TE OGH 1988/6/1 13Os53/88

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Veröffentlicht am 01.06.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Juni 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführers in der Strafsache gegen Dr. Harald K*** und Elisabeth K*** wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146 ff. StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 10.November 1987, GZ 21 Vr 3.346/79-293, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 28.August 1921 geborene Facharzt für Zahnheilkunde Dr. Harald K*** und seine am 6.Juli 1938 geborene nunmehrige Ehefrau (zum Tatzeitpunkt Lebensgefährtin) Elisabeth K*** (früher: E***) wurden des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB, Dr. Harald K*** überdies nach § 148, erster Fall, StGB (I) und Elisabeth K*** darüber hinaus wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (II) schuldig erkannt.

Darnach haben sie von 1975 bis Frühjahr 1979 in Salzburg mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung - Dr. K*** als Wahlarzt gewerbsmäßig - Angestellte der S*** G*** unter

der Vorgabe, entsprechende zahnärztliche Leistungen erbracht zu haben, durch Einreichung von durch Dr. K*** unterzeichneten und (tatsachenwidrig) saldierten Honorarnoten unter Benützung von - teilweise auch gefälschten - Patientenvollmachten, die Elisabeth E*** zur Behebung des Kassenrückersatzes berechtigten, zur Auszahlung von ihnen nicht zustehenden Behandlungskosten verleitet, wobei die S*** G*** einen Schaden von

ca 167.000 S erlitt (I). Darüber hinaus fälschte Elisabeth K*** auch Patientenunterschriften auf Vollmachten, mit denen sie berechtigt Kostenrückersätze bei der S*** G***

beantragte (II).

Den Schuldspruch wegen Betrugs bekämpfen beide Angeklagten mit auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, wobei Elisabeth K*** sich mit ihrem inhaltlich im wesentlichen identen Beschwerdevorbringen weitgehend auf die (umfangreichen) Ausführungen ihres Ehegatten beruft (S 58/XV).

Rechtliche Beurteilung

Da sich die Nichtigkeitsbeschwerden fast ausschließlich gegen die Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Urteilsbegründung wenden (Z 5 und 5 a), erfordert eine Erwiderung die zusammenfassende Darstellung der Urteilsannahmen und der hiefür herangezogenen Beweisgrundlagen:

Den Angeklagten werden fünf Gruppen von betrügerischen

Rechnungslegungen an die S*** G*** (I A bis E)

zur Last gelegt:

A) In dreiundzwanzig Fällen wurden Privathonorare für Patienten

verrechnet, die nie in der Privatordination Dris. K*** waren, wodurch ein Schaden von 13.674 S entstand. Die Honorarnoten wurden von Elisabeth E*** geschrieben und von Dr. Harald K*** unterschrieben und saldiert, wobei die Namen aus der Patientenkartei des Ambulatoriums der S*** G*** stammten, zu

der beide Angeklagten Zugang hatten, weil Dr. K*** im Ambulatorium als angestellter Zahnarzt arbeitete und dort gelegentlich auch von seiner (damaligen) Lebensgefährtin besucht wurde (US 22 bis 29 = S. 137-145/XIV).

B) In sechsundzwanzig Fällen wurden Leistungen für Patienten,

die sowohl das Ambulatorium als auch die Privatordination besucht hatten, doppelt verrechnet, wobei die jeweils "erste" Leistung im Ambulatorium erbracht wurde. Es handelt sich um die Wiederverrechnung von Zahnextraktionen (zwanzig Fälle), von Füllungen bzw Wurzelbehandlungen an extrahierten Zähnen (vier Fälle) und Wiederholung von Wurzelfüllungen (zwei Fälle), wodurch ein Schaden von insgesamt 7.384 S entstand (US 35

bis 43 = S. 151-158/XIV).

C) In sechsundzwanzig Fällen wurden prothetische Leistungen, die

in der Privatordination erbracht wurden, doppelt verrechnet, wobei ein Schaden von rund 70.000 S entstand, weil von den im Urteilsspruch einzeln dargestellten Rechnungsbeträgen ca 10 % für tatsächlich durchgeführte Reparaturen abgezogen wurden (US 56 bis 63 = S. 170-176/XIV). Noch vor Anzeigeerstattung wurde für fünfzehn Patienten ein Betrag von insgesamt 57.278 S an die S*** G*** refundiert (US 20 = S. 136, 137/XIV).

