TE OGH 1988/8/30 2Ob32/88

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Veröffentlicht am 30.08.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*** DER A***,

Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Adolf Fiebich und Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*** E*** V***-AG, Kärntnerring 12, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 72.064,10 s.A. und Feststellung (S 96.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10. September 1987, GZ 15 R 170/87-9, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 6. April 1987, GZ 55 Cg 747/86-4, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1) Der Rekurs wird, soweit er sich gegen die Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes in Ansehung eines Betrages von

S 3.663,-- s.A. (Ersatz der von der Klägerin in der Zeit vom 19. September 1984 bis 30. September 1985 an Manfred L*** erbrachten Leistungen) richtet, zurückgewiesen.

In diesem Umfang findet ein Zuspruch von Kosten des Rekursverfahrens nicht statt.

2) Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

In diesem Umfang sind die Kosten des Rekursverfahrens als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Am 19. September 1984 ereignete sich gegen 21,45 Uhr auf der Landeshauptstraße 156 im Gemeindegebiet von Ebergassing ein Verkehrsunfall, an dem Gustav Adolf Ö*** als Halter und Lenker des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW mit dem Kennzeichen N 236.571 und Franz L*** als Radfahrer beteiligt waren. Dabei wurde L*** getötet. Ö*** wurde wegen dieses Verkehrsunfalles mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Dezember 1984, 8 a E Vr 12.717/84-10, rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB schuldig erkannt. Die Klägerin erbrachte und erbringt Pensionsleistungen an die Hinterbliebenen nach Franz L***, und zwar an seine Witwe Anna L*** und die Kinder Manfred, Christine, Leopold, Anita und Günter L***, deren Ersatz sie im vorliegenden Rechtsstreit unter Berufung auf die im § 332 Abs 1 ASVG normierte Legalzession begehrt. Die Klägerin brachte im wesentlichen vor, Gustav Adolf Ö*** treffe ein mit 40 % zu bewertendes Verschulden an dem Verkehrsunfall vom 19. September 1984; das Mitverschulden des Getöteten sei mit 60 % zu bewerten.

Die Klägerin habe nach dem Tod des bei ihr pensionsversicherten Franz L*** der Witwe Anna L*** eine Witwenpension und den Kindern Manfred, Christine, Leopold, Anita und Günter L*** Waisenpensionen im jeweiligen gesetzlichen Ausmaß geleistet. Für Manfred L*** sei die Waisenpension mit 30. September 1985 weggefallen, sodaß ab 1. Oktober 1985 nur mehr vier Waisenpensionen zur Auszahlung gelangten. Bis 31. Dezember 1986 betrage der Gesamtaufwand der Klägerin S 335.419,80.

Gemäß § 332 Abs 1 ASVG seien die kongruenten Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen insoweit auf die Klägerin übergegangen, als diese Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung zu erbringen habe.

Der getötete Franz L*** habe zur Unfallszeit als Arbeitsloser eine tägliche Notstandshilfe von S 266,30 vom Arbeitsamt Schwechat bezogen, woraus er seiner Ehegattin und seinen Kindern Unterhalt geleistet habe. Gemäß den Bestimmungen des § 1327 ABGB und des § 12 Abs 2 EKHG habe der Schädiger bzw dessen Haftpflichtversicherer den Hinterbliebenen den Unterhalt zu ersetzen, der ihnen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen entzogen worden sei.

Die tägliche Notstandshilfe von S 266,30 ergebe einen Jahresbezug von S 97.200,--. Abzüglich der jährlichen fixen Haushaltskosten von S 11.000,-- habe das jährliche Familieneinkommen S 86.200,-- betragen. Hievon sei der Unterhalt der Ehegattin im Ausmaß von 25 % und der fünf ehelichen Kinder im Ausmaß von je 9 % geleistet worden. Nach Wegfall der Waisenpension für Manfred ab 1. Oktober 1985 sei von einer Unterhaltsleistung von 30 % für die Ehegattin und von je 10 % für die übrigen vier Kinder auszugehen. Der Unterhaltsentgang betrage für die Zeit vom 19. September 1984 bis 30. September 1985 für die Witwe S 32.550,-- (S 21.550,-- zuzüglich Fixkosten S 11.000,--). Unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 60 % betrage der jährliche Deckungsfonds für die Witwenpension S 13.020,-- und für die fünf Waisenpensionen S 15.516,--. Für die Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 31. Dezember 1986 betrage der Deckungsfonds für die Witwenpension S 18.430,-- und für die vier Waisenpensionen S 17.240,--. Der auf Grund der Legalzession auf die Klägerin bis 31. Dezember 1986 übergegangene Ersatzanspruch betrage S 64.206,--. Die Klägerin habe darüber hinaus für die Pensionsempfänger bis 31. Dezember 1986 den Beitragsanteil für die Krankenversicherung von S 19.645,30 getragen. Dafür bestehe ein zur Gänze regreßfähiger gesonderter Deckungsfonds, der unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote von 60 % S 7.858,10 betrage. Insgesamt werde daher für die Zeit bis 31. Dezember 1986 der Ersatz eines Betrages von S 72.064,10 begehrt.

