TE OGH 1988/10/6 13Os126/88

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Veröffentlicht am 06.10.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Oktober 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Felzmann und Dr. Kuch (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Manquet als Schriftführers in der Strafsache gegen Alfred K*** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 12.Juli 1988, GZ 11 Vr 3348/87-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Kapsch, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 10.Oktober 1930 geborene Pensionist Alfred K*** wurde des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 16.Oktober 1987 in Sulztal seinem achtzehnjährigen Sohn Gerhard K*** eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, indem er

1. ihm mit einem an einem Eisenrohr angeschweißten Meissel zwei gegen den Kopf geführte Schläge versetzte, jedoch nur den linken Arm und die Schulter traf (Blutunterlaufungen am Ober- und Unterarm links sowie am Schulterblatt links),

2. ihm mit einem scharfen Messer (Klingenlänge ungefähr 8 cm) in den Mund stach, wobei er die Zungenschlagader nur knapp verfehlte (Stich- oder Schnittverletzung unter der Zunge) und

3. ihm mit einer über ein Kilogramm schweren Hackbarte einen wuchtigen Hieb gegen den Kopf versetzte, aber den linken oberen Rückenbereich und das Gesäß traf (klaffende, scharf- und glattrandige 42 cm und 8 cm lange Wunden).

Der Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, welche die Hauptfrage nach Mordversuch mit fünf zu drei Stimmen verneint, jedoch die erste Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung stimmeneinhellig bejaht und demgemäß eine weitere Eventualfrage unbeantwortet gelassen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 5 und 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Verfahrensrüge (Z. 5) richtet sich gegen die Ablehnung der Vernehmung des praktischen Arztes Dr. A*** und der Beischaffung einer Krankengeschichte betreffend den Zeugen Gerhard K***. Thema der begehrten Zeugeneinvernahme war (S. 387), "daß der Angeklagte zuckerkrank ist und darüber hinaus keinesfalls als Alkoholiker bezeichnet werden kann". Die Beischaffung der Krankengeschichte vom Landeskrankenhaus Wagna sollte dem Nachweis dienen, daß Gerhard K*** "wegen schwerster Alkoholisierung eingeliefert wurde, wobei er hiebei rabiate Zustände aufwies". Sie hatte dem Sachzusammenhang nach ersichtlich nicht die Spitalseinlieferung des Gerhard K*** unmittelbar nach der Tat im Auge, weil er damals unbestrittenermaßen nicht wegen einer Alkoholisierung, sondern zur Versorgung der ihm vom Angeklagten beigebrachten schweren Verletzungen im Krankenhaus aufgenommen wurde; vielmehr zielte der Beweisantrag auf frühere - nicht terminisierte - Vorgänge ab, für die sich - allerdings im Zusammenhang mit einem epileptischen Leiden des Zeugen - aus dem Akt Anhaltspunkte ergeben (S. 103 f, 144).

Beide Beweisanträge bezogen sich auf Beweisthemen, welche keine Sachdienlichkeit erkennen ließen, sodaß sie mit Recht abgewiesen wurden. Der Versuch des Beschwerdeführers, nachträglich in der Rechtsmittelschrift darzulegen, aus welchen die Beweiswürdigung betreffenden Gründen seiner Ansicht nach die angestrebte Erweiterung des Beweisverfahrens dennoch einen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hätte, muß unbeachtlich bleiben, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags durch den Obersten Gerichtshof auf Grund einer Nichtigkeitsbeschwerde stets von der Verfahrenslage bei der Antragstellung und von den damals vorgebrachten Gründen auszugehen ist (SSt 41/71).

Anläßlich des Verlangens auf Vernehmung des praktischen Arztes Dr. A*** war nicht ersichtlich, inwieweit eine allfällige Zuckerkrankheit des Nichtigkeitswerbers und eine eventuelle Negierung seines Alkoholismus aus tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen Bedeutung haben sollten. Gleiches gilt für die Behauptung, daß Gerhard K*** bei einer ganz anderen, keine wahrnehmbare Verbindung mit dem Verfahrensgegenstand aufweisenden Gelegenheit schwer alkoholisiert und mit einem rabiaten Zustand in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei. Mangels eines die Erheblichkeit der angeführten Themen und damit taugliche Beweiszwecke aufzeigenden Antragsvorbringens wurden vom Schwurgerichtshof durch die Ablehnung der Beweisanträge Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.

