TE OGH 1988/5/26 12Os61/88

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Veröffentlicht am 26.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sigrid G*** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB aF über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3.Oktober 1986, AZ Bl 366/86 (= GZ 7 U 913/86-14 des Bezirksgerichtes Innsbruck), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten und eines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3.Oktober 1986, AZ Bl 366/86 (= GZ 7 U 913/86-14 des Bezirksgerichtes Innsbruck) verletzt insoweit, als damit in teilweiser Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit der erstinstanzliche Freispruch der Angeklagten Sigrid G*** laut Punkt 2 des Urteilssatzes aufgehoben und die Genannte des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB aF (begangen dadurch, daß sie am 12.April 1986 im E*** in Völs mit Bereicherungsvorsatz versucht hatte, eine Packung "Blue-Star-Würfel" im Wert von 14,90 S wegzunehmen) schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 127 Abs. 1 StGB aF.

Dieses Urteil, das ansonsten unberührt bleibt, wird im beschriebenen Umfang aufgehoben und die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit im darauf bezogenen Anfechtungsumfang verworfen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verworfen.

Text

Gründe:

Die am 11.April 1929 geborene, unbescholtene und in völlig geordneten Verhältnissen lebende Hausfrau Sigrid G*** wurde am 12. April 1986 im "E*** in Völs bei der Wegnahme einer Packung "Blue-Star-WC-Dauerspüler" im Wert von 14,90 S beobachtet und, nachdem sie diese Packung an der Kassa nicht bezahlt hatte, vom Geschäftsführer des Selbstbedienungsmarktes angehalten. Sie gab diesem gegenüber die Tat sogleich zu und gestand über Vorhalt, daß sie schon früher in diesem Geschäft beim Diebstahl eines Päckchens Butter beobachtet worden sei, überdies auch noch ein, in den letzten 14 Tagen in insgesamt (sogar) fünf Zugriffen jeweils 1/4 kg Butter im Gesamtwert von 109,50 S aus diesem Geschäft gestohlen zu haben. Noch an Ort und Stelle machte sie den gesamten Schaden von 124,40 S gut.

Das Bezirksgericht Innsbruck sprach die Beschuldigte mit Urteil vom 6.Juni 1986, GZ 7 U 913/86-6, vom Anklagevorwurf des Diebstahls von insgesamt 5/4 kg Butter infolge tätiger Reue (§ 167 StGB) gemäß § 259 Z 3 StPO (Punkt 1 des Urteilssatzes) und vom weiteren Vorwurf des versuchten Diebstahls eines Päckchens "Blue-Star-WC-Dauerspüler" mangels Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB) gemäß § 259 Z 4 StPO aF (Punkt 2 des Urteilssatzes) frei. In teilweiser Stattgebung der dagegen gerichteten Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit wurde Sigrid G*** jedoch vom Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht mit Urteil vom 3.Oktober 1986, AZ Bl 366/86 (= ON 14 des U-Aktes) in Ansehung der Wegnahme des WC-Spülers anklagekonform wegen Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB aF schuldig gesprochen und zu einer gemäß § 43 Abs. 1 StGB aF für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Schuldspruch verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 127 Abs. 1 StGB aF, weil das Berufungsgericht übersehen hat, daß nach der Täterpersönlichkeit und den sonstigen aktenkundigen Tatumständen des konkreten Falles ungeachtet der - nichts weniger als einen Hang zum Stehlen erkennen lassenden - Vorgeschichte bloße Unbesonnenheit, also ein plötzlicher Willensimpuls als tatauslösend indiziert war, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen gewesen ist und von der Angeklagten in der Regel auch unterdrückt worden wäre (Leukauf-Steininger Komm.2 § 141 RN 13 und die dort zitierte Judikatur). Für eine derartige Einschränkung der tataktuellen Bewußtseinslage sprach nicht zuletzt auch der Umstand, daß Sigrid G*** bei ihrer Betretung spontan selbst solche vorangegangenen Verfehlungen einbekannt hat, deren sie nicht einmal verdächtig war, was von einem überlegt handelnden Dieb nicht zu erwarten gewesen wäre.

Nach diesen Verfahrensergebnissen kam mit Rücksicht auf den geringen Wert der weggenommenen Sache in erster Linie eine Tatbeurteilung als versuchte Entwendung nach §§ 15, 141 Abs. 1 StGB in Betracht, derentwegen jedoch Sigrid G*** mangels Erteilung einer Ermächtigung (§ 2 Abs. 5 StPO, § 141 Abs. 2 StGB) strafrechtlich nicht mehr hätte verfolgt werden können. Ohne vorherige Abklärung der auch im bezirksgerichtlichen Urteil nicht behandelten Tatfrage nach dem Vorliegen eines nach § 141 Abs. 1 StGB privilegierenden Beweggrundes durfte daher das Berufungsgericht nicht mit einem Schuldspruch wegen versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB aF vorgehen, der solcherart im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO (Mayerhofer-Rieder StPO2 E 11 dazu) mit einem Nichtigkeit bewirkenden Feststellungsmangel behaftet ist. Nach der Aktenlage bestehen allerdings keine Anhaltspunkte dafür, daß in einem neuen Rechtsgang die fehlenden, Unbesonnenheit als schuldminderndes Motiv ausschließenden Feststellungen mit mängelfreier Begründung nachgeholt werden könnten, weshalb auf Grund der zur Wahrung des Gesetzes vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der gesetzwidrige Schuldspruch sogleich aufzuheben und die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit im darauf bezogenen, sohin noch unerledigten Umfang zu verwerfen war (§ 292 letzter Satz StPO).

Nicht gefolgt werden kann allerdings der Auffassung des Generalprokurators insoweit, als er eine Verletzung des Gesetzes durch das Berufungsgericht auch in der Bestimmung des § 42 StGB darzulegen sucht. Ausgehend von der - wenngleich

verfehlten - Annahme, daß Sigrid G*** den "Blue-Star-Würfel" überlegterweise und daher im technischen Sinne zu stehlen versucht und dabei - wie das Berufungsgericht ersichtlich unterstellt - auch die im Laufe der vorangegangenen zwei Wochen verübten fünf weiteren Ladendiebstähle (iS des § 127 Abs. 1 StGB aF), die im Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck festgestellt und wegen tätiger Reue bloß nicht bestraft werden konnten, mitbedacht hat, könnte ihre Schuld nicht mehr als gering bezeichnet werden. Ganz abgesehen davon, daß wegen dieser in rascher Aufeinanderfolge begangenen Angriffe auf fremdes Vermögen - immer unter der bloß hypothetischen Annahme, daß sie allesamt eben nicht bloß aus Unbesonnenheit begangen worden sind - auch spezial- sowie generalpräventive (vgl. dazu 14 Os 173,174/87) Erwägungen der Anwendung des § 42 StGB entgegenstünden. In diesem Punkte war die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes daher zu verwerfen.

Anmerkung

E14068

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00061.88.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19880526_OGH0002_0120OS00061_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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