TE OGH 1988/6/28 15Os47/88

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Veröffentlicht am 28.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef E*** und Otto L*** wegen des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 8. Februar 1988, GZ 18 a Vr 1620/87-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, sowie der Verteidiger Dr. Hock sen und Dr. Oehlzand, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird teilweise Folge gegeben und die Dauer der verhängten Freiheitsstrafen bei E*** auf 10 (zehn) Monate sowie bei L*** auf 9 (neun) Monate herabgesetzt; im übrigen wird den Berufungen nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Josef E*** und Otto L*** (1.) des Verbrechens der versuchten Bestimmung zum Mißbrauch der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 (zweiter Fall), 302 Abs 1 StGB, E*** auch (2.) des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch (in ein Lebensmittelgeschäft, um seinen Hunger zu stillen,) nach §§ 15, 127 Abs 1, 129 Z 1 StGB und L*** zudem (3.) des Vergehens der Sachbeschädigung (durch Zerschlagen einer Glasscheibe im Wert von 1.200 S) nach § 125 StGB schuldig erkannt. Das zuerst bezeichnete Verbrechen (Faktum 1.) liegt ihnen zur Last, weil sie am 17.Dezember 1986 in Bregenz Rudolf S*** als Beamte der dortigen Städtischen Sicherheitswache zur Unterlassung der Anzeigeerstattung gegen E*** wegen des Lenkens eines PKWs ohne Lenkerberechtigung, die ihm vorübergehend entzogen worden war, also zu einem mit (auch bei ihnen vorgelegenem) Schädigungsvorsatz in bezug auf das Recht des Staates "auf Anzeigeerstattung" gegen letzteren (gemeint: auf dessen verwaltungsbehördliche Strafverfolgung) zu begehenden wissentlichen Mißbrauch seiner Befugnis, im Rahmen einer Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu bestimmen versucht haben, und zwar

(a) E*** - indem er dem Beamten mehrmals 5.000 S mit der Aufforderung anbot, die Erstattung der Anzeige gegen ihn zu vergessen; indem er mit der Bemerkung "Schau, es ist bald Weihnachten, nimm das Geld und vergiß die Anzeige" Banknoten in dieser Höhe aus seiner Tasche zog; und indem er kurze Zeit später S*** auch noch telefonisch von der Anzeigeerstattung abzubringen trachtete, wobei er den Genannten zu einer Besprechung einlud; sowie (b) L*** - indem er E*** unmittelbar vor dessen erstem Angebot an den Beamten in dessen Gegenwart aufforderte, diesem "fünf Kilo" zu geben, damit er die Anzeige fallen lasse.

Dazu nahm das Schöffengericht als erwiesen an, daß L*** mit "fünf Kilo" 5.000 S meinte, daß er mit seiner Aufforderung an E***, "dem Scheisser" doch jenen Betrag zu geben, in Verbindung mit der Ankündigung "dann vergißt er das" eindeutig darauf abzielte, den Beamten zur Geld-Annahme für sich selbst unter amtsmißbräuchlicher Abstandnahme von einer pflichtgemäßen Anzeigeerstattung zu veranlassen, und daß es dementsprechend beiden Angeklagten bei den folgenden Angeboten E*** an S*** nicht bloß darum ging, die Ausstellung eines Organmandats anstatt einer Anzeigeerstattung zu erreichen (US 5, 8/9).

Rechtliche Beurteilung

Den nur gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf Z 5 und von L*** auch auf Z 4 und Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Die Feststellung, daß unter einem "Kilo" im Zuhälter-Jargon ein Betrag von 1.000 S zu verstehen ist, stützte das Erstgericht auf die Aussage des Zeugen S*** (S 147), auf Grund deren es die Behauptung des Angeklagten L***, im "Milieu" seien mit dem in Rede stehenden Ausdruck nur 100 S gemeint, unter Hinweis darauf, daß die vom Zeugen bekundete Bedeutung übrigens auch gerichtsbekannt sei, als widerlegt ansah (US 7/8). Die darauf bezogene Verfahrensrüge des genannten Angeklagten (Z 4) geht fehl.

