TE OGH 1989/1/25 9ObA314/88

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Veröffentlicht am 25.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Rudolf Hörmedinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Klemens D***, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*** B*** MBH, Wien 20., Jägerstraße 44, wider die beklagte Partei Manfred K***, Angestellter, Pillersdorf 66, vertreten durch Dr. Rudolf Ruisinger, Rechtsanwalt in Eggenburg, wegen S 8.000,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. September 1988, GZ 33 Ra 40/88-12, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. Dezember 1987, GZ 5 Cga 2145/87-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Beklagte war bei der S*** B*** MBH in Wien

als Maurer beschäftigt. Mit Beschluß vom 17. Juni 1986 wurde über das Vermögen dieser Gesellschaft der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung von S 8.000,-- sA (SZ 59/216). Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe den Beklagten diesen Betrag noch nach der Konkurseröffnung gezahlt. Gemäß § 30 Abs 1 KO sei diese Zahlung unwirksam. Für den Fall, daß es sich herausstellen sollte, daß die Zahlung vor Konkurseröffnung erfolgt sei, werde die Leistung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO angefochten. Der Beklagte habe die Zahlung zu einem Zeitpunkt erhalten, als ihm diese nicht zugestanden sei. Nach § 8 des Kollektivvertrags für Bauindustrie und Baugewerbe sei der Lohn für Juni 1986 erst am 15. Juli 1986 fällig gewesen.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er habe den geforderten Betrag nie erhalten. Ihm stehe vielmehr noch eine Entgeltforderung für erbrachte Arbeitsleistungen zu. Für den Fall des Zurechtbestehens des Rückforderungsanspruches werde eingewendet, daß der Kläger durch die Arbeitsleistungen bereichert sei und hilfsweise die ausstehende Forderung des Beklagten als Gegenforderung geltend gemacht. Sollte das Gericht zur Ansicht kommen, der Beklagte habe die Zahlung erhalten, werde weiters eingewendet, daß der gegenständliche Betrag gutgläubig verbraucht worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Der Beklagte hatte sein Entgelt für Mai 1986 zu Ende dieses Monats vollständig ausgezahlt erhalten. Bis 10. Juni 1986 arbeitete der Beklagte auf einer Baustelle im Burgenland und ab 11. Juni auf einer Baustelle in Wien. Über sein Verlangen zahlte ihm der Bevollmächtigte der nachmaligen Gemeinschuldnerin, Ernst M***, in der Zeit vom 1. bis zum 18. Juni 1986 jeweils Teilbeträge in Höhe von insgesamt S 8.000,-- aus, wobei nicht feststellbar ist, wann diese Teilbeträge im einzelnen zur Auszahlung gelangten. M*** ließ sich die Zahlung dieser Akonto-Beträge erst am 23. Juni 1986 bestätigen. Es ist bei der nachmaligen Gemeinschuldnerin öfters vorgekommen, daß die Quittungen über die ausgezahlten Akonto-Beträge erst später ausgestellt wurden.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, daß der Lohn des Beklagten für Juni 1986 nach § 8 des Kollektivvertrags für Bauindustrie und Baugewerbe erst am 15. Juli 1986 fällig geworden sei. Die Zahlung von S 8.000,-- in der ersten Junihälfte 1986 habe nicht der Begleichung einer fälligen Forderung gedient, sondern sei nur eine Akontozahlung für eine erst später fällig werdende Entgeltforderung gewesen. Der Rückforderungsanspruch sei im Sinne des § 30 Abs 1 KO berechtigt.