D) Bei siebzehn Patienten aus dem Bereich der Privatordination

verrechneten die Angeklagten die Extraktion von Zähnen, Wurzelfüllungen und andere Leistungen doppelt, wobei ein Schaden von 10.575 S entstand (US 71 bis 76 = S. 184-188/XIV). In dieser Gruppe wurde hinsichtlich eines Patienten ein Betrag von 1.203 S vor Anzeigeerstattung zurückbezahlt (US 20 = S. 137/XIV).

E) Bei vierunddreißig Patienten wurden Füllungen, die in der Privatordination hergestellt wurden, mehrfach verrechnet, wobei insgesamt eine Schadenssumme von 65.818 S entstand, insbesondere dadurch, daß bei neunundzwanzig Patienten innerhalb eines Zeitraums von nur eineinhalb bis zweieinhalb Jahren pro Patienten 20 bis 59 Füllungen verrechnet wurden (US 80 bis 86 = S. 192-199/XIV). Hinsichtlich von vier Patienten wurde ein Betrag von insgesamt 6.017 S vor Anzeigeerstattung refundiert (US 20, 21 = S. 137/XIV). Auf den den Angeklagten im Urteil insgesamt angelasteten Betrugsschaden von rund 167.000 S wurde sohin vor Anzeigeerstattung ein Betrag von insgesamt 64.698 S gutmacht.

Bei der Urteilsbegründung wählte das Schöffengericht den Weg, den Urteilsfeststellungen zu den einzelnen Fakten zunächst den Verfahrensablauf seit der Anzeigeerstattung am 17.April 1979 mit den wechselnden Verantwortungen zu den modifizierten Anklagevorwürfen darzustellen und leitete unter anderem aus dem durch wechselnde Verantwortung und Beiseiteschaffung von Unterlagen gekennzeichneten Vorgehen der Angeklagten den generellen Schluß ab, daß sie nach einem gemeinsam festgesetzten und ausgeführten Betrugsplan (Gesamtkonzept) vorgingen. Hiebei wurde auch darauf verwiesen, daß die Angeklagten ihre betrügerischen Manipulationen gerade in der Zeit ausweiteten, als dem Erstangeklagten als Angestelltem der S*** G*** deren Umstellung des Kontrollsystems

ab September 1977 auf elektronische Datenverarbeitung und die daraus resultierende Folge bekannt wurde, daß in der Vergangenheit gelegene Behandlungen nicht eingespeichert wurden, sodaß es an Kontrollmöglichkeiten fehlte. Daneben wurde die unübliche Abrechnung der Honorare aus der Privatordination (als Wahlarzt der Gebietskrankenkasse) herausgestellt (keine Übergabe der Honorarnote an den Patienten, keine Herstellung von Durchschlägen der Honorarnoten, Abholung der Kassenzuschüsse durch die Ordinationshilfe des Arztes mittels einer - teilweise gefälschten - Vollmacht), wodurch dem Patienten, der beim Arzt nur den ihn treffenden Kostenanteil zu erlegen hatte, die Kontrollmöglichkeit genommen wurde (US 10 bis 19 = S. 127-136/XIV). Es blieb auch nicht ungewürdigt, daß die Aufzeichnungen des Angeklagten Dr. K*** im Kassabuch mit den tatsächlichen Auszahlungen der Gebietskrankenkasse nicht in Übereinstimmung gebracht werden konnten.

Nach diesen grundsätzlichen Feststellungen zur Beweissituation

traf das Schöffengericht die Konstatierungen zu den einzelnen

Faktengruppen und würdigte in diesem Zusammenhang die Verantwortung

der Angeklagten, beurteilte sie aber als widerlegt (US 32

bis 35 = S. 145-151/XIV zur Faktengruppe I A, US 43

bis 56 = S. 158-172/XIV zur Faktengruppe I B, US 63

bis 71 = S. 178-184/XIV zur Faktengruppe I C, US 76

bis 80 = S. 188-192/XIV zur Faktengruppe I D und US 87

bis 92 = S. 199-204/XIV zur Faktengruppe I E).

