TE OGH 1987/3/24 2Ob581/86 (2Ob582/86)

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Veröffentlicht am 24.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Firma "R***" Alfred R*** Export-Import Ges.m.b.H., Wien 9., Türkenstraße 25,

2. Adolf R***, Aktiengesellschaft, Wien 9., Türkenstraße 25, beide vertreten durch Dr. Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fa. R***, Schlauchleitungen und Armaturen Ges.m.b.H., Wien 11., Lorystraße 74, vertreten durch Dr. Friedrich Willheim, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 15,806.852,17 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17.Jänner 1986, GZ 4 R 218/85-92, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.Juni 1985, GZ 17 Cg 28/80 und 17 Cg 29/80-86, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat den klagenden Parteien die mit S 40.389,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.671,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach dem in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen enthaltenen Vorbringen haben die klagenden Parteien der beklagten Partei im Jahre 1979 die Betriebsliegenschaft Wien 11., Lorystraße 74, samt dem dort betriebenen Unternehmen zum Preise von DM 850.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer verkauft. Die beklagte Partei habe auch das Warenlager in dem vom Sachverständigen festgestellten Wert von S 8,639.196,42 übernommen. Unter Berücksichtigung von Teilzahlungen der beklagten Partei und eines wegen teilweiser Beschädigung des Warenlagers von einer Feuerversicherung bezahlten Betrages von S 982.809,-- belaufe sich die (zuletzt geltend gemachte) offene Klagsforderung im erstgenannten Verfahren 17 Cg 28/80 auf S 14,238.419,43 sA und im Verfahren 17 Cg 29/80 auf S 1,866.864,43 sA.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Der Wert der per 30.6.1979 übernommenen Waren habe lediglich S 4,255.334,20 betragen. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Abzüge vom Kaufpreis für das Unternehmen habe die beklagte Partei ihre gesamten vertraglichen Zahlungsverpflichtungen erfüllt. Aufrechnungsweise würden darüberhinaus Schadenersatzforderungen von S 337.438,-- und S 2,1 Mio eingewendet, welche durch die von den klagenden Parteien verzögerten und den laufenden Betrieb störenden Inventurarbeiten ab 1.7.1979 und durch zugesagte, tatsächlich jedoch unterbliebene Umsatzentwicklungen und ein Vorziehen von Aufträgen entstanden seien. Weiters würde den Klagsforderungen eine der beklagten Partei gegenüber der klagenden Partei Firma R*** angeblich zustehende Forderung für Warenlieferungen von S 550.452,52 aufrechnungsweise gegenübergestellt.

