TE OGH 1988/9/8 13Os120/88 (13Os121/88)

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Veröffentlicht am 08.09.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Brustbauer (Berichterstatter), Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Elly van H*** und Peter van H*** wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügungen des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 5. April 1988, GZ. 3 U 168/88-3 und 4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit der beiden Beschuldigten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Auf Grund des vom Bezirksanwalt gestellten Antrags auf Bestrafung (§ 451 Abs. 1 StPO.) erließ das Bezirksgericht Kitzbühel am 5. April 1988, 3 U 168/88, gegen die niederländischen Staatsbürger Peter und Elly van H*** getrennte Strafverfügungen wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB. Nach der an den Bezirksanwalt erstatteten Gendarmerieanzeige haben die Eheleute Peter und Elly van H*** am 4. März 1988 gegen 14.30 Uhr beim Gendarmerieposten Kitzbühel angezeigt, ihnen wäre zwischen dem 3. März 1988, ca. 16 Uhr, und dem 4. März 1988, ca. 6.30 Uhr, später auf 9.30 Uhr abgeändert, aus dem Trockenraum der Sanitäranlage des Campingplatzes "Schwarzsee" in Kitzbühel ein Paar Schischuhe, Marke Dynafit, weiß, Größe 38 mit schwarzen Schnallen, gestohlen worden. Im Zug der Gendarmerieerhebungen wurden die Schuhe im Trockenraum des Campingplatzes entdeckt. Hierauf wurden Peter van H*** und seine Gattin auf dem Gendarmerieposten einvernommen. Da beide die deutsche Sprache nicht so gut beherrschen, daß sie ihre Angaben, die zu Protokoll genommen wurden, auch hätten lesen können, wurden ihnen ihre Einlassungen von Gendarmeriebeamten vorgelesen. Die Richtigkeit dieser Angaben wurde von den Eheleuten van H*** bestätigt. Darnach haben sie die Schuhe vor der Anzeigeerstattung trotz mehrmaliger Nachschau nicht vorgefunden und deshalb gutgläubig die Anzeige wegen Diebstahls erstattet. Es müsse jemand die Schuhe verwechselt und in der Zwischenzeit zurückgebracht haben.

Rechtliche Beurteilung

Die Generalprokuratur erblickt in der Erlassung der beiden Strafverfügungen eine Verletzung des § 460 Abs. 1 StPO. Dem kann der Oberste Gerichtshof nicht folgen.

Mangels dienstlicher Wahrnehmungen über die Kenntnisse des Peter und der Elly van H*** vom Aufbewahrungsort der Schischuhe bei der Diebstahlsanzeige und mangels eines Geständnisses in der Richtung des § 298 StGB. scheiden die beiden ersten Möglichkeiten des § 460 Abs. 1 StPO. für die Erlassung eines Mandats aus. Anders indes, als die Beschwerdeführerin vermeint, wurde im Rahmen der durchgeführten Erhebungen (die, wie § 460 Abs. 1 StPO. klar zeigt, nicht gerichtliche sein müssen: LSK. 1977/15 = ZVR. 1977 Nr. 89), dem Erfordernis des beiderseitigen Gehörs in einer der Erforschung der materiellen Wahrheit dienlichen Weise (LSK. 1977/16 = ebenfalls ZVR. 1977 Nr. 89, 9 Os 187/76, EvBl. 1981 Nr. 215, 13 Os 79/83) Rechnung getragen. Räumen doch die Beschwerdeausführungen ein, daß die Beschuldigten "unverkennbar", weil die Vernehmungsniederschrift S. 21/22 auf das gesamte relevante Geschehen Bezug nimmt, eine leugnende Verantwortung deponiert haben. - Über den verfassungsmäßig abgesicherten Gehörszwang (Art. 6 MRK.) hinaus ist aber die Frage, ob die durchgeführten Erhebungen zur Beurteilung aller für die Entscheidung maßgebenden Umstände ausreichen (§ 460 Abs. 1 StPO.), eine solche der freien Beweiswürdigung des Bezirksrichters und der Anfechtung gemäß § 33 Abs. 2 StPO. entzogen (nochmals ZVR. 1977 Nr. 89 = LSK. 1977/16, EvBl. 1981 Nr. 215, 9 Os 187/76, 13 Os 79/83).

Wenn schließlich die Beschwerdeführerin eine Verletzung des beiderseitigen Gehörs dennoch, und zwar deshalb reklamiert, weil die Verantwortung des Peter van H*** ohne Beiziehung eines Dolmetschers entgegengenommen und nicht in einer ihm hinreichend verständlichen Sprache niederschriftlich festgehalten wurde, ferner, weil eine niederschriftliche Verantwortung der Elly van H*** überhaupt nicht aktenkundig sei, so argumentiert sie teils nicht aktengetreu, teils unterliegt sie einem Mißverständnis. Beiden Beschuldigten war die deutsche Sprache durchaus verständlich und in dieser Sprache wurden auch ihre Angaben protokolliert. Sie haben die deutsche Sprache nur insoweit nicht ausreichend beherrscht, als sie die Niederschrift (siehe oben) nachher nicht durchlesen konnten (S. 20). Elly van H*** hat die ihr vorgelesene Verantwortung (S. 20) ihres Gatten als Verdächtiger (siehe S. 21) ausdrücklich bestätigt. Das ist aktenkundig (S. 22) und gibt verläßlich Auskunft über ihren eigenen Standpunkt (vgl. auch § 271 Abs. 3 StPO.). Die offenkundige Beschwerdeansicht, es hätte der Beiziehung eines Dolmetschers bedurft, damit die Beschuldigten die von ihnen zu Protokoll gegebenen, von den abhörenden Beamten niedergeschriebenen und hernach vorgelesenen verantwortlichen Angaben auch hätten in Übersetzung lesen können, läßt sich aus dem Erfordernis des beiderseitigen (rechtlichen) Gehörs nicht ableiten (vgl. §§ 163, zweiter Satz, 198 Abs. 3 StPO.). Das verlangt auch die in der Beschwerde übrigens nicht erwähnte Bestimmung des Art. 6 § 3 lit. e MRK. keineswegs, weil dort nur auf das Verstehen einer Sprache und auf die Möglichkeit, sich in dieser auszudrücken, abgestellt wird. Unter diesem verfassungsmäßigen (Art. II Z. 7 BVG. BGBl. Nr. 59/1964) Gesichtspunkt wird daher etwa einem der Verhandlungssprache unkundigen Beschuldigten oder Angeklagten das in der Hauptverhandlung Gesprochene stets nur in Wort, nicht aber in Schrift übersetzt.

Die zur Gänze unbegründete Beschwerde mußte daher verworfen werden.

Anmerkung

E15120

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00120.88.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19880908_OGH0002_0130OS00120_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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