TE OGH 1986/11/27 12Os150/86

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Veröffentlicht am 27.11.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.November 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kiss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gottfried L*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.Juli 1986, GZ 9 c Vr 12361/85-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gottfried L*** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt, weil er am 21.September 1984 in Wien sich mit dem Vorsatz durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Ing.Anton S*** durch Täuschung über Tatsachen, indem er vorgab, ein zahlungsfähiger Käufer zu sein, zum Verkauf und zur Übergabe von dessen in 1170 Wien, Lobenhauerngasse 8/2/8 befindlichen Eigentumswohnung im Wert von 1,2 Millionen S verleitet hat, die diesen am Vermögen schädigte, wobei der Schaden im Betrag von 115.410,30 S den Betrag von 100.000 S übersteigt.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest:

Der Angeklagte war (bereits) im Sommer und Herbst 1984 in einer sehr schlechten finanziellen Situation. Er hatte Schulden von ca 250.000 S, wozu noch Wohnungskosten von etwa 6.000 bis 7.000 S im Monat und rückständige Mietzinse ab Juli 1984 kamen. Seine laufenden Gehaltsbezüge wurden bis an die Grenze des Existenzminimums gepfändet. Im August 1984 entschloß sich der Angeklagte eine neue Wohnung zu suchen, wobei er den Eigentümer bzw Vermieter über seine finanzielle Leistungsfähigkeit, seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit täuschen wollte und dies auch tat, um durch Zufügung eines Vermögensschadens bereichert aus den Vertragsverhandlungen herauszugehen. Ing.Anton S*** erwarb im Sommer 1984 an Zahlungs Statt das außerbücherliche Eigentum an einer Eigentumswohnung im Werte von 1,2 Millionen S im Haus 1170 Wien, Lobenhauerngasse 8. Mit Kaufvertrag vom 21.September 1984 verkaufte er seine insgesamt 76/1629-stel Anteile an der Liegenschaft dem Angeklagten um den einvernehmlich festgesetzten Kaufpreis von 1,2 Millionen S. Ein Teilbetrag von 574.496,53 S sollte durch Übernahme einer Wohnbauförderung und eines Darlehens, die restlichen 625.503,47 S in Raten ab dem 1.Oktober 1984 in Höhe von monatlich 5.500 S an den Zeugen S*** beglichen werden. Unter einem verpfändete der Angeklagte zur Sicherstellung des Restkaufpreises von 625.503,47 S seine erworbenen Liegenschaftsanteile dem Verkäufer. Zug um Zug erteilte der Zeuge Anton S*** die Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Angeklagten. Die Bestimmungen des von Rechtsanwalt Dr.Klaus H*** errichteten Kaufvertrages, insbesondere auch die den Käufer treffenden finanziellen Belastungen wurden ausdrücklich erörtert. Der Angeklagte erklärte, daß er alles wisse und seine finanziellen Verpflichtungen in der Höhe von mehr als 8.600 S im Monat kenne. Er verschwieg bewußt seine schlechte finanzielle Situation und täuschte den Zeugen S*** in "Schädigungsabsicht" über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, um zu einer billigen Wohnung zu kommen. Ing.S*** sollte um den Kaufpreisanteil und das Ö*** V*** um die Betriebskostenanteile geschädigt werden. Der Angeklagte hat entgegen seiner Zahlungsverpflichtung keine einzige Betriebskostenrate bezahlt und dem Zeugen S*** lediglich am 30.Oktober 1984 einen einmaligen Betrag von 5.500 S überwiesen, obwohl er die Wohnung (ab Oktober 1984) bis einschließlich November 1985 benützt hat. Ing.S*** hätte ohne die Täuschung über die finanzielle Leistungsfähigkeit des Angeklagten diese Wohnung nicht verkauft. Das Erstgericht beurteilte dieses Verhalten als das Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB, weil der Angeklagte seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit nur vortäuschte. Die Höhe des Schadens, den Ing.Anton S*** erlitten hat, wurde mit 115.410,30 S angenommen. Dieser Betrag setzt sich aus Betriebskosten für 14 Monate a 3.136,45 S, die der Zeuge S*** an die Hausverwaltung gegen Abtretung der Forderung bezahlt hat, und aus 13 unbezahlten Rückzahlungsraten a 5.500 S zusammen. Zur subjektiven Tatseite nahm das Gericht an, daß es der Angeklagte von allem Anfang an darauf angelegt hat, zu einer billigen Wohnung zu kommen, nicht zu zahlen und insbesonders auf Mahnung der verschiedenen Personen nicht zu reagieren. Er hat in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit den "Mietvertrag" abgeschlossen, wobei er planmäßig vorgegangen ist und entsprechend gehandelt hat. Ein solches Verhalten, so führt das Erstgericht weiter aus, wird nur von Personen an den Tag gelegt, denen eine Schädigung anderer Personen völlig egal ist bzw die eine solche Schädigung anderer Personen ernstlich in Kauf nehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpfte dieses Urteil mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung. Die Nichtigkeitsbeschwerde aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund ist berechtigt.

