TE OGH 1988/3/1 15Os30/88 (15Os31/88)

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Veröffentlicht am 01.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.März 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz S*** sen und Franz S*** jun wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, AZ 10 U 417/87 des Bezirksgerichtes Donaustadt, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile dieses Gerichtes vom 13. April 1987, ON 10, sowie des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 7.Oktober 1987, AZ 13 Bl 1156/87, ON 18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und des Verteidigers Dr. Frysak, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Franz S*** sen und Franz S*** jun, AZ 10 U 417/87 des Bezirksgerichtes Donaustadt, ist durch die Urteile dieses Gerichtes vom 13.April 1987, ON 10, sowie des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Oktober 1987, AZ 13 b Bl 1156/87, ON 18, in bezug auf Franz S*** jun das Gesetz in der Bestimmung des § 31 Abs. 1 StGB verletzt worden.

Gemäß § 292 letzer Satz StPO wird das Urteil des Berufungsgerichtes, welches im übrigen unberührt bleibt, in der Entscheidung über die Strafberufung des Angeklagten Franz S*** jun aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 477 Abs. 1 StPO dahin erkannt, daß das ansonsten (gleichfalls) unberührt bleibende angefochtene Urteil (des Bezirksgerichtes Donaustadt) im ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben sowie dieser Angeklagte nach §§ 28 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 3.Februar 1987, GZ 10 U 3584/86-10, gemäß §§ 31, 40 StGB zu 1 1/2 (eineinhalb) Monaten Zusatz-Freiheitsstrafe verurteilt und mit seiner Strafberufung darauf verwiesen wird.

Text

Gründe:

Im oben bezeichneten Strafverfahren wurde Franz S*** jun, geboren am 1.Juli 1964, mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 13.April 1987 (ON 10) des am 5. und am 6.Juli 1986 in insgesamt vier Fällen begangenen Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach §§ 28 (Abs. 1), 83 Abs. 1 StGB zu 15 Wochen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Berufung des genannten Angeklagten gegen dieses Urteil wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 7.Oktober 1987 "im Punkte der Nichtigkeit ... als ungegründet zurückgewiesen"; puncto Schuld und Strafe wurde ihr nicht Folge gegeben (ON 18). Die verhängte Freiheitsstrafe wird, wie im kurzen Weg erhoben wurde, seit dem 4. Februar 1988 vollzogen.

In diesem Verfahren war nicht aktenkundig, daß Franz S*** jun bereits am 3.Februar 1987 mit einem drei Tage später in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt, GZ 10 U 3584/86-4, wegen eines (am 27.August 1986 verübten) weiteren Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, die ihm das Gericht nach § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen hatte.

Rechtliche Beurteilung

Da die eingangs relevierten (hier aktuellen) Taten nach der Zeit ihrer Begehung schon in jenem (früheren) Verfahren hätten abgeurteilt werden können, wäre bei der nachträglichen Verurteilung gemäß §§ 31, 40 StGB auf das (zuletzt zitierte) frühere Urteil Bedacht zu nehmen gewesen; durch das Unterbleiben einer derartigen Bedachtnahme wurde demnach das Gesetz - wiewohl ohne ein prozessuales Verschulden des Gerichtes - in der Bestimmung des § 31 Abs. 1 StGB verletzt. Gleiches gilt für die - zudem auf einer damals schon über sechs Monate alten Strafregisterauskunft (ON 8) beruhende - Berufungsentscheidung; denn materiellrechtlich wäre das Rechtsmittelgericht (unter den prozessualen Voraussetzungen des § 477 Abs. 1 StPO) zur amtswegigen Wahrnehmung jener Nichtigkeit verpflichtet gewesen, die dem Erstgericht dadurch unterlaufen war, daß es über Franz S*** jun entgegen § 31 Abs. 1 letzter Satz StGB eine Strafe verhängt hatte, die - ohne daß die Voraussetzungen des § 39 StGB vorgelegen wären - zusammen mit der im früheren Urteil ausgesprochenen das Höchstmaß der in § 83 Abs. 1 StGB angedrohten Freiheitsstrafe (von sechs Monaten) überschritt (§ 468 Abs. 1 Z 4 iVm § 281 Abs. 1 Z 11 StPO).

In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes waren demnach die aufgezeigten Gesetzesverletzungen festzustellen und in Anwendung des letzten Satzes des § 292 StPO wie im Spruch zu beheben. Bei der Strafneubemessung gemäß §§ 28 Abs. 1, 83 Abs. 1 StGB wurden die drei einschlägigen Vorstrafen des genannten Angeklagten, sein rascher Rückfall nach der Verlängerung der ihm in einem anderen Verfahren anläßlich der Gewährung bedingter Strafnachsicht bestimmten Probezeit und nach dem Vollzug der zuletzt über ihn verhängten Geldstrafe, das nunmehrige Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben Art, durch die insgesamt fünf Personen verletzt wurden, sowie die zum Teil besondere Brutalität seiner Tätlichkeiten als erschwerend, seine geringfügigen eigenen Verletzungen, die er dabei erlitt, und sein teilweises Geständnis hingegen als mildernd gewertet.

Im Fall einer gemeinsamen Aburteilung aller Straftaten, deren der Angeklagte Franz S*** jun in beiden hier aktuellen Verfahren schuldig erkannt wurde, wäre nach seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von viereinhalb Monaten über ihn zu verhängen gewesen, sodaß er zu der im Tenor ausgesprochenen Zusatzstrafe zu verurteilen war (§§ 31, 40 StGB). Die Verhängung einer Geldstrafe anstatt einer Freiheitsstrafe oder die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§§ 37 Abs. 1, 43 Abs. 1 StGB) kamen aus Gründen der Spezialprävention nicht mehr in Betracht.

Da auf Grund dieser Verurteilung über den Widerruf der dem Franz S*** jun mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 3. Februar 1987, GZ 10 U 3584/86-4, gewährten bedingten Strafnachsicht zu entscheiden ist (§§ 53, 55, 56 StGB), war im Hinblick auf das - durch die Übergangsbestimmungen des Art XX Abs. 4 StrÄG 1987, die nur auf die sachliche Zuständigkeit im erstinstanzlichen Erkennntnisverfahren gemünzt sind, nicht in Frage gestellte - Inkrafttreten der nunmehr maßgebenden Zuständigkeitsregelung nach §§ 494 a, 495 Abs. 1 StPO (Art XIX Abs. 1 StrÄG 1987) im gegebenen Zusammenhang auch noch zu prüfen, ob jene Entscheidung allenfalls unter einem der Oberste Gerichtshof zu treffen hat; eine derartige Kompetenz für die hier aktuelle Fallkonstellation ist indessen der Prozeßordnung nicht zu entnehmen. Denn in Fällen, in denen über einen nachträglichen Strafausspruch (§ 13 Abs. 2 JGG) oder über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht (§§ 43 bis 44 StGB) oder bedingten Entlassung (§§ 46, 47 StGB) auf Grund einer neuerlichen Verurteilung nicht schon in erster Instanz entschieden und das Unterbleiben einer solchen Entscheidung nicht angefochten wurde, ist letzteres nicht Gegenstand des diese neuerliche Verurteilung betreffenden Rechtsmittelverfahrens und dementsprechend für eine (stattgebende oder ablehnende) Rechtsmittelentscheidung darüber kein Raum. Nur dann, wenn einem bereits in erster Instanz ergangenen, unangefochten gebliebenen (positiven oder negativen) Beschluß über den Widerruf einer bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung (§ 494 a Abs. 1 Z 2 oder 4 StPO) in dem die neuerliche Verurteilung betreffenden Rechtsmittelverfahren durch eine Änderung des Strafausspruchs der Boden entzogen wird, sodaß jener Beschluß immerhin mittelbar Gegenstand der Rechtsmittelentscheidung ist, kann das Rechtsmittelgericht im Sinn der mit §§ 494 a, 494 b StPO angestrebten "Gesamtregelung" der Straffrage hinsichtlich aller in Betracht kommenden Urteile (vgl hiezu den JAB zum StrÄG 1987, 359 d Beil zu den sten Prot des NR, XVII. GP, S 53) so vorgehen, als ob auch er unmittelbar angefochten wäre, und - bei (eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz erübrigendem) Vorliegen der prozessualen Voraussetzungen (§ 494 a Abs. 3 StPO) sowie unter Beachtung des Verschlimmerungsverbotes - in diesem Rahmen (ungeachtet des Unterbleibens einer Anfechtung) sogleich auch darüber entscheiden, ob er nichtsdestoweniger aufrechterhalten oder abgeändert wird (vgl JAB aaO S 54).

Eine erstinstanzliche Entscheidungstätigkeit des über die neuerliche Verurteilung erkennenden Rechtsmittelgerichts (und damit auch des nach § 292 StPO erkennenden Obersten Gerichtshofes) im Widerrufsverfahren (iwS: § 46 JGG, §§ 494 a bis 496 StPO, §§ 162, 179 f. StVG) hingegen ist beim unangefochtenen Unterbleiben einer Entscheidung durch das Erstgericht im Anlaßverfahren nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl idS auch ÖJZ-LSK 1976/291 ua zu § 265 StPO). Demgemäß ist die in § 494 b StPO normierte Widerrufspräklusion in Fällen, in denen die frühere Verurteilung oder bedingte Entlassung erst im Rechtsmittelverfahren aktenkundig wird, nicht aktuell. Über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht wird demnach im vorliegenden Fall - da eine Entscheidung nach § 494 a StPO nicht in Betracht kommt - gemäß § 495 Abs. 1 StPO das Bezirksgericht Donaustadt (im Verfahren zum AZ 10 U 3584/86) zu entscheiden haben.

Anmerkung

E13107

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00030.88.0301.000

Dokumentnummer

JJT_19880301_OGH0002_0150OS00030_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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