Im Hinblick darauf, daß das Schöffengericht zufolge der (mit seiner eigenen forensischen Erfahrung im Einklang gestandenen) Erläuterung der speziellen Bedeutung des hier aktuellen Ausdrucks im Zuhälter-Milieu durch den Zeugen von der Unrichtigkeit der - bloß als Schutzbehauptung zur Glaubhaftmachung der Verantwortung, E*** habe lediglich ein Organmandat bezahlen wollen, beurteilten - Version des Beschwerdeführers überzeugt war, fand es mit Recht keinerlei Anlaß, ihm zu einer darnach gar nicht zielführenden, sondern lediglich verfahrensverzögernden und offensichtlich auch von seinem Verteidiger nicht für sinnvoll gehaltenen Antragstellung zum Nachweis ihrer Richtigkeit anzuleiten. Von einem Verstoß gegen die prozessuale Belehrungspflicht (§ 3 StPO) kann daher - abgesehen davon, daß ein solcher zudem nur dann einer Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO zugrunde liegen kann, wenn er dazu führt, daß über einen im betreffenden Vorbringen des Angeklagten der Sache nach (ansatzweise) enthaltenen Antrag infolge dessen formeller Mangelhaftigkeit nicht oder ablehnend erkannt wird (vgl Mayerhofer/Rieder StPO2 E Nr 176 zu § 3, E Nr 24 zu § 281 Abs 1 Z 4) - im gegebenen Zusammenhang keine Rede sein.

In bezug auf das Unterbleiben einer derartigen (amtswegigen) Beweisaufnahme - durch die (nunmehr urgierte) Einholung des Gutachtens eines (nicht näher bezeichneten) Sachverständigen über die Bedeutung des Ausdrucks "Kilo" im Zuhälter-Jargon - aber ist der genannte Angeklagte mangels eines in der Hauptverhandlung von ihm dahin gestellten (und unerledigt gebliebenen oder abgewiesenen) Antrags zur Verfahrensrüge nicht legitimiert.

Mit der im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Behauptung hinwieder, das Erstgericht habe keinen ursächlichen, sondern nur einen zeitlichen Zusammenhang zwischen seiner erörterten Aufforderung an E*** und dessen Tatverhalten konstatiert sowie demzufolge mit der Annahme, er habe durch jene Äußerung zu dessen Bestimmungsversuch psychische Beihilfe geleistet (US 9), nur eine "bloße Scheinbegründung" gegeben (gemeint: die betreffende Rechtsansicht ohne ein sie deckendes Tatsachensubstrat vertreten), bringt der Beschwerdeführer den damit der Sache nach geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit a) nicht zu einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil er solcherart den ohnehin unmißverständlich dahingehenden Sinn der mit der bekämpften rechtlichen Beurteilung relevierten Tatsachenfeststellungen (US 5, 8) negiert.

Auch die Mängelrüge des Angeklagten E*** (Z 5) gegen die Konstatierung, daß es beiden Beschwerdeführern bei dem ihnen angelasteten Geldangebot an den Beamten nicht darum ging, von ihm die Ausstellung (nur) eines Organmandats zu erreichen (US 8), versagt.

Die ihr (als eines von mehreren Argumenten) zugrunde liegende Feststellung des Wissens der Angeklagten davon, daß wegen des Lenkens eines PKWs trotz des Entzuges der Lenkerberechtigung Anzeige erstattet werden muß (US 8/9), findet entgegen der darauf bezogenen Beschwerdebehauptung in der Aussage des Zeugen S*** (S 148) sehr wohl vollauf Deckung; vom Fehlen jeglicher Beweisergebnisse kann daher insoweit gleichfalls keine Rede sein. Mit der auch dazu leugnenden Verantwortung beider Beschwerdeführer jedoch hat sich das Schöffengericht ohnehin auseinandergesetzt (US 7/8); im Kern ficht der Angeklagte E*** mit seinen dazu erhobenen Einwänden in diesem Rahmen (Z 5) bloß unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an, ohne formelle Begründungsmängel des Urteils im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes darzutun. Mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertritt der Angeklagte L*** die Auffassung, RevInsp. S*** sei als Stadtpolizist zwar Beamter (§ 74 Z 4 StGB), aber nicht "Organ einer Gemeinde" iS § 302 StGB gewesen, weil er als solcher nicht zu den in Art 117 B-VG sowie in § 26 GdGVlbg, LGBlVlbg 1985/40, angeführten Gemeinde-Organen gehöre, und außerdem falle eine Anzeigeerstattung durch einen Gemeinde-Polizisten wegen einer (von E*** begangenen) Verwaltungsübertretung nach dem KFG deswegen, weil die Durchführung des betreffenden Strafverfahrens zur Vollzugskompetenz der Länder gehöre, nicht in die Hoheitsverwaltung der Gemeinde, sodaß sie sich weder als ein Organhandeln für die Gemeinde noch als Amtsgeschäft in Vollziehung der Gesetze darstelle. In beide Richtungen hin ist die Beschwerde nicht stichhältig.

