TE OGH 1988/4/26 11Os44/88

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Veröffentlicht am 26.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann Z*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann Z*** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 18.Februar 1988, GZ 10 b Vr 585/87-123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO hat der Angeklagte Johann Z*** die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann Z***, Andreas Z*** und Manuela P*** auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB (I) und des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach dem § 277 Abs. 1 (§ 75) StGB schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Johann Z***, Andreas Z*** und Manuela P*** liegt zur Last,

I) am 23.Juli 1987 in Oberstinkenbrunn im bewußten und gewollten

Zusammenwirken als Mittäter vereinbarungsgemäß Anna S*** vorsätzlich zu töten versucht zu haben, indem ihr Johann Z*** mehrere Stiche mit einem Fixiermesser in den Hals und den Brustbereich versetzte, während Andreas Z*** und Manuela P*** Aufpasserdienste leisteten und zur allfälligen Unterstützung bereit standen, wobei es nur deshalb nicht zur Vollendung der Tat kam, weil die Angegriffene trotz tiefgehender Stichwunden in der linken Halsseite und im Brustbereich sich zur Wehr setzte und laut um Hilfe schrie, worauf die Täter die Flucht ergriffen;

II) am 22. und 23.Juli 1987 in Gmünd und Oberstinkenbrunn miteinander die gemeinsame Ausführung eines Mordes (§ 75 StGB) verabredet zu haben, indem sie beschlossen, daß Johann Z*** mit seinem Fixiermesser Ilse S*** töten solle, weshalb sie vereinbarungsgemäß mit dem unbefugt in Gebrauch genommenen PKW, Kennzeichen N 5.744, nach Oberstinkenbrunn, dem Wohnort des ausersehenen Mordopfers, fuhren, wo Manuela P*** die Ilse S*** zum geplanten Tatort, dem Geschäftslokal der Anna S***, locken und gemeinsam mit Andreas Z*** während der Tatausführung durch Johann Z*** Aufpasserdienste leisten sollte. Nur Johann Z*** bekämpft die Schuldsprüche sowie den Strafausspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung. Soweit er die "Beweiswürdigung wegen erheblicher Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen" anficht, macht er - wenn auch nicht ausdrücklich, so doch der Sache nach - den Nichtigkeitsgrund der Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO geltend; dies jedoch zu Unrecht:

Rechtliche Beurteilung

Im geschwornengerichtlichen Verfahren entscheidet die absolute Mehrheit der Geschwornen nach ihrer durch die Prüfung der Beweismittel gewonnenen Überzeugung über die Schuld oder Nichtschuld des (der) Angeklagten. Dabei sind die Erwägungen, von denen die Mehrheit der Geschwornen ausgeht, in einer vom Obmann zu verfassenden Niederschrift anzugeben (§§ 324 bis 331 StPO). Dem Schwurgerichtshof weist das Gesetz eine beschränkte Kontrollmöglichkeit zu; er kann nämlich nur unter gewissen Voraussetzungen den Geschwornen die Verbesserung des Wahrspruches auftragen (§§ 332, 333 StPO) oder, wenn er einstimmig der Ansicht ist, daß sich die Geschwornen bei ihrem Ausspruch über die Hauptsache geirrt haben, die Entscheidung (einmal) aussetzen (§ 334 StPO). Die Einleitung oder die Unterlassung der Einleitung des Moniturverfahrens kann mit den Nichtigkeitsgründen der Z 9 und 10 des § 345 Abs. 1 StPO unter den dort normierten Voraussetzungen releviert werden. Darüber hinaus hatten weder der Schwurgerichtshof noch das Rechtsmittelgericht bis zum Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 die Möglichkeit, die Beweiswürdigung der Geschwornen einer materiellen Überprüfung zu unterziehen. Allerdings konnte der Oberste Gerichtshof schon bisher gemäß dem § 362 StPO schwerwiegende Verfahrens- und Begründungsmängel, die mit Nichtigkeitsbeschwerde entweder nicht geltendgemacht wurden oder gar nicht geltendgemacht werden konnten, zum Anlaß einer Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens nehmen, wenn sich bei der Prüfung der Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrundegelegten Tatsachen ergaben (SSt. 32/80, 34/6, 35/36 uva).