Laut Kaufvertrag vom 21.September 1984 sollte die Bezahlung des mit 1,2 Millionen S festgesetzten Kaufpreises für die Eigentumswohnung zum Teil durch Übernahme einer schon bewilligten Wohnbauförderung des Landes Wien und eines Darlehens der E*** Ö*** S***, in Ansehung der restlichen 625.503,47 S

jedoch durch Ratenzahlungen des Käufers von monatlich 5.500 S ab 1. Oktober 1984 erfolgen, zu deren Sicherstellung der Angeklagte dem Verkäufer Ing.Anton S*** den erworbenen Liegenschaftsanteil - Zug um Zug gegen Erteilung der Bewilligung zur Einverleibung des Eigentums - verpfändete (US 10 f). Nach den Urteilsannahmen ist Ing.Anton S*** infolge Unterbleibens der bedungenen Ratenzahlungen durch 13 Monate sowie der an das Ö*** V***

zu entrichtenden Betriebskostenzahlungen für 14 Monate um 115.410,30 S geschädigt worden (US 19).

Wird jedoch gleichzeitig mit der bücherlichen Eigentumsübertragung ein entsprechendes Pfandrecht für den restlichen Kaufpreis zugunsten des Verkäufers einverleibt, so ist, wie der Beschwerdeführer mit Recht einwendet, der Verkäufer durch das Ausbleiben der Gegenleistung an seinem Vermögen noch nicht unmittelbar geschädigt, falls dem Pfandrecht ein Rang zukommt, der die Befriedigung seiner Kaufpreisforderung zumindest insoweit sicherstellt, als dies dem Verkehrswert der Liegenschaft entspricht (Kienapfel II § 146 StGB RN 160, 170, 241, EvBl 1974/156 ua, zuletzt 12 Os 116/86). Dieser Grundsatz hat auch dann zu gelten, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - mangels Verbücherung des Eigentumsrechts des Verkäufers aus nicht von diesem verschuldeten Gründen (etwa Verzögerung der Unbedenklichkeitserklärung des Finanzamtes - vgl S 177 d.A) die Einverleibung des Eigentumsrechts des Käufers und (demgemäß auch) des Pfandrechts des Verkäufers zunächst verzögert. Das Erstgericht hat es jedoch unterlassen, zu prüfen und festzustellen, ob die restliche Kaufpreisforderung des Ing.Anton S*** bei Berücksichtigung allfälliger vorangehender Hypotheken (Wohnbauförderungskredite des Landes Wien und der E*** Ö*** S***) im tatsächlichen Wert des Liegenschaftsanteiles zur Gänze oder zum Teil gedeckt war, und demnach in dessen Vermögen kein oder nur ein nach Maßgabe der vorhandenen Deckung verbleibender Restschaden hätte entstehen können (ÖJZ-LSK 1979/244; SSt 47/27). Davon unberührt bleibt allerdings - neben einem allfälligen Verzögerungsschaden in bezug auf die nicht fristgerecht entrichteten Ratenzahlungen - ein möglicherweise 100.000 S nicht übersteigender Schaden, der dem Ö*** V*** durch die Nichtbezahlung der Betriebskosten bzw dem Verkäufer durch deren nachträgliche Vergütung und durch den Entgang der für die vorläufige Überlassung der Eigentumswohnung angefallenen Beträge erwachsen ist. Inwiefern die mit monatlich 5.500 S vereinbarten Zahlungen von den Kontrahenten nicht nur als Kaufpreisraten, sondern auch als Benützungsentgelt ("Mietzins") gedacht waren, ist im Urteil unerörtert geblieben. Das Erstgericht stellt zunächst fest, daß der Angeklagte einen Kaufvertrag abgeschlossen hat (US 10-12, 19 und 22). Im Widerspruch hiezu - der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO wurde jedoch nicht in dieser Richtung ausgeführt und kann daher nicht wahrgenommen werden (§ 290 Abs. 1 StPO) - und zu dem in der Hauptverhandlung verlesenen Kaufvertrag (der keine Bestimmungen über die Bezahlung eines Benützungsentgeltes enthält - S 81 ff d.A), wird an anderer Stelle des Urteils vom Abschluß eines Mietvertrages mit der finanziellen Verpflichtung, mehr als 8.600 S im Monat zahlen zu müssen (US 21), gesprochen.

