanwaltes als Masseverwalter vorliege, sei der im § 81 KO ausdrücklich zitierte § 1299 ABGB heranzuziehen. Der Rechtsanwalt als Masseverwalter hafte nur für den Mangel an Kenntnis und Fleiß (§ 1299 und § 1297 ABGB). Die hier vorliegende vom Erstgericht richtig dargelegte mangelnde Vorbereitung sei als Mangel des notwendigen Fleißes anzusehen, wofür der Kläger hafte (vgl. JBl 1959 S. 416 ff.). Aber selbst dann, wenn man bei der Beurteilung des Sachverhaltes ausschließlich prozessuale Maßstäbe anwende, sei für den Kläger nichts gewonnen. Die Partei treffe bei der Prozeßführung - hier Anmeldeverfahren und Überprüfung der angemeldeten Forderungen - eine Sorgfaltspflicht. Diese prozessuale Diligenzpflicht sei für rechtsunkundige Personen und durch einen Anwalt nicht vertretene Parteien geringer als für eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei. Wenn nun die Partei selbst Anwalt sei, wie hier, müsse von einer größeren Diligenzpflicht ausgegangen werden (Fasching, Lehrbuch Rz 2067). Der Kläger sei hier seiner Diligenzpflicht verschuldet nicht nachgekommen, da er, wie das Erstgericht richtig dargelegt habe, die Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend geprüft habe. Für eine solche Prüfung hätte genügend Zeit und für den speziellen Belang auch Veranlassung bestanden und habe der Kläger selbst angegeben, sich bei Prüfung der Forderungsanmeldung mit der Frage der Genehmigung der Ausländerbeschäftigung nicht befaßt zu haben. Eine Verletzung der prozessualen Diligenzpflicht liege demnach auch vor. Insgesamt zeige sich daher, daß die Unkenntnis der klagenden Partei darüber, daß für den Beklagten keine Beschäftigungsgenehmigung vorgelegen hätte, nicht unverschuldet gewesen sei und das Klagebegehren daher vom Erstgericht zu Recht abgewiesen worden sei.

Die Zulassung der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage des Verschuldens eines Masseverwalters im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO bei Abgabe von Erklärungen in der Prüfungstagsatzung eine dem Berufungsgericht zugängliche Rechtsprechung nicht vorliege und auch die Lehre zur Frage des Verschuldens nach dieser Gesetzesstelle divergierende Auffassungen vertrete.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

In seiner Revision wendet sich der Kläger gegen die Annahme der Vorinstanzen, er habe sich einer Verletzung der ihm als Masseverwalter obliegenden Diligenzpflicht schuldig gemacht. Vor Eingehen in diese allein zum Gegenstand der Rechtsrüge der Revision sowie der Ausführungen in der Revisionsbeantwortung gemachten Rechtsfrage ist zu prüfen, ob überhaupt die von den Vorinstanzen im Ergebnis - ohne Ausführungen dazu - bejahten Voraussetzungen für die Wiederaufnahmsklage gegeben sind. Dem Vorbringen in der Klage ist zu entnehmen, daß der Kläger im vorliegenden Prozeß die Unwirksamerklärung der Eintragung der von ihm im Prüfungsverfahren abgegebenen Erklärung zu der vom Beklagten im Konkurs angemeldeten Forderung in das Anmeldungsverzeichnis anstrebt. Die Berechtigung für dieses Begehren leitete er aus dem Umstand ab, daß er erst nach der Prüfungstagsatzung vom Fehlen einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz für den Beklagten erfahren habe und damit in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt sei, deren Benützung im Prüfungsverfahren insofern eine "günstigere Entscheidung für die Konkursgläubiger herbeigeführt haben würde", als er dann die vom Beklagten angemeldete Konkursforderung zur Gänze bestritten hätte, weil der zwischen dem Beklagten und dem Eishockey-Club abgeschlossene Vertrag gemäß § 879 Abs 1 ABGB (§ 3 Abs 1 AuslBG) nichtig sei und der Beklagte aus diesem Vertrag keine Rechte ableiten könne. Der Kläger geht damit - und insoweit sind ihm die Vorinstanzen stillschweigend gefolgt - von der Ansicht aus, die von ihm angegebene Prüfungserklärung könne bei Vorliegen von Gründen, die im Prozeß die Erhebung einer Wideraufnahmsklage iS des § 530 ZPO rechtfertigen würden, angefochten und geändert werden. Die Frage der Anfechtbarkeit von Prüfungserklärungen des Masseverwalters wurde von Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Bartsch-Pollak I, 490;

Petschek-Reimer-Schiemer, 576; Heller-Berger-Stix, Komm. zur EO, 105; SZ 9/17; SZ 23/145; SZ 28/238; MietSlg. 16.771; SZ 44/111;

SZ 45/5) handelt es sich bei diesen Prüfungserklärungen - im Gegensatz zu der von Wahle in RSpr. 1937, 171 ff, SZ 19/56, RGEvBl 1939/653; SZ 31/30 vertretenen Ansicht, wonach diese Erklärungen privatrechtlicher Natur seien - um Prozeßhandlungen; sie sind daher nicht - wie nach dem entgegengesetzten Standpunkt - nach den §§ 870 ff ABGB, sondern mit den Mitteln des Prozeßrechtes anfechtbar. Von dieser Rechtsansicht abzugehen besteht kein Anlaß. Über die Form dieser Anfechtung besteht keine Übereinstimmung. Bartsch-Pollak I, 492 erachten ua die Wiederaufnahmsklage für zulässig, und zwar schon während des Konkursverfahrens; Petschek-Reimer-Schiemer hingegen (576 f, 597) halten eine Wiederaufnahmsklage für unzulässig und meinen, Tatbestände, die das Prüfungsergebnis nachträglich in materieller Hinsicht ändern, müßten bereits im Verteilungsverfahren entschieden und berücksichtigt werden. Für die Beurteilung dieses Meinungsstreites erscheint vorerst bedeutsam, daß § 530 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983 eine verfahrensbeendende Entscheidung voraussetzt, die vom Konkursgericht in Vollziehung des § 108 Abs 1 KO ausgeübte Tätigkeit aber keine Entscheidung darstellt, weil es über die Prüfungserklärungen nicht abspricht, sie vielmehr nur in das Anmeldungsverzeichnis einträgt. Eine unmittelbare Anwendung der Bestimmungen des § 530 ZPO auf die Eintragung der Prüfungserklärung des Masseverwalters in das Anmeldungsverzeichnis ist somit nicht möglich. Einen sonstigen für die Anfechtung der genannten Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis unmittelbar bestimmten Anfechtungsbehelf kennen die Prozeßgesetze nicht. Der in den §§ 108 und 109 KO vorgesehene Weg der konkursmäßigen Feststellung einer Forderung erspart dem Gläubiger und dem Gemeinschuldner einen Prozeß, in dem vom Konkursgericht (§ 111 Abs 1 KO) Richtigkeit (der auf den Rechtsweg gehörigen) und Rangordnung der Forderung urteilsmäßig mit Wirkung gegenüber allen Konkursgläubigern (§ 112 Abs 1 KO) festgestellt werden müßten. Daß gegen ein solches im Prüfungsprozeß ergangenes Urteil die Wiederaufnahmsklage nach § 530 ZPO zulässig ist, bedarf ebensowenig einer Erklärung wie der Umstand, daß mit dieser Klage auch eine Entscheidung bekämpft werden kann, die das Verfahren auf Grund eines Anerkenntnisses beendet (vgl. Fasching IV, 496, derselbe, Lehrbuch, Rz 2038). Da das Gesetz im Konkursverfahren die Eintragung einer unbestrittenen Konkursforderung ins Anmeldungsverzeichnis dem Urteil jedenfalls hinsichtlich Vollstreckbarkeit und Bindungswirkung gleichstellt (Fasching, Lehrbuch, Rz 1508; Holzhammer, Insolvenzrecht 2 88) die gesetzliche Regelung der konkursmäßigen Feststellung der Forderung durch die Prüfungserklärung und deren Eintragung ins Anmeldungsverzeichnis andererseits aber keine Bestimmung über die Frage der Anfechtung der genannten Eintragung ins Anmeldungsverzeichnis wegen schwerwiegender Fehler im Prüfungsverfahren, etwa bei Vorliegen wesentlicher, ursprünglicher Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Sachgrundlage für die abzugebende Erklärung enthält, eine solche Regelung im Hinblick auf die Unanwendbarkeit der Bestimmungen über die Wiederaufnahmsklage aber hätte vorgenommen werden müssen, weil es einen sachlich nicht gerechtfertigten Wertungswiderspruch darstellen würde, wenn einem in einem summarischen Verfahren geschaffenen Exekutionstitel höhere Bestandgarantie zukäme, als einem im streitigen Verfahren ergangenen Urteil, zeigt sich, daß hier - gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung - eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts vorliegt (vgl. Bydlinski, Methodenlehre 440; Larenz, Methodenlehre 337 f; Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 7 samt Hinweis auf weitere Lehre und Rechtsprechung). Eine solche Gesetzeslücke ist aber in erster Linie im Wege der Analogie zu schließen (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 7 samt Literaturhinweisen). Wird berücksichtigt, daß die Wiederaufnahmsklage die rechtskräftige Beendigung des vorangegangenen Verfahrens nicht voraussetzt (Fasching, Lehrbuch, Rz 2033, 2052) so rechtfertigt der Analogieschluß die Anwendung der Vorschriften des § 530 ZPO im Einklang mit ihrer ratio über ihren Wortlaut hinaus auf die konkursmäßige Feststellung von Forderungen iS der §§ 108, 109 KO. Die vom Kläger hier im Rechtsweg vorgenommene Anfechtung der von ihm im Prüfungsverfahren abgegebenen Erklärung und deren Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis erscheint daher in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 530 ZPO unter den dort normierten Voraussetzungen zulässig, und zwar im Hinblick darauf, daß wegen einer im Konkurs festgestellten und vom Gemeinschuldner nicht ausdrücklich bestrittenen Forderung aufgrund der Eintragung ins Anmeldungsverzeichnis auch schon vor Konkursaufhebung in das konkursfreie Vermögen des Gemeinschuldners Exekution geführt werden kann (§ 61 KO). Die Vorinstanzen haben daher die Berechtigung des vom Kläger im Sinne seines Gesamtvorbringens angestrebten Begehrens im Ergebnis zu Recht aufgrund der Bestimmungen des § 530 ZPO geprüft. Die Vorinstanzen haben auch zutreffend erkannt, daß im Falle der Geltendmachung eines unter Z 7 des § 530 Abs 1 ZPO fallenden Wiederaufnahmsgrundes die Unkenntnis der Partei im Vorverfahren unverschuldet gewesen sein muß (§ 530 Abs 2 ZPO). Nach § 81 Abs 1 KO hat der Masseverwalter ua für die Feststellung der Schulden insbesondere durch Prüfung der angemeldeten Forderungen zu sorgen. Er hat dabei die durch den Gegenstand seiner Geschäftsführung gebotene Sorgfalt anzuwenden; das Gesetz verweist dabei ausdrücklich auf § 1299 ABGB. Der in dieser Bestimmung vorgeschriebene Sorgfaltsmaßstab richtet sich nicht nach dem Fleiß und der Aufmerksamkeit eines maßgerechten Durchschnittsmenschen iS des § 1297 ABGB, sondern nach der von einem durchschnittlichen Fachmann des betreffenden Fachgebietes zu vertretenden Sorgfalt (vgl.

Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1299; Koziol-Welser 7  I, 411,

Koziol, Haftpflichtrecht 2  II, 182 f; SZ 34/153, SZ 54/98 ua). Ein

Masseverwalter hat somit für jenen Grad des Fleißes und jene

fachlichen Kenntnisse einzustehen, die für die ihm nach dem Gesetz

obliegenden Aufgaben erforderlich sind. Von einem als Masseverwalter

auftretenden Angehörigen eines rechts- oder wirtschaftsberatenden

Berufes muß verlangt werden, daß ihm grundlegende Bestimmungen des

Arbeitsrechtes, wozu auch die Pflichten eines Arbeitgebers nach dem

AuslBG gehören, bekannt sind, zumal die Notwendigkeit einer

Beschäftigungsgenehmigung nach dem AuslBG, die Verpflichtung zu

deren Beschaffung und die Rechtsfolgen ihres Fehlens bereits

wiederholt zum Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen samt

Anmerkungen der Lehre gemacht wurden (vgl. EvBl 1972/347 =

Arb 9009 = öRdA 1973, 133 (krit. Anmerkung Migsch) = SZ 45/58;

SZ 50/132 = ZAS 1979, 54 (mit Anm. von Schumacher = EvBl 1978/87 =

Arb 9678 = öRdA 1978, 346; SZ 52/87; JBl 1985, 690 = RdW 1985,

317 = ZAS 1985, 151 (mit Anm. von Peter Bydlinski) = Arb 10374;