Auf der Basis dieser Gesetzeslage schuf nun der Gesetzgeber den (den formellen Nichtigkeitsgründen angefügten) sprachlich dem § 362 StPO angeglichenen Nichtigkeitsgrund der Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO (ebenso Z 5 a des § 281 Abs. 1 StPO). Der Justizausschuß führte hiezu ausdrücklich aus, daß sich die erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Wahrspruches der Geschwornen aus der Aktenlage auch im Zusammenhalt mit der Niederschrift der Geschwornen (§§ 331 Abs. 3 StPO) ergeben können und verwies hier ebenfalls auf die Bestimmung des § 362 StPO (359 der Beil. zu den Sten.Prot. des NR, XVII. GP, 43 und 47). Er bringt damit zum Ausdruck, daß dem Angeklagten - nicht aber dem Ankläger (§§ 281 Abs. 2, 345 Abs. 4 StPO) - nunmehr das Recht, Fragen der Beweiswürdigung im Geschwornenprozeß an den Obersten Gerichtshof zur materiellen Überprüfung heranzutragen, etwa in dem - eingeschränkten - Rahmen eingeräumt werden soll, in dem bisher von Amts wegen die außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens möglich war. Das bedeutet, daß dem Beschwerdeführer nunmehr das prozessuale Recht zusteht, aus seiner - sowohl vom Anklagegegenstand als auch von den Ergebnissen der strafgerichtlichen Untersuchung her - unmittelbaren Betroffenheit heraus schwerwiegende Einwände gegen die Tatsachenfeststellungen der Geschwornen im Rechtsmittelweg geltend zu machen, ohne daß der Oberste Gerichtshof die Beweiswürdigung - die bundesverfassungsgesetzlich (Art. 91 Abs. 2 B-VG) ausschließlich den Geschwornen zugewiesen ist - nach eigener Überzeugung revidieren könnte; er darf nur unter den dargelegten wesentlichen Einschränkungen und Bedingungen die Verfahrenserneuerung anordnen (§ 349 Abs. 1 StPO nF). Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen der Geschwornen setzen in der Regel aber das Aufzeigen von schwerwiegenden, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs. 2, 254, 302 StPO) zustandegekommenen Mängeln in der Sachverhaltsermittlung oder Hinweise auf aktenkundige Beweisergebnisse voraus, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen. Wendet man diese Grundsätze auf das gegenständliche Beschwerdevorbringen an, so zeigt sich, daß sich der Beschwerdeführer gegen den (anklagekonformen) Wahrspruch der Geschwornen, dem sein (später widerrufenes) Geständnis vor der Gendarmerie und dem Untersuchungsrichter zugrundeliegt, mit dem Argument wendet, ein Mordmotiv sei weder zu Beginn der Erhebungen unterstellt worden noch später hervorgekommen und die gewählte Vorgangsweise (Ilse S*** sollte in das Geschäft der Anna S*** gelockt werden) deute daraufhin, daß das Gespräch mit S*** gesucht wurde und der Raubvorsatz an Anna S*** nur aus momentaner Geldverlegenheit erwuchs, was dann mit schwerer Verletzung endete. Mit diesem Vorbringen wird aber ohne jeden konkreten Hinweis auf ein mit den Denkgesetzen oder der menschlichen Erfahrung in Widerspruch stehendes Beweisergebnis, das der Feststellung des Mordvorsatzes entgegenstünde, lediglich die Forderung erhoben, einer - vom Angeklagten vor und nach dem Geständnis behaupteten - günstigeren Tatversion den Vorzug zu geben. Damit wird nichts aufgezeigt, das bei intersubjektiver Betrachtungsweise geeignet wäre, erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Wahrspruch der Geschwornen zugrundegelegten Tatsachen hervorzurufen.

Der (inhaltlich vorgebrachte) Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO liegt darum nicht vor.

Die einen Schuldspruch nicht wegen Mordversuches, sondern wegen "versuchten Raubes mit Gewaltanwendung" oder wegen "beabsichtigter schwerer Körperverletzung" anstrebende, nominell auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO, der Sache nach auf § 345 Abs. 1 Z 12 StPO gestützte Subsumtionsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie sich über die im - für die Prüfung der Rechtsanwendung ausschließlich maßgebenden - Wahrspruch, insbesonders auch zur subjektiven Tatseite, festgestellten Tatsachen hinwegsetzt. Die unter ausdrücklicher Anrufung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 11 StPO (gemeint wohl: § 345 Abs. 1 Z 13 StPO) behauptete gesetzwidrige Ausmessung der Strafe ist gleichfalls nicht gegeben.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, daß das Geschwornengericht seine Strafbefugnis überschritten, beim Ausspruch über die Strafe für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilt oder in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen hätte.

Mit der - sinngemäß zusammengefaßten - Behauptung, daß die Strafe des Beschwerdeführers im Vergleich mit der Sanktionshöhe bei ähnlichen Straftaten, vor allem aber in Relation zu den über die beiden Mittäter verhängten Strafen "unangemessen" und ein derart "krasses Mißverhältnis der Strafen ... untragbar" sei, werden insbesonders auch keine dem dritten Anwendungsfall des § 345 Abs. 1 Z 13 StPO zu subsumierende Fehler des Gerichtes behauptet. Dieser materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund stellt nicht darauf ab, ob eine Unrechtsfolge unvertretbar oder unangemessen ist, sondern darauf, ob gegen die Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen wurde, d.h. ob das Gericht laut Urteilsbegründung für die ausgesprochene Strafsanktion Kriterien heranzog, die den im Gesetz normierten Strafbemessungsvorschriften (§§ 32 ff, 43 bis 56 StGB) in unvertretbarer Weise widersprechen (vgl. Tschulik, Überlegungen zum neuen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 11 StPO; RZ 1988, 52). Durch den bloßen Hinweis auf nicht näher bezeichnete, angeblich ähnlich gelagerte Fälle und auf über Mittäter verhängte - von der Staatsanwaltschaft, aus welchen Gründen immer, unbekämpft gebliebene - Strafhöhen kann insbesonders auch ein unvertretbarer (rechtlicher) Verstoß gegen Regeln der auf die Einzeltatschuld abstellenden grundlegenden Strafbemessungsvorschrift des § 32 StGB nicht dargetan werden.

Aus allen diesen Erwägungen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde teils gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2, 344 StPO als offenbar unbegründet, teils nach der Z 1 dieser Gesetzesstelle iVm dem § 285 a Z 2, 344 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285 i nF iVm § 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E13890

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00044.88.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19880426_OGH0002_0110OS00044_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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