TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/27 2003/18/0277

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Veröffentlicht am 27.09.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FrG 1997 §35 Abs3;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FSG 1997 §1 Abs3;
KFG 1967;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129 Z1;
StGB §130 vierter Fall;
StGB §146;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1976, vertreten durch Dr. Werner Ungeringer und Dr. Anton Ullmann, Rechtsanwälte in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. September 2003, Zl. St 185/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. September 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im August 1991 aus Bosnien kommend nach Österreich eingereist. Von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (der Erstbehörde) sei er wegen folgender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden: Am 14. April 1998 gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz, § 31 Abs. 1, § 4 Abs. 1 lit. c StVO, am 14. Jänner 1999 gemäß § 174 Abs. 4 lit. c ForstG, am 25. und 26. August 1999 jeweils gemäß § 24 Abs. 3 lit. a StVO, am 7. September 1999 gemäß § 6 Abs. 1 lit. a OÖ ParkgebührenG, am 19. Jänner 2000 gemäß § 44 Abs. 4 KFG, am 22. August 2000 gemäß § 102 Abs. 4 KFG, § 4 Abs. 1 (lit. a) und Abs. 5 erster Satz StVO und am 20. Dezember 2001 gemäß § 1 Abs. 3

FSG.

Auch in strafrechtlicher Hinsicht sei der Beschwerdeführer mit einer Anzeige vom 13. Mai 1993 wegen des Verdachtes der Vergehen der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung sowie mit einer Anzeige vom 14. Mai 1999 wegen §§ 105 und 125 StGB (Nötigung, Sachbeschädigung) vorgemerkt. Diese Anzeigen seien mit Beschlüssen der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis vom 16. Juni 1993 und vom 19. Mai 1999 zurückgelegt worden.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 24. Oktober 2001 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je ATS 100,-- verurteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 9. Juli 2002 sei er wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach § 12 dritte Alternative (dritter Fall), § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1, § 130 vierter Fall, § 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten, davon 14 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2002 im Raum Frankenmarkt bei der Begehung von Einbrüchen auf frischer Tat betreten worden. Er habe zur Ausführung dieser strafbaren Handlungen beigetragen, indem er seine beiden Mittäter zu den Tatorten chauffiert und dort Aufpasserdienste geleistet habe. Zwar habe er an diesen Straftaten in untergeordneter Weise mitgewirkt, jedoch sei er - zumindest ab dem zweiten Einbruchsdiebstahl - über den Tatplan und den Tatmodus informiert gewesen und habe letztlich auch in das Tatgeschehen eingewilligt. Er habe die Einbruchsdiebstähle gewerbsmäßig begangen, also in der Absicht sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Das erkennende Gericht habe sein Geständnis sowie den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei, als mildernd, seine einschlägige Vorstrafe hingegen als erschwerend gewertet.

Auf Grund der gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Der Beschwerdeführers halte sich seit August 1991 in Österreich auf. Seine Ehefrau sowie seine Kinder lebten in Bosnien. Nach mehrjähriger Erwerbstätigkeit sei er zuletzt arbeitslos gewesen. Da ihm durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 1991 eine entsprechende Integration zuzubilligen sei, werde durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dieser Eingriff sei jedoch insofern zu relativieren, als sich seine Ehefrau und seine Kinder in Bosnien aufhielten. Dem stehe gegenüber, dass sich der Beschwerdeführer weder durch die Zurücklegung der genannten Anzeigen noch durch eine gerichtliche Verurteilung von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen habe abgehalten lassen. Er habe sein Fehlverhalten "der Schwere nach" insofern gesteigert, als er zuletzt wegen gewerbsmäßig begangener strafbarer Handlungen zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

Auf Grund dieser Tatsachen sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern auch das Aufenthaltsverbot im Lichte des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative "Zukunftsprognose" wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Daher sei das Aufenthaltsverbot zulässig iSd § 37 Abs. 2 FrG.

Daran könne auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die "Integrationsbestimmungen des Fremdenrechtes" nichts zu ändern. Er sei erst im Alter von etwa 15 Jahren in das Bundesgebiet eingereist und daher nicht von klein auf hier aufgewachsen. Auch § 35 Abs. 2 und Abs. 3 FrG sei auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden, weil zum "maßgeblichen Sachverhalt" für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch seine Verwaltungsübertretungen ab dem Jahre 1998 zählten. Zuvor habe er sich im Bundesgebiet noch nicht im Sinn des § 35 Abs. 2 und Abs. 3 FrG integrieren können. Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei gerechtfertigt, weil erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wieder an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die zuletzt erfolgte unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2. Nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer erstmals mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Braunau am Inn vom 24. Oktober 2001 wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 50 Tagessätzen zu je ATS 100,-- verurteilt. Den bindenden Feststellungen dieses im Verwaltungsakt erliegenden Strafurteils zufolge hat der Beschwerdeführer am 10. Oktober 2000 mit Bereicherungsvorsatz durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit eine Tankstellenmitarbeiterin zur Abgabe von 37, 85 Liter Superbenzin verleitet. Diese Verurteilung konnte den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden und sein strafbares Verhalten noch zu steigern. Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 9. Juli 2002 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach § 12 dritter Fall, § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1, § 130 vierter Fall, § 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Monaten, davon 14 Monate unter bedingter Strafnachsicht, verurteilt. Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2002 bei der Begehung von Einbrüchen betreten worden ist, zu denen er einen Tatbeitrag leistete, indem er seine beiden Mittäter zu den Tatorten gefahren und dort für sie Aufpasserdienste geleistet hat. Er willigte in das Tatgeschehen ein und war jedenfalls ab dem zweiten Einbruchsdiebstahl auch über den Tatplan und den Tatmodus informiert. Durch dieses Fehlverhalten hat der Beschwerdeführer dem großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität zuwider gehandelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2005, Zl. 2005/18/0026). Darüber hinaus hat er die Tat gewerbsmäßig begangen. Die darin gelegene Tendenz des Fremden, sich durch die wiederkehrende Begehung einer strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu sichern, stellt für sich eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 2004, Zl. 2001/18/0122).

Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von April 1998 bis Dezember 2001 zwölf Mal verwaltungsbehördlich bestraft worden ist. Diese Bestrafungen erfolgten unter anderem gemäß § 1 Abs. 3 FSG (Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne die erforderliche Lenkberechtigung), gemäß § 4 Abs. 1 lit. a ("Fahrerflucht") und lit. c StVO (Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach einem Verkehrsunfall) sowie gemäß § 4 Abs. 5 StVO (Nichtmelden des Verkehrsunfalls mit Sachschaden trotz unterbliebener Verständigung des Geschädigten). Bei den genannten Verwaltungsübertretungen handelt es sich um grobe Verstöße gegen das Kraftfahrrecht bzw. gegen wesentliche, die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffende Vorschriften (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 2004, Zl. 2004/02/0025, und vom 18. Dezember 2002, Zl. 99/18/0036).

Aus diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG für rechtswidrig.

Bei ihrer Interessenabwägung nach § 37 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des rechtmäßigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1991, seine daraus ableitbare Integration sowie seine familiären Bindungen zu seinen in Österreich lebenden Verwandten sowie zu seiner Ehefrau, die allerdings mit den gemeinsamen Kindern in Bosnien lebt, berücksichtigt und hat zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber den Standpunkt vertreten, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, liegt doch dem Beschwerdeführer - wie bereits dargelegt (vgl. oben II.2.) - ein vor allem im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last, welches das Aufenthaltsverbot - auch in Anbetracht der Vielzahl teils schwerwiegender Verwaltungsübertretungen - zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt.

Auch die Interessenabwägung im Grund des § 37 Abs. 2 FrG fällt nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers aus. Die Integration des Beschwerdeführers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein wiederholtes und zuletzt gesteigertes Fehlverhalten eine deutliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch sein Fehlverhalten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den obgenannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer kann seinen Unterhaltsverpflichtungen auch von einem anderen Land als von Österreich aus nachkommen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2001, Zl. 99/18/0024), zumal sich seine Frau und seine Kinder in seinem Heimatland aufhalten. Dass seine Verdienstmöglichkeiten in seinem Heimatland womöglich schlechter sind als im Bundesgebiet, muss von ihm im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.

4. Letztlich vermag der Beschwerdeführer mit seinem Hinweis, dass er sich vor seiner (zuletzt erfolgten) Verurteilung am 9. Juli 2002 bereits zehn Jahre rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, auch im Licht des § 38 FrG keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aufzuzeigen.

Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 leg. cit. wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. Gemäß § 35 Abs. 2 leg. cit. dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Hat der in § 35 Abs. 2 genannte Zeitraum bereits zehn Jahre gedauert, so dürfen Fremde gemäß § 35 Abs. 3 FrG wegen Wirksamwerdens eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht in einer in den Z. 1 oder Z. 2 dieser Gesetzesstelle genannten qualifizierten Weise rechtskräftig verurteilt worden.

Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" ist der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170). Im Fall eines auf strafbaren Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes handelt es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" nicht um die jeweilige Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern um das einer Verurteilung bzw. Bestrafung zu Grunde liegende Fehlverhalten, weil nur dieses die im § 36 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 36 Abs. 1 Z. 2 FrG umschriebene, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendige Annahme rechtfertigen kann. Der "maßgebliche Sachverhalt" umfasst alle Umstände, die die Behörde zulässigerweise zur Begründung des im konkreten Fall in der festgesetzten Dauer (bzw. auf unbestimmte Zeit) verhängten Aufenthaltsverbotes herangezogen hat. Unzulässig wäre es, auch ein solches Fehlverhalten dem Aufenthaltsverbot zu Grunde zu legen und in den "maßgeblichen Sachverhalt" iSd § 35 Abs. 2 FrG einzubeziehen, das unter Berücksichtigung des seither verstrichenen Zeitraumes nicht (mehr) geeignet ist, eine relevante Vergrößerung der von dem Fremden ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 98/18/0170.)

Die zuletzt genannte Eignung kann den von April 1998 bis Dezember 2001 begangenen, zum Teil schwer wiegenden Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers (u.a. nach dem Führerscheingesetz, der Straßenverkehrsordnung und dem Kraftfahrgesetz) nicht abgesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2002/18/0108). Der Beschwerdeführer hat sohin das erste von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Fehlverhalten, nämlich den seiner Bestrafung vom 14. April 1998 zu Grunde liegenden Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach einem Verkehrsunfall, zu einem Zeitpunkt gesetzt, in dem sein Aufenthalt noch nicht die in § 35 Abs. 2 FrG genannte Dauer von acht Jahren erreicht hatte. § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG steht daher der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegen. Die Aufenthaltsverbot-Verbotsgründe des § 38 Abs. 1 Z. 3 bzw. Z. 4 FrG liegen nicht vor, weil der im Alter von knapp 15 Jahren nach Österreich gekommene Beschwerdeführer weder im oben genannten Zeitpunkt vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hatte (Z. 3) noch von klein auf im Inland aufgewachsen ist (Z. 4).

5. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. September 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003180277.X00

Im RIS seit

18.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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