TE OGH 1987/11/5 8Ob71/87

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Veröffentlicht am 05.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Helga W***, Mittelschullehrerin, 1070 Wien, Kandlgasse 25/2/7, vertreten durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Der A*** A*** V***-AG, 1010 Wien, Hoher Markt 10-12, 2. Michael P***, Taxilenker, 1120 Wien, Karl Löwegasse 17-19/12-3, 3. Helmut W***, Taxiunternehmer, 1020 Wien, Obere Augartenstraße 14a/1/19, sämtliche vertreten durch Dr. Wolfgang Jeannee, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 16.100,-- s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Juni 1987, GZ 42 R 371/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. März 1987, GZ 40 C 1690/85-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 3.127,08 (darin keine Barauslagen und S 284,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 7. Juni 1984 ereignete sich in Wien 7., Kreuzung Neustiftgasse-Wimbergergasse ein Verkehrsunfall, an dem der von der Klägerin gelenkte und gehaltene PKW Skoda mit dem Kennzeichen W 308.444 und der von der Zweitbeklagten gelenkte, von der Drittbeklagten gehaltene und bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherte PKW Mercedes mit dem Kennzeichen W 41.825 beteiligt waren.

Die Klägerin begehrte unter Anerkennung eines Mitverschuldens von 2/3 die Bezahlung der unfallkausalen Schäden von S 16.100,-- mit der Begründung, den Lenker des bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges treffe ein Mitverschulden, da er den Verkehrsunfall durch Befahren der ausschließlich für den Verkehr mit Omnibussen vorbehaltenen Fahrspur und Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit mitverschuldet habe.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren nur dem Grunde nach, beantragten kostenpflichtige Klagsabweisung und wendeten Alleinverschulden der Klägerin ein, da diese den Vorrang des Zweitbeklagten verletzt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Die Neustiftgasse ist eine Einbahn aus Richtung Kaiserstraße in Richtung Neubaugürtel (stadtauswärts). Sie weist vor und nach der Kreuzung mit der Wimbergergasse drei Fahrstreifen für den Fließverkehr, die voneinander durch Leitlinien getrennt sind, und einen gekennzeichneten Parkstreifen am linken Fahrbahnrand auf. Im Kreuzungsbereich sind keine Bodenmarkierungen. Der erste Fahrstreifen von rechts ist für den Zeitraum von 15,30 Uhr bis 18,00 Uhr ausschließlich Omnibussen des Kraftlinienverkehrs vorbehalten. Dieser ausschließliche Busfahrbereich ist durch das Hinweiszeichen "Fahrstreifen für Omnibusse" gemäß § 53 Z 25 StVO und Bodenmarkierungen gekennzeichnet. Die Gesamtfahrbahnbreite der Neustiftgasse vor der Kreuzung mit der Wimbergergasse beträgt 10 m; an den linken Fahrbahnrand schließt ein 2,3 m breiter Gehsteig an. Die Wimbergergasse ist in beiden Richtungen befahrbar. An beiden Ästen der Wimbergergasse ist vor der Kreuzung mit der Neustiftgasse ein Verkehrszeichen "Vorrang geben" gemäß § 52 Z 23 StVO aufgestellt. Zum Unfallszeitpunkt war die mit Rauhasphalt bedeckte Fahrbahn trocken. Es herrschte Tageslicht. Der linke Fahrbahnrand der Neustiftgasse war durchgehend verparkt; der rechte, für den Busverkehr vorbehaltene Fahrstreifen, war frei befahrbar. Zur Unfallszeit herrschte in der Neustiftgasse starkes Verkehrsaufkommen und der Verkehr kam schließlich auf den beiden für den Individualverkehr verbleibenden Fahrstreifen vor und nach der Kreuzung der Wimbergergasse zum Stillstand. Die Kolonnen hatten dabei so angehalten, daß der Querverkehr aus der Wimbergergasse die Kreuzung überqueren konnte. Die Klägerin, die allein in ihrem Fahrzeug und angegurtet war, war in der Wimbergergasse Richtung Neustiftgasse, die sie in gerader Richtung überqueren wollte, gefahren. An der Ecke mit der Neustiftgasse, noch nicht die Fluchtlinie der am linken Fahrbahnrand parkenden Fahrzeuge überragend, war sie stehengeblieben und hatte gewartet, bis der Verkehr in der Neustiftgasse zum Stillstand gekommen war. Die Klägerin wußte, daß der äußerst rechte Fahrstreifen der Neustiftgasse im Zeitraum von 15,30 Uhr bis 18,00 Uhr eine Busspur ist. So vergewisserte sie sich, als der Verkehr in den beiden anderen Fahrstreifen am Beginn der Kreuzung unter Freilassung einer Durchfahrt angehalten hatte, daß in diesem äußerst rechten Fahrstreifen kein Autobus komme und fuhr sodann langsam in die Kreuzung ein. Das Fahrzeug des Drittbeklagten hatte sie zu diesem Zeitpunkt auf Grund der parkenden und in den Kolonnen aufgestauten Fahrzeuge noch nicht wahrnehmen können. Die Klägerin querte, ohne nochmals anzuhalten, in einem Zug die Kreuzung und hielt dabei eine Geschwindigkeit von ca. 15 km/h ein. Als die Klägerin im Bereich des Busfahrstreifens war, mit der Front etwa in dessen Mitte, kam es zum Zusammenstoß mit dem die Wimbergergasse im Zuge des äußerst rechten Fahrstreifens überquerenden Taxi. Die Klägerin hatte das Taxi erst im letzten Moment vor der Kollision wahrgenommen und praktisch keine Reaktion mehr setzen können. Die Kollisionsgeschwindigkeit ihres Fahrzeuges betrug daher ca. 15 km/h. Der Zweitbeklagte, der nicht angegurtet war, war mit dem Taxi, in dem er seine damals vierjährige Tochter Petra angegurtet auf dem Beifahrersitz mitführte, zunächst in der rechten der beiden Kolonnen in der Neustiftgasse, somit auf dem zweiten Fahrstreifen von rechts gefahren. Als der Verkehr immer stockender wurde und schließlich zum Stillstand kam, scherte der Zweitbeklagte, der zu diesem Zeitpunkt etwas mehr als 6 PKW-Längen von der Kreuzung entfernt war, auf die frei befahrbare Busspur nach rechts aus, wobei er wußte, daß es sich bei dem äußerst rechten Fahrstreifen um einen ausschließlich dem Busverkehr vorbehaltenen handelte. In diesem Fahrstreifen fuhr er in Richtung Kreuzung mit der Wimbergergasse, die er in gerader Richtung übersetzen wollte, um sodann auf dem auch nach der Kreuzung freien Busfahrstreifen weiterzufahren. Da der Zweitbeklagte wußte, daß die Neustiftgasse auf dieser Kreuzung gegenüber der Wimbergergasse bevorrangt ist, wollte er diese, ohne nach links oder nach rechts zu blicken, oder sonst dem Querverkehr Beachtung zu schenken, und ohne seine Geschwindigkeit von knapp unter 40 km/h zu vermindern, in einem Zug übersetzen. Als der Zweitbeklagte etwa 10 m von der verlängert gedachten Gehsteigkante der Wimbergergasse bzw. etwa 13 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt war, bemerkte er das Fahrzeug der Klägerin, das zu diesem Zeitpunkt etwa auf Höhe des dritten Fahrstreifens von rechts bzw. noch etwa 5,4 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt war. Dies war etwa 1,3 Sekunden vor der Kollision. Der Beklagte setzte eine Vollbremsung, welche 0,3 Sekunden vor der Kollision noch wirksam wurde und durch welche die Geschwindigkeit des Taxis noch auf etwa 32 km/h herabgesetzt wurde, die Kollision jedoch nicht mehr verhindert werden konnte. Das Taxi stieß dabei mit seiner linken vorderen Ecke gegen die rechte Seite vorne des Fahrzeuges der Klägerin. Dabei wurde es gegen den Uhrzeigersinn um fast 90 verdreht, legte vom Kollisionspunkt bis zur Endlage noch eine Strecke von ca. 8,5 m zurück und kam am rechten Rand der Neustiftgasse mit dem Heck etwa auf Höhe der Gehsteigkante der Wimbergergasse zum Stehen. Das Taxi wurde durch den Zusammenstoß im Uhrzeigersinn geringfügig verdreht und kam ca. 4 m vom Kollisionspunkt entfernt, etwa in der Mitte der Wimbergergasse zum Stillstand. Hätte die Klägerin das Taxi ebenfalls schon 1,3 Sekunden vor dem Zusammenstoß bemerkt, was möglich gewesen wäre, da hier gegenseitige Sicht bestanden hatte, und hätte sie ebenfalls nach einer Reaktionszeit von 1 Sekunde eine Vollbremsung eingeleitet, so hätte sie auch in diesem Fall die Kollision dadurch nicht mehr verhindern können, weil die Abwehrstrecke auf 15 km/h genau 5,4 m beträgt, sodaß ihr Fahrzeug genau an der Unfallstelle zum Stillstand gekommen wäre und das Fahrzeug ebenfalls dagegen gestoßen wäre. Da die Tochter des Zweitbeklagten bei dem Unfall leicht verletzt worden war, wurde die Polizei verständigt und die Beamten nahmen den Unfall genau auf. Beim Eintreffen der Polizei standen die Fahrzeuge noch in unveränderter Endposition und diese Positionen wurden von der Polizei vermessen und in einer Skizze festgehalten. Weiters wurden von der Polizei zwei Bremsspuren des Taxis in einer Länge von 2,3 m vor der Kollision festgehalten. Beim Fahrzeug der Klägerin handelt es sich um einen PKW Skoda 120, mit einem Gewicht von 950 kg zum Unfallszeitpunkt. Durch den Unfall wurde dieses Fahrzeug rechts vorne so schwer beschädigt, daß ein wirtschaftlicher Totalschaden, dessen Höhe mit S 40.000,-- außer Streit steht, eintrat. An Ummeldespesen und Abschleppkosten mußte die Klägerin S 2.300,-- aufwenden. Die Klägerin erlitt infolge des Zusammenstoßes je ein Hämatom unterhalb des Nabels und im Bereich der rechten Brustwarze, sowie eine Prellung der Halswirbelsäule. Beim Taxi handelte es sich um einen PKW Mercedes, dessen Unfallgewicht etwa 1.510 kg betrug. Durch die Kollision wurden der linke vordere Kotflügel, die Motorhaube, der Kühlergrill und die Stoßstange beschädigt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahingehend, daß die Klägerin gegen die Bestimmungen des § 19 Abs 4 StVO verstoßen habe, während dem Lenker des bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges ein Mitverschulden nicht angelastet werde, da das verbotswidrige Befahren der gemäß § 53 Z 25 StVO gekennzeichneten Fläche mit dem eingetretenen Erfolg in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang stehe.

Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Klagsstattgebung ab; das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig und führte aus, daß die Klägerin den dem Lenker des bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges gemäß § 19 Abs 4 StVO zustehenden Vorrang verletzt habe, werde in der Berufung nicht bestritten. Die Klägerin vermeine nun, daß der Lenker des bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges gegen den Schutzzweck des § 53 Z 25 StVO verstoßen habe, indem er den dem Kraftfahrlinienverkehr mit Omnibussen vorbehaltenen Fahrstreifen benützte und der Schutzzweck dieser Norm in der Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zu erblicken sei. § 53 Z 25 StVO zeige einen den Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs vorbehaltenen Fahrstreifen an. Die Gültigkeit dieses Hinweiszeichens sei hier durch eine Zusatztafel insofern eingeschränkt, als dieser Fahrstreifen dem Kraftfahrlinienverkehr nur in der Zeit von 15,30 bis 18,00 Uhr vorbehalten sei. Bei Übertretung eines Schutzgesetzes sei im Sinne des § 1311 ABGB nur für solche Schäden zu haften, die vom Schutzzweck der Norm erfaßt werden, für Schäden also, die man gerade verhindern wollte. Die Abgrenzung des Normzweckes sei jedoch selten mit absoluter Sicherheit durchzuführen. Der Zweitbeklagte habe eine den Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs vorbehaltenen Fahrstreifen befahren. Die Vorschrift des § 53 Z 25 StVO diene der Flüssigkeit des Verkehrs, erkennbar dem raschen Vorankommen der öffentlichen Verkehrsmittel. Damit sei aber nicht gesagt, daß sich ihr Schutzzweck darin erschöpfe. Zufolge § 3 StVO, wonach jeder Lenker auf das vorschriftsmäßige Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen dürfe, sei vielmehr davon auszugehen, daß jede Verkehrsvorschrift grundsätzlich alle Verkehrsteilnehmer schütze. Insbesondere, wenn die Übertretung derselben die konkrete Unfallgefahr erhöhe, werde man den Schutzzweck nicht verneinen dürfen. Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergebe, sei der Klägerin bekannt gewesen, daß der Fahrstreifen zu jener Zeit, zu der sich der Unfall ereignete, den Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs vorbehalten gewesen sei. Die Klägerin habe daher mit PKWs in aller Regel nicht rechnen und ihre Aufmerksamkeit nur auf Autobusse richten müssen. Darauf, daß die Auffälligkeit eines Autobusses weit größer sei als jene eines PKWs, müsse nicht eingegangen werden. Der Zweitbeklagte habe durch das Befahren des gemäß § 53 Z 25 StVO gekennzeichneten Fahrstreifens den Eintritt des Verkehrsunfalles begünstigt. Er wäre bei der von ihm eingehaltenen Fahrlinie zur besonderen Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen. Er sei jedoch - wie sich aus den Feststellungen ergebe - ohne Beachtung des Querverkehrs und ohne Reduzierung der von ihm eingehaltenen Geschwindigkeit von 40 km/h in die Kreuzung eingefahren. Sein Fehlverhalten sei ihm daher als Verschulden, das mit einem Drittel zu bewerten sei, anzulasten.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage des Schutzzweckes des § 53 Z 25 StVO in der Judikatur des Obersten Gerichtshofes bisher noch nicht behandelt wurde, sie ist aber nicht berechtigt. Die Beklagten führen aus, sowohl bei einer historischen als auch bei einer teleologischen Interpretation der Z 24 und 25 des § 53 StVO ergebe sich, daß diese Normen der Flüssigkeit des Verkehrs und dem raschen Vorankommen öffentlicher Verkehrsmittel dienen sollten, nicht aber dadurch in Vorrangbestimmungen eingegriffen werden sollte. Die Klägerin habe auch mit anderen Fahrzeugen als mit Omnibussen auf dem Fahrstreifen gemäß § 53 Z 25 StVO rechnen müssen, insbesondere mit Fahrzeugen des Straßendienstes, die oftmals nur die Größe eines PKWs hätten, sowie mit Fahrzeugen der Müllabfuhr. Es sei daher unrichtig, wenn das Berufungsgericht lediglich auf die Auffälligkeit eines Autobusses abgestellt habe, da die Klägerin mit jedem anderen Fahrzeug insbesondere auch mit einem Fahrzeug in der Größe des Fahrzeuges des Drittbeklagten, welches ein Taxi war, rechnen mußte; auf einer Zusatztafel hätte auch einem Taxi die Benützung eines Fahrstreifens für Omnibusse gewährt werden können. Da somit kein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Befahren des Fahrstreifens für Omnibusse durch den Zweitbeklagten und dem Unfall gegeben sei, scheide eine Haftung der Beklagten aus. Das Alleinverschulden am gegenständlichen Verkehrsunfall treffe vielmehr die Klägerin, welche den Vorrang des Taxis mißachtet habe. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Das Hinweiszeichen "Fahrstreifen für Omnibusse" (§ 53 Z 25 StVO) zeigt einen den Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs vorbehaltenen Fahrstreifen an, für dessen Benützung die Bestimmungen des § 53 Z 24 StVO gelten. Gemäß Z 24 des § 53 zeigt das Zeichen "Straßen für Omnibusse" eine Straße an, die nur von Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs benützt werden darf. Bei Arbeitsfahrten darf eine solche Straße auch von Fahrzeugen des Straßendienstes und der Müllabfuhr benützt werden. § 9 Abs 5 StVO bestimmt, daß, wenn auf der Fahrbahn Bodenmarkierungen für das Einordnen bestimmter Fahrzeugarten angebracht sind, die Lenker der in Betracht kommenden Fahrzeugarten ihre Fahrzeuge nach diesen Bodenmarkierungen einzuordnen haben. Die Lenker anderer Fahrzeuge haben so gekennzeichnete Straßenteile frei zu halten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß es sich bei der Vorschrift des § 53 Z 25 StVO um eine Schutznorm im Sinn des § 1311 ABGB handelt.

Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB sind abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (vgl. Brunner, Die Zurechnung der Schadenersatzpflicht bei Verletzung eines "Schutzgesetzes" gemäß § 1311 ABGB, ÖJZ 1972, 116; Müller, Straßenverkehrsrecht22 I 450; Soergel-Siebert, Anm. 334 zu § 823 Abs 2 BGB). Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung haftet aber jemand, der ein Schutzgesetz übertritt, nur für jene Schäden, die die Schutznorm verhüten wollte (vgl. Brunner, aaO 117; Wolff in Klang VI, 83; Gschnitzer, Schuldrecht besonderer Teil und Schadenersatz, 172; ZVR 1972/64, 1966/244 ua.). Der Schutzzweck der Norm ergibt sich aus ihrem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (vgl. Brunner, aaO 117, ZVR 1980/45, ZVR 1982/214 ua.).

Werden diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß sich der Schutzzweck der Z 25 des § 53 StVO nicht in der Ermöglichung des raschen Vorankommens von Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs und allenfalls von Fahrzeugen des Straßendienstes und der Müllabfuhr bei Arbeitsfahrten erschöpft. Vielmehr ist davon auszugehen, daß vom Schutzzweck des § 53 Z 25 StVO alle Gefahren als umfaßt gelten, die durch das Befahren des "Fahrstreifens für Omnibusse" mit anderen Fahrzeugen als mit solchen des Kraftfahrlinienverkehrs bzw. des Straßendienstes und der Müllabfuhr bei Arbeitsfahrten verursacht und erhöht werden können. Hiebei kommen insbesondere Gefahren in Betracht, die durch den geringeren Auffälligkeitswert und die allfällige höhere Fahrgeschwindigkeit anderer Fahrzeuge verursacht werden könnten. Im vorliegenden Fall durfte die Klägerin im Sinn des § 3 StVO darauf vertrauen, daß der "Fahrstreifen für Omnibusse", auf dem keine zusätzliche Benützungsbefugnis für andere Fahrzeuge (§ 53 Z 24 letzter Satz StVO) bestand, ausschließlich von Fahrzeugen des Kraftfahrlinienverkehrs bzw. von solchen des Straßendienstes oder der Müllabfuhr bei Arbeitsfahrten benützt werde und hatte daher ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf derartige Fahrzeuge zu richten. Nach den Feststellungen hatte sie sich auch vergewissert, daß auf dem betreffenden Fahrstreifen kein Omnibus herannahte - daß Fahrzeuge des Straßendienstes oder der Müllabfuhr zum Unfallszeitpunkt den Fahrstreifen befahren hätten, wurde weder behauptet, noch ergeben sich hiefür aus dem Akteninhalt irgendwelche Anhaltspunkte -, ehe sie langsam in die Kreuzung einfuhr. Das vom Zweitbeklagten gelenkte Taxi hatte sie zu diesem Zeitpunkt wegen der parkenden und in den Kolonnen aufgestauten Fahrzeuge noch nicht wahrnehmen können. Der Zweitbeklagte hat durch sein vorschriftswidriges Befahren des "Fahrstreifens für Omnibusse" gegen eine Schutznorm im Sinn des § 1311 ABGB verstoßen, von deren Schutzbereich, wie dargelegt, auch die anderen Verkehrsteilnehmer, somit auch die Klägerin, umfaßt waren. Entgegen der Auffassung der Revision ist daher der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem durch den Unfall der Klägerin entstandenen Schaden gegeben. Den ihnen obliegenden Beweis, daß der Unfall in gleicher Weise auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten des Zweitbeklagten, das heißt im vorliegenden Fall bei Unterlassung des Befahrens des "Fahrstreifens für Omnibusse" eingetreten wäre, haben die Beklagten nicht einmal angetreten, geschweige denn erbringen können. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht dem Zweitbeklagten, der ohne Beachtung des Querverkehrs und ohne Verminderung der Fahrgeschwindigkeit in die Kreuzung eingefahren war, ein Mitverschulden an dem der Klägerin entstandenen Schaden angelastet. Bei Gegenüberstellung des der Klägerin infolge Verstoßes gegen die Vorschrift des § 19 Abs 4 StVO zur Last fallenden Verschuldens, dem sie bereits in dem auf Ersatz von nur einem Drittel des ihr entstandenen Schadens gerichteten Klagebegehren Rechnung getragen hat, und des vom Zweitbeklagten zu vertretenden verkehrswidrigen Verhaltens, kann in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Klägerin keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12628

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00071.87.1105.000

Dokumentnummer

JJT_19871105_OGH0002_0080OB00071_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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