Das Erstgericht sprach mit Teilurteil aus, daß die Forderung der Firma R*** mit S 13,939.987,74 sA und die Forderung der Firma Adolf R*** AG mit S 1,866.864,43 sA zu Recht bestehe, die eingewendeten Gegenforderungen von S 337.437,-- und S 2,1 Mio dagegen nicht zu Recht bestünden und die beklagte Partei daher die festgestellten Klagsforderungen zu bezahlen habe. Das Mehrbegehren der Firma R*** von S 138.777,23 wies das Erstgericht ab. Die Endentscheidung über die weitere Gegenforderung von S 550.452,52 behielt es dem Endurteil vor.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die beklagte Partei eine auf § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der vollen Klagsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagenden Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht traf die auf den Seiten 6 bis 20 seines Urteiles enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen. Danach kam es zwischen Horst M***, dem Geschäftsführer der zu gründenden und sodann gegründeten beklagten Partei, und dem Vertreter der Firma R*** im Februar 1979 zu Vertragsgesprächen und zum Abschluß eines Vorvertrages, bei welchem eine bewertete Inventur zum 30.9.1978 als dem Ende des letzten vollen Geschäftsjahres der letztgenannten Firma noch nicht zur Verfügung stand. Für das Unternehmen wurde ein Kaufpreis von DM 850.000,-- zum Tageskurs vom 2.7.1979 vereinbart. Das Warenlager sollte gemäß der vom Personal der Firma R*** unter Überwachung des Geschäftsführers der beklagten Partei zu errichtenden Inventur gesondert bezahlt werden. Die Übergabe und Übernahme sollte am 1.7.1979, Null Uhr, stattfinden. Die Bewertung der verwertbaren Waren hatte zum Einstandspreis zu erfolgen. Ein Vorziehen von Aufträgen war nur bei Vorliegen exporttechnischer Gründe zulässig. Schließlich vereinbarten die Vertragsparteien die Anwendung österreichischen Rechts. Am 23.6.1979 kam es zwischen den klagenden Parteien und der beklagten Partei zu den Vereinbarungen Beilage ./R und ./S. Mit der letztgenannten wurde der Vorvertrag zum Hauptvertrag erhoben, wobei der Kaufpreis von DM 850.000,-- "von einer Inventurhöhe zum 30.6.1979 von S 7,5 Mio und von einem Umsatz im Rumpfgeschäftsjahr der Firma R*** vom 1.10.1978 bis 30.6.1979 in der Höhe von S 16,5 Mio ausging". Bei bestimmten geringeren oder höheren Inventursummen sollte der Kaufpreis, wie im einzelnen festgelegt, niedriger oder höher sein (Gleitklausel). Nach Ermittlung einer allfälligen derartigen Kaufpreisänderung sollte einvernehmlich die Feststeleung der Verwertbarkeit der in der Inventur aufscheinenden Waren per 1.7.1979, 0,00 Uhr, vorgenommen werden. Die Verwertbarkeit der Ware hatte also auf eine allfällige Kaufpreisänderung keine Auswirkung, ebensowenig sollte das sogenannte rollende Gut bedeutsam sein. Die in der Beilage ./R ausgedrückte Umsatzerwartung von S 16,5 Mio wurde tatsächlich erfüllt. Lediglich aus exporttechnischen Gründen hatte die Firma R*** insgesamt vier Aufträge vorgezogen. Die Inventurarbeiten sollten auf Grund der Anordnung des zuständigen Vertreters der letztgenannten Firma zwischen dem 26.6.1979 und 30.6.1979 stattfinden. Tatsächlich konnte damit wegen der noch laufenden Produktionsarbeiten aber erst am 27.6.1979 begonnen werden. Wider die sonstige Übung wurden diesmal die nicht verwertbaren Waren ausgesondert, wodurch die Arbeit erschwert war. Die eigentlichen Inventurarbeiten waren mit 4.7.1979 abgeschlossen. Nach Ansicht der beklagten Partei unverwertbare Waren w**d n noch bis zum 6.7.1979 ausgesondert und beiseite gelegt. Bei der laut Punkt 3 der Vereinbarung Beilage ./S vorzunehmenden Festsetzung der Verwertbarkeit kam es mit der beklagten Partei zu keiner Einigung. Man vereinbarte daher, die ausgesonderten Waren an neutraler Stelle bei einem Spediteur zu lagern und die Verwertbarkeit nachträglich festzustellen. Eine Inventarisierung dieser Waren erfolgte erst im Zuge des Prozesses. Ein Teil dieser Waren wurde durch einen Brand zerstört, hiefür ging eine Versicherungsleistung von S 982.809,-- ein, um welche die Klage eingeschränkt wurde. Ein weiterer Teil der ausgesonderten Waren, der als "Schrott" bezeichnet wurde, blieb in den Geschäftsräumlichkeiten in der Lorystraße, diesbezüglich wurde das Klagebegehren ebenfalls eingeschränkt. Am 9.7.1979 einigten sich die Streitteile dahin, der Warenverrechnung die in Beilage ./2 aufscheinenden Mengen zugrundezulegen. Hinsichtlich der Verwertbarkeit und Nacharbeitung bedürftigkeit traf das Erstgericht im einzelnen die auf den Seiten 15 bis 20 seines Urteiles enthaltenen Feststellungen. Diesbezüglich ergaben sich Abzüge zugunsten der beklagten Partei von S 180.620,05 und vom Sachverständigen als Mittelgtrh errechnete S 250.000,--. Einschließlich der Schrottwaren im Werte von S 118.180,34 und S 390.100,34 betrug der Gesamtabzug beim Warenlagerwert S 938.900,73, um welchen Betrag das Klagebegehren eingeschränkt wurde. Der Vertragsbestimmung, den Inventurbestand nach Möglichkeit zu reduzieren, ist die Firma R*** nachgekommen. Der der Verrechnung zugrundeliegende Inventurwert betrug S 7,681.654,21. Die klagenden Parteien hatten für die von ihnen in Anspruch genommenen Bankkredite die aus der Anlage und in der Beilage ./H 2 ersichtlichen Zinsen zu bezahlen.