Eine Bereicherung liege nicht vor, da der Beklagte gegenüber der Masse nur eine Konkursforderung nach § 46 KO besitze. Gutgläubiger Verbrauch sei bei Ansprüche nach § 30 KO rechtlich unerheblich. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es vertrat die Rechtsansicht, daß noch geprüft werden müsse, ob zwischen der nachmaligen Gemeinschuldnerin und dem Beklagten nicht eine vom Kollektivvertrag abweichende, den Beklagten begünstigende Zahlungsweise vereinbart worden sei. Hätte der Beklagte nämlich sein Entgelt vereinbarungsgemäß als Abschlagszahlungen für jeweils bereits geleistete Arbeiten zu einem Zeitpunkt erhalten, der nach der Verkehrsauffassung in zeitlichem Zusammenhang mit der erbrachten Arbeitsleistung steht, scheide die Möglichkeit einer Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO aus. Das Erstgericht habe es auch unterlassen, Feststellungen über den behaupteten gutgläubigen Verbrauch der Zahlungen durch den Beklagten zu treffen. Nach der auf das Judikat 33 neu zurückgehenden ständigen Rechtsprechung dürften zu Unrecht ausgezahlte Arbeitsbezüge, soferne ihnen Unterhaltscharakter zukommt, nicht rückgefordert werden, wenn sie der Arbeitnehmer in gutem Glauben empfangen und verbraucht habe. Auch wenn der Beklagte noch keinen klagbaren Anspruch auf den gegenständlichen Betrag gehabt haben sollte, habe er seine Arbeit geleistet und den erhaltenen Zahlungen sei jedenfalls Unterhaltsfunktion zugekommen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und im Sinne des Klagebegehrens zu erkennen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Ausspruch des Rechtskraftvorbehalts durch das Berufungsgericht ist iS des § 519 Abs 2 erster Satz ZPO schon darin begründet, daß eine Rechtsprechung zu der erheblichen Rechtsfrage des Aufeinandertreffens von Interessen des Arbeitnehmerschutzes und Gläubigerschutzes im Anfechtungsrecht fehlt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, kommt im gegenständlichen Fall der Frage der Fälligkeit des Arbeitsentgelts des Beklagten entscheidende Bedeutung zu. Dazu brachte der Kläger unmittelbar vor Schluß der Verhandlung erster Instanz lediglich vor, daß der Lohn für Juni 1986 nach § 8 des Kollektivvertrags für Bauindustrie und Baugewerbe am 15. Juli 1986 fällig gewesen sei. Der Inhalt kollektivrechtlicher Normen ist zwar von Amts wegen zu ermitteln, er kann aber die zur Klarstellung erforderlichen Tatsachenbehauptungen nicht ersetzen. § 8 Z 3 des Kollektivvertrags sieht vor, daß die Lohnabrechnung und Lohnzahlung in der Regel monatlich erfolgt. In bestimmten Betrieben, in denen eine 14-tägige, vierwöchige oder monatliche Abrechnungsperiode besteht, kann die Lohnabrechnung auch weiterhin so erfolgen. § 8 Z 4 des Kollektivvertrags ordnet an, daß die Auszahlung aller Entgelte für den Lohnzahlungszeitraum so zu erfolgen hat, daß diese Entgelte bis zum 15. des dem Lohnzahlungszeitraums folgenden Monats verfügbar sind. Daraus ergibt sich bereits, daß der Zeitpunkt der Verfügbarkeit über das Entgelt nicht mit dem Lohnabrechnungs- und Lohnzahlungszeitpunkt ident sein muß. Diesbezüglich hätte schon das Vorbringen des Klägers einer Erörterung bedurft. Dazu kommt, daß auch die Feststellung des Erstgerichts, der Beklagte habe sein Entgelt für Mai 1986 Ende dieses Monats vollständig ausgezahlt erhalten, dem ohne nähere Begründung gezogenen Schluß, der Lohn für Juni 1986 sei erst am 15. Juli 1986 fällig geworden, entgegensteht. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht von der Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens erster Instanz ausgegangen. Im übrigen sind die Ausführungen des Rekurswerbers nicht geeignet, die Ergebnisse der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 514/88 in Zweifel zu ziehen. Wie der Oberste Gerichtshof mit eingehender Begründung darlegte, kommt eine Anfechtung nach § 30 Abs 1 KO dann nicht in Betracht, wenn die bekämpften Rechtshandlungen gleichzeitig begründete Gläubigerrechte betreffen, so daß ein zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Maßgeblich ist, ob es sich nach der Verkehrsauffassung um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handelt. Insoferne kann auch die Abwicklung des Arbeitsvertrages als Austausch von Geld und Arbeit nach dem Zug-um-Zug-Prinzip angesehen werden. Die Zahlung des Arbeitsentgelts für einen Verrechnungsabschnitt darf aber nicht so spät nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgen, daß der notwendige zeitliche Zusammenhang mit den bereits erbrachten Arbeitsleistungen nach der Verkehrsauffassung nicht mehr als gegeben angesehen werden kann (4 Ob 514/88 mwH). Der Einwand des Rekurswerbers, bei einem Entstehen des Lohnanspruches am 1. Juni 1986 und einer Fälligkeit am 15. Juli 1986 sei dieser erforderliche zeitliche Zusammenhang gelöst, läßt den Ergänzungsauftrag des Rekursgerichtes außer acht, nach dem zu prüfen ist, ob die geleisteten Zahlungen vereinbarungsgemäß bereits als Abschlagszahlungen fällig waren und somit im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der jeweils erbrachten Arbeitsleistung gestanden sind.