Da die Klägerin in Zukunft weitere Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung zu erbringen habe, deren Höhe derzeit noch nicht ermittelt werden könne, werde überdies ein Feststellungsbegehren gestellt.

Der Betrag von S 72.064,10, dessen Zuspruch die Klägerin begehrt, umfaßt den Ersatz der von ihr in der Zeit vom 19. September 1984 bis 31. Dezember 1986 an Anna L*** erbrachten Leistungen im Ausmaß von S 33.311,02, an Christine, Leopold, Anita und Günter L*** erbrachter Leistungen im Ausmaß von je S 8.772,52 und in der Zeit vom 19. September 1984 bis 30. September 1985 an Manfred L*** erbrachter Leistungen im Ausmaß von S 3.663,--. Im Feststellungsbegehren der Klägerin wird nicht ausdrücklich ausgeführt, an welche Hinterbliebene nach Franz L*** sie in Hinkunft Leistungen zu erbringen hat. Nach dem Klagevorbringen kommt die Erbringung solcher künftiger Leistungen der Klägerin nur hinsichtlich der Witwe Anna L*** und der Kinder Christine, Leopold, Anita und Günter L*** in Betracht, sodaß davon auszugehen ist, daß sich das gestellte Feststellungsbegehren nur auf künftige Leistungen der Klägerin an diese Personen bezieht (8 Ob 86/87).

Die Beklagte wendete ein Mitverschulden des Verunglückten von 75 % ein, weil er in alkoholisiertem Zustand mit einem unbeleuchteten Fahrrad in einer Zick-Zack-Linie in der Nähe der Straßenmitte gefahren sei. Der Verunglückte und seine Familie hätten in äußerst tristen Verhältnissen von der öffentlichen Fürsorge gelebt. Es sei gleichgültig, ob die Fürsorgeleistungen der Öffentlichkeit auf dem Umweg über Franz L*** oder unmittelbar an die einzelnen Familienmitglieder erfolgt seien. Die geleistete Notstandshilfe, auf die kein Rechtsanspruch bestehe und die nur für einen bestimmten 26 Wochen nicht übersteigenden Zeitraum gewährt werde, stelle keinen Deckungsfonds dar. Zum Feststellungsbegehren wendete die Beklagte überdies ein, daß mangels eines bestehenden Deckungsfonds das "konkrete Rechtsschutzbedürfnis" der Klägerin fraglich sei. Als zeitliche Begrenzung sei in das Feststellungsbegehren die nach den Umständen mit 60 Jahren anzunehmende Lebensdauer des Verunglückten aufzunehmen. Schließlich wendete die Beklagte eine der Höhe nach außer Streit gestellte Gegenforderung von S 7.651,-- aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein, die sich auf gemäß § 67 VVG auf sie übergegangene Schadenersatzansprüche ihres Versicherungsnehmers Gustav Adolf Ö*** gegen Franz L*** gründet.

Das Erstgericht wies ohne Durchführung eines Beweisverfahrens das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die Gewährung einer Notstandshilfe keinen übergangsfähigen Deckungsfonds für die Witwen- und Waisenpension begründe.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Aufhebung betroffene Wert des Streitgegenstandes in Ansehung des Ersatzanspruches der Klägerin betreffend Leistungen an Anna L*** nicht S 300.000,--, in Ansehung ihrer Ersatzansprüche betreffend Leistungen an Christine, Leopold, Anita und Günter L*** je S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht führte rechtlich im wesentlichen aus, die mit der Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Leistungspflichten der Versicherungsträger verbundenen Aufwendungen könnten nur insoweit auf den Schädiger des Versicherten im Wege eines durch die Legalzession des § 332 Abs 1 ASVG ermöglichten Rückgriffs abgewälzt werden, als dem Versicherten entsprechende Schadenersatzansprüche zustünden. Diese bildeten den sogenannten Deckungsfonds für den Regreß. § 332 ASVG stelle ausdrücklich klar, daß auch die Schadenersatzansprüche der Angehörigen auf den Versicherungsträger übergingen. Nach der Lehre vom Deckungsfonds seien die Schadenersatzansprüche (hier der Angehörigen) ohne Berücksichtigung der Sozialversicherungsleistung (hier der Hinterbliebenenpensionen) zu berechnen, weil diese nicht im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen sei. Dieser so errechnete Schadenersatzanspruch sei sodann um die Mitverschuldensquote zu kürzen. In dieser Form gehe er auf den leistungspflichtigen Sozialversicherungsträger über.

