TE OGH 1988/2/25 7Ob734/87

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Veröffentlicht am 25.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Herbert R***, Angestellter, 2.) Zorana B***, Angestellte, beide Wien 3., Gärtnergasse 17/10, beide vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Margarethe H***, Private, Wien 3., Oberzellergasse 18/5, vertreten durch Dkfm. Dr. Josef Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 135.000 s.A., infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. September 1987, GZ 14 R 177/87-40, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Mai 1987, GZ 15 Cg 4/84-28, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte und ihr verstorbener Ehemann, dessen Alleinerbin die Beklagte ist, waren Vormieter der aus 5 Zimmern und Nebenräumen bestehenden Wohnung in Wien 3., Gärtnergasse 17/10. Die Kläger sind Nachmieter dieser Wohnung. Anläßlich des Abschlusses des Mietvertrages mit dem Hauseigentümer bezahlten die Kläger an die Beklagte und deren Ehemann S 135.000. Die Kläger begehren diesen Betrag mit der Behauptung zurück, daß es sich hiebei um eine verbotene Ablöse gehandelt habe.

Nach dem Standpunkt der Beklagten sei diese Zahlung die vereinbarte Gegenleistung für die Investitionen der Vormieter und die in der Wohnung zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände. Das Erstgericht sprach den Klägern S 15.810,92 s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 119.189,08 s.A. ab. Nach seinen Feststellungen setzte der Ehemann der Beklagten, der gemeinsam mit der Beklagten Hauptmieter der Wohnung war, den Hausverwalter im Mai 1982 davon in Kenntnis, daß die Aufgabe der Wohnung beabsichtigt sei und für die in der Wohnung getätigten Investitionen eine Ablöse begehrt werde. Der Ehemann der Beklagten kam mit dem Hausverwalter überein, daß beide einen neuen Mieter suchen und die Frage der Investitionsablöse Sache zwischen Vor- und Nachmieter sei. Die Vormieter beauftragten das Immobilienvermittlungsbüro Roswitha D*** mit der Vermittlung eines Nachmieters, setzten dieses davon in Kenntnis, daß für die Investitionen und die zu übergebenden Fahrnisse eine Ablöse begehrt werde und übergaben auch ein Verzeichnis der Investitionen. Hiebei handelte es sich im wesentlichen um die Ausbesserung und Versiegelung der Parkettböden, die Instandsetzung des Badezimmers, die Installation eines zweiten WCs, die Anschaffung dreier Dauerbrandöfen (Nachtspeicheröfen) anstelle von Kachelöfen, die Anschaffung einer Einbauküche sowie die Erneuerung der Tapezierung und die Anschaffung eines Zusatzherdes für die Küche. Im Immobilienvermittlungsbüro, das die Wohnung annonciert hatte, erfuhren die Kläger, daß eine Ablöse von S 135.000 zu zahlen ist. Anläßlich einer Besichtigung der Wohnung erklärte der Sohn der Vormieter den Klägern, daß die komplette Einbauküche zurückbleibe, was von den Klägern akzeptiert wurde. Der Sohn der Vormieter nannte auch die Ablösesumme von S 135.000 und die einzelnen Investitionen wie Nachtspeicheröfen, Tapezierung und Einbauküche. Die endgültige Fixierung der in der Wohnung zurückbleibenden Einrichtungsgegenstände erfolgte im Mai 1983 zwischen dem verstorbenen Ehemann der Beklagten und den Klägern. Hiebei wurde der Verbleib der Einbauküche ausdrücklich vereinbart. Der Ehemann der Beklagten wies auch auf die übrigen Investitionen wie zB die Einrichtung des zweiten WCs, die Instandsetzung des Bades, die Verbesserung und Versiegelung der Parkettböden, die Tapezierung und die vorhandenen Öfen hin. Auf die Frage der Kläger, woraus sich die Ablöse von S 135.000 zusammensetze, gab der Ehemann der Beklagten zur Antwort, darin sei einerseits die Abgeberprovision enthalten, der Rest würde auf die Wohnung selbst entfallen. Auf die neuerliche Frage der Kläger, ob der Restbetrag auf die zu übernehmenden Gegenstände entfiele und auf die Bemerkung der Kläger, daß sie dafür wegen der von ihnen festgestellten Mängel an den Öfen sowie der Tatsache, daß ihnen die Tapeten und die Küche nicht gefielen, nicht soviel dafür zahlen wollten, erklärte der Ehemann der Beklagten, der angegebene Betrag sei ein Fixbetrag, über den nicht mehr zu verhandeln sei. Daraufhin erklärten sich die Kläger bereit, die Wohnung auch unter diesen Bedingungen zu übernehmen. Die Kläger übernahmen die Wohnung mit den vom Erstgericht (S 14 ff des Ersturteils) detailliert festgestellten Investitionen und Fahrnissen, deren Restzeitwert das Erstgericht aufgrund eines Sachverständigengutachtens mit S 102.189,08 feststellte. An das Immobilienvermittlungsbüro bezahlten die Vormieter eine Abgeberprovision von S 15.000.