TE OGH 1987/5/12 11Os53/87

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Veröffentlicht am 12.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Mai 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Horak und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Annemarie G***, wiederverehelichte N***, wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. August 1983, GZ 10 E Vr 2.900/79-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertretes des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Tschulik, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18.August 1983, GZ 10 E Vr 2.900/79-31, mit dem die bedingte Nachsicht der über Annemarie G*** verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 56 StGB.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und gemäß dem § 292 StPO in Verbindung mit dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Die Anträge der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht werden abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28.April 1980, GZ 10 E Vr 2.900/79-12, wurde die am 19.März 1951 geborene Annemarie G***, nunmehr wiederverehelichte N***, des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt; diese Strafe wurde ihr gemäß dem § 43 (Abs. 1) StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß den §§ 50, 51 StGB wurde der Verurteilten überdies (entgegen der Vorschrift des § 494 StPO nicht mit gesondertem Beschluß, sondern im Urteil) die Weisung erteilt, den Schaden innerhalb eines Jahres gutzumachen. Annemarie G*** lag zur Last, am 21.Oktober 1978 in Bach, Post Bad Kleinkirchheim, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über ihre Zahlungsfähigkeit und -willigkeit Hildegard M*** zur Ausfolgung von Kleidungsstücken und mithin zu einer Handlung verleitet zu haben, welche letztere an ihrem Vermögen um 10.935 S schädigte.

Da die Verurteilte in der Folge keine Schadensgutmachung leistete, wurde nach förmlicher Mahnung auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27. August 1982, GZ 10 E Vr 2.900/79-22, der Widerruf der bedingten Strafnachsicht ausgesprochen. Über Beschwerde der Annemarie G*** hob jedoch das Oberlandesgericht Graz mit Entscheidung vom 10. Februar 1983, AZ 11 Bs 27/83, diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht auf, nach Verfahrensergänzung neuerlich über den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zu entscheiden. In ihrer Beschwerde hatte die Verurteilte sich darauf berufen, daß sie ohne ihr Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, der Weisung zu entsprechen; Tatsachenfeststellungen darüber, auf Grund welcher Erwägungen die Voraussetzung des § 53 Abs. 3 StGB, die Verurteilte sei der Weisung aus bösem Willen nicht nachgekommen, bejaht worden war, hatte das Erstgericht in seinem Beschluß nicht getroffen (ON 25).

Obwohl die mit drei Jahren bestimmte Probezeit bereits abgelaufen war, erkannte das Landesgericht Klagenfurt nach Durchführung von Erhebungen auf weiteren Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 18.August 1983, GZ 10 E Vr 2.900/79-31, neuerlich auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht. Eine dagegen erhobene Beschwerde der Verurteilten wurde vom Oberlandesgericht Graz mit Entscheidung vom 24.November 1983, AZ 11 Bs 332/83, als verspätet zurückgewiesen (ON 38). Der Widerrufsbeschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. August 1983 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem § 56 StGB können die in den §§ 53 bis 55 StGB vorgesehenen Verfügungen nur in der Probezeit, wegen einer während dieser Zeit begangenen strafbaren Handlung jedoch auch noch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei Probezeitablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens getroffen werden. Daraus folgt, daß in Fällen des § 53 Abs. 3 StGB auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht nur innerhalb der Probezeit erkannt werden darf und eine solche Entscheidung danach nicht mehr zulässig ist, selbst wenn der Widerrufsantrag schon vor Fristende gestellt und das Verfahren hierüber eingeleitet wurde (ÖJZ-LSK 1980/73). Hiebei genügt zwar zur Wahrung der Frist in der Regel die rechtzeitige Beschlußfassung in erster Instanz, mag sie auch noch im Rechtsmittelweg bekämpft werden. Wurde aber in erster Instanz ein Widerrufsantrag abgewiesen, so darf das Beschwerdegericht in Stattgebung einer dagegen erhobenen Beschwerde einen Widerruf nur aussprechen, wenn die Widerrufsfrist im Zeitpunkt der (Beschwerde-) Entscheidung noch nicht abgelaufen ist (Kunst im WK, Rz. 7 zu § 56 StGB, Leukauf-Steininger 2 , RN 2 zu § 56; aM Foregger-Serini 3 , Anm. II zu § 56). Ebensowenig tritt eine Verlängerung der Frist des § 56 StGB durch eine fristgerecht ergangene kassatorische Entscheidung des Beschwerdegerichtes ein. Der Ausspruch eines Widerrufs ist demnach auch im erneuerten Verfahren - gleichgültig, ob mit der (fehlerhaften) erstinstanzlichen Entscheidung der Widerrufsantrag bewilligt oder abgewiesen oder die Strafe (irrtümlich) endgültig nachgesehen wurde - nur zulässig, wenn die Widerrufsfrist dem Gericht noch im Zeitpunkt der neuerlichen Beschlußfassung offensteht (ÖJZ-LSK 1978/243).

Es zeigt sich sohin, daß die bedingte Nachsicht der über Annemarie G*** mit Urteil vom 28.April 1980 verhängten Freiheitsstrafe infolge Ablaufs der dreijährigen Probezeit am 18. August 1983 nicht mehr hätte widerrufen werden dürfen. Das Gericht hätte vielmehr die Widerrufsanträge der Staatsanwaltschaft vom 26.August 1982 (S 70) und vom 16.August 1983 (S 96) abweisen und, da - wie auf Grund einer später eingeholten Strafregisterauskunft (ON 59) nunmehr aktenkundig - der Widerrufsgrund einer neuerlichen Verurteilung ebenfalls nicht vorlag, die Strafe endgültig nachsehen müssen (§ 43 Abs. 3 StGB). Der Oberste Gerichtshof hatte daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß dem § 292 StPO den der Verurteilten zum Nachteil gereichenden Widerrufsbeschluß aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E10831

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00053.87.0512.000

Dokumentnummer

JJT_19870512_OGH0002_0110OS00053_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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