TE OGH 1987/11/11 14Os147/87

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Veröffentlicht am 11.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erwin K*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2.Juli 1987, GZ 28 Vr 4.596/86-43, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Herzig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erwin K*** gegen das oben bezeichnete Urteil, mit dem er des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB sowie des in Tateinheit damit begangenen Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt wurde, weil er am 15. und 16.November 1986 in Meran seine unmündige Tochter Marina R*** (geboren am 27.August 1977) zumindest zweimal zur Unzucht mißbraucht hat, indem er sie am Geschlechtsteil abgriff und ihr dabei mit einem Finger an die Scheide fuhr, ist vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 21.Oktober 1987, GZ 14 Os 147/87-6, schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen worden.

Im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung war demnach nur mehr über die Berufung des Angeklagten zu entscheiden, mit der er eine Herabsetzung der über ihn nach §§ 28 Abs 1, 207 Abs 1 StGB verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren sowie die Ausschaltung des Ausspruchs über seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB anstrebt. Bei der Bemessung der Strafe hat das Schöffengericht die Wiederholung des geschlechtlichen Mißbrauchs, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, das Vorliegen zweier einschlägiger Vorstrafen des Angeklagten (§ 39 StGB) und den überaus raschen Rückfall nach der letzten Haftentlassung als erschwerend gewertet; als mildernd wurde ihm hingegen eine wegen seiner höhergradigen sexuellen Abartigkeit bestehende Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit konzediert.

Die Unterbringungsvoraussetzungen nahm das Erstgericht auf Grund des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. J*** in Verbindung mit der einschlägigen Vordelinquenz des Angeklagten als gegeben an.

Die Berufung ist in keinem der Anfechtungspunkte begründet. Inwiefern in bezug auf ein Sexualdelikt als mildernd der Umstand zu berücksichtigen wäre, daß der Berufungswerber sich nach seiner Entlassung aus der Strafhaft um Arbeit gekümmert hat, ist nicht ersichtlich. Sein Begehren aber, ihm seine Bemühungen um eine materielle Besserstellung seiner Tochter sowie angebliche Versuche einer positiven Einflußnahme auf deren Erziehung zugute zu halten, ist angesichts der aus diesem Anlaß begangenen Tat und der damit verbundenen, in ihrer Bedeutung noch gar nicht abschätzbaren nachteiligen Folgewirkungen auf die psychische Entwicklung des Kindes geradezu abwegig. Daß der Angeklagte die Reise mit seiner Tochter nach Meran nicht schon mit der vorgefaßten Absicht unternommen hat, sich an ihr zu vergreifen, ist in Ansehung des Vergehens nach § 212 Abs 1 StGB unmaßgeblich; liegt doch das besondere Tatunrecht hier nicht in der Herbeiführung, sondern vielmehr in der Ausnützung einer schon auf Grund des natürlichen Autoritätsverhältnisses vorausgesetzten Gelegenheit zur Tat. Demzufolge kann dieser Umstand auch nicht als mildernd herangezogen werden. Das behauptete Versäumnis psychotherapeutischer Maßnahmen während des vorangegangenen 7-jährigen Strafvollzuges wegen zweier Sexualverbrechen mindert die Schuld des Angeklagten nur insofern, als ihm - was aber das Erstgericht ohnedies berücksichtigt hat - eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zustatten kommt, die durch eine (allenfalls unbehandelt gebliebene und daher fortbestehende) höhergradige sexuelle Abartigkeit bedingt ist. Davon, daß die Unzuchtshandlungen im Grenzbereich zu sozial anerkannten körperlichen Zärtlichkeiten zwischen Eltern und Kindern gelegen seien, kann ebensowenig die Rede sein, wie davon, daß Unwertvorstellungen fremder Kulturkreise für die Beurteilung der gegenständlichen Tat auch nur irgend von Belang wären. Demnach ist der Berufungswerber nicht in der Lage, den vom Erstgericht vollständig und richtig aufgezählten Strafbemessungsgründen zu seinen Gunsten etwas hinzuzufügen. Ebenso zutreffend erfolgte deren Gewichtung und gegenseitige Abwägung durch das Schöffengericht, sodaß der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß fand, die im mittleren Bereich der (durch das Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 39 StGB sogar einer Verschärfung zugänglichen) gesetzlichen Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ausgemessene Strafe zu reduzieren.