Dieser umfänglichen Beweiswürdigung des Schöffengerichts stellen die Angeklagten in ihren Beschwerden im Grunde nur ihre zuletzt gewählte Verantwortung gegenüber und versuchen darzulegen, daß die Schlußfolgerungen des Gerichts nicht immer zwingend, im übrigen nicht überzeugend, teilweise "absurd", jedenfalls dem Grundsatz "in dubio pro reo" widersprechend und insgesamt von einer vorgefaßten Meinung geprägt seien, die sich aus der eingangs des Urteils gegebenen Globalbegründung für das Gesamtkonzept erkennen lasse. Diesen von einem Mißverständnis der (primär) angezogenen Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO und des Umfangs der Begründungspflicht im Sinn des § 270 Abs 2 Z 5 StPO gekennzeichneten Beschwerdeausführungen sei generell entgegnet, daß die Tatrichter ihre Überzeugung von der Schuld nicht nur auf zwingende, sondern auch auf Wahrscheinlichkeitsschlüsse stützen dürfen und in Fällen einer leugnenden Verantwortung häufig auch stützen müssen. Eine mathematisch exakte Beweisführung kommt nämlich nur dort in Betracht, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung zugänglich ist; ansonsten muß dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. In diesem Bereich vermag eine höchste, aber auch schon eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit der Tatsachen im Sinn des § 258 Abs 2 StPO zu begründen (SSt 45/23 uva). Das Wesen eines Indizienbeweises besteht ja gerade darin, daß sich die Tatrichter auf das Zusammenspiel einer ganzen Kette von Beweisergebnissen stützen, wobei sie die Beweiskraft der einzelnen Glieder dieser Beweiskette (Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Urkunden und dergleichen) zu prüfen haben. Dieser Aufgabe hat sich das Schöffengericht unterzogen, indem es zwar inhaltlich weitgehend den eingeholten Gutachten folgte, jeweils aber darlegte, weshalb es diese gutächtlichen Ausführungen für schlüssig und beweiskräftig erachtete. Im einzelnen ist den Einwänden der Beschwerden in der Systematik des Vorbringens des Erstangeklagten folgendes zu erwidern:

Sicherlich bildet für Dr. Harald K***, dem es auch um die Durchsetzung seiner arbeitsrechtlichen Ansprüche gegen die S*** G*** geht (siehe den angeschlossenen

Akt 38 Cga 22/87 des Landesgerichts Salzburg samt den beiliegenden Vorakten), die Frage den Angelpunkt seiner Verteidigung, ob man ihm glaubt, daß er mit den Falschabrechnungen als Wahlarzt nichts zu tun hatte, weil sie allein durch seine damalige Lebensgefährtin und Ordinationshilfe, nämlich die Zweitangeklagte, getätigt wurden. Er irrt aber, wenn er glauben machen will, daß das Gericht von seiner zuletzt in der Hauptverhandlung gewählten, von seiner Ehefrau bestätigten Verantwortung ausgehen müsse, weil andere "objektive" Beweisergebnisse (gemeint offenbar: Aussagen von Zeugen) nicht vorlägen. Die Beschwerde des Erstangeklagten, die in der Folge die vom Gericht herangezogenen Argumente für die Unglaubwürdigkeit dieser Verantwortungen ausführlich erörtert, widerlegt sich selbst, soweit sie den Vorwurf einer unzureichenden, undeutlichen oder widersprüchlichen Begründung erhebt, weil sie selbst den klaren und unmißverständlichen Schlußfolgerungen, wonach die Rechtfertigung der beiden Angeklagten, sie hätten nach keinem gemeinsamen Plan gearbeitet und die Falschabrechnungen seien auf Irrtümer und Nachlässigkeiten zurückzuführen, widerlegt sei, nur eine eigene Würdigung entgegenzusetzen trachtet.

Unbestreitbar ist nämlich, daß die Zweitangeklagte ihre Verantwortung erst in der Hauptverhandlung am 25.Jänner 1982 (zweieinhalb Jahre nach ihrer Vernehmung bei der Polizei) änderte, nachdem sie bis dahin jede bewußte Manipulation bestritten hatte, weiters daß der Erstangeklagte gegen die S***