Im vorliegenden Fall bildeten die nach § 1327 ABGB und § 12 Abs 2 EKHG der Witwe und den Kindern des Getöteten zustehenden Ersatzansprüche gegen den Schädiger den Deckungsfonds für die von der Klägerin erbrachten Leistungen. Zu den Unterhaltsleistungen des Getöteten, die der Witwe und den Kindern entgingen, gehöre auch die Krankenversicherung, die ihnen der Ehegatte und Vater verschafft habe. Mit diesem in der Klage geltend gemachten Anspruch habe sich das Erstgericht überhaupt nicht befaßt. Der Getötete habe seiner Ehefrau und den Kindern durch seinen Bezug der Notstandshilfe einen Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung ermöglicht. Der Anspruch der Witwe und der Kinder auf Zurverfügungstellung einer Krankenversicherung gehöre daher zu ihren Ansprüchen nach § 1327 ABGB. Insoweit könne daher ein Deckungsfonds für die Ersatzansprüche der Klägerin bezüglich der für die Witwe und die Kinder erbrachten Krankenversicherungsbeiträge nicht grundsätzlich abgelehnt werden.

Abgesehen davon sei zu klären, ob die Witwe und die Kinder einen Ersatzanspruch auf entgangenen Unterhalt hätten. Für die Berechnung des Ersatzanspruches nach § 1327 ABGB seien die vom Getöteten tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen heranzuziehen. Daß der Getötete seiner Frau und seinen Kindern, mit denen er offensichtlich in Haushaltsgemeinschaft gelebt habe, keinen Unterhalt geleistet habe, könne nicht einmal die Beklagte behaupten. Daß eine Familie mit mehreren Kindern auch von der Notstandshilfe leben könne, sei genauso allgemein bekannt wie die Tatsache, daß die Notstandshilfe bei Andauern der Arbeitslosigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsfähigkeit über Antrag regelmäßig verlängert werde. Im übrigen habe die Unterhaltsrechtsprechung auch klargestellt, daß auch von der Notstandsunterstützung Unterhalt zu leisten sei. Aus dem Umstand der Haushaltsgemeinschaft des Getöteten mit seiner Familie und der unbestrittenen Tatsache des Bezuges von Notstandshilfe durch den Getöteten sei daher auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß die Witwe und die Kinder Ersatzansprüche nach § 1327 ABGB bzw § 12 Abs 2 EKHG gegen den Schädiger hätten und daß daher ein Deckungsfonds für die Klägerin nicht grundsätzlich verneint werden könne.

Die Unterschiedlichkeit der Ansprüche auf Verdienstentgang im Sinne des § 1325 ABGB und auf Ersatz des entgehenden Unterhaltes im Sinne des § 1327 ABGB habe Folgen für den jeweiligen Deckungsfonds. Beim Verdienstentgang handle es sich um einen Anspruch des Verletzten auf Ersatz des entganeenen Verdienstes, zu dem noch das Arbeitslosengeld, welches an die Stelle des Verdienstes trete, aber nicht mehr die Notstandshilfe, die ihrem Wesen nach eine Fürsorgeeinrichtung sei, gezählt werden könne. Beim Ersatz des Unterhaltes nach § 1327 ABGB komme es hingegen nur darauf an, ob ein gesetzlicher Unterhalt gewährt worden sei, gleichgültig aus welchem Rechtsverhältnis der Unterhaltspflichtige sein Einkommen bezogen habe. Die Ersatzpflicht des § 1327 ABGB sei die gleiche, gleichgültig, ob die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen aus einem Arbeitsverhältnis oder aus einer anderen Quelle stammten. Dieser entgangene Unterhalt und nicht das Einkommen, aus dem der Unterhalt gewährt worden sei, bilde den Deckungsfonds für den Sozialversicherungsträger. Es sei daher für den vorliegenden Fall völlig bedeutungslos, ob der Getötete einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gewährung des Arbeitslosengeldes gehabt oder ob er bloß tatsächlich eine Notstandsunterstützung bezogen habe, die er im Verwaltungsweg nicht hätte durchsetzen können.