Auch die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB wurde zu Recht angeordnet.

Die dafür vorausgesetzte tatauslösende und prognostisch fortwirkende seelische Abartigkeit von höherem Grad ist nach dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen beim Berufungswerber gegeben. Daß sie lediglich auf den sexuellen Bereich beschränkt ist (S 152, 290), tut dem keinen Abbruch, kommt es doch insoweit nur darauf an, daß einerseits die konkrete (Anlaß-) Tat unter dem Einfluß der höhergradigen Abartigkeit begangen worden ist, also zwischen dieser und jener ein Kausalzusammenhang besteht (SSt. 50/28), und andererseits darauf, daß die in der Anlaßtat zum Ausdruck kommende (also rechtsgut-)spezifische Gefährlichkeit auch für die Zukunft zu befürchten ist (vgl. Pallin im WK § 21 Rz. 11). Ob eine geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades die gesamte Persönlichkeit erfaßt und ihre Willensbildung in jeder (kriminell relevanten) Beziehung wesentlich beeinflussen könnte, ist daher für die Beurteilung nach § 21 StGB bedeutungslos. Dem Berufungsvorbringen zuwider hat aber das Schöffengericht zufolge dieser auf das Sexualverhalten beschränkten Abartigkeit auch mit Recht eine qualifizierte Gefährlichkeit des Angeklagten dahin angenommen, daß von ihm sonst, d.h. ohne die im Rahmen der Maßnahme vorgesehene (§ 166 Abs 2 StVG) psychotherapeutische und psychohygienische Betreuung die Begehung einer Straftat mit schweren Folgen zu befürchten ist (US 9, 17). Es konnte sich hiebei auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. J*** stützen, der - unter Bedacht auf die allgemeine Schwierigkeit derartiger Vorhersagen - die Verhaltensprognose als ungünstig (S 151) bzw. schlecht (S 289 und f.) bewertete und damit die hohe Wahrscheinlichkeit der neuerlichen Begehung ähnlicher (S 151), d.h. solcher Taten zum Ausdruck brachte, wie sie der Angeklagte bisher zu verantworten hatte. Gerade die Auswirkungen jener beiden Vorstraftaten, in welchen nicht nur die deliktische Zielrichtung auf unmündige oder heranwachsende Tatopfer, sondern auch die Bereitschaft des Angeklagten zum Einsatz von Gewalt als Begehungsmittel manifest geworden ist, lassen aber die Prognostizierung folgenschwerer Sexualdelinquenz, die nunmehr selbst die Schranken verwandtschaftlicher Zugehörigkeit mißachtete, als gerechtfertigt erscheinen.

In dieser Beziehung läßt sich auch aus dem die Anlaßtat bildenden, vergleichsweise (bloß äußerlich) minderintensiven unzüchtigen Angriff kein für den Berufungswerber günstigerer Aspekt in Ansehung der Schwere der (psychischen) Tatfolgen ableiten hat; doch diese Tat zu panikartigen Reaktionen (US 10; S 201, 226) des 9-jährigen Kindes geführt und es sind zudem die weiteren negativen Nachwirkungen auf dessen seelische Entwicklung noch gar nicht abzusehen. Der vom Angeklagten ins Treffen geführten (bei Mayerhofer-Rieder, StGB2, § 21 Anm. 7 zitierten) Auffassung, daß die Erzwingung unzüchtiger Betastungen (schlechtin) keine Tat mit schweren Folgen sei, kann in dieser generalisierenden Formulierung jedenfalls bezogen auf den konkreten Fall der Unzucht eines Vaters mit seiner unmündigen Tochter nicht beigepflichtet werden. Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E12491

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00147.87.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19871111_OGH0002_0140OS00147_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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