Bei dieser Fallkonstellation hätte es näherer Feststellungen darüber bedurft, inwiefern der Vorsatz des Angeklagten auch das Bewußtsein und den Willen umfaßt hat, durch die Vermögensverfügung des Getäuschten einen unmittelbaren Schaden anderer zu bewirken. Nach den Urteilsannahmen wollte Gottfried L*** seine Kontrahenten über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit täuschen, um durch die Zufügung eines (nicht näher präzisierten) Vermögensschadens "selbst bereichert aus den Vertragsverhandlungen herauszugehen" (US 10 f). Ein Handeln in "Schädigungsabsicht" folgerte das Erstgericht daraus, daß der Angeklagte in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit den (im Urteil, S 21 f, unrichtig als Mietvertrag bezeichneten) Vertrag abgeschlossen und das Verhalten von Personen an den Tag gelegt habe, denen eine Schädigung anderer "völlig egal ist, bzw die eine solche Schädigung anderer Personen ernstlich in Kauf nehmen" (US 23). Damit kommt aber in den Urteilsgründen nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, daß der Angeklagte die Möglichkeit eines Vermögensschadens anderer nicht nur vorhergesehen, sondern diesen Erfolg - über bloße Gleichgültigkeit im Sinne innerer Teilnahmslosigkeit und bloßer Inkaufnahme der Tatbestandsverwirklichung hinaus - auch willensmäßig hingenommen, dh sich damit positiv abgefunden hat, wie dies nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes für die Annahme bedingten Schädigungsvorsatzes erforderlich wäre (Leukauf-Steininger 2 § 5 StGB, RN 17, EvBl 1978/80 ua). Zudem lassen die Urteilskonstatierungen nicht erkennen, ob im Rahmen der objektiv gegebenen Schädigungsmöglichkeiten nach den Vorstellungen des Angeklagten auf Seiten des Ing.Anton S*** (oder Dritter) eine effektive Verringerung der Vermögenssubstanz herbeigeführt werden, und in welchem Umfang ein solcher Vermögensschaden eintreten sollte. Mangels einer derartigen, im vorliegenden Fall jedoch gebotenen Spezifizierung des Schädigungsvorsatzes des Beschwerdeführers, haften sowohl dem Schuldspruch wegen Betruges an sich (§ 146 StGB), als auch dem Ausspruch über die Qualifikation des § 147 Abs. 3 StGB Feststellungsmängel (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a und 10 StPO) an. Es war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung der Nichtigkeitsbeschwerde - ohne daß es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedurfte - sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstericht zurückzuverweisen, weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E09811

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00150.86.1127.000

Dokumentnummer

JJT_19861127_OGH0002_0120OS00150_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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