Denn zum einen gehören die für die Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren in Vollziehung des KFG erforderlichen Maßnahmen zu jenen Agenden, die nach Art 119 Abs 1 B-VG, § 123 Abs 3 KFG vom Landeshauptmann in den Wirkungsbereich bestimmter Gemeinden übertragen werden können und in bezug auf den hier aktuellen Ort der Beanstandung mit Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBlVlbg 1972/5, auch tatsächlich der Gemeinde Bregenz übertragen wurden, die sich zum anderen kraft Gesetzes (§ 123 Abs 3 dG, § 2 dV) zur Vollziehung dieser Aufgaben des Gemeindewachkörpers zu bedienen haben (idS auch §§ 27 Abs 2, 67 Abs 1 GdGVlbg, wonach der zur Besorgung der Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs der Gemeinde zuständige Bürgermeister Gemeindebediensteten für bestimmte Gruppen von Angelegenheiten die Befugnis übertragen kann, in seinem Namen Amtshandlungen vorzunehmen).

Als Angehöriger der Städtischen Sicherheitswache war demnach RevInsp. S*** sehr wohl befugt, durch die Erstattung von Anzeigen Verwaltungsübertretungen nach dem KFG - unabhängig davon, welche Behörde in concreto zu deren Ahndung zuständig war (§ 123 Abs 1 KFG) - im Namen der Gemeinde Bregenz als deren Organ, also ihr zurechenbar (vgl RZ 1978/63 = vS ua), Amtshandlungen vorzunehmen, sodaß das (hier dementsprechend nicht aktuelle) auf § 84 StPO Bezug nehmende weitere Beschwerdeargument auf sich beruhen kann.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach §§ 28 (Abs 1), 302 Abs 1 StGB zu je einem Jahr Freiheitsstrafe. Dabei wertete es bei beiden das Zusammentreffen strafbarer Handlungen, und zwar bei E*** zweier Verbrechen und bei L*** eines Verbrechens mit einem Vergehen, sowie ihre (bei ersterem einmalige und bei letzterem wiederholte) Vorabstrafung als erschwerend, ihr jeweiliges Geständnis bezüglich des Diebstahlsversuchs und der Sachbeschädigung sowie den Umstand, daß seitens E*** beide Delikte und seitens L*** die Bestimmung zum Amtsmißbrauch beim Versuch geblieben sind, hingegen als mildernd.

Den Berufungen, mit denen beide Angeklagten eine Strafherabsetzung sowie E*** auch die Verhängung einer Geldstrafe anstatt der Freiheitsstrafe und L*** zudem die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstreben, kommt teilweise Berechtigung zu. Dem Angeklagten E*** ist einerseits einzuräumen, daß er den Bestechungsversuch nicht vorausgeplant hat und daß er es beim Diebstahlsversuch "nur auf Lebensmittel abgesehen" hatte (US 9); anderseits ist er mit beiden Delikten nach dem jeweils vorausgegangenen Strafvollzug rasch wieder rückfällig geworden, wobei er das zuerst relevierte Verbrechen mit beachtlicher Intensität zu realisieren trachtete.

Der Beitrag des Angeklagten L*** zum Bestechungsversuch hinwieder bestand zwar tatsächlich nur in einer einzigen Aufforderung an E***, doch fallen diesem Berufungswerber sehr wohl nicht nur seine 15 Vorstrafen wegen Vermögensdelikten (in bezug auf die Sachbeschädigung), sondern auch seine 3 Vorverurteilungen wegen falscher Beweisaussage, wegen versuchter Bestimmung hiezu und wegen Einmengung in die Vollziehung öffentlicher Dienste als (in Ansehung der versuchten Bestimmung zum Amtsmißbrauch) auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführend (§ 71 StGB) sowie demgemäß auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend (§ 33 Z 2 StGB) zur Last.

Alles in allem hat das Schöffengericht die Dauer der über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB), die bei E*** vom zuerst angeführten und bei L*** vom zuletzt bezeichneten Faktor dominiert wird, etwas zu hoch ausgemessen, sodaß sie - unter Bedacht darauf, daß E*** zwei Verbrechen, L*** hingegen nur eines (mit eher geringer Beteiligung) und ein Vergehen (mit nicht allzugroßer Schadenshöhe) zu verantworten hat - in teilweiser Stattgebung der Berufungen bei ersterem auf zehn und bei letzterem auf neun Monate zu reduzieren war.

Dementgegen kamen bei E*** im Hinblick auf diese Strafdauer die Verhängung einer Geldstrafe anstatt der Freiheitsstrafe (§ 37 Abs 1 StGB) und bei L*** mit Rücksicht auf sein schwer getrübtes Vorleben die Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) nicht in Betracht, sodaß den Berufungen insoweit ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Anmerkung

E14321

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00047.88.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19880628_OGH0002_0150OS00047_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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