TE OGH 1987/2/17 14Ob215/86

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Veröffentlicht am 17.02.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Otto Beer und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helga S***, Angestellte, Ohlsdorf, Ehrendorf 45, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Firma R*** Pflugfabrik F. & C. B***, Attnang-Puchheim, Bahnhofstraße 105, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und Dr. Christian Rumplmayr, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen S 178.212,47 s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert S 348.212,47; Revisionsstreitwert S 333.380,97), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 27. Juli 1986, GZ 21 Cg 12/86-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Vöcklabruck vom 24. Juli 1985, GZ Cr 11/83-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil, dessen bestätigender Teil unangefochten geblieben ist, wird in dessen abändernden Teil dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 39.116,10 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin sind S 820 an Barauslagen und S 3.305,10 an Umsatzsteuer enthalten) sowie die mit S 13.253,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 1.920 an Barauslagen und S 1.030,30 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Schwester des Inhabers der beklagten Partei, Herbert B***. Sie begehrt von der beklagten Partei die Zahlung eines Betrages von insgesamt S 178.212,47 s.A. an Abfertigung sowie Kündigungs- und Urlaubsentschädigung mit der Behauptung, das Arbeitsverhältnis am 5. Juli 1983 durch vorzeitigen Austritt gerechtfertigt beendet zu haben. Sie begehrt ferner die Feststellung der Verpflichtung der beklagten Partei zur Zahlung - unter Anrechnung gemäß dem § 29 AngG - jenes Entgelts, das von ihr bis zur Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters (im Falle des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses) verdient worden wäre. Die beklagte Partei habe sich trotz wiederholter Aufforderung geweigert, der Klägerin das Arbeitsentgelt zu den unabdingbaren Terminen des § 15 AngG zu zahlen. Sie habe der Klägerin ferner Entgeltteile vorenthalten, und zwar im März 1982 S 198, im September 1982 S 183, im November 1982 S 315 und im Mai 1983 S 290; schließlich habe die beklagte Partei die Klägerin wiederholt ungerechtfertigt versetzt und sie gezwungen, vertragswidrige Arbeiten zu verrichten. Die Parteien hätten die Unkündbarkeit ihres Arbeitsverhältnisses bis zur Pensionierung der Klägerin vereinbart. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Die Arbeitnehmer erhielten seit etwa 30 Jahren ihr Arbeitsentgelt am

6. oder 7. des jeweiligen Monats; seit ungefähr 10 Jahren sei mit allen Arbeitnehmern die Überweisung der Gehälter um den 6. des jeweiligen Monats vereinbart. Der Tag der Überweisung werde immer im Betrieb durch Anschlag bekannt gemacht. Die Klägerin habe den Betrag von S 198 nie verlangt; die anderen Beträge habe sie erhalten. Der erstgenannte Betrag werde anerkannt und ausgezahlt. Eine rechtswidrige Versetzung habe nicht stattgefunden.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab. Es traf folgende noch wesentliche Feststellungen:

Mit Vertrag vom 19. Jänner 1976 übergaben die Eltern der Prozeßparteien ihre Anteile am Geschäftsvermögen der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei an ihre beiden Söhne Herbert und Ferdinand B***, die seit dem Jahr 1965 Gesellschafter des Unternehmens waren. In diesem Vertrag verpflichteten sich die beiden Söhne, ihre im Unternehmen bereits angestellten Schwestern, nämlich die Klägerin sowie Hildegard B***, auch in Zukunft als Angestellte zu beschäftigen und auf das Kündigungsrecht bis zur Erreichung des Pensionsalters ihrer Schwestern zu verzichten. Nach dem im Jahre 1978 eingetretenen Tod der Mutter der Parteien entstanden zwischen den Geschwistern Auseinandersetzungen. Herbert B*** bat seinen Bruder Ferdinand, das Unternehmen nicht mehr zu betreten; am 31. März 1979 schied Ferdinand B*** infolge von Auffassungsunterschieden über die Geschäftsführung aus dem Unternehmen aus. Nachdem Hildegard B*** von ihrem Bruder Herbert entlassen worden war, endete das von ihr angestrengte, auf Feststellung des weiteren Bestandes des Arbeitsverhältnisses gerichtete arbeitsgerichtliche Verfahren mit einem Vergleich, in dem sich Herbert B*** zur Abfindung aller Ansprüche (auch jener aus dem Versorgungsvertrag) zur Zahlung eines Betrages von S 900.000 verpflichtete.