In seiner rechtlichen Beurteilung erklärte das Erstgericht, hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der Kaufpreisforderung der klagenden Parteien sei zunächst der wahre Wille der Parteien in der Richtung zu erforschen gewesen, wie die Preisgleitklausel Beilage ./R auszulegen sei. Das Beweisverfahren habe ergeben, daß für die allfällige Anwendung dieser Preisgleitklausel die unbereinigte Inventur vom 30.6.1979 heranzuziehen sei. Da nach dem Willen der Vertragsteile das Vorliegen eines ausgeglichenen Geschäftserfolges aus dem Inventurvergleich abgeleitet werden sollte, habe das rollende Gut und die Umsatzsteuer jedenfalls außer Betracht zu bleiben. Im Hinblick darauf, daß bei Anwendung des Grundsatzes der vertraglich vorgesehenen Bewertung zu Einstandspreisen die Inventursumme in keiner Richtung den vereinbarten Schwankungsbereich über- oder unterschritten habe, sei der Verrechnung ein Kaufpreis von DM 850.000,-- zugrundezulegen, zumal auch ein Preisnachlaß der beklagten Partei nicht gewährt worden sei. Das Warenlager habe die beklagte Partei in dem Ausmaß zu bezahlen, als sich die übernommene Ware in einem verwertbaren Zustand befunden habe. Notwendige Nacharbeitungskosten aus mangelhafter Ware sollten zu Lasten der klagenden Parteien gehen. Das Beweisverfahren habe ergeben, daß die Parteien bei Vertragsabschluß nicht geregelt hätten, wie der Begriff der "Unverwertbarkeit" verstanden werden sollte. Dieser Begriff sei daher nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr in der Richtung der technischen Unverwertbarkeit auszulegen, wie dies auch der Sachverständige angenommen habe. Die unverwertbaren sowie die feuerbeschädigten Waren seien ohnehin nicht mehr Prozeßgegenstand. Die klagende Partei Firma R*** habe es zu verantworten, daß die Inventur nicht, wie vereinbart, am 30.6.1979, sondern erst am 4.7.1979 fertiggestellt wurde und solcherart ihrer Pflicht zur gemeinsamen Feststellung der Verwertbarkeit nicht nachgekommen sei. Die von der beklagten Partei nicht übernommenen, als unverwertbar ausgelagerten Waren seien daher vom Sachverständigen auf ihre Verwertbarkeit zu prüfen gewesen. Somit ergebe sich folgende Verrechnung: Von der Summe der festgestellten Inventurwerte (S 7,681.654,21) und dem Einstandspreis des rollenden Gutes (S 460.991,60) sei der Betrag für die (seit der Klagseinschränkung vom 21.6.1985 nicht mehr prozeßgegenständlichen) Abzüge wegen Unverwertbarkeit bzw. Nacharbeitbedürftigkeit des zu übernehmenden Warenlagers im Betrag von zusammen S 938.900,73 abzuziehen. Zuzüglich Umsatzsteuer ergebe dies einen Betrag von S 8,500.419,19. Zusätzlich sei noch der klagenden Partei R*** der auf sie entfallende Teil des Unternehmenskaufpreises ohne Berücksichtigung der Preisgleitklausel von zusammen DM 265.000,-- zum Umrechnungskurs von S 736,17 pro 100 DM zu zahlen, was einschließlich Umsatzsteuer einen Betrag von S 2,301.991,80 ergebe. Unter Berücksichtigung der an die Firma R*** von der beklagten Partei bezahlten Beträge und unter Einschluß der Versicherungsleistungen sowie unter weiterer Berücksichtigung der aus dem Titel des Schadenersatzes zu vergütenden Zinsen und Zinseszinsen ergebe sich der an die Firma R*** zugesprochene Betrag, während sich der an die Firma R*** AG zugesprochene Betrag aus dem restlichen Unternehmenskaufpreis einschließlich Betriebsliegenschaft abzüglich der hierauf geleisteten Zahlungen zuzüglich Zinsen und Zinseszinsen ergebe. Das Beweisverfahren habe für die im Teilurteil entschiedenen Gegenforderungen keine entsprechende Feststellungsgrundlage hinsichtlich der behaupteten Schäden ergeben und zwar sowohl in bezug auf den Eintritt eines Schadens, als auch eines kausalen Verschuldens der klagenden Parteien.