Gehe man davon aus, daß Franz L*** bis zu seinem Tod seiner Ehefrau und seinen Kindern gegenüber gesetzlich unterhaltspflichtig gewesen sei und diesen seinen Unterhaltsverpflichtungen auch auf der Grundlage seiner Einkünfte, die im Bezug der Notstandshilfe bestanden hätten, nachgekommen sei, stehe seinen Hinterbliebenen dem Schädiger gegenüber ein Schadenersatzanspruch gemäß § 1327 ABGB zu. Die von der Legalzession des § 332 ASVG umfaßten auf § 1327 ABGB beruhenden Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen des Franz L*** stellten einen sachlich kongruenten Deckungsfonds für die von der Klägerin den Hinterbliebenen erbrachten Pensionsleistungen dar.

Da das Erstgericht - ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht - kein Beweisverfahren über die - unter anderem von der zwischen den Parteien strittigen Verschuldensquote abhängige - Höhe der Klagsforderung und die von der Beklagten eingewendete zeitliche Leistungsbegrenzung mit der wahrscheinlichen natürlichen Lebensdauer des Getöteten durchgeführt habe, müsse sein Urteil aufgehoben werden.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag "auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils".

Die Klägerin hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rekurs der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er sich gegen die Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes in Ansehung eines Betrages von S 3.663,-- s.A. (Ersatz der von der Klägerin in der Zeit vom 19. September 1984 bis 30. September 1985 an Manfred L*** erbrachten Leistungen) richtet, unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in dem in dieser Rechtssache ergangenen Beschluß vom 18. Dezember 1987, 8 Ob 86/87, auf dessen ausführliche Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen im einzelnen verwiesen werden kann, ausgeführt, daß hinsichtlich der Rechtsmittelzulässigkeit die Ersatzansprüche der Klägerin aus den an die einzelnen Hinterbliebenen nach Franz L*** erbrachten Leistungen nicht zusammenzurechnen sind, sondern gesondert beurteilt werden müssen, daß der für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit maßgebliche Streitgegenstand in Ansehung der Leistungen der Klägerin an Manfred L*** nur in einem Geldbetrag von S 3.663,-- besteht und daß dann, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000,-- nicht übersteigt, ein ausgesprochener Rechtskraftvorbehalt wirkungslos ist und einen nach § 528 ZPO unstatthaften Rekurs nicht zulässig machen kann. Daraus ergibt sich die Unzulässigkeit des vorliegenden Rekurses im oben dargestellten Umfang.

In diesem Umfang war das Rechtsmittel der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.

Ein Zuspruch von Kosten des Rekursverfahrens hat in diesem Umfang an keine der beiden Parteien zu erfolgen. Die Beklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels, soweit es unzulässig ist, selbst zu tragen; die Klägerin hat den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht geltend gemacht (§§ 40, 41, 50 ZPO).

Im übrigen ist der Rekurs der Beklagten zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Wenn die Beklagte in ihrem Rechtsmittel die hier zu lösende Rechtsfrage dahin formuliert, "ob die Notstandshilfe zumindest anteilsmäßig einen Deckungsfonds für die vom Pensionsversicherungsträger den unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen erbrachten Leistungen darstelle oder nicht", verkennt sie das Wesen des sogenannten Deckungsfonds im Sinne des § 332 Abs 1 ASVG. Der in dieser Gesetzesstelle normierte Forderungsübergang tritt insoweit ein, als den Leistungen des Sozialversicherungsträgers kongruente Schadenersatzforderungen des Leistungsempfängers gegenüberstehen. Es gehen also jene Schadenersatzansprüche im Sinne dieser Gesetzesstelle über, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung liquidieren soll (SZ 53/113 mwN uva). In diesem Sinn besteht sachliche Kongruenz zwischen Hinterbliebenenpensionen und Schadenersatzansprüchen der Empfänger solcher Pensionen auf Ersatz des Unterhaltsentganges nach § 1327 ABGB (Krejci in Tomandl, System 442 mwN). Ob also dem Sozialversicherungsträger im Sinne des § 332 Abs 1 ASVG ein Deckungsfonds für von ihm geleistete Witwen- und Waisenpensionen zur Verfügung steht, richtet sich nicht danach, aus welchen Quellen der getötete Versicherte ein Einkommen bezog, sondern danach, ob den Empfängern derartiger Pensionen Schadenersatzansprüche gegen den Schädiger aus dem Rechtsgrund des entgangenen Unterhaltes im Sinne des S 1327 ABGB zustehen.