Die Klägerin war im vormals elterlichen Unternehmen von 1954 bis 1957 als Lehrling tätig. Anschließend arbeitete sie als Angestellte und schied im Jahr 1962 nach der Geburt eines Kindes aus dem Unternehmen aus. Am 1. Juli 1967 trat sie wieder ein und war in der Hauptkasse tätig. Nach dem Ausscheiden ihres Bruders Ferdinand kam es zwischen ihr und ihrem Bruder Herbert B*** zu "massiven Schwierigkeiten", worauf sie in die Telefonvermittlung und sodann ab September 1979 in die Abteilung Einkauf versetzt wurde. Ihr Hinweis, sie habe beim Maschinschreiben infolge einer Spondylarthrose starke Schmerzen, wurde von ihrem Bruder nur mit der Bemerkung beantwortet:

"Jetzt erst recht, jetzt tust Fernschreiben auch". Am 23. März 1981 wurde die Klägerin in die Arbeitsvorbereitung versetzt. Ihre Versuche, mit Herbert B*** darüber ein Gespräch zu führen, blieben erfolglos. Anfang April 1982 wurde die Klägerin in das Hauptmagazin versetzt, wo sie früher bereits gelegentlich gearbeitet hatte. Sie protestierte dagegen mit Schreiben vom 19. April und 5. Mai 1982 und forderte die beklagte Partei auf, den ursprünglichen Vertragszustand wiederherzustellen. Ihr Bruder antwortete mit Schreiben vom 6. Mai 1982, daß eine Änderung infolge des Personalbedarfs im Hauptmagazin nicht möglich sei. Tatsächlich hatte der Leiter des Hauptmagazins die Bereitstellung weiteren Personals verlangt. Am 19. Juni 1982 brachte die Klägerin beim Erstgericht eine Klage auf Feststellung der fehlenden Verpflichtung der Klägerin zur Verrichtung folgender Arbeiten ein: Aufräumen des Lagers, Übernahme und Sortieren eingehender Waren, Versandfertigmachen von Ersatzteilen, Verpacken von Teilen, Tragen von Waren und Schreiben von Bedarfsmeldungen für das Lager. In diesem Verfahren trat am 8. Juli 1983 Ruhen des Verfahrens ein.

Am 29. März 1983 war die Klägerin zur Leiterin des Hauptmagazins bestellt worden, ohne daß sich an ihrer Tätigkeit - abgesehen von der Übernahme der Verantwortung für die Inventur - etwas geändert hätte. Mit Schreiben vom 30. März 1983 nahm die Klägerin ihre Versetzung in das Hauptmagazin zur Kenntnis. Sie wies aber darauf hin, daß sie die Verantwortung für die am 31. März 1983 vorzunehmende Inventur nicht übernehme; sie könne die Verantwortung nur dann tragen, wenn die Firmenleitung auch die organisatorischen Maßnahmen treffe. Anlaß für die erwähnte Bestellung der Klägerin war der Umstand, daß unter ihrem Vorgänger ein Fehlbestand von 200 Pflugscharen aufgetreten war.

Es folgen umfangreiche Feststellungen über die Art der Tätigkeit der Klägerin im Hauptmagazin und über die dort herrschenden Verhältnisse sowie über die Krankenstände der Klägerin. Die Vorgesetzten der Klägerin hatten mit ihr keine Schwierigkeiten. Die Klägerin hatte aber mit Arbeitskolleginnen die vom Erstgericht näher festgestellten Auseinandersetzungen, die zu drei Verwarnungen und - im letzten Fall - zur Androhung der Entlassung führten. Zwischen der Klägerin und dem Inhaber der beklagten Partei, Herbert B***, kam es öfters zu Auseinandersetzungen; so etwa arbeitete die Klägerin in Gegenwart ihres Bruders demonstrativ nicht und sagte zu ihm, er habe ohnehin keine Zeugen.