G*** Zivilprozesse führte und noch immer führt, für deren Ausgang diese Strafsache von wesentlicher Bedeutung ist. Es ist auch aktenkundig, daß ein realistischer Verteidigungsspielraum in Richtung einer grundsätzlich korrekten Abrechnung mit der Gebietskrankenkasse nach der Anklageerhebung und infolge der dort aufgezeigten, bis dahin aufgelaufenen Verfahrensergebnisse nicht mehr vorhanden war. Es war dem Gericht daher nicht verwehrt, auch daraus seine Schlüsse zu ziehen und die Verantwortung der Zweitangeklagten, sie habe aus Angst vor ihrem Lebensgefährten ihre Manipulationen geheimgehalten, abzulehnen, zumal es für das Zusammenspiel mit Dr. Harald K*** weitere Indizien gab (Aufwertung der zahnärztlichen Leistungen zum Zweck der Erreichung höherer Honoraransätze, Führung des Kassabuchs durch Dr. K*** selbst, Interesse als Privatarzt an der finanziellen Gebarung). Wenn der Erstangeklagte Dr. K*** dem (für die Faktengruppen I A und B) herangezogenen Argument, in die fingierten Honorarnoten seien deshalb die in der Ambulanz erbrachten zahnärztlichen Leistungen eingesetzt worden, weil tatsächlich nicht erbrachte Leistungen bei einer Kontrolle rasch aufgefallen wären (US 35 = S. 150, 151/XIV), die Behauptung entgegensetzt, daß gerade diese Übereinstimmung aufgefallen wäre, unterstellt er einen anderen, vom Erstgericht nicht gemeinten Kontrollvorgang. Ergäbe nämlich eine stichprobenweise Untersuchung eines Patienten, dem laut Honorarnote ein bestimmter Zahn extrahiert worden sein soll, daß dieser Zahn im Gebiß noch vorhanden ist, wäre der Schwindel offenkundig. Nur wenn (infolge Einbeziehung der Ambulatoriumskartei) bereits bekannt wäre, daß der Zahn im Ambulatorium schon früher gezogen worden war, fiele die Doppelverrechnung auch bei einer derartigen Kontrolle (ärztlichen Nachschau) auf, jedoch konnte der Erstangeklagte von einer solchen Verdachtslage im Zeitpunkt der Tathandlungen noch nicht ausgehen. Ihm wären solche Überprüfungen (unter Heranziehung der Ambulatoriumsunterlagen) auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit in der Gebietskrankenkasse auch sehr schnell bekannt geworden.

Ähnlich verhält es sich mit den umfangreichen Ausführungen zum Gutachten des Sachverständigen Dr. W***. Ihm will die Beschwerde die Aussage unterstellen, Dr. K*** hätte dadurch, daß er die Honorarnoten doppelt in die Buchhaltung aufgenommen habe, obwohl er für die zweite (fingierte) Honorarnote nur den Kassenanteil (etwa 50 bis 80 %) vereinnahmt habe, keinen Vorteil gehabt, weil ihm durch die hohe Steuerlast "weniger als Null" geblieben wäre. Diesem merkwürdig formulierten Argument liegt nämlich die Annahme zugrunde, daß die Angeklagten die in Rechnung gestellten (vereinbarten) Beträge versteuert haben; in Wirklichkeit war Dr. K*** aber Einahmen-Ausgabenrechner, der nur die tatsächlich eingegangenen (vereinnahmten) Beträge zu versteuern hatte. Nach den Feststellungen dieses Buchsachverständigen war die Buchhaltung auch nicht ordnungsgemäß geführt, es war demgemäß nicht einmal eine Abstimmung der Eingänge laut Kassabuch mit den Auszahlungen der S*** G*** herzustellen

(ON 234/XII, ON 288/XIV). Noch viel weniger waren die Eingänge aus den von den Patienten tatsächlich bezahlten Privathonoraren mit den einzelnen Behandlungsfällen in Übereinstimmung zu bringen. Die Beschwerde geht somit auch hier von urteilsfremden Prämissen aus. Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Nichtigkeitsbeschwerden liegt auf der Bekämpfung des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen Dr. S***, der schon im Zuge des Verfahrens wiederholt angegriffen und als voreingenommen und befangen abgelehnt wurde (ON 279, S 213 und 261/XIII, S 111/XIV).