Das Berufungsgericht hielt weder die Mängelrüge und die Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellungen und unrichtigen Beweiswürdigung noch die Rechtsrüge für gerechtfertigt. Es übernahm insbesondere auch die erstgerichtliche Feststellung, daß ein Schaden der beklagten Partei durch Verzögerung der Fertigstellung der Inventurarbeiten zum 30.6.1979 und eine hiedurch bedingte Betriebsstörung nicht erwiesen sei (Seite 26 des angefochtenen Urteils).

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, Horst M*** sei als Vertreter der zu gründenden und sodann gegründeten beklagten Partei aufgetreten, sodaß nicht ersichtlich sei, warum "eine Auslegung des Vertragstextes nach dem wahren Willen der Parteien" eine Haftung bloß der Firma A*** für den unberichtigten Kaufpreis begründen könnte. Die beklagte Partei stelle selbst nicht in Abrede, daß sie nach dem klaren Vertragstext als Käuferin und Vertragspartnerin derklagenden Parteien aufscheine, sondern ziehe lediglich den Schluß, durch die nachträglichen Zahlungen eines Teiles des Kaufpreises durch einen Dritten, nämlich die Firma A***, und zufolge Annahme dieser Zahlung sei die Firma A*** Vertragspartei geworden. Der gezogene Schluß sei jedoch nicht gerechtfertigt, weil die klagenden Parteien Zahlungen auch von dritter Seite entgegennehmen hätten dürfen. Die Auslegung der Preisgleitklausel sei nicht nur im Hinblick auf den Vertragstext der Beilage ./R, sondern im Zusammenhalt mit der festgestellten Parteienabsicht erfolgt. Das Vorliegen eines ausgeglichenen Geschäftsergebnisses sollte festgestelltermaßen aus beiden Größen "Umsatz im Rumpfgeschäftsjahr" und "Inventurwert zum Stichtag" gefolgert werden. Die der allfälligen Ermittlung einer Kaufpreisänderung dienende Inventur zum 30.6.1979 sollte ohne Berücksichtigung der Verwertbarkeit einzelner Waren, des rollenden Gutes usw. erstellt werden. Bei diesem Sachverhalt könne daher auch nicht von einer undeutlichen Äußerung iS des § 915 letzter Satz ABGB gesprochen werden, wobei überdies nicht feststehe, wer sich dieser Äußerung bedient habe. Der Hinweis auf aktienrechtliche Bewertungsvorschriften und handelsrechtliche Vorschriften sei nicht zielführend, weil es den Parteien freigestanden sei, von diesen Regelungen abweichende Richtlinien festzulegen. Überdies sei von der beklagten Partei ein Widerspruch zu den Bewertungsvorschriften der §§ 131, 133 AktienG gar nicht aufgezeigt worden. Daß Gegenstände des Anlagevermögens nach § 133 Abs 1 AktienG höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden dürfen, bedeute entgegen den Berufungsausführungen keine gesetzliche Regelung dahin, daß "untaugliches Material einer Vernichtung zugeführt werden müsse". Auch die Bestimmung des § 39 Abs 1 HGB, daß für den Schluß eines jeden Geschäftsjahres eine Bilanz aufzustellen sei, ändere nichts an der vorliegenden rechtlichen Beurteilung. Eine vertragliche Verpflichtung der klagenden Parteien, unverwertbare Ware zu vernichten, sei nicht festgestellt worden. Hinsichtlich der Zinsenberechnung habe das Erstgericht ausdrückliche Feststellungen getroffen. Diese Feststellungen habe die Berufungswerberin nicht in konkret präzisierter Weise bekämpft, sondern nur pauschal behauptet, auf Grund der eigenen, nicht detaillierten Zinsenberechnung ergebe sich eine Schuld von

S 7,421.438,36. Zum Beginn des Zinsenlaufes verwies das Berufungsgericht darauf, daß ein Kaufmann gemäß Art. 8 Nr. 2 der

4. EVHGB Anspruch auf Ersatz des die Verzögerungszinsen übersteigenden Schadens und entgangenen Gewinnes habe, soferne dieser vom Vertragspartner verschuldet sei, wobei letzterem der Beweis der Schuldlosigkeit obliege.