Richtig ist, daß es bei Anwendung der Grundsätze des Judikats 33 neu nicht auf Unterhaltsleistungen im eigentlichen Sinn ankommt, sondern daß diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die irrtümlich erbrachte Leistung, wie etwa Arbeitsentgelt, wenigstens wirtschaftlich gesehen - also ohne Rücksicht auf die rechtliche Konstruktion des Verhältnisses zwischen Leistendem und Empfänger - die Funktion hatte, dem Lebensunterhalt des Empfängers zu dienen (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 231 f; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 201 f; Martinek-Schwarz AngG6 200 f; DRdA 1979/11; 14 Ob A 86/87 ua). Dieser Schutz des Arbeitnehmers in der Verwendung des Arbeitsentgelts im Zweipersonenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schlägt jedoch nicht auf Anfechtungsansprüche durch, die dem Gläubigerschutz dienen. Die Anfechtung im Konkurs hat vielmehr den Zweck, gewisse Rechtshandlungen, die bereits vor Konkurseröffnung vorgenommen wurden und die das Konkursvermögen verringerten, für unwirksam zu erklären. Der Masse sollen durch die Anfechtung Vermögensbestandteile wieder zugefürt werden, um die Gläubiger, welche durchaus auch andere Arbeitnehmer des nachmaligen Gemeinschuldners sein können, vor Rechtsnachteilen zu schützen (Schwarz-Holler-Holzer, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz 98 ff ua). Entscheidend kann hier nicht der Schutz des einzelnen Arbeitnehmers sein, der etwa als einziger sein noch nicht fälliges Entgelt erhalten hat, sondern der allgemeine Grundsatz der par conditio creditorum. Eine inkongruente Deckung bleibt den Gläubigern gegenüber auch dann relativ unwirksam (SZ 56/168 ua), wenn es sich dabei um nicht fälliges Entgelt handelt. Daß es dabei zu keinen Härten gegenüber einzelnen im voraus befriedigten Arbeitnehmern kommen kann, ergibt sich aus § 1 Abs 2 IESG, wonach Entgeltansprüche gesicherte und daher zuerkennungsfähige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind. Da sohin der Anfechtungsklage des Masseverwalters kein gutgläubiger Verbrauch des erhaltenen Entgelts entgegengehalten werden kann, sind diesbezüglich weitere Feststellungen entbehrlich.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs 1 ZPO begründet.

Anmerkung

E16926

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00314.88.0125.000

Dokumentnummer

JJT_19890125_OGH0002_009OBA00314_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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