Als Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung (Z. 8) rügt der Rechtsmittelwerber, daß der in den Erläuterungen zur Eventualfrage nach absichtlicher schwerer Körperverletzung enthaltene Hinweis auf die Erklärung des Begriffs des bedingten Vorsatzes bei der Erörterung der Hauptfrage nach versuchtem Mord die Geschwornen möglicherweise durch Verweisung "hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals gemäß § 87 Abs 1 StGB auf § 75 StGB in ihrer Entscheidung derart schwerwiegend beeinflußt" habe, "daß ihnen ein frei von äußeren Einflüssen zustandegekommener Wahrspruch nicht mehr möglich" gewesen sei. Im übrigen wird der solcherart umschriebene Mangel auch als "Unvollständigkeit des gerichtlichen Verfahrens" bezeichnet.

Bei diesem weder präzis vom Belehrungsinhalt ausgehenden noch die eindeutige Konkretisierung eines rechtlichen Fehlers enthaltenen Einwand wird übersehen, daß die Bezugnahme auf die Schuldform des bedingten Vorsatzes gar keine Erläuterung einer gesetzlichen Voraussetzung der absichtlichen schweren Körperverletzung bildete, welche Gegenstand der betreffenden Eventualfrage war, sondern ganz im Gegenteil einen (zwar überflüssigen, aber) rechtsrichtigen Hinweis auf eine zur Herstellung der Absichtlichkeit nicht ausreichende Schuldform darstellte. Im übrigen darf im Interesse der Übersichtlichkeit der Rechtsbelehrung unbeschadet ihrer Gliederung, die sich aus der im § 321 Abs 2 StPO vorgeschriebenen gesonderten Erteilung für jede einzelne Frage ergibt, die Erläuterung allgemeiner Begriffe etwa zusammenfassend oder im Weg der Verweisung auf die Rechtsbelehrung zu einer Hauptfrage, die jedenfalls beantwortet werden muß, vorgenommen werden. Da ferner ein vom Angeklagten unterstellter suggestiver Charakter des gegenständlichen Hinweises nicht erkennbar ist, kann von einer Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung in keinem der andeutungsweise behaupteten Punkte gesprochen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte Alfred K*** nach § 87 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen und die Begehung der Tat durch mehrere Angriffe, als mildernd hingegen nichts.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht. Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers sind die seinen Vorverurteilungen zugrundeliegenden Straftaten nicht als Alltagskriminalität anzusehen, hat er doch am 2.Jänner 1984 seine Ehefrau Notburga mit einem Besen oder Sessel geschlagen und dadurch verletzt (Akt 2 U 101/84 des Bezirksgerichts Leibnitz) sowie am 19. Dezember 1985 seine Gattin durch einen Schlag mit einem Holzstock verletzt (Akt 2 U 61/86 des Bezirksgerichts Leibnitz). Beide Fälle zeigen, daß Alfred K*** seine Pflichten als Familienoberhaupt gröblich verletzt hat und daß er zu gewalttätigen Angriffen mit - im Gebrauch als Angriffswaffen gefährlichen - Werkzeugen neigt. In diesem Licht kommt dem Unwert der verfahrensgegenständlichen Straftat besonderes Gewicht zu, hat der Angeklagte doch diesmal seine Aggressionen auf seinen leiblichen Sohn ausgedehnt, wobei es ihm darauf ankam, diesen schwer zu verletzen. Angesichts des beträchtlichen Schuld- und Unrechtsgehalts der Tat erweist sich die im oberen Bereich der gesetzlichen Strafdrohung ausgemessene Freiheitsstrafe als nicht überhöht, so daß zu deren Herabsetzung kein Anlaß bestand.

Das Begehren auf Gewährung bedingter Strafnachsicht scheitert am Ausmaß der verhängten Freiheitsstrafe (§ 43 StGB).

Anmerkung

E15327

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00126.88.1006.000

Dokumentnummer

JJT_19881006_OGH0002_0130OS00126_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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