Arb 10111; RdW 1986, 185; ZAS 1982, 140 (mit Besprechung von Schrank, 123) ua). Der Kläger bestritt dem entsprechend auch gar nicht, von den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes Kenntnis gehabt zu haben, er räumte in der Revision sogar ein, auf Grund des Inhaltes des mit S*** abgeschlossenen Spielervertrages (Wohnsitz, Anspruch des Beklagten auf Fahrtkostenrückvergütung - Flugkarten für die Familie in Canada - Canada-Österreich und retour) auch von der Ausländereigenschaft des Beklagten iS des AuslBG und um das Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung für dessen Tätigkeit gewußt zu haben. Dem ihm vom Beklagten gemachten Schuldvorwurf hielt der Kläger bloß entgegen, er habe sich darauf verlassen dürfen, daß die Organe der nachmaligen Gemeinschuldnerin einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestellt hätten. Dieses Vertrauen meint der Kläger aus dem Umstand ableiten zu können, daß der Beklagte bereits in der vorangegangenen Spielsaison für die nachmalige Gemeinschuldnerin und davor noch bei anderen österreichischen Vereinen tätig gewesen sei. Diese Argumente vermögen den Kläger aber von dem ihm von den Vorinstanzen gemachten Schuldvorwurf nicht zu entlasten. Abgesehen davon, daß gar nicht behauptet wurde, der Kläger habe sich von der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG für andere Spieler oder Trainer überzeugt und habe daher mit Grund annehmen dürfen, es werde auch für den Beklagten eine solche Bewilligung eingeholt worden sein, kann aus der Tatsache, daß der Beklagte vor Abschluß des Spielervertrages mit der nachmaligen Gemeinschuldnerin bei anderen Vereinen, zudem in anderen Bundesländern gespielt hat, noch nicht abgeleitet werden, das nunmehr zuständige Arbeitsamt werde die Beschäftigungsbewilligung (ebenfalls) erteilt haben. Da Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG auch nicht auf unbestimmte Zeit, sondern nur befristet erteilt werden (§ 7 AuslBG), und solche Bewilligungen auch nicht automatisch verlängert werden, es dazu vielmehr jeweils eines entsprechenden Antrages des Arbeitgebers bedarf, war für den Kläger auch aus dem Umstand, daß der Beklagte bereits eine Saison für die nunmehrige Gemeinschuldnerin gespielt hat, nicht ohne weiteres abzuleiten, es werde für ihn die erforderliche Beschäftigungsbewilligung auch tatsächlich erteilt worden sein. In Ermangelung des Nachweises eines das behauptete Vertrauen des Klägers rechtfertigenden sachlichen Substrates, muß gesagt werden, daß ein durchschnittlicher Masseverwalter, der einem rechts- oder wirtschaftsberatenden Beruf angehört, unter den gegebenen Umständen vor Abgabe der Prüfungserklärung wohl - zumindest durch Rückfrage beim Obmann der Gemeinschuldnerin, beim Dienstnehmer selbst oder durch einen fernmündlichen Anruf beim Arbeitsamt - Nachforschungen über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG für den Beklagten gepflogen hätte. Von einer Überspannung der Sorgfaltspflicht eines Masseverwalters kann dabei keine Rede sein, weil bereits einfache Erkundigungen zielführend gewesen wären. Die Unterlassung einer derartigen Vorbereitung der Prüfungstagsatzung wurde von den Vorinstanzen somit ohne Rechtsirrtum als Verletzung der Sorgfaltspflicht des Klägers als Masseverwalter angesehen. Die Vorinstanzen sind damit auch zu Recht zu der Annahme gelangt, die Unkenntnis des Klägers vom Fehlen der Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG sei nicht unverschuldet gewesen.

Die Abweisung des Klagebegehrens entspricht somit der Sach- und Rechtslage, wobei es dahingestellt bleiben kann, welche Fassung des Klagebegehrens der vom Kläger tatsächlich gewünschten Unwirksamerklärung der Eintragung ins Anmeldungsverzeichnis entsprochen hätte, und ob und allenfalls in welchem Ausmaß die Kenntnis vom Mangel der Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG zu einer für den Masseverwalter bzw. die Konkursgläubiger günstigeren Rechtsposition im Hinblick darauf geführt hätte, daß dem Beschäftigten trotz der Nichtigkeit des Vertrages für die bereits tatsächlich geleisteten Dienste ein Entgelt zusteht (§ 29 AuslBG; vgl. Krejci in Rummel, ABGB, Rz 179 zu § 879; Arb. 10.111; RdW 1986, 185 ua).

Der Revision konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E09368

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00325.86.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19861111_OGH0002_0050OB00325_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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