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes liege eine verbotene Ablösezahlung nur im Umfang des Teilzuspruches vor. Der § 27 MRG führe die verbotenen und ungültigen Vereinbarungen zwischen dem früheren und dem neuen Mieter an. Darunter fielen auch Ablösen für die Aufgabe des Mietgegenstandes durch den alten Mieter oder sonstige Zahlungen durch einen neuen Mieter, denen keine gleichwertige Gegenleistung auf Seiten des Vorgängers gegenüberstehe. Der Rückersatz des Aufwandes, den der Vermieter dem bisherigen Hauptmieter nach § 10 MRG zu ersetzen habe, sei jedoch ausdrücklich von diesem Verbot ausgenommen, ebenso der Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten, die dem Vormieter anläßlich der Aufgabe der Wohnung entstünden. Die von den Vormietern gemachten Aufwendungen, für die der Ersatz vereinbart worden sei, fielen unter die im § 10 Abs. 3 Z 1, 3 und 4 MRG genannten Aufwendungen. Die tatsächlichen Übersiedlungskosten der Vormieter seien gemäß § 273 ZPO mit S 2.000 festzusetzen. Die vom scheidenden Mieter geleistete Vermittlungsprovision könne gleichfalls auf den neuen Mieter insoweit überwälzt werden, als sie dem zulässigen Teil der Ablöse entspräche. Die Abgeberprovision von S 15.000 sei nicht als überhöht anzusehen. Insgesamt ergebe sich demnach ein zulässiger Ablösebetrag von S 119.189,08.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es bejahte das Vorliegen einer Willenseinigung zwischen Vor- und Nachmieter auf Abgeltung der Investitionen und der in der Wohnung zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung sei nach § 27 Abs. 1 Z 1 MRG zu prüfen. Der Katalog der unzulässigen und verbotenen Vereinbarungen des § 27 Abs. 1 MRG entspreche im wesentlichen dem des § 17 Abs. 1 MG. Schon nach der alten Rechtslage sei es dem Vormieter erlaubt gewesen, vom Nachmieter für Investitionen ein gleichwertiges Entgelt zu verlangen. Durch § 27 Abs. 1 Z 1 MRG sei diesbezüglich keine Änderung eingetreten. Als weitere Ausnahme vom Verbot sei lediglich die Überwälzbarkeit des vom Vermieter nach § 10 MRG Geleisteten vorgesehen worden. Dieser Bestimmung komme aber im Verhältnis zwischen Vor- und Nachmieter keine Bedeutung zu. Es seien daher die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in allen Fällen weiterhin anwendbar, in denen die Zinsbildung dem § 16 MRG unterliege. Vom Verbot des § 27 Abs. 1 Z 1 MRG seien demnach nur solche Ablösevereinbarungen erfaßt, die zu einer unzulässigen Vermögensvermehrung des weichenden Mieters führten, weil ihnen keine gleichwertige Gegenleistung von seiner Seite gegenüberstehe. In diesem Rahmen könne auch die Vermittlungsprovision so weit auf den neuen Mieter überwälzt werden, als es dem zulässigen Teil der Ablöse entspreche. Desgleichen dürfe sich der Vormieter neben dem Wert der noch vorhandenen Investitionen auch den Wiederbeschaffungswert von Einrichtungsgegenständen zum Zeitpunkt der Überlassung des Mietgegenstandes an den neuen Mieter ersetzen lassen. Zur Beurteilung des Wertes der Investitionen und der zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände sei jedoch eine Verfahrensergänzung durch Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Innenarchitektur und des Baufaches erforderlich. Der § 273 Abs. 1 ZPO ermögliche dann, wenn der Beweis der Höhe der Forderung gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu erbringen sei, dem Gericht, den strittigen Betrag nach freier Überzeugung festzusetzen. In Ansehung der Übersiedlungskosten seien die Voraussetzungen für die Anwendung des § 273 Abs. 1 ZPO nicht gegeben. Über die Höhe der Übersiedlungskosten lägen Beweisergebnisse vor, die eine Feststellungsgrundlage bieten könnten. Hier liege ein Begründungsmangel des Ersturteils vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der klagenden Parteien ist nicht berechtigt.

