TE OGH 1985/7/10 1Ob592/85

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Veröffentlicht am 10.07.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma Tapeten A - Inhaberin Franziska B, Innsbruck, Adamgasse 11, vertreten durch DDr.Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei C & D Gesellschaft mbH,

Tapetenfabrik, Köln, Höninger Weg 106, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 1,595.500,-- samt Anhang (Revisionsinteresse S 1,463.500,-- samt Anhang) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. Februar 1985, GZ 1 R 326/84-54, womit infolge von Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.September 1984, GZ 10 Cg 54/84-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.783,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.471,20 Umsatzsteuer und S 3.600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei erzeugt Tapeten, übernimmt daneben aber auch die Anfertigung von Musterbüchern für Tapetenkollektionen, die nicht auf eigene Produkte beschränkt sind, sondern auch Erzeugnisse anderer Tapetenhersteller beinhalten können, wenn entsprechende Musterrollen zur Verfügung gestellt werden. Aus diesen Rollen werden Musterblätter ausgeschnitten, die zu Musterbüchern gebunden werden. Die beiden Bezeichnungen 'Musterkarten' und 'Musterbücher' haben dieselbe Bedeutung. Im Tapetenhandel werden die Musterkollektionen alle zwei Jahre gewechselt. Im Herbst 1979 fand ein solcher Wechsel statt: Die neue Kollektion führte die Bezeichnung 1980/81. Die Vereinigung österreichischer Tapetenhändler legte den Termin, von dem an die Ausgabe der neuen Kollektion zulässig war, auf den 15. Oktober 1979, den Reisetermin mit Rohkarten hingegen auf den 3. September 1979 fest.

Die beklagte Partei schickt ihren Kunden jeweils geraume Zeit vor dem Kollektionswechsel Angebotsmappen zu. Auch die Klägerin erhielt eine solche Mappe. Diese betreibt schon seit Jahren den Tapetengroß- und -einzelhandel in Innsbruck. Im Mai 1979 bestellten Manfred E und Josef F in Köln im Auftrag der Klägerin bei der beklagten Partei zwei Musterkarten (= Musterbücher), deren eine die Bezeichnung 'Aktuell' führen sollte, während für die andere der Name 'Tweed' in Aussicht genommen war.

Mit ihrer am 19.Februar 1981 beim Erstgericht eingebrachten Klage (10 Cg 111/81) begehrte die beklagte Partei die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von DM 19.566,54 samt Anhang als Kaufpreis für die in der Zeit vom Mai bis November 1980 gelieferten Tapeten. Die Klägerin, die in diesem Verfahren lediglich mangelnde Fälligkeit einwendete, begehrte mit der vorliegenden, am 15. April 1981 eingebrachten Klage zuletzt von der beklagten Partei den Betrag von S 1,595.500,-- samt Anhang. Diese habe die für September 1979 bestimmten Musterbücher erst kurz vor Weihnachten 1979 ausgeliefert. Durch den Lieferverzug habe die Klägerin in der Hauptgeschäftszeit schwere Einbußen erlitten; der Umsatz sei derart zurückgegangen, daß der entgangene Gewinn den Klagsbetrag erreiche.

Die beklagte Partei bestritt die Vereinbarung eines solchen Liefertermins; die späte Auslieferung habe sich die Klägerin selbst zuzuschreiben, weil sie die Musterrollen nicht rechtzeitig übermittelt habe. Außerdem hätte kein Schaden eintreten können, wenn die vorhandenen Musterrollen für die Anfertigung von Reisekarten verwendet worden wären. Damit hätte die Klägerin mit dem Verkauf der neuen Kollektion beginnen können.