In der Mängelrüge der Revision werden im wesentlichen nur erstgerichtliche Verfahrensmängel - so insbesondere die Unterlassung der Einholung des Gutachtens eines zweiten technischen Sachverständigen - behauptet, deren Vorliegen bereits vom Berufungsgericht verneint wurde. Eine Anfechtung in dritter Instanz ist diesbezüglich im Sinne der ständigen Judikatur nicht möglich. Im weiteren werden tatsächliche und rechtliche Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes und wird mehrfach auch die Beweiswürdigung der Unterinstanzen bekämpft. Eine solche Anfechtung ist, soweit nicht der Rechtsrüge zuzuordnende Fragestellungen vorliegen, auf Grund der im § 503 Abs 1 ZPO taxativ aufgezählten Revisionsgründe nicht zulässig. Teilweise sind die Ausführungen auch durch kein erstinstanzliches Vorbringen gedeckt, die diesbezügliche Rüge, die Unterinstanzen hätten Beweisaufnahmen unterlassen, ist daher nicht gerechtfertigt. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt somit nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit führt die beklagte Partei aus, das Berufungsgericht habe die erstgerichtliche rechtliche Beurteilung unrichtig zitiert und solcherart eine aktenwidrige Feststellung getroffen. Auch in der berufungsgerichtlichen Annahme, die Einholung des von der beklagten Partei beantragten weiteren Sachverständigengutachtens hätte einen unzulässigen Erkundungsbeweis dargestellt, liege eine aktenwidrige Feststellung. Schließlich wird die berufungsgerichtliche Beweiswürdigung "über die Glaubwürdigkeit des Geschäftsführers der Klägerin" und in der Frage der Verwertbarkeit der Warenbestände unter Hinweis auf bestimmte Beweisergebnisse bekämpft. Damit bringt die Revisionswerberin aber in keinem Falle eine Aktenwidrigkeit zur Darstellung, weil eine solche voraussetzt, daß das Berufungsgericht seinerseits tatsächliche Feststellungen getroffen hätte, welche dem Akteninhalt widersprächen. Davon kann vorliegendenfalls nicht die Rede sein. Auch dieser behauptete Revisionsgrund ist daher zu verneinen (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge meint die Revisionswerberin, die Anwendung der Bestimmung des § 273 ZPO durch die Unterinstanzen bei Feststellung der Höhe der "Nacharbeitungskosten" sei nicht erforderlich gewesen, weil der diesbezügliche Betrag "durch die Einholung eines weiteren - kompetenteren - Sachverständigengutachtens hätte ermittelt werden können".

Dem ist zu entgegnen, daß die Frage, ob die Unterinstanzen die Bestimmung des § 273 ZPO anwenden durften, eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung darstellt (Arb. 8666; JBl 1973, 257; ZVR 1984/322 uva). Mit der Rechtsrüge ist nur überprüfbar, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist (4 Ob 109/83, 1 Ob 592/85, 2 Ob 22/85 uva). Der Sachverständige Dipl.Ing. H*** hat vorliegendenfalls ausgeführt (siehe erstgerichtliches Urteil S 23 f), daß eine genaue Feststellung über die "Nacharbeitungsbedürftigkeit" und Verwertbarkeit der bezeichneten Waren auch bei unverhältnismäßig hohem weiteren Prüfungsaufwand nicht zu erwarten bzw. ein solcher Prüfungsaufwand die zugrundegelegten Nacharbeitungskosten weit überschreiten würde. Nach der Rechtsprechung (7 Ob 701/80, 3 Ob 654/81; SZ 55/115; 5 Ob 560-562/83) ist der Richter berechtigt, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die voraussichtlich erforderlichen Aufwendungen eine diesbezügliche Festsetzung nach freiem Ermessen gemäß § 273 ZPO vorzunehmen. Die vorliegendenfalls von den Unterinstanzen solcherart festgesetzten Werte werden ihrer Höhe nach in der Revision nicht bekämpft.

Hinsichtlich der Bewertung des Lagerbestandes behauptet die Revisionswerberin ebenso wie schon in der Berufung, daß sich die klagenden Parteien trotz der zwischen den Parteien getroffenen Richtlinien für die Bewertung diesbezüglich an die handelsrechtlichen Vorschriften und die Bilanzwahrheit halten hätten müssen. Untaugliches Material wäre daher auszuscheiden und zu vernichten gewesen. Der Argumentation des Berufungsgerichtes, für den ursprünglichen Verwendungszweck untaugliches Material sei deswegen allein noch nicht zwingend als unverwertbar zu bezeichnen, könne nicht gefolgt werden. Tatsache sei jedenfalls, daß im Inventarwert untaugliches Material enthalten sei, dieser ungerechtfertigt hohe Inventarwert habe zu einer überhöhten Kaufpreisforderung geführt.