Im Unternehmen der beklagten Partei wurde den Arbeitnehmern seit jeher das Gehalt zwischen dem 4. und 7. des Monats - je nach der Lagerung des Wochenendes - ausgezahlt. Die Lohnbuchhaltung benötigte nämlich etwa drei Tage für die Berechnung des für den laufenden Monat zustehenden Entgelts unter Bedachtnahme auf Verhinderungszeiten, Überstunden, Urlaub, Prämien, Provisionen etc. Zum Jahresbeginn wurden die monatlichen Überweisungstermine unter Berücksichtigung eines Kalendertages für die Überweisung am "schwarzen Brett" angeschlagen. Den Arbeitnehmern stand das Entgelt zwischen dem 7. und 12. des jeweiligen Monats tatsächlich zur Verfügung.

Die Klägerin beschwerte sich erstmals mit Schreiben vom 31. Mai 1983 über diese Termine. Sie erklärte, in Zukunft nicht mehr bereit zu sein, Verzögerungen bei der Gehaltsauszahlung in Kauf zu nehmen; sie wolle über ihr Entgelt pünktlich zum Fälligkeitstermin verfügen. Gleichzeitig stellte sie eine Nachfrist bis 6. Juni 1983, 16 Uhr. Tatsächlich wurde das Maigehalt am 7. Juni 1983 auf dem Konto der Klägerin gutgebucht. Die beklagte Partei verwies mit Schreiben vom 10. Juni 1983 darauf, daß seit 30 Jahren der von der Klägerin beanstandete Auszahlungsmodus unverändert sei und die Termine angeschlagen würden. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 28. Juni 1983, sie sei nicht bereit, weiterhin ungesetzliche Verzögerungen in Kauf zu nehmen. Mit Schreiben vom 1. Juli 1983 forderte sie die beklagte Partei auf, das Junigehalt bis spätestens 4. Juli 1983, 16 Uhr, entweder bar auszuzahlen oder auf ihrem Konto gutbuchen zu lassen. Dieses an den Beklagtenvertreter gerichtete Schreiben langte bei diesem am 4. Juli 1983, einem Montag, ein. Das Junigehalt wurde der Klägerin am 7. Juli 1983 gutgebucht. Nachdem für die durch den Besuch von Gerichtsverhandlungen bedingten Fehlzeiten der Klägerin Abzüge vom Gehalt vorgenommen worden waren, forderte sie mit Schreiben vom 31. Mai 1983 "eine Bereinigung dieser Angelegenheit". Die beklagte Partei sagte mit Schreiben vom 10. Juni 1983 eine solche Bereinigung zu. Mit dem Junigehalt wurde ihr ein Betrag von insgesamt S 788 überwiesen; ein Restbetrag von S 198 wurde erst nach Einbringung dieser Klage an die Klägerin gezahlt.