Unrichtig ist, daß sich die Beklagte nicht auf eine Ablösevereinbarung berufen hat. Das diesbezügliche Tatsachenvorbringen (ON 3) ist zwar dürftig, es läßt sich ihm aber doch die Behauptung einer solchen Vereinbarung entnehmen. Im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes bzw. der erhobenen Einwendung sind die Gerichte nach ständiger Rechtsprechung auch berechtigt, überschießende Feststellungen zu berücksichtigen (JBl. 1964, 208; SZ 21/123; 2 Ob 62/81). Die Abgeberprovision wurde nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes (AS 215, ON 28) zum Gegenstand der Ablösevereinbarung gemacht, sodaß die Vorinstanzen darauf auch bei Beurteilung der Wirksamkeit der Ablösevereinbarung Bedacht nehmen können. Auch die Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten ist vom Verbot des § 27 Abs. 1 Z 1 MRG ausgenommen. Eine Vereinbarung des Ersatzes der tatsächlichen Übersiedlungskosten wurde jedoch weder behauptet noch ergibt sich eine solche Verpflichtung der klagenden Parteien aus den getroffenen Feststellungen. Mangels einer solchen Vereinbarung (vgl. MietSlg. 25.255, 20.355) haben die Übersiedlungskosten daher außer Betracht zu bleiben, worauf im fortgesetzten Verfahren Bedacht zu nehmen sein wird. Es erübrigt sich daher die Erörterung der Frage, ob das Berufungsgericht zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des § 273 Abs. 1 ZPO verneint hat. Soweit sich der Rekurs gegen das Zustandekommen einer Ablösevereinbarung wendet, liegt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 504 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Frage des Vorliegens einer Willensübereinstimmung im Einklang mit der Lehre und Rechtsprechung gelöst. Die Rekursausführungen wenden sich nur gegen die zu der richtigen Lösung der grundsätzlichen Rechtsfragen nicht in einem unlösbaren Widerspruch stehende Anwendung auf den konkreten Einzelfall. Diesbezüglich sind aber die Voraussetzungen nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht gegeben (7 Ob 30/87).