Auch diese Ausführungen erweisen sich insgesamt als nicht stichhältig. Die Revisionswerberin gesteht zum einen selbst zu, daß die Vertragsparteien Richtlinien für die Bewertung der Warenbestände vereinbart hatten. Weder die Bestimmung des § 39 HGB noch die Anordnungen der §§ 31 ff AktienG schließen die vertragliche Vereinbarung von Bewertungsgrundsätzen betreffend ein Warenlager anläßlich des Verkaufes des Unternehmens aus. Die Möglichkeit einer Bewertung zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten auch bei geringerem Wert der zu bewertenden Gegenstände ist im übrigen im § 133 AktienG mehrfach vorgesehen. Selbst ein Verstoß gegen Grundsätze der Bilanzierung würde die Bewertung nach den von den Streitteilen für Verkaufszwecke vereinbarten Kriterien somit keinesfalls hindern.

Was zum anderen die Ermittlung des Inventurwertes als Grundlage der Festsetzung des Kaufpreises für das Unternehmen betrifft, hat der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, von den diesbezüglichen ausdrücklichen unterinstanzlichen Feststellungen auszugehen. Danach sollte aber auf Grund der Vereinbarung der Streitteile die Verwertbarkeit der in der Inventur enthaltenen Ware auf die Höhe des Kaufpreises des Unternehmens keinen Einfluß haben. Die Feststellung der Verwertbarkeit sollte auch erst nach Ermittlung der "Inventursummen" erfolgen. In seiner rechtlichen Beurteilung wies das Erstgericht darauf hin, das Beweisverfahren habe ergeben, daß für die allfällige Anwendung der "Preisgleitklausel" hinsichtlich des Unternehmenskaufpreises "die unbereinigte Inventur vom 30.6.1979 heranzuziehen gewesen sei". Es sollte ein "Inventurvergleich" und damit die Feststellung des Vorliegens eines "ausgeglichenen Geschäftserfolges" ermöglicht werden. Das Berufungsgericht ging ausdrücklich davon aus, daß diese Auslegung der "Preisgleitklausel" nicht nur im Hinblick auf den schriftlichen Vertragstext (Beilage ./R), sondern in Zusammenhalt mit der festgestellten Parteienabsicht erfolgt sei und die der allfälligen Ermittlung einer Änderung des Kaufpreises für das Unternehmen dienende Inventur vom 30.6.1979 ohne Berücksichtigung der Verwertbarkeit einzelner Waren erstellt werden sollte. Auf der Grundlage dieser Feststellungen der Tatsacheninstanzen kann somit der Rechtsansicht der Revisionswerberin auch in den vorstehenden Punkten nicht gefolgt werden.

Schließlich führt die Revisionswerberin aus, sie habe es als Berufungswerberin zwar im Sinne der zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes unterlassen, in der Berufung eine detaillierte Zinsenberechnung vorzunehmen. Der von ihr angegebene Gesamtbetrag an Zinsen könne jedoch auf Grund eines einfachen Rechenvorganges nachvollzogen werden.

Auch hierin ist die Revisionswerberin nicht im Recht. Das Erstgericht hat den klagenden Parteien hinsichtlich der Klagsforderungen nach Abs 4 seines Urteilsspruches jeweils "8 3/4 % Zinsen und 8 3/4 % Zinseszinsen mit bankmäßigem vierteljährlichem Abschluß des Kalenderquartals" zugesprochen und in der Begründung des Urteils auf die diesem angeschlossene, detaillierte, neun Seiten umfassende Zinsenberechnung ("Anlage zum Teilurteil vom 26.6.1985") verwiesen. Die Berufungswerberin legte, wie sie selbst zugibt, nicht dar, ob und welche bestimmten betraglichen Ansätze, Zinssätze, Verrechnungszeiträume und rein rechnerischen Zinsermittlungen nach ihrer Ansicht unrichtig seien. Das Berufungsgericht erklärte die pauschal erfolgte Bekämpfung für nicht stichhältig und übernahm die vom Erstgericht diesbezüglich festgestellte Tatsachengrundlage. Daß die aus der neunseitigen Anlage ersichtliche detaillierte Zinsenberechnung in bestimmten Punkten rein rechnerisch unrichtig wäre - diesbezüglich läge eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor -, wird von der beklagten Partei auch in der Revision nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.

Der insgesamt ungerechtfertigten Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10487

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00581.86.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19870324_OGH0002_0020OB00581_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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