Zur Vorgeschichte dieser Begutachtung ist darauf zu verweisen, daß die ursprüngliche Anklageschrift nur pauschale Schadenssummen unter Anführung der betroffenen Patienten enthalten hatte (ON 96/II) und der Akt nach Durchführung der Hauptverhandlung wieder an den Untersuchungsrichter zurückgeleitet worden war (ON 126/III). Der Untersuchungsrichter bestellte nun mit Beschluß vom 12. September 1984, nachdem der bis dahin beigezogene Sachverständige über seinen eigenen Wunsch enthoben worden war, Dr. Rudolf S*** zum medizinischen Sachverständigen und erteilte ihm den Auftrag, "ein Gutachten darüber zu erstellen, ob vom Beschuldigten Dr. Harald K*** die tatsächliche Verrechnungsleistung erbracht wurde, insbesondere durch Befundaufnahme bei den einzelnen Patienten sowie Stellungnahme vom medizinischen Standpunkt zur Verantwortung der beiden Angeklagten" (S 1 u verso des Antrags- und Verfügungsbogens). Diesem Auftrag kam der Sachverständige mit dem vom 14.Dezember 1984 datierten Gutachten (ON 242/XII) nach. Eingangs dieses Gutachtens führt er aus, daß eine Untersuchung des Gebisses der Patienten im Jahr 1984 keinen Aufschluß darüber gebe, ob Füllungen oder Wurzelbehandlungen in den Jahren 1976 bis 1978 nur einmal oder mehrmals gemacht wurden. Der Gebißzustand der Patienten habe sich überdies seit dem Jahr 1978 durch nachfolgende Behandlungen verändert. Eine Rekonstruktion der Gebißverhältnisse könne daher nicht erfolgen. Was die Doppelverrechnung von herausnehmbarem Zahnersatz (Prothesen) betreffe, könnte eine derartige Untersuchung wieder nur eine Befragung sein, die naturgemäß im Jahr 1984 weniger exakte Ergebnisse brächte als die von der Gebietskrankenkasse in den Jahren 1979 bis 1982 durchgeführten Befragungen, die sich beim Akt befanden. Es sei der auffallend einmütige Tenor der Aussagen dieser Patienten, die nach der (ersten) Hauptverhandlung vom Untersuchungsrichter vernommen wurden, daß sie eine Untersuchung ihres Gebisses durch einen medizinischen Sachverständigen ablehnen würden. Es sei daher anzunehmen, daß nur wenige Patienten einer entsprechenden Aufforderung des Sachverständigen Folge leisten würden. Aus all diesen Gründen mußte der medizinische Sachverständige von einer derartigen Befragung Abstand nehmen und sich bei seiner Begutachtung auf die bereits in den Akten erliegenden Unterlagen (Niederschriften, Zeugenaussagen, Rechnungen, Ambulatoriumskarteien usw) stützen (S 165 bis 167/XII). Auf diese Ausführungen, denen sie in der Beschwerde nichts entgegensetzen, sind die Beschwerdeführer mit ihren Bemängelungen darüber zu verweisen, daß der Sachverständige keine eigene Untersuchung vorgenommen hat.

Zufolge Antrags des Erstangeklagten (ON 248/XII) ergänzte der Sachverständige sein Gutachten (ON 249/XIII). Diese Gutachtenerstattung hatte eine Modifizierung der Anklage zugunsten der beiden Angeklagten in der Hauptverhandlung am 15.Juni 1987 zur Folge (ON 279/XIII), weil der Sachverständige alle jene Fälle aus seiner Begutachtung ausgeschieden hatte, wo nach den vorhandenen Unterlagen kein eindeutiger Hinweis auf nicht erbrachte Leistungen gegeben war (S 191/XII). Wenn das Gericht daher dieses in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltene und ergänzte Gutachten (S 106 f/XIV) überall dort, wo zur sachgerechten Beurteilung der Verantwortung der beiden Angeklagten medizinisches Fachwissen miterforderlich war, zur Begründung seiner Überzeugung heranzog, liegt darin ein Akt der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), der im Rahmen der auf die Z 5 gestützten Beschwerde nicht mit Erfolg releviert werden kann.

Wenn sich der Beschwerdeführer gleichsam in Form einer Schuldberufung gegen die Schlüssigkeit des Gutachtens deshalb wendet, weil in Einzelfällen nur schriftliche Honorarunterlagen, nicht aber Vernehmungen der betreffenden Patienten vorlagen, weil die errechneten Schadensbeträge in einigen Positionen nur gering seien und daher ein Bereicherungsvorsatz nicht unterstellbar sei, weil die ihm angelastete Vernichtung der Patientenkartei nach der Betriebsprüfung im Jahr 1978 nicht unüblich sei und weil die Umstände der Einschulung der Zweitangeklagten und deren Tätigkeit wertend dargestellt wurden, so handelt es sich bei all diesen Umständen um auch fachlich zu beurteilende Prämissen, die das Gericht zur Begründung seiner Überzeugung für die Unrichtigkeit der Verantwortung der Angeklagten heranziehen konnte.