Unberechtigt ist auch der Vorwurf der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht. Bei den betroffenen Ausführungen in der Entscheidung der zweiten Instanz handelt es sich um Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung, deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Katalog der ungültigen und verbotenen Vereinbarungen des § 27 Abs. 1 MRG, an dem die Zulässigkeit der Ablösevereinbarung der Streitteile zu messen ist, im wesentlichen dem des § 17 Abs. 1 MG entspricht (vgl. Würth-Zingher2 Anm. 1 zu § 27; MietSlg. 37.386/35). Nach ständiger Rechtsprechung zu § 17 MG waren vom Verbot nur solche Ablösezahlungen erfaßt, die zu einer unzulässigen Vermögensvermehrung des weichenden Mieters führten, weil ihnen keine gleichwertige Gegenleistung von seiner Seite gegenüberstand (MietSlg. 33.304, 25.255, 20.355, 19.256; 7 Ob 525/78 uva). Richtig hat das Berufungsgericht erkannt, daß durch § 27 MRG eine grundsätzliche Änderung gegenüber der früheren Rechtslage vom Gesetzgeber nicht angestrebt wurde (vgl. Derbolav MRG 253). Es kann daher davon ausgegangen werden, daß die bisherige Auslegung des § 17 Abs. 1 MG auch der Absicht des Gesetzgebers entspricht, sodaß diese Rechtsprechung auch weiterhin aufrecht erhalten werden kann. Eine Erweiterung erfuhr die bisherige Bestimmung aber insoweit, als auch die Überwälzung der vom Vermieter gemäß § 10 MRG ersetzten oder zu ersetzenden Investitionskosten auf den neuen Mieter vom Ablöseverbot ausgenommen wurde. Diese Erweiterung der Ausnahmen ist aber offensichtlich nur eine Folge des gemäß § 10 MRG nunmehr dem Mieter unmittelbar gegen den Vermieter eingeräumten Anspruchs auf Ersatz von Aufwendungen. Dem Berufungsgericht ist daher auch darin beizupflichten, daß dieser Bestimmung nur im Verhältnis zwischen Vermieter und weichendem Mieter Bedeutung zukommt und daß sich der Vormieter ohne Rücksicht auf die Beschränkungen des § 10 MRG vom Nachmieter den noch vorhandenen Wert der Investitionen ersetzen lassen darf (so auch Würth in Rummel ABGB Rz 6 zu § 27 MRG; MietSlg. 37.387/17; JBl. 1987, 390; 4 Ob 567/87). Bei der Entscheidung 7 Ob 627/85 (MietSlg. 37.386/35) ging es im wesentlichen um die Frage, ob der Mietrechtsnachfolger Investitionen seines Vorgängers wie seine eigenen geltend machen kann. Insoweit war die Auslegung des § 10 MRG beachtlich.

Für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Gegenleistung des scheidenden Mieters kommt es nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Höhe der Aufwendungen des früheren Mieters an, sondern auf den Wert der Investitionen im Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung, sodaß die Wertminderung des Aufwandes, seit dem er erfolgt ist, in Anschlag zu bringen ist. Auch bei Einrichtungsgegenständen ist der Wert im Zeitpunkt der Übergabe maßgeblich (EvBl. 1964/4; MietSlg. 19.256, 17.325, 8851, 5088; Ohmeyer in JBl. 1931, 493). Auch daran ist mit Rücksicht darauf festzuhalten, daß § 27 Abs. 1 MRG im wesentlichen die bisherige Regelung des § 17 Abs. 1 MG übernommen hat. Da in Ansehung der Überlassung von Einrichtungsgegenständen in der Regel ein Kaufvertrag anzunehmen ist, ist hier der Verkehrswert (Austauschwert; vgl. Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 305) maßgeblich.

Die Ermittlung des Wertes der Investitionen und der Einrichtungsgegenstände im Zeitpunkt der Übergabe gehört dem Tatsachenbereich an. Insoweit das Berufungsgericht in diesem Umfang, ausgehend von einer (mit der vorgenannten Einschränkung) zutreffenden Rechtsansicht eine Verfahrensergänzung für erforderlich hält, kann dem nicht entgegengetreten werden (SZ 44/108; SZ 43/167 ua).

Demgemäß ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E14242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00734.87.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19880225_OGH0002_0070OB00734_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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