Das Erstgericht, das die beiden Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verband, gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren der beklagten Partei (mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens) zur Gänze, jenem der Klägerin hingegen nur mit S 70.000,-- samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren von S 1,525.500,-- samt Anhang ab. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Ausspruch über das Begehren der beklagten Partei als Teilurteil und hob das Urteil im restlichen Umfang auf. Das Teilurteil erwuchs in Rechtskraft. Im (vorliegenden) zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit S 132.000,-- samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren von S 1,463.500,-- samt Anhang ab. Es stellte fest, Manfred E und Josef F

hätten dem Vertreter der beklagten Partei, Jürgen G, erklärt, sie wünschten eine Lieferung der Musterbücher noch im September 1979, um diese noch rechtzeitig ausliefern zu können. Jürgen G habe die bestellten Liefertermine zustimmend zur Kenntnis genommen. Die beklagte Partei habe das Musterbuch 'Tweed' erst am 18.Oktober 1979 und das Musterbuch 'Aktuell' erst am 27. November 1979 an die Klägerin versendet. Diese habe wegen der Dauer von Transport und Verzollung ersteres jedoch erst am 29. Oktober 1979 und letzteres erst am 8.Dezember 1979 erhalten. Die Klägerin sei nicht in der Lage gewesen, die Musterbücher selbst herzustellen oder bei anderen Erzeugern rechtzeitig zu beschaffen. Die verspätete Auslieferung der beiden Musterbücher habe Umsatzverluste der Klägerin zur Folge gehabt, deren Höhe zwar nicht genau feststellbar sei, die aber zumindest S 100.000,--, höchstens jedoch S 650.000,-- betragen hätten. Der Nettorohgewinn der Klägerin habe höchstens 43 % des Umsatzes erreicht, so daß sich der entgangene Reingewinn nach Abzug der bei geringerem Umsatz eingesparten Kosten mit etwa 23 % des Umsatzes errechnen lasse. Infolge der Umsatzminderung habe die Klägerin vermehrt Bankkredit in Anspruch nehmen müssen, was die Ertragslage ihres Unternehmens verschlechtert habe, doch sei auch das Ausmaß der hiedurch bedingten Ertragsminderung nicht genau feststellbar. Auch der Amortisationsrabatte sei die Klägerin im entsprechenden Verhältnis verlustig gegangen. Daraus schloß das Erstgericht, die beklagte Partei sei - auch nach dem gemäß § 36 H anzuwendenden deutschen Recht - zum Ersatz des Verzögerungsschadens verpflichtet, den die Klägerin auch nicht vermeiden oder vermindern habe können. Da die genaue Höhe des der Klägerin aus dem Lieferverzug entstandenen Schadens nicht festgestellt werden könne, sei nach § 273 ZPO vorzugehen. Der Umsatzentgang könne danach mit S 466.000,-- geschätzt werden, woraus sich bei einem Ertragsanteil von 23 % ein Schaden von S 107.180,-- errechnen lasse; hiezu komme noch der vermehrte Aufwand für den Bankkredit, sodaß die Forderung der Klägerin der Höhe nach mit S 120.000,-- angesetzt werden müsse. Unter Hinzurechnung des darauf entfallenden Rabattentgangs von etwa S 12.000,-- erweise sich das Klagebegehren lediglich mit dem Betrag von S 132.000,-- als berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Klägerin könne selbst nicht mehr bestreiten, daß die Schadenshöhe nach § 273 ZPO zu finden sei. Es sei von vornherein unbestritten geblieben, daß die Ursachen des Umsatz- und Gewinnrückgangs der Klägerin auch durch die Vernehmung eines branchenkundigen Sachverständigen nicht restlos aufgeklärt werden könnten, doch seien alle Beweismöglichkeiten ausgeschöpft worden, so daß die Voraussetzungen für die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO vorlägen. Den Erwägungen, die das Erstgericht dabei angestellt habe, sei nichts hinzuzufügen. Innerhalb des vom Erstgericht festgestellten Rahmens der durch den Lieferverzug bedingten Umsatzeinbuße der Klägerin müsse ein Ausgleich geschaffen werden, dessen Bandbreite durch das Gutachten des Sachverständigen Kurt I belegt sei. Dem Erstgericht sei, soweit es den Umsatzentgang - ausgehend von einer Teilung 2:1 zugunsten der Klägerin - mit S 466.000,-- errechnet habe, beizupflichten. Dem Sachverständigen müsse auch darin gefolgt werden, daß der durch den Lieferverzug eingetretene Umsatzverlust zeitlich begrenzt gewesen sei; für die Zeit ab April 1980 sei ein meßbarer Folgeschaden des Lieferverzugs nicht mehr feststellbar.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Rechtsrüge wendet sich ausschließlich gegen die von den Vorinstanzen gemäß § 273 Abs 1 ZPO vorgenommene Schadensbemessung. Die Klägerin bestreitet selbst nicht, daß die genaue Ermittlung der Schadenshöhe - der Rückgang des Umsatzes und damit des Gewinns der Klägerin infolge des Verzugs der beklagten Partei mit der Auslieferung der beiden bei ihr bestellten Musterbücher - auf Schwierigkeiten stößt, und wendet sich auch nicht gegen die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO durch die Vorinstanzen. Die Anwendung dieser Bestimmung ist im übrigen eine verfahrensrechtliche Entscheidung (JBl 1976, 370; JBl 1973, 257 u.v.a.; Fasching Komm.III 285 und in JBl 1981, 234; Holzhammer, Zivilprozeßrecht 2 246 f.; aA - allerdings ohne Begründung - nun Fasching gegen seine eigene Auffassung in JBl 1981, 234 in Zivilprozeßrecht Rz 871), die, da sie schon das erstinstanzliche Verfahren betraf und vom Berufungsgericht geprüft wurde (AS 678), einer neuerlichen Prüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen wäre (JBl 1976, 370; vgl.JBl 1972, 569 u.a.). Das Ergebnis der Betragsfestsetzung ist Gegenstand der rechtlichen Beurteilung (JBl 1976, 370 u.v.a.; Fasching in JBl 1981,