Schließlich kann auch ein Begründungsmangel nicht darin gefunden werden, daß das Schöffengericht unter Zugrundelegung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W*** (vgl Negativliste S 65/XIV in Verbindung mit S 87, 95 bis 101/XII und S 33 bis 35/XIV) detailliert unter Bezugnahme auf die einzelnen Fakten die zurückbezahlten Beträge feststellte (US 20 bis 21 = S. 136, 137/XIV) und daraus den für die rechtliche Beurteilung der behaupteten tätigen Reue wesentlichen Schluß zieht, daß nur ein Teil, nämlich 64.498 S des im Fortsetzungszusammenhang verursachten Betrugsschadens vor Anzeigeerstattung gutgemacht wurde. Abgesehen davon, daß nicht einmal nach dem Beschwerdevorbringen der gesamte Schaden gutgemacht wäre, entbehren die auf Z 9 lit b gestützten, den Strafaufhebungsgrund des § 167 StGB reklamierenden Rechtsrügen einer gesetzmäßigen Ausführung, weil sie diese mängelfrei begründete, nur teilweise Schadensgutmachung außer acht lassen.

Es bleibt daher noch zu prüfen, ob die umfangreichen, auch von der Zweitangeklagten übernommenen Beschwerdeausführungen, die schon ihrem Aufbau nach den mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987 geschaffenen Nichtigkeitsgrund der Z 5 a in den Vordergrund rücken, geeignet sind, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Bei der Beurteilung dieses unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihten und daher in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichenden Anfechtungstatbestands ist an die Judikatur zu § 362 StPO anzuschließen, derzufolge auch schwerwiegende Verfahrens- oder Begründungsmängel Ursache für derartige, bei einer allgemeingültigen Betrachtungsweise aufkommende gravierende Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung sein können (siehe 11 Os 44/88). Nach eingehender Prüfung aller vorgebrachten Einwände an Hand der Aktenlage und der Urteilsbegründung sind aber beim Obersten Gerichtshof solche erhebliche Bedenken nicht aufgekommen. Zu dem einzigen, nach der Aktenlage nicht genau (ziffernmäßig) nachvollziehbaren Schluß des Gerichts, daß von den zu I C ausgeworfenen Schadensbeträgen etwa 10 % abzuziehen seien, weil dem Erstangeklagten Dr. K*** zuzugestehen sei, daß er in diesem Rahmen von der S*** G*** zu honorierende Reparaturen

durchgeführt habe (US 57 = S. 171/XIV in Verbindung mit dem Gutachten des Sachverständigen S 108/XIV) ist zu bemerken: Die im Akt erliegenden, im Jahr 1978 geltenden Honorartarife der S*** G*** für Zahnersatzreparaturen (vgl S 121 bis 125/XII) können jedenfalls nicht die Verantwortung des Erstangeklagten stützen, daß die Kasse für derartige Reparaturen ähnlich hohe Kosten zu gewärtigen gehabt hätte wie für die von ihm an deren Statt verrechneten Neuherstellungen. Verringert sich aber der zu I C festgestellte Betrugsschaden von 70.000 S nicht ganz erheblich (auf unter 3.000 S), wofür die genannte Tarifordnung keinen Anhaltspunkt bietet, betrifft der Einwand keine entscheidende Tatsache (nämlich die zum Urteilszeitpunkt relevante Wertgrenze von 100.000 S), sodaß der angezogene Nichtigkeitsgrund (Z 5 a) auch aus diesem Grund nicht zum Tragen kommt.

Die ebenfalls unter Heranziehung der Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 5 a erhobene Rüge gegen den Zuspruch von 97.451 S an die Privatbeteiligte, S*** G***, der auf der Zugrundelegung der Schadenssummen zu den Fakten I A, B, D und E fußt, ist zwar insofern im Recht, als hiebei die für diese Fakten geleisteten Rückzahlungen, nämlich zu I D 1.203 S und zu I E 6.017 S (auf US 21 = S. 137/XIV unrichtig 5.017 S) nicht berücksichtigt wurden. Da diese Schadensberechnung aber für den strafrechtlich relevanten (gesamten) Betrugsschaden ebenfalls keine Bedeutung hat, kann sie im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde nicht mit Erfolg bekämpft werden. Eine Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch wurde aber nicht angemeldet (vgl. NRsp 1988/126). Im Zug der teilweise noch offenen zivilrechtlichen Auseinandersetzung werden aber auch diese Rückzahlungen berücksichtigt werden können. Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten waren daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Anmerkung

E14300

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00053.88.0601.000

Dokumentnummer

JJT_19880601_OGH0002_0130OS00053_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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