TE OGH 1988/4/26 4Ob514/88

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Veröffentlicht am 26.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Wolfgang H***, Rechtsanwalt, Bregenz, Rathausstraße 21, als Masseverwalter im Konkurs der R*** Gesellschaft zur Schaffung von Wohnungseigentum Gesellschaft mbH (S 22/86 des Landesgerichtes Feldkirch), wider die beklagte Partei Oskar Z***, Kaufmann, Lauterach, Altweg 4i, vertreten durch Dr.Bertram Grass, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Anfechtung (Streitwert S 208.377,60) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28.September 1987, GZ 1 R 240/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14.Mai 1987, GZ 6 Cg 38/87-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die von der R*** Gesellschaft zur Schaffung von Wohnungseigentum Gesellschaft mbH am 18.März 1986, 2.April 1986 und 17. Juni 1986 an den Beklagten geleisteten Gehaltszahlungen von insgesamt S 103.783,20 sind den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam; der Beklagte ist daher schuldig, dem Kläger S 103.783,20 samt 4 % Zinsen seit 20.Februar 1987 zu zahlen.

Das Mehrbegehren, auch die Gehaltszahlungen vom 4.April 1986 und 24. Juni 1986 in der Höhe von insgesamt S 104.594,40 für unwirksam zu erklären und den Beklagten daher schuldig zu erkennen, dem Kläger weitere S 104.594,40 samt 4 % Zinsen seit 20.Februar 1987 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Prozeßkosten werden gegeneinander aufgehoben."

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5.August 1986 eröffnete das Erstgericht über das Vermögen der R*** Gesellschaft zur Schaffung von Wohnungseigentum Gesellschaft mbH in Bregenz den Konkurs und bestellte den Kläger zum Masseverwalter. Der Beklagte war seit der Gründung im Jahr 1973 Gesellschafter und Geschäftsführer der nachmaligen Gemeinschuldnerin. Er bezog zuletzt im Jahr 1986 ein Geschäftsführergehalt von S 34.594,40 monatlich, vierzehnmal im Jahr. Anfang Juli 1986 stellte er seine Geschäftsführertätigkeit ein. Die nachmalige Gemeinschuldnerin war zumindest seit Beginn des Jahres 1986 zahlungsunfähig; der Beklagte hatte davon Kenntnis. In den letzten sechs Monaten vor der Konkurseröffnung zahlte sich der Beklagte auf sein Geschäftsführergehalt folgende Beträge aus:

     18.März 1986 Bezug Jänner 1986        S 34.594,40

     2.April 1986 Bezug Februar 1986       S 34.594,40

     4.April 1986 Bezug März 1986          S 34.594,40

     17.Juni 1986 Bezug April 1986         S 34.594,40

     24.Juni 1986 Bezüge Mai und Juni 1986

     sowie anteilige Sonderzahlung         S 70.000,--.

Mit der vorliegenden Anfechtungsklage beantragt der Kläger, diese Gehaltszahlungen der Gemeinschuldnerin an den Beklagten gegenüber den Konkursgläubigern für unwirksam zu erklären und den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm S 208.377,60 samt 4 % Zinsen seit 20.Februar 1987 (Tag der Zustellung der Klage) zu zahlen. Der Beklagte habe im Zeitpunkt der durch diese Zahlungen erlangten Befriedigung Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der nachmaligen Gemeinschuldnerin gehabt; daher sei der Anfechtungsgrund nach § 31 Abs. 1 Z 2, erster Fall, KO gegeben. Die Zahlungen an den Beklagten seien aber auch erfolgt, um ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen; da der Beklagte als Gesellschafter der nachmaligen Gemeinschuldnerin als naher Angehöriger gelte, werde die Anfechtung auch auf § 30 Abs. 1 Z 2 KO gestützt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er habe mit der nachmaligen Gemeinschuldnerin keine nachteiligen Geschäfte abgeschlossen; auch liege keine Gläubigerbenachteiligung vor. Dem Erhalt der Zahlungen stehe die Erbringung von Arbeitsleistungen gegenüber.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Eine Anfechtung nach § 31 Abs. 1 Z 2, erster Fall, KO sei ausgeschlossen, wenn die Sicherstellung oder Befriedigung im Rahmen einer Zug-um-Zug-Abwicklung erlangt worden sei. Ein Dauerschuldverhältnis wie der vorliegende Dienstvertrag sei wie eine Zug-um-Zug-Leistung zu behandeln. Ein anderer Anfechtungstatbestand sei nicht geltend gemacht worden.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, hinsichtlich des Rechtsgestaltungsbegehrens sowohl allein als auch zusammen mit dem Zahlungsbegehren S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht folgendes aus:

Die Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und wegen Begünstigung sei ausgeschlossen, wenn die (Sicherstellung oder) Befriedigung gleichzeitig mit der Begründung der Schuld gewährt werde und damit einen Teil des die Schuld begründenden Rechtsgeschäftes bilde. Das sei etwa bei einem Barkauf, bei einem Kreditkauf mit gleichzeitiger Sicherstellung des Kaufpreises oder bei Einräumung eines Kredites gegen Sicherstellung der Fall, weil der Gläubiger in diesen Fällen nur das erhalte, was ihm der Schuldner auf Grund der Vereinbarung habe leisten müssen, um das Schuldverhältnis begründen zu können. Die genannten Rechtshandlungen seien hingegen dann anfechtbar, wenn die betreffende Forderung zur Zeit ihrer (Sicherstellung oder) Befriedigung bereits bestanden habe. Letzteres sei bei der Zahlung des Entgelts an den Dienstnehmer der Fall: Dienstnehmer seien mangels anderer Vereinbarung vorleistungspflichtig; ihre Gehaltsforderungen bestünden daher bereits, wenn sie jeweils am Monatsende eine Gehaltszahlung erhielten. Der Beklagte gelte gemäß § 32 Abs. 2 KO als naher Angehöriger der Gemeinschuldnerin, weil er deren Gesellschafter sei. