TE Vfgh Erkenntnis 2001/10/3 WI-2/01

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Veröffentlicht am 03.10.2001
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Stmk GdWO 1960 §13 Abs3
Stmk GdWO 1960 §17 Abs3
Stmk GdWO 1960 §67 Abs2
Stmk GdWO 1960 §69 Abs1 Z4, Z6
Stmk GdWO 1960 §81
VfGG §17 Abs4
VfGG §68 Abs1
VfGG §70 Abs1
VfGG §70 Abs4

Leitsatz

Stattgabe einer neuerlichen Wahlanfechtung der Gemeinderatswahl in Mühlen vom 19.03.00 nach teilweiser Aufhebung des Wahlverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof; keine unrichtige Zusammensetzung der Landeswahlbehörde bei ihrer Entscheidung über Einsprüche im zweiten Rechtsgang angesichts der - gemäß einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung der Stmk GdWO 1960 vorzunehmenden - "Umbildung" dieser Behörde nach durchgeführter Landtagswahl; Anfechtungslegitimation im Hinblick auf zwei im ersten Rechtsgang von einer anderen Anfechtungswerberin nicht bekämpfte Stimmzettel gegeben; rechtswidrige Bewertung dieser Stimmzettel als gültig für die FPÖ abgegeben; vielmehr gültige Ausfüllung für die SPÖ; Auswirkung der Rechtswidrigkeit auf das Wahlverfahren

Spruch

I. Der Wahlanfechtung wird stattgegeben.

Das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen am 19.3.2000 wird beginnend mit der Entscheidung der Landeswahlbehörde vom 19.4.2001 über die administrativen Wahlanfechtungen aufgehoben.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 19.3.2000 fanden die mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 20.12.1999, LGBl. 1999/107, ausgeschriebenen Wahlen der Mitglieder der Gemeinderäte in den Gemeinden der Steiermark, darunter auch in der Gemeinde Mühlen (Bezirk Murau), statt.

1.1.2. In dieser Gemeinde lagen der Wahl von den Wählergruppen Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ), Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und Roman Scheuerer Heimatliste Zukunft für Mühlen (ROMAN) eingebrachte und von der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Mühlen gemäß §48 Steiermärkische Gemeindewahlordnung - GWO, LGBl. 1960/6 (WV), idF LGBl. 1999/82, abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge zu Grunde.

1.1.3. Laut Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom 19.3.2000 entfielen von den 713 abgegebenen und als gültig gewerteten Stimmen - 8 Stimmzettel wurden als ungültig erachtet - auf:

       SPÖ ................... 338 Stimmen (8 Mandate),

       FPÖ ...................  81 Stimmen (1 Mandat),

       ROMAN ................. 294 Stimmen (6 Mandate).

1.2. Mit Eingaben jeweils vom 22.3.2000 erhoben sowohl die SPÖ als auch die Liste ROMAN gemäß §81 GWO Einspruch an die Landeswahlbehörde beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens.

1.2.1. Im Einspruch der SPÖ wurde die Ungültigkeit eines Stimmzettels behauptet, der von der zuständigen Sprengelwahlbehörde als für die FPÖ gültig abgegebene Stimme gewertet worden war. In ihrem diesen Einspruch erledigenden Bescheid vom 11.5.2000 gelangte die Landeswahlbehörde jedoch zum Ergebnis, dass der in Rede stehende Stimmzettel von der Sprengelwahlbehörde als gültige Stimme für die Liste ROMAN gewertet werden müsse. Wenn man aber von diesem Ergebnis ausgehe, dann könne - unter Bedachtnahme auf das in der GWO normierte Erfordernis des Einflusses der erwiesenen Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis - dem Einspruch nicht stattgegeben werden: Bei Berücksichtigung des Umstandes, dass ein fälschlicher Weise der FPÖ zugerechneter Stimmzettel als gültige Stimme für die Liste ROMAN zu werten sei, errechne sich die Wahlzahl nämlich abermals mit 42,25 und die Mandatsverteilung (SPÖ: 8 Mandate; FPÖ: 1 Mandat; ROMAN:

6 Mandate) bleibe gleich. Dem Einspruch der SPÖ wurde somit keine Folge gegeben.

1.2.2. Im Einspruch der Liste ROMAN ging es im Wesentlichen um drei Stimmzettel, die von der zuständigen Sprengelwahlbehörde als für die SPÖ gültig abgegeben gewertet worden waren. Im Einspruch der Liste ROMAN wurde die Ungültigkeit dieser Stimmzettel behauptet. In ihrem diesen Einspruch erledigenden Bescheid vom 11.5.2000 gelangte die Landeswahlbehörde jedoch zu dem Ergebnis, dass zwei der drei in Rede stehenden Stimmzettel von der Sprengelwahlbehörde als für die FPÖ gültig abgegeben anzusehen seien. Der dritte Stimmzettel hingegen sei von der Sprengelwahlbehörde zu Recht als gültige Stimme für die SPÖ gewertet worden.

Zur Frage des Einflusses der festgestellten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens auf das Wahlergebnis finden sich im Bescheid die folgenden Ausführungen:

"Die Gemeindewahlbehörde hat am Wahltag bei 15 zu vergebenden Mandaten folgendes Ergebnis festgestellt:

       SPÖ                338 Stimmen         8 Mandate

       FPÖ                 81 Stimmen         1 Mandat

       ROMAN              294 Stimmen         6 Mandate

Die Wahlzahl nach dem D´Hondtschen Wahlverfahren wurde mit 42,250 berechnet.

Geht man nunmehr davon aus, dass zwei fälschlicherweise der SPÖ zugerechnete Stimmzettel als gültig für die FPÖ zu werten sind, so beträgt die Wahlzahl 42,000 und ergibt sich folgende Mandatsverteilung.

       SPÖ     336 Stimmen (bisher 338)    8 Mandate (bisher 8)

       FPÖ      83 Stimmen (bisher 81)     1 Mandat  (bisher 1)

       ROMAN   294 Stimmen (bisher 294)    7 Mandate (bisher 6)

Daraus ergibt sich, dass das 15. Mandat durch eine Losentscheidung zwischen der SPÖ und der Liste ROMAN vergeben werden muss."

Dem Einspruch der Liste ROMAN wurde sohin Folge gegeben und das Wahlverfahren insoweit aufgehoben, "als die Verteilung der Mandate durch die Gemeindewahlbehörde erfolgte." Im Spruch der genannten Entscheidung wurde der Gemeindewahlbehörde aufgetragen, "die Mandate auf der Grundlage des korrigierten Ergebnisses nach §76 GWO" innerhalb einer bestimmten Frist "neu zu vergeben."

1.3. Daraufhin fand am 21.5.2000 eine Sitzung der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Mühlen statt, und zwar mit dem Tagesordnungspunkt 2.: "Losentscheid gemäß §76 Abs4 GWO".

Nachdem der Gemeindewahlleiter die "maßgebenden Ausführungen des Bescheides der Landeswahlbehörde" (vom 11.5.2000 über den Einspruch der Liste ROMAN) verlesen hatte, wurde laut Sitzungsniederschrift wie folgt verfahren:

"In der Marktgemeinde Mühlen sind 15 Gemeinderatssitze zu vergeben. Damit ist die fünfzehnt größte Zahl die Wahlzahl. Dies ist die Zahl 42,00.

       Die Wahlzahl ist in der Partei:       SPÖ         8-mal

                                               ROMAN       7-mal

                                               FPÖ         1-mal

                                               Summe      16

enthalten. Jede wahlwerbende Partei erhält so viele Gemeinderatssitze, als die Wahlzahl in ihrer Parteisumme enthalten ist. Da nach dieser Berechnung zwei wahlwerbende Parteien auf einen Gemeinderatssitz den gleichen Anspruch haben, hat die Vergabe dieses Gemeinderatssitzes durch Losentscheid zu erfolgen.

Das an Jahren jüngste Mitglied der Gemeindewahlbehörde gemäß §76 Abs5 GWO hat das Los zu ziehen. Dies ist GR Gottfried Eichhöbl jun.

Diejenige wahlwerbende Partei, deren Parteibezeichnung sich in dem gezogenen Kuvert befindet, erhält den Gemeinderatssitz zugesprochen.

Es wurde mittels Losentscheid festgestellt, dass dieser Gemeinderatssitz der SPÖ zufällt.

Es entfallen daher auf die

       Wahlwerbende Partei:      SPÖ      8 Gemeinderatssitze

       Wahlwerbende Partei:      ROMAN    6 Gemeinderatssitze

       Wahlwerbende Partei:      FPÖ      1 Gemeinderatssitz

                                 Summe   15 Gemeinderatssitze".

1.4.1. In der Folge focht die Liste ROMAN mit auf Art141 B-VG gestützter Eingabe vom 8.6.2000 beim Verfassungsgerichtshof die Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Mühlen wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens an. Mit Erkenntnis vom 15.3.2001, WI-10/00, gab der Verfassungsgerichtshof dieser Wahlanfechtung statt und hob das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen vom 19.3.2000 beginnend mit der Beschlussfassung der Landeswahlbehörde vom 8.5.2000 (über die administrativen Wahlanfechtungen) auf.

1.4.2. In den Entscheidungsgründen heißt es wörtlich wie folgt:

"Gemäß §81 Abs4 GWO hat die Landeswahlbehörde - vorausgesetzt, es wurde fristgerecht ein hinlänglich begründeter Einspruch wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens eingebracht - dem Einspruch stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluss war. In der dem Einspruch stattgebenden Entscheidung hat die Landeswahlbehörde entweder das ganze Wahlverfahren oder von ihr genau zu bezeichnende Teile desselben aufzuheben. Eine Entscheidung gemäß dieser Bestimmung kann die Landeswahlbehörde aber auch von Amts wegen treffen (§81 Abs5 GWO).

Werden nun von zwei oder mehreren Seiten (Einspruchs)Verfahren angestrengt, so sind von der Landeswahlbehörde zunächst die Einspruchsgründe zu würdigen. In der Frage einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung des Wahlverfahrens bei von der Einspruchsbehörde festgestellten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens hat die Behörde ihre (Rechtswidrigkeits)Feststellungen unter dem Aspekt deren Einflusses auf das Wahlergebnis zusammenschauend und insgesamt zu betrachten. Eine unter diesem Blickwinkel für jedes (Einspruchs)Verfahren vorgenommene isolierte Betrachtung der jeweils von den Einspruchswerbern aufgestellten Rechtsverletzungsbehauptungen würde der Bedeutung des Einspruchsrechtes als einer Rechtsschutzeinrichtung letztlich zur Gewährleistung eines richtigen, d.h. von Rechtswidrigkeiten freien Endergebnisses eines Wahlverfahrens nicht gerecht werden, uU die genannte administrative Einspruchsmöglichkeit ihres Sinnes und Zweckes überhaupt berauben (in diese Richtung weisen letztlich auch schon die Erk. VfSlg. 10.804/1986 Pkt. 2.2.1. sowie 11.257/1987 Pkt. 2.2.2.1.).

Es ist darum der Landeswahlbehörde als Rechtswidrigkeit anzulasten, dass sie die Ergebnisse der (administrativen) Einspruchsverfahren - unter dem Aspekt des Einflusses der geltend gemachten und von ihr (zum Teil) als erwiesen angenommenen Rechtswidrigkeiten - nicht einer zusammenschauenden einheitlichen Bewertung unterzog."

1.5.1. Mit dem in Folge dieses Erkenntnisses ergangenen Bescheid der Landeswahlbehörde, der in der Sitzung dieser Behörde am 19.4.2001 beschlossen und am 27.4.2001 ausgefertigt wurde, wurde den Einsprüchen der SPÖ und der Liste ROMAN Folge gegeben und das Wahlverfahren beginnend mit der Beschlussfassung der Gemeindewahlbehörde über die Verteilung der Mandate aufgehoben.

1.5.2. Der Bescheid wurde wörtlich wie folgt begründet:

"Durch das ... Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (v. 15.3.2001 WI-10/00) wurde das Wahlverfahren in jenen Stand zurückgesetzt, in dem es sich vor der Fassung des angefochtenen Beschlusses befunden hat. Die Landeswahlbehörde hatte daher das Verfahren beginnend von jenem Stand fortzusetzen, den es zum Zeitpunkt vor der Beschlussfassung über die Wahlanfechtungen erreicht hatte.

Daraus ergibt sich, dass alle von der Wahlbehörde bis zu diesem Zeitpunkt gesetzten Akte unberührt bleiben.

Gemäß §81 Abs4 Gemeindewahlordnung hat die Landeswahlbehörde, vorausgesetzt, es wurde fristgerecht ein hinlänglich begründeter Einspruch wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens eingebracht, dem Einspruch stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluss war. In der dem Einspruch stattgebenden Entscheidung hat die Landeswahlbehörde entweder das ganze Wahlverfahren oder von ihr genau zu bezeichnende Teile desselben aufzuheben. Eine Entscheidung gemäß dieser Bestimmung kann die Landeswahlbehörde aber auch von Amts wegen treffen (§81 Abs5 Gemeindewahlordnung).

In der Sitzung der Landeswahlbehörde am 8. Mai 2000 hat die Landeswahlbehörde mit Beschluss festgestellt, dass in beiden oben erwähnten Einsprüchen (SPÖ und Liste ROMAN) Rechtswidrigkeiten im Wahlverfahren erwiesen wurden. Diese Feststellungen der Landeswahlbehörde wurden auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht angefochten.

Werden nun von zwei oder mehreren Seiten (Einspruchs)-Verfahren angestrengt, so sind von der Landeswahlbehörde zunächst die Einspruchsgründe zu würdigen. In der Frage einer gänzlichen oder teilweisen Aufhebung des Wahlverfahrens bei von der Einspruchsbehörde festgestellten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens hat die Behörde ihre (Rechtswidrigkeits-)Feststellungen unter dem Aspekt deren Einflusses auf das Wahlergebnis zusammenschauend und insgesamt zu betrachten. Eine unter diesem Blickwinkel für jedes (Einspruchs)Verfahren vorgenommene isolierte Betrachtung der jeweils von den Einspruchswerbern aufgestellten Rechtsverletzungsbehauptungen würde der Bedeutung des Einspruchsrechtes als einer Rechtsschutzeinrichtung letztlich zur Gewährleistung eines richtigen, d.h. von Rechtswidrigkeiten freien Endergebnisses eines Wahlverfahrens nicht gerecht werden, unter Umständen die genannte administrative Einspruchsmöglichkeit ihres Sinnes und Zweckes überhaupt berauben (siehe Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, WI-10/00-7).

Die Gemeindewahlbehörde hat am Wahltag bei 15 zu vergebenden Mandaten folgendes Ergebnis festgestellt:

       SPÖ      338        Stimmen   8    Mandate

       FPÖ       81        Stimmen   1    Mandat

       ROMAN    294        Stimmen   6    Mandate

Die Wahlzahl nach dem D´Hondtschen Wahlverfahren wurde mit 42,250 berechnet.

Geht man nunmehr davon aus, dass ein fälschlicherweise der FPÖ zugerechneter Stimmzettel als gültige Stimme für ROMAN zu werten ist und zwei fälschlicherweise der SPÖ zugerechnete Stimmzettel als gültige für die FPÖ zu werten sind, so ergibt sich folgendes Stimmenergebnis:

       SPÖ      336        Stimmen (bisher 338 Stimmen)

       FPÖ       82        Stimmen (bisher 81 Stimmen)

       ROMAN    295        Stimmen (bisher 294 Stimmen)

Bei diesem festgestellten Stimmenergebnis errechnet sich nach dem D´Hondtschen Wahlverfahren die Wahlzahl mit 42,143 und ergibt sich folgende Mandatsverteilung:

SPÖ 7 Mandate (bisher 8 Mandate)

FPÖ 1 Mandat (bisher 1 Mandat)

ROMAN 7 Mandate (bisher 6 Mandate)

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der SPÖ am 2.5.2001 zugestellt.

1.6.1.1. Mit ihrer am 7.5.2001 beim Verfassungsgerichtshof eingereichten, auf Art141 B-VG gestützten Eingabe ficht nunmehr die SPÖ die Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Mühlen beim Verfassungsgerichtshof an und beantragt, der Anfechtung stattzugeben und das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen vom 19.3.2000 beginnend mit der Beschlussfassung der Landeswahlbehörde über die administrativen Wahlanfechtungen aufzuheben, in eventu aber die gesamte Wahl als nichtig zu erklären.

1.6.1.2. Als Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens wird im Einzelnen geltend gemacht, dass

"-

die Landeswahlbehörde über ihren (gemeint: der SPÖ) bereits zurückgezogenen Einspruch betreffend den Stimmzettel 1 eine Entscheidung getroffen hat und dadurch auf das Wahlergebnis Einfluß genommen hat,

-

die Landeswahlbehörde dem Einspruch der Liste Roman betreffend der Stimmzettel 2 und 3 Folge gegeben hat, obwohl diese beiden Stimmzettel 2 und 3 zur Gänze der SPÖ gutgeschrieben hätten werden müssen,

        - in eventu, dass die Landeswahlbehörde - wenn sie schon,

wie ... gerügt, auf die Rückziehung des Einspruches der SPÖ nicht

Bedacht genommen hat, zumindest den Einspruch der SPÖ unrichtig

erledigt hat, weil sie dem Einspruch im Spruch des Bescheides vom

27.4.2001 ... Folge gegeben hat, in der Begründung aber den

Stimmzettel 1 der Liste Roman zugeschrieben hat, anstatt ihn - wie im Einspruch der SPÖ beantragt - für ungültig zu erklären,

-

die Landeswahlbehörde bei ihrer Entscheidung falsch zusammengesetzt war."

1.6.2. Die Landeswahlbehörde erstattete - unter Vorlage der Wahlakten - eine Gegenschrift, in der sie für eine Abweisung der Wahlanfechtung als unbegründet eintritt und begehrt, der Anfechtungswerberin die Prozesskosten aufzuerlegen.

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 14.847/1997; VfGH 15.3.2001 WI-10/00).

2.1.2.1. Nach §68 Abs1 VerfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem anzuwendenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

2.1.2.2. Ein derartiger, die unmittelbare Anfechtung der Wahl zum Gemeinderat der Gemeinde Mühlen beim Verfassungsgerichtshof ausschließender Instanzenzug ist gemäß der Bestimmung des §81 Abs1 GWO vorgesehen: danach kann eine Wahl ua. wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens binnen zwei Wochen - vom Ablauf des ersten Kundmachungstages (des Wahlergebnisses) an gerechnet - vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter jeder wahlwerbenden Partei schriftlich mit Einspruch bekämpft werden.

Über den bei der Gemeindewahlbehörde schriftlich zu erhebenden Einspruch entscheidet in erster und letzter Instanz die Landeswahlbehörde (§81 Abs4 und 6 GWO).

2.1.2.3. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 1.5.1. ergibt, wurde der vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter der SPÖ am 22.3.2000 gemäß §81 GWO wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ergriffene Einspruch mit dem nach teilweiser Aufhebung des Verfahrens zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen durch den Verfassungsgerichtshof erlassenen Bescheid der Landeswahlbehörde (2. Rechtsgang) vom 27.4.2001 erledigt.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der in Rede stehenden Gemeinderatswahl vor dem Verfassungsgerichtshof ist somit der 2.5.2001, das ist der Tag der Zustellung des Bescheides der Landeswahlbehörde an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der SPÖ (sh. schon Pkt. 1.5.2.).

2.1.2.4. Die am 7.5.2001 beim Verfassungsgerichtshof eingereichte Wahlanfechtung (sh. Pkt. 1.6.1.1.) wurde demnach rechtzeitig eingebracht.

2.1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. In der Sache behauptet die Anfechtungswerberin zunächst, die Landeswahlbehörde sei anlässlich ihrer Entscheidung vom 19.4.2001 über die Einsprüche der Liste ROMAN sowie der Anfechterin falsch zusammengesetzt gewesen. Dazu wird in der Anfechtungsschrift ausgeführt, dass auf Grund der nach der Entscheidung der Landeswahlbehörde im ersten Rechtsgang stattgefundenen Landtagswahl die Zusammensetzung der Landeswahlbehörde geändert worden sei. Der Verfassungsgerichtshof habe aber im Erkenntnis vom 15.3.2001, WI-10/00, ausgesprochen, dass das Wahlverfahren in jenes Stadium zurücktrete, in dem es sich vor Erlassung der Bescheide der Landeswahlbehörde vom 11.5.2000 befunden hatte. Um diesem Auftrag des Verfassungsgerichtshofes folgen zu können (hier zitiert die Anfechtungswerberin §70 Abs4 VerfGG), hätte die Landeswahlbehörde in ihrer damaligen Zusammensetzung zusammentreten und entscheiden müssen. Die in §17 GWO vorgesehene Umbildung wäre erst nach Abschluss aller Einspruchsverfahren zulässig gewesen. Eine Umbildung der Behörde vor diesem Zeitpunkt mache die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis geforderte "Gesamtschau" der angefochtenen Wahl unmöglich. Durch die veränderte Zahl der auf die einzelnen Parteien entfallenden Sitze in der Wahlbehörde werde nicht mehr das zur Zeit der Anfechtung bestehende Stärkeverhältnis ausgedrückt, was letztlich einen anderen Ausgang des Einspruchsverfahrens zur Folge haben könnte.

2.2.2. Die Landeswahlbehörde vertritt demgegenüber in ihrer Gegenschrift die folgende Auffassung:

Nach den Gemeinderatswahlen am 19.3.2000 hätten - am 15.10.2000 - die Wahlen zum Steiermärkischen Landtag stattgefunden. Da sich die Parteienstärke im Landtag geändert habe, sei gemäß §17 Abs3 GWO die Landeswahlbehörde für die Gemeinderatswahlen umzubilden gewesen. Diese Umbildung der Landeswahlbehörde (für die Gemeinderatswahlen 2000) sei durch die Landesregierung auch vorgenommen worden, und zwar auf Grund der Vorschläge der anspruchsberechtigten Parteien.

Auch bei anderen Kollegialorganen, die über administrative Rechtsmittel zu entscheiden haben, trete in der Praxis oft der Fall ein, dass zwischen der Beschlussfassung über eine Berufung und der Entscheidung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechtes eine Änderung der Zusammensetzung erfolge. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn in diesem Zeitraum eine Neuwahl des entsprechenden Gemeinderates stattfinde. Wenn somit eine Entscheidung eines Kollegialorgans mittels Erkenntnisses eines Höchstgerichtes aufgehoben und die Angelegenheit erneut zu entscheiden sei, werde zwar das Verfahren bei einem bestimmten Verfahrensstand aufgehoben; dies stehe "aber nicht im Zusammenhang mit einem datumsmäßigen, also rein zeitlichen Aspekt". Zusammenfassend sei festzustellen, dass es immer nur eine im Amt befindliche Landeswahlbehörde für die Gemeinderatswahlen geben könne, deren Zusammensetzung in den Bestimmungen der GWO festgelegt sei. Jede andere Vorgangsweise wäre gesetzwidrig und würde das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzen.

2.2.3. Zu Folge §4 Abs1 GWO sind zur Leitung und Durchführung der Wahl der Gemeinderäte Wahlbehörden berufen, zu denen u.a. die Landeswahlbehörde gehört. Gemäß §9 Abs1 GWO wird für das Land Steiermark in Graz die Landeswahlbehörde eingesetzt. Sie besteht aus dem Landeshauptmann als Vorsitzendem und Landeswahlleiter und aus mindestens sechs, höchstens zwölf Beisitzern (Abs2). Die Beisitzer und Ersatzmänner der Landeswahlbehörde werden nach §13 Abs3 GWO innerhalb der für jede Wahl festgesetzten Höchstzahl auf Grund der Vorschläge der Parteien nach ihrer bei der letzten Landtagswahl festgestellten Stärke (Parteisumme) berufen. Gemäß §17 Abs5 GWO bleiben die vor jeder Wahl gebildeten Wahlbehörden grundsätzlich bis zur Konstituierung der Wahlbehörden anlässlich der nächsten Wahl im Amt. §17 Abs3 GWO ordnet jedoch an, dass dann, wenn die Zusammensetzung einer Wahlbehörde auf Grund des Ergebnisses einer nach deren Bildung durchgeführten Landtagswahl nicht mehr den Vorschriften des §13 Abs3 GWO entspricht, die der neuen Parteienstärke entsprechenden Änderungen durchzuführen sind. Aus welchen Gründen nun - wie die Anfechtungswerberin meint - eine "Umbildung" der Landeswahlbehörde vor dem Zeitpunkt einer Entscheidung über eine Wahlanfechtung nach §81 GWO (im zweiten Rechtsgang) die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15.3.2001, WI-10/00, geforderte "Gesamtschau" der angefochtenen Wahl "unmöglich machen würde", ist für den Verfassungsgerichtshof nicht zu ersehen. Ebenso bleibt es unerfindlich, warum eine im Sinne des §17 Abs3 GWO geänderte Landeswahlbehörde nicht in der Lage sein sollte, dem Gesetzesauftrag des §70 Abs4 VerfGG nachzukommen. (Nach dieser Bestimmung sind die Wahlbehörden, die nach Stattgebung der Wahlanfechtung in der Sache die weiteren Verfügungen zu treffen haben, an die tatsächlichen Feststellungen und an die Rechtsanschauung gebunden, von denen der Verfassungsgerichtshof bei seinem Erkenntnis ausgegangen ist.) Die spekulative Erwägung der Anfechtungswerberin, "die veränderte Zahl der auf die einzelnen Parteien entfallenden Sitze in der Wahlbehörde" könnte einen anderen Ausgang der neuerlichen Entscheidung im Einspruchsverfahren zur Folge haben, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Relevanz. Vielmehr geht es ausschließlich um die Frage der Einhaltung der gesetzlichen Anordnung des §17 Abs3 GWO, gegen welche Bestimmung verfassungsrechtliche Bedenken weder von der Anfechtungswerberin vorgebracht wurden noch beim Verfassungsgerichtshof entstanden sind.

2.2.4. Die von der Anfechtungswerberin im Zusammenhang mit der Zusammensetzung der Landeswahlbehörde geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt demnach nicht vor.

2.3.1. Die SPÖ rügte in ihrer Wahlanfechtung weiters als rechtswidrig, dass die Landeswahlbehörde dem Einspruch der Liste ROMAN betreffend zweier näher bezeichneter Stimmzettel Folge gegeben habe, obwohl diese beiden Stimmzettel der SPÖ gut geschrieben hätten werden müssen.

2.3.1.1.: Der in der Anfechtungsschrift als "Stimmzettel 2" bezeichnete Stimmzettel zeigt das folgende Bild:

[Stimmzettel leider nicht darstellbar!]

2.3.1.2.: Der in der Anfechtungsschrift als "Stimmzettel 3" bezeichnete Stimmzettel zeigt das folgende Bild:

[Stimmzettel leider nicht darstellbar!]

2.3.1.3. In der Wahlanfechtungsschrift wird dazu wörtlich ausgeführt:

"Beim Stimmzettel 2 hat der Wähler bei der Anfechtungswerberin SPÖ im dafür vorgesehenen vorgedruckten Kreis neben der Kurzbezeichnung SPÖ ein liegendes Kreuz vermerkt und die gesamte Zeile der Liste Roman beginnend vom vorgedruckten Kreis über die Kurzbezeichnung bis hin zur ausgeschriebenen Parteibezeichnung 'Roman Scheuerer, Heimatliste Zukunft für Mühlen' mit mehreren waagrechten, geschwungenen und geraden Strichen durchgestrichen.

Beim Stimmzettel 3 ist ebenfalls im vorgedruckten Kreis neben der Parteibezeichnung SPÖ ein liegendes Kreuz vom Wähler angezeichnet worden und wiederum die gesamte Zeile der Liste Roman mit mehreren waagrechten Strichen durchgestrichen. Darüberhinaus ist beim Stimmzettel 3 auch neben der Kurzbezeichnung Roman das Wort 'Sau' hingeschrieben, wobei der Ordnung halber festgehalten werden darf, dass keiner der Kandidaten der Liste Roman den Namen 'Sau' führt.

Dadurch, dass die Wähler der Stimmzettel 2 und 3 einerseits in den vorgedruckten Kreis der SPÖ ein Kreuz gemacht haben, andererseits die Liste Roman durchgestrichen haben, sind die beiden Stimmzettel eindeutig der SPÖ zuzurechnen. Die Wähler der Stimmzettel 2 und 3 haben ja nicht ... bei mehreren Parteien völlig vergleichbare und deutlich als solche erkennbare Streichungen vorgenommen, sondern sie haben jeweils eine Partei - nämlich die SPÖ - richtig angezeichnet und die Liste Roman eindeutig durchgestrichen. Durch das Durchstreichen bzw. Hinzufügen des Wortes 'Sau' haben die Wähler der Stimmzettel 2 und 3 ein an Deutlichkeit kaum zu überbietendes 'Zeichen der Verneinung' gesetzt. Gem. §67 Abs2 Satz 3 Stmk GWO ist der Stimmzettel auch dann noch gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers 'auf andere Weise', zum Beispiel durch sonst entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei und Durchstreichen eindeutig zu entnehmen ist."

2.3.2.1.1. Die Landeswahlbehörde vertritt in der im vorliegenden Verfahren erstatteten Gegenschrift den Standpunkt, dass die beiden in Rede stehenden Stimmzettel nunmehr einer Anfechtung überhaupt entzogen seien: Die entsprechenden wahlbehördlichen Stimmzettelbewertungen aus dem ersten Rechtsgang seien weder von der Liste ROMAN noch von der Anfechtungswerberin beim Verfassungsgerichtshof bekämpft worden; auch der Spruch des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes über die Anfechtung der Liste ROMAN (VfGH 15.3.2001 WI-10/00) weise in die Richtung dieser Auffassung.

2.3.2.1.2. Dem kann nicht beigepflichtet werden:

In dem mit Erkenntnis vom 15.3.2001, WI-10/00, entschiedenen Fall war die Frage der rechtsrichtigen Beurteilung der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Stimmzettel, die den von der SPÖ und von der Liste ROMAN angestrengten Einspruchsverfahren zu Grunde lagen - somit auch der beiden nunmehr in Streit stehenden -, im Hinblick auf die durch das damalige Anfechtungsvorbringen (das allein dahin ging, dass es die Landeswahlbehörde unterlassen habe, die Ergebnisse dieser beiden Einspruchsverfahren einer "Gesamtschau" zu unterziehen) begrenzte Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes nicht zu untersuchen. Ausgehend von der nunmehr vorliegenden Anfechtung kommt dem Verfassungsgerichtshof aber die Befugnis zur Prüfung der beiden Stimmzettel sehr wohl zu. Es ist auch nicht zutreffend, dass sich die Anfechtungswerberin ihres Rechtes auf Anfechtung der Gemeinderatswahl im Hinblick auf die beiden in Rede stehenden Stimmzettel vor dem Verfassungsgerichtshof dadurch begeben hätte, dass sie die Bewertung dieser Stimmzettel durch die Landeswahlbehörde im ersten Rechtsgang nicht mittels Anfechtung nach Art141 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft hatte. Nach dem Ergebnis der Gemeinderatswahl im Sinne der Mandatsvergabe durch die Gemeindewahlbehörde auf Grund der landeswahlbehördlichen Entscheidung im ersten Rechtsgang (sh. Pkte. 1.2.2. u. 1.3.) hatte die Anfechtungswerberin nämlich gar keine Veranlassung, (überhaupt) eine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof anhängig zu machen, wogegen sich die Sachlage nunmehr, auf Grund der Entscheidung der Landeswahlbehörde im zweiten Rechtsgang - in Bindung an das der Wahlanfechtung der Liste ROMAN stattgebende Erkenntnis VfGH 15.3.2001 WI-10/00 -, für die SPÖ anders darstellt (vgl. dazu VfSlg. 10.804/1986 sowie 11.257/1987, und zwar zur Frage der Anfechtungslegitimation in Verbindung mit "von anderer Seite" eingebrachten (administrativen) Wahlanfechtungen).

2.3.2.2. In ihrem den Einspruch der Liste ROMAN betreffenden Bescheid vom 11.5.2000 (sh. Pkt. 1.2.2.) ging die Landeswahlbehörde hinsichtlich der beiden nunmehr in Rede stehenden Stimmzettel von folgendem Sachverhalt aus:

"Auf Grund des Einspruches des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der wahlwerbenden Partei 'Roman Scheuerer Heimatliste Zukunft für Mühlen (ROMAN)', Herrn Roman Scheuerer, wurden die für die SPÖ gewerteten Stimmen überprüft.

Es konnten folgende Stimmzettel vorgefunden werden:

Stimmzettel 1 (dargestellt unter Pkt. 2.3.1.1.):

Auf diesem Stimmzettel befindet sich im Kreis der SPÖ ein liegendes Kreuz. Bei der Liste Nr. 6 wurden über die Felder des Kreises, über das Feld der Kurzbezeichnung und über das Feld der Parteibezeichnung mehrere waagrechte Striche gezogen.

Dieser Stimmzettel wurde als gültige Stimme für die SPÖ gewertet.

Stimmzettel 2 (dargestellt unter Pkt. 2.3.1.2.):

Auf diesem Stimmzettel befindet sich im Kreis der SPÖ ein liegendes Kreuz. Bei der Liste Nr. 6 wurden über die gesamte Spalte, und zwar über die Listennummer, über das Feld, in dem sich der Kreis befindet, über die Kurzbezeichnung und über die Parteibezeichnung zahlreiche auf- und abführende waagrechte Linien vom Wähler gezeichnet.

Dieser Stimmzettel wurde als gültige Stimme für die SPÖ gewertet.

..."

In der rechtlichen Beurteilung dieser Stimmzettel gelangte die Landeswahlbehörde zum Ergebnis, dass diese von der Sprengelwahlbehörde zu Unrecht als gültige Stimmen für die SPÖ gewertet worden seien; vielmehr müssten sie als für die FPÖ gültig abgegeben gewertet werden. In der Gemeinde Mühlen schienen drei wahlwerbende Parteien am Stimmzettel auf, wovon auf den beiden in Rede stehenden Stimmzetteln zwei gestrichen worden wären; sohin sei in beiden Fällen von einer gültigen Stimme für jene Partei (in diesem Fall die FPÖ) auszugehen, die von der Streichung nicht betroffen sei.

2.3.3. Demgegenüber ist der Verfassungsgerichtshof auf Grund der folgenden Erwägungen der Auffassung, dass diese beiden Stimmzettel als für die SPÖ gültig abgegeben zu werten sind:

2.3.3.1. Der mit "Gültige Ausfüllung" überschriebene §67 GWO lautet:

"(1) Zur Stimmenabgabe darf nur der vom Wahlleiter gleichzeitig mit dem Wahlkuvert dem Wähler übergebene amtliche Stimmzettel verwendet werden.

(2) Der Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, z. B. durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichen der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste, eindeutig zu erkennen ist.

(3) Der Stimmzettel ist auch gültig ausgefüllt, wenn zwar eine Parteiliste angezeichnet wurde, auf der Rückseite des Stimmzettels aber die Bewerber einer anderen Partei oder verschiedener Parteien, gereiht und gestrichen wurden. Diese Reihungen und Streichungen gelten in diesem Falle als nicht beigesetzt bzw. als nicht erfolgt."

§69 GWO - übertitelt mit "Ungültige Stimmzettel" - bestimmt:

"(1) Der Stimmzettel ist ungültig, wenn

1. ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet wurde, oder

2. der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt wurde, daß nicht mehr unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte, oder

3. überhaupt keine Parteiliste oder kein Bewerber angezeichnet wurde, oder

4. zwei oder mehrere Parteilisten oder Bewerber verschiedener Parteilisten angezeichnet wurden, oder

5. eine Liste angezeichnet wurde, die nur eine Listennummer, aber keine Parteibezeichnung enthält, oder

6. aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte.

(2) Leere Wahlkuverts zählen als ungültige Stimmzettel. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die auf verschiedene Parteien lauten, so zählen sie, wenn sich ihre Ungültigkeit nicht schon aus anderen Gründen ergibt, als ein ungültiger Stimmzettel.

(3) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit eines Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der vorangeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des amtlichen Stimmzettels nicht."

2.3.3.2. §67 Abs2 GWO legt im ersten Satz fest, dass ein Stimmzettel gültig ausgefüllt ist, "wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte", und nennt anschließend im zweiten Satz bestimmte Fallkonstellationen, bei denen diese Voraussetzung jedenfalls zutrifft; nämlich dann, wenn der Wähler in einem der links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, dass er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Im vorliegenden Fall trifft diese Voraussetzung einer gültigen Ausfüllung zu; beide Stimmzettel weisen im Kreis neben der Kurzbezeichnung der SPÖ ein liegendes Kreuz auf. Diesem Ergebnis vermag auch der Umstand keinen Abbruch zu tun, dass auf beiden Stimmzetteln die der Listennummer 6 zugeordnete Zeile der Darstellung unter Punkten 2.3.1.1. und 2.3.1.2. entsprechend durchgestrichen (bzw. beschrieben) wurde, weil damit weder der Ungültigkeitsgrund des §69 Abs1 Z4 GWO (Anzeichnung zweier oder mehrerer Parteilisten) hergestellt wurde noch der der Z6 leg. cit. (aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung geht nicht unzweideutig hervor, welche Parteiliste er wählen wollte); dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Durchstreichen einer wahlwerbenden Partei nach §67 Abs2 GWO ausdrücklich als negatives Votum vorgesehen ist.

2.3.3.3. Die von der Anfechtungswerberin in diesem Zusammenhang geltend gemachte Rechtswidrigkeit ist demnach gegeben.

2.3.4. Nun ist einer Wahlanfechtung - wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegte (VfSlg. 11.732/1988, 13.017/1992) - nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muss darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein (Art141 Abs1 vorletzter Satz B-VG, §70 Abs1 erster Satz VerfGG).

Dies trifft hier zu, weil die festgestellte, der Landeswahlbehörde anzulastende Rechtswidrigkeit zur Folge hatte, dass die SPÖ bei der Vergabe der Gemeinderatsmandate (im fortgesetzten Verfahren vor der Gemeindewahlbehörde) unzulässig benachteiligt wurde, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt:

Laut dem im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheid der Landeswahlbehörde über die Einsprüche der Anfechtungswerberin und der Liste ROMAN vom 27.4.2001 sei von folgendem Stimmenergebnis auszugehen (sh. Pkt. 1.5.2.):

       SPÖ        336 Stimmen,

       FPÖ         82 Stimmen,

       ROMAN      295 Stimmen.

Nach dem genannten Bescheid errechne sich die Wahlzahl mit 42,143; dies habe folgende Mandatsverteilung zur Folge:

       SPÖ        7 Mandate,

       FPÖ        1 Mandat,

       ROMAN      7 Mandate.

Nach dem Spruch des Bescheides müssten die auf die einzelnen Wählergruppen entfallenden Mandate von der Gemeindewahlbehörde auf der Grundlage des in der Begründung des Bescheides festgestellten Ergebnisses neu vergeben werden.

Legt man der Wahlzahlberechnung jedoch das im Sinne des nunmehrigen Erkenntnisses korrigierte Wahlergebnis zu Grunde, nämlich (zwei Stimmen mehr, ds.) 338 Stimmen für die SPÖ; (zwei Stimmen weniger, ds.) 80 Stimmen für die FPÖ und (gleich bleibend) 295 Stimmen für die Liste ROMAN, so ergibt sich als Wahlzahl die Zahl 42,25. Diese Zahl entspricht dem 1/8 der Parteisumme der SPÖ, weshalb dieser Wählergruppe - anders als nach der Begründung des im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheides der Landeswahlbehörde vom 27.4.2001 - ein 8. Mandat zufällt.

2.4. Der Wahlanfechtung war daher stattzugeben und das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Gemeinde Mühlen am 19.3.2000 beginnend mit der Entscheidung der Landeswahlbehörde vom 19.4.2001 über die administrativen Wahlanfechtungen der SPÖ und der Liste ROMAN aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis war auf das übrige Anfechtungsvorbringen, namentlich zur Zurückziehung des Einspruches der SPÖ vom 27.4.2001 sowie zum Eventualantrag (sh. Pkt. 1.6.1.2.), nicht weiter einzugehen.

2.5. Kosten konnten nicht zugesprochen werden, weil ein Kostenersatz im Verfahren nach Art141 B-VG nur in §71a Abs5 VerfGG (vgl. dazu auch §27 VerfGG) vorgesehen ist, welche Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt (vgl. etwa VfSlg. 15.357/1998).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Legitimation, VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Wahlbehörden, Ermittlungsverfahren, Stimmzettel, Wahlanfechtung administrative, Wahlergebnis, Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:WI2.2001

Dokumentnummer

JFT_09988997_01W00I02_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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