Im Jahr 1979 wurde im Unternehmen der beklagten Partei ein allgemeiner Urlaubsplan eingeführt und jeweils am "schwarzen Brett" angeschlagen. Im allgemeinen erhoben die Arbeitnehmer dagegen keinen Einspruch; allfällige vereinzelt vorkommende Sonderwünsche wurden erfüllt. Der Urlaubsplan für das Jahr 1983 sah drei sogenannte Zwickeltage, einen Betriebsurlaub vom 17. Juli bis 24. Juli mit der Möglichkeit vor, eine zusätzliche Woche vor oder nach dem Betriebsurlaub zu nehmen, sowie einen Weihnachtsurlaub vom 24. bis 31. Dezember 1983 im Ausmaß von vier Tagen. Im Schreiben vom 31. Mai 1983 lehnte die Klägerin den Verbrauch eines Urlaubs im Juli ab, erklärte sich arbeitsbereit und gab ihren Urlaubswunsch für die Zeit vom 12. September bis 23. September 1983 bekannt. Die beklagte Partei wies in ihrem Antwortschreiben vom 10. Juni 1983 darauf hin, daß die Klägerin ein Urlaubsguthaben von 19,5 Tagen habe; sie sei mit dem Betriebsurlaub immer einverstanden gewesen und habe diesbezüglich mit ihrem Mitarbeiter im Magazin eine Absprache getroffen. Sie könne die restlichen Urlaubstage im September 1983 verbrauchen. Mit Schreiben vom 28. Juni 1983 wiederholte die Klägerin, nicht bereit zu sein, im Juli Urlaub zu nehmen, und ersuchte um Mitteilung, ob sie während der Zeit der Betriebssperre im Betrieb anwesend sein müsse. Sie gab keinen Grund dafür bekannt, warum sie während des Betriebsurlaubs den Urlaub nicht verbrauchen könne. Im Zeitpunkt ihres Austritts stand der Klägerin noch ein Urlaubsanspruch von 16,5 Tagen zu. Die Klägerin war zuletzt in der Verwendungsgruppe IV des Rahmenkollektivvertrages für Angestellte der Industrie eingestuft und verdiente S 17.035 brutto pro Monat.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, der vorzeitige Austritt der Klägerin sei ungerechtfertigt. Die beklagte Partei habe zwar ungeachtet der Aufforderung der Klägerin das Junigehalt wieder nicht zum gesetzlichen Fälligkeitstermin des § 15 AngG ausgezahlt und habe dies sogar abgelehnt, doch sei der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses infolge der geringfügigen Überschreitung des Fälligkeitstermines und der Geringfügigkeit des der Klägerin vorenthaltenen Entgeltbetrages von S 198 zumutbar. In Ansehung der im März, September und November 1982 vorgenommenen Abzüge sei der Austritt überdies nicht unverzüglich vorgenommen worden. Das gleiche gelte für die Versetzung in das Hauptmagazin. Die seinerzeitige Einbringung der Feststellungsklage zeige, daß die Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht als unzumutbar betrachtet habe. Schließlich habe die Klägerin dem Urlaubsplan zumindest stillschweigend zugestimmt und keine Gründe dafür angegeben, daß sie den Urlaub während des Betriebsurlaubes nicht verbrauchen könne. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich eines Teilbetrages von S 14.831,50 s.A. (zuviel begehrte Urlaubsentschädigung) und änderte sie im übrigen dahin ab, daß es dem restlichen Zahlungsbegehren sowie dem Feststellungsbegehren stattgab. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Ergänzend stellte das Berufungsgericht fest, daß die Klägerin bis zum 30. Juli 1983 (richtig: 30. Juni 1983) ein Bruttomonatsgehalt von S 17.035 und ab 1. Juli 1983 von S 17.828 bezogen habe. Das Berufungsgericht vertrat abweichend vom Erstgericht die Rechtsauffassung, die beklagte Partei wäre bereits auf Grund des Schreibens der Klägerin vom 31. Mai 1983 verpflichtet gewesen, entsprechende organisatorische Maßnahmen zur Ermöglichung einer termingerechten Auszahlung des Gehalts zu ergreifen. In einem solchen Fall genüge eine kurze Nachfrist. Der Austrittsgrund des § 26 Z 2 AngG müsse im Zusammenhang mit den übrigen Vorfällen, insbesondere mit den zahlreichen Versetzungen der Klägerin und den Äußerungen ihres Bruders beurteilt werden. Die beklagte Partei habe gegen den dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Versorgungsvertrag verstoßen und habe die Klägerin Arbeiten verrichten lassen, welche nicht unter die Verwendungsgruppe IV fielen. Die Einbringung der gegen die Verrichtung dieser Arbeiten gerichteten Feststellungsklage zeige, daß die Klägerin dieses Vorgehen der beklagten Partei nicht gebilligt habe. Der vorzeitige Austritt sei daher aus diesen Gründen gerechtfertigt. Hingegen liege eine ungebührliche Schmälerung der Bezüge schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin die Zahlung der Verhinderungszeiten nicht eingemahnt habe und die Zahlung ohnehin schließlich erfolgt sei. Ebensowenig habe die von der beklagten Partei einseitig getroffene Ürlaubsregelung die Klägerin zum vorzeitigen Austritt berechtigt, weil sie Gründe, die eine Erholungsmöglichkeit während der ohnehin im Sommer gelegenen einwöchigen Betriebssperre ausgeschlossen hätten, nicht behauptet habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Beantragt wird die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht, allenfalls die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils erster Instanz. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt im Hinblick auf den von der Revisionswerberin übersehenen, im § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG besonders ausgestalteten Neuverhandlungsgrundsatz nicht vor (im übrigen § 510 Abs 3 ZPO).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage der Berechtigung des vorzeitigen Austritts der Klägerin. Die beklagte Partei vertritt in der Rechtsrüge weiterhin die Auffassung, der Austritt sei aus keinem der geltend gemachten Gründe gerechtfertigt. Dieser Auffassung ist zuzustimmen.