234) und damit gemäß § 503 Abs 1 Z.4 ZPO revisibel. Mit der Rechtsrüge ist jedoch nur überprüfbar, ob das Ergebnis richtig ist. Die für die Schadenshöhe maßgeblichen Tatsachen, wie sie von den Vorinstanzen - zwecks Eingrenzung der richterlichen Betragsfestsetzung - festgestellt werden konnten, sind dieser überprüfung zugrundezulegen. Der Schadensbemessung nach § 273 ZPO hat demnach auf Grund der Feststellung der Vorinstanzen zugrundezulegen, daß der Umsatzrückgang infolge des Lieferverzuges der beklagten Partei zumindest S 100.000,-- und höchstens

S 650.000,-- betragen hat, und der Ertragsentgang 23 % des Umsatzverlustes beträgt, zu erfolgen. Nur innerhalb dieses Rahmens, in dem der Beweis der Schadenshöhe nicht zu erbringen war, also nur mehr oder weniger wahrscheinliche Annahmen möglich sind, ist der Schaden nach dem gebundenen (überprüfbaren) Ermessen des Gerichts festzusetzen (4 Ob 109/83 u.v.a.). Die umfangreichen Ausführungen in der Rechtsrüge beschränken sich in Wahrheit auf eine Bekämpfung der Feststellungen der Vorinstanzen; die Klägerin wendet sich somit allein gegen die vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen, so daß ihr Rechtsmittel nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Das gilt auch für die Ausführungen in der Revision, mit welchen sich die Klägerin gegen die Feststellung der Vorinstanzen, die durch den Lieferverzug ausgelösten Umsatzeinbußen seien mit Ende März 1980 zu begrenzen, wendet, Daher entfernt sich die Revision auch mit der von der Klägerin angestellten Hochrechnung des vom Sachverständigen Kurt I bis zu diesem Zeitpunkt ermittelten Schadens bis zum Herbst 1981 (AS 696) vom festgestellten Sachverhalt.

Da die Revision im übrigen keine Ausführungen enthält, die sich mit der von den Vorinstanzen innerhalb des feststehenden Rahmens vorgenommenen Betragsfestsetzung gemäß § 273 Abs 1 ZPO auseinandersetzen, muß ihr schon deshalb ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Ein Rechenfehler bei Ermittlung des Kostenansatzes ist richtigzustellen.

Anmerkung

E06107

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00592.85.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19850710_OGH0002_0010OB00592_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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