TE OGH 1987/9/30 14Os110/87

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Veröffentlicht am 30.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.September 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bernscherer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert K*** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 2.Juni 1987, GZ 24 a Vr 19/87-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und des Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Gendarmeriebezirksinspektor Herbert K*** des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er im Oktober 1986 in Bregenz als Beamter der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg mit dem Vorsatz, die Republik Österreich in ihrem Recht auf Bestrafung von Verstößen gegen die Bestimmung des § 20 StVO zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er den Gendarmeriepensionisten Alois G***, welcher am 11. Oktober 1986 um 16.23 Uhr auf der Bundesstraße 190 in Götzis (mit dem von ihm gelenkten PKW) die zulässige Höchstgeschwindigkeit (von 50 km/h) um 17 km/h überschritten hatte, nicht entsprechend dem Erlaß des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 4.Mai 1985, GZ 4107/2-1/85, an die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zur Anzeige brachte, sondern dies bewußt unterließ und das ausgewertete Radarfoto dem Genannten mit einem Begleitschreiben des Inhalts:

"Lieber Lois! Habe heute das Foto mit deinem VW Jetta ausgesondert. Beiliegend übermittle ich dir das Beweismittel zur selbständigen Amtshandlung. Herzliche Grüße und alles Gute dein Kollege K*** Herbert - Verkehrsabteilung" an dessen Privatadresse sandte.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 1 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Als Verfahrensmangel (Z 1) rügt er, daß in der Hauptverhandlung als beisitzender Richter ein "nach dem Verhandlungsplan" (gemeint offenbar: nach der Geschäftsverteilung) nicht zuständiger Richter teilgenommen habe. Der behauptete Nichtigkeitsgrund ist jedoch nicht gegeben. Denn abgesehen davon, daß nach der Aktenlage (vgl. den Amtsvermerk S 68) der Richter Dr. F*** mit Wissen des Verteidigers zugezogen wurde, nachdem diesem bekanntgegeben worden war, daß der vorgesehene Beisitzer sich (mit Verhinderung) kurzfristig entschuldigt hat und die nach der Geschäftsverteilung im Verhinderungsfall zuständigen Vertreter nicht zur Verfügung standen, liegt der Nichtigkeitsgrund der nicht gehörigen Besetzung des Gerichtes nur vor, wenn Mitgliedern des Gerichtshofes, die für das Richter- (oder Schöffen-)amt vorgeschriebene Qualifikation abgeht, wenn sie nicht in der gesetzlich bestimmten Zahl an der Hauptverhandlung teilnehmen oder wenn die Beiziehung eines Protokollführers unterblieben ist (9 Os 74/85; Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 1 und 8 zu § 281 Z 1). Derartiges wird vorliegend aber gar nicht behauptet.

Im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit b) reklamiert der Beschwerdeführer Straflosigkeit der Tat wegen freiwilligen Rücktritts vom Versuch mit der Argumentation, daß er den Urteilsfeststellungen zufolge Alois G*** am 26. Oktober 1986 - drei Tage, nachdem der Kommandant der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte - nach neuerlicher Ausfertigung des Radarfotos bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch doch noch angezeigt hat, wobei es auf den vom Erstgericht festgestellten Umstand, daß die Behörde zu dieser Zeit vom strafbaren Verhalten des Angeklagten schon Kenntnis gehabt hatte, nicht ankomme, weil Rechtzeitigkeit im Sinne tätiger Reue bei einem Rücktritt vom Versuch nicht erforderlich sei; zudem sei die Urteilsfeststellung aktenwidrig, daß ein anderer Gendarmeriebeamter ihm gegenüber die in Rede stehende Vorgangsweise als nicht korrekt bezeichnet habe; vielmehr habe er (vor dem Untersuchungsrichter - S 49) angegeben, ihm sei durch dieses Gespräch bewußt geworden, daß G*** angezeigt werden müsse.

Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß ihm vollendeter Mißbrauch der Amtsgewalt zur Last liegt, womit eine Anwendung des § 16 StGB - die nur im Falle eines Deliktsversuches in Betracht kommt - begrifflich ausscheidet.

Der Tatbestand des Verbrechens nach § 302 StGB ist verwirklicht (und die Tat damit vollendet), sobald der Beamte seine Befugnis mißbraucht hat, was vorliegend (spätestens) durch die Absendung des (vom Angeklagten als Anzeigegrundlage zu verwendenden) Radarfotos an den von Rechts wegen anzuzeigenden Alois G*** geschehen ist (Bertel im WK, Rz. 14, 75, 82 zu § 302). Der Eintritt eines wirklichen (nicht wieder gutzumachenden) Schadens ist nicht erforderlich (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar2 RN 35, Bertel aaO Rz. 116 je zu § 302; EvBl 1977/35).

Es kommt daher weder auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Verfehlung des Angeklagten bei der vorgesetzten Dienstbehörde noch auf seine - nur im Falle eines Rücktritts vom Versuch für die Beurteilung von dessen Freiwilligkeit bedeutsame - Motivation zur nachmaligen Anzeigeerstattung an.

Eine tätige Reue (im Sinne eines "Rücktritts vom Verbrechen") sieht das Gesetz in bezug auf das Delikt des Mißbrauches der Amtsgewalt nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 37 Abs 1, 302 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen; der Tagessatz wurde mit 450 S festgesetzt. Der Ausspruch der für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe (mit 150 Tagen) festzusetzenden Ersatzfreiheitsstrafe ist entgegen der Bestimmung des § 19 Abs 3 StGB unterblieben. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde die Vollziehung der Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Bei der Strafbemessung wertete das Gericht keinen Umstand als erschwerend, hingegen das Tatsachengeständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel und die offensichtliche Tatbegehung aus falsch verstandener Kameradschaft als mildernd.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte eine Herabsetzung sowohl der Anzahl der Tagessätze als auch der Höhe des einzelnen Tagessatzes anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Daß (zusätzliche) Milderungsgründe übersehen worden wären, vermag die Berufung nicht einmal zu behaupten, deren Ausführung sich in dem (bloßen) Hinweis erschöpft, daß der "Unrechtsgehalt der gegenständlichen Tat gering" und die "Anzahl der Tagessätze überhöht" seien. Geht man aber von den erstinstanzlichen Strafzumessungsgründen aus, so erscheint die vom Schöffengericht über den Angeklagten verhängte Geldstrafe nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) mit 360 Tagessätzen jedenfalls nicht zu hoch ausgemessen.

Es war aber auch dem weiteren Begehren auf Verringerung der Höhe des einzelnen Tagessatzes ein Erfolg zu versagen, weil diese der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten entspricht, der nach den in der Aktenlage Deckung findenden Berechnungen des Erstgerichts monatlich 17.000 S netto (14 x im Jahr) verdient (vgl. S 47, 68, 87), den Hälfteanteil an einem "Doppelhaus" (S 47) besitzt und für niemanden sorgepflichtig ist.

Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E11967

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00110.87.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19870930_OGH0002_0140OS00110_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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