Zur Gehaltsauszahlung:

Gemäß dem § 15 AngG hat die Zahlung des dem Angestellten zukommenden fortlaufenden Gehalts spätestens am 15. und am Letzten eines jeden Monats in zwei annähernd gleichen Beträgen zu erfolgen; die Zahlung für den Schluß eines jeden Kalendermonats kann vereinbart werden. Diese Bestimmung ist gemäß dem § 40 AngG unabdingbar. Vereinbarungen, wonach das Gehalt zu einem späteren Zeitpunkt fällig sei, sind daher gemäß dem § 879 Abs 1 ABGB nichtig (Martinek-Schwarz, AngG 6 , 318; 4 Ob 55/85). Dies gilt auch für solche Stundungsvereinbarungen, die sich auf noch nicht fällige Ansprüche beziehen (Martinek-Schwarz aaO 323). Verstößt ein Arbeitgeber gegen die Fälligkeitsbestimmung des § 15 AngG, dann kann dies den Angestellten bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zum Austritt aus dem Grunde des § 26 Z 2 AngG berechtigen. Wenn ein Arbeitnehmer während eines längeren Zeitraumes derartige Verstöße des Arbeitgebers duldet, kann er aber diese Verstöße nicht ohne weiteres zum Anlaß eines vorzeitigen Austritts nehmen, weil er mit der (auch stillschweigenden) Duldung zu erkennen gegeben hat, daß ihm die Weiterbeschäftigung nicht unzumutbar erscheint und er daher auf die Ausübung des Austrittsrechtes vorläufig verzichtet (Martinek-Schwarz aaO; 4 Ob 84/80). Wenn aber der Angestellte den Arbeitgeber unter Einräumung einer Nachfrist auffordert, in Hinkunft den gesetzlichen Fälligkeitstermin zu beachten, dann muß sich der Arbeitgeber darüber im klaren sein, daß eine weitere Stundung der fälligen Bezüge nicht mehr in Betracht kommt (Martinek-Schwarz aaO 570 f.).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die verspäteten Gehaltszahlungen viele Jahre hindurch geduldet. Mit Schreiben vom 31. Mai 1983 verlangte sie für die Zukunft die termingerechte Zahlung ihres Gehalts und setzte eine Nachfrist bis 6. Juni 1983. Da das Gehalt erst am 7. Mai 1983 auf dem Konto der Klägerin gutgebucht wurde und die beklagte Partei mit Schreiben vom 10. Juni 1983 darauf hinwies, daß der von der Klägerin beanstandete Auszahlungsmodus seit 30 Jahren gehandhabt werde und die Zahlungstermine am "schwarzen Brett" angeschlagen würden, verlangte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Juni 1983 neuerlich die pünktliche Zahlung und setzte der beklagten Partei mit dem an den Bekalgtenvertreter gerichteten Schreiben vom 1. Juli 1983 eine Nachfrist bis 4. Juli 1983. Wenn auch in derartigen Fällen regelmäßig eine nur kurze Nachfrist genügt, muß deren Dauer doch den Arbeitgeber in die Lage versetzen, die erforderlichen Dispositionen zu treffen.