Dafür ist die gesetzliche Unterhaltspflicht des Getöteten und grundsätzlich die tatsächlich von ihm erbrachte Unterhaltsleistung maßgebend (ZVR 1978/23; ZVR 1979/181; ZVR 1980/323 ua), wenn sie nur einigermaßen mit der gesetzlichen Unterhaltspflicht ins Verhältnis gesetzt und gerechtfertigt werden kann (EFSlg 48.677 mwN); woher der Unterhaltspflichtige sein für Unterhaltszwecke verwendetes Einkommen bezog, ist für einen Schadenersatzanspruch seiner Hinterbliebenen wegen entgangenen Unterhaltes nach § 1327 ABGB unerheblich (siehe dazu Gruber in JBl 1980, 586). Die Frage, ob eine von einem Verletzten bezogene Notstandshilfe seinen Anspruch gegen den Schädiger auf Ersatz von Verdienstentgang mindert (ZVR 1985/10 ua), hat mit der Beurteilung des Unterhaltsentganges der unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen im Sinne des § 1327 ABGB überhaupt nichts zu tun. Ein Schadenersatzanspruch im Sinne dieser Gesetzesstelle hat nur zur Voraussetzung, daß der Getötete nach dem Gesetz für den Unterhalt des Hinterbliebenen zu sorgen hatte und daß dem Hinterbliebenen infolge des Todes des Unterhaltspflichtigen ein Unterhaltsentgang entstanden ist.

Das Berufungsgericht hat daher entgegen der im Rekurs der Beklagten vertretenen Rechtsmeinung durchaus zutreffend erkannt, daß die Tatsache, daß der Getötete im Zeitpunkt seines Todes die Notstandshilfe bezog, in keiner Weise ausreicht, Ersatzansprüche seiner Hinterbliebenen gegen den Schädiger wegen entgangenen Unterhaltes nach § 1327 ABGB auszuschließen, die im Sinne des § 332 Abs 1 ASVG auf die Klägerin übergegangen wären. Mit Recht hat das Berufungsgericht daher das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben. Im fortgesetzten Verfahren werden die erforderlichen Feststellungen zu treffen sein, aus denen sich beurteilen läßt, ob und in welcher Höhe im Sinne obiger Rechtsausführungen den Hinterbliebenen des getöteten Franz L*** gegen den Schädiger (und dessen Haftpflichtversicherer) Schadenersatzansprüche wegen entgangenen Unterhaltes im Sinne des § 1327 ABGB zustanden, die nach § 332 Abs 1 ASVG im Rahmen der von ihr erbrachten Leistungen auf die Klägerin übergingen.

Bezüglich des von der Klägerin geleisteten Beitrages zur Krankenversicherung der Pensionsempfänger ist auf die in EvBl 1971/211 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu verweisen.

Die Ermittlung der vermutlichen natürlichen Lebensdauer des Getöteten ist nicht erforderlich, weil sich das gestellte Feststellungsbegehren nur auf die Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Leistungen der Klägerin insoweit bezieht, als diese im Schaden der Hinterbliebenen Deckung finden, derartige Schadenersatzansprüche der Hinterbliebenen wegen entgangenen Unterhaltes nach § 1327 ABGB aber jedenfalls zeitlich mit dem mutmaßlichen Zeitpunkt des natürlichen Todes des Verunglückten begrenzt sind (vgl. ZVR 1979/43; SZ 45/73 uva). In gleicher Weise, wie sich die Beklagte etwa in einem künftigen Leistungsprozeß trotz eines gegen sie ergangenen Feststellungsurteiles gegen die Höhe des dann von der Klägerin in Anspruch genommenen Deckungsfonds zur Wehr setzen kann, wird sie daher trotz eines gegen sie ergangenen Feststellungsurteiles einwenden können, daß ein Deckungsfonds überhaupt nicht mehr besteht, weil der Verunglückte in der Zwischenzeit eines natürlichen Todes gestorben wäre, ohne daß dies in einem derzeit ergehenden Feststellungsurteil zum Ausdruck gebracht werden müßte.

Bezüglich der von der Beklagten eingewendeten Gegenforderung ist auf die in SZ 36/133 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu verweisen.

Dem Rekurs der Beklagten muß unter diesen Umständen, soweit er zulässig ist, ein Erfolg versagt bleiben.

Da dieses Rechtsmittel aber in diesem Umfang zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens in diesem Umfang im Sinne des § 52 ZPO dem weiteren Verfahren vorzubehalten (EvBl 1958/28 ua).

Anmerkung

E14985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00032.88.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19880830_OGH0002_0020OB00032_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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