Diese Voraussetzung einer Nachfrist ist aber hier nicht erfüllt, weil das vorgenannte Schreiben erst am Montag, dem 4. Juli 1983, beim Beklagtenvertreter (also nichteinmal im Unternehmen der beklagten Partei) einlangte, so daß die von der Klägerin verlangte Barzahlung oder Gutbuchung unter Bedachtnahme auf die notwendige Lohnverrechnung an diesem Tag nicht mehr möglich war. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts genügten für die Berechtigung des Austritts nicht schon die Schreiben der Klägerin vom 31. Mai und 28. Juni 1983, weil die Klägerin in ihrem Schreiben vom 1. Juli 1983 ausdrücklich eine Nachfrist gewährte und damit zu erkennen gab, daß sie für den Fall der Einhaltung dieser Frist keine Konsequenzen ziehen werde. Im vorliegenden Fall kann bei der Beurteilung der für die Tatbestandsmäßigkeit des Austrittsgrundes erforderlichen Voraussetzung der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und der erforderlichen Dauer der Nachfrist auch nicht unbeachtet bleiben, daß infolge des jahrzehntelang gehandhabten Auszahlungsmodus der beklagten Partei dieser eine ausreichende Zeit für eine organisatorische Änderung eingeräumt werden mußte; im übrigen sind der Inhaber der beklagten Partei und die Klägerin immerhin Geschwister, so daß unter diesem Gesichtspunkt auch von der Klägerin ein gewisses Verständnis vorausgesetzt werden durfte.

Zu den Voraussetzungen:

Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts führt auch eine (Mit-)Berücksichtigung der Versetzungen zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Da die nicht termingerechte Auszahlung des Gehalts die Klägerin aus den dargelegten Gründen zum Austritt nicht berechtigte, können die zeitlich zurückliegenden Versetzungen für die Begründung des vorzeitigen Austritts nicht mehr herangezogen werden. Auch für den Austritt gilt der Grundsatz der unverzüglichen Geltendmachung (Martinek-Schwarz aaO 543 f mwH). Die Versetzung in das Hauptmagazin kann schon deshalb nicht mit Erfolg herangezogen werden, weil die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Klage auf Feststellung der fehlenden Verpflichtung zur Verrichtung bestimmter Magazinsarbeiten eingebracht hat. Mit dieser Klageführung gab sie aber zu erkennen, daß sie die Aufrechterhaltung ihres Arbeitsverhältnisses nicht als unzumutbar ansieht, sondern dieses trotzdem fortzusetzen gedenkt.

Zum Vorenthalten von Entgelt:

Dem Berufungsgericht ist darin beizustimmen, daß die Klägerin den vorzeitigen Austritt auch auf die festgestellten Gehaltsabzüge nicht mit Erfolg stützen kann. Ein Betrag von S 788 wurde der Klägerin mit dem Junigehalt auf Grund ihrer Reklamation ohnehin überwiesen. Der (während des Verfahrens gezahlte) Restbetrag von S 198 wurde von ihr nicht konkret eingemahnt und ist vor allem so geringfügig, daß er eine Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar erscheinen läßt.

Zum Betriebsurlaub:

Abgesehen davon, daß die Klägerin Gründe, die sie berechtigten, den Verbrauch des von der beklagten Partei angeordneten Betriebsurlaubs von fünf Tagen mangels Erholungsmöglichkeit abzulehnen (Klein-Martinek, Urlaubsrecht 70), nicht behauptet hat, so daß schon aus diesem Grund ein Austrittsgrund nicht vorliegt, stand im Zeitpunkt ihres Austritts (5. Juli 1983) noch gar nicht fest, ob ihr die Zeit der (späteren) Betriebssperre auf ihren Urlaubsanspruch gegen ihren Willen tatsächlich angerechnet worden wäre, zumal nach den Feststellungen im Zusammenhang mit dem Betriebsurlaub (vereinzelt) geäußerte Sonderwünsche erfüllt wurden. Im übrigen kommt die Klägerin in der Revisionsbeantwortung auf diesen Austrittsgrund nicht mehr zurück, so daß weitere Ausführungen unterbleiben können.

Da sich der vorzeitige Austritt der Klägerin unter allen Gesichtspunkten als ungerechtfertigt erweist, fehlt sowohl dem Zahlungsbegehren als auch dem Feststellungsbegehren die Berechtigung (§§ 29 Abs 1, 23 Abs 7 AngG; §§ 9 Abs 1, 10 Abs 2 UrlG). Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E10344

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OB00215.86.0217.000

Dokumentnummer

JJT_19870217_OGH0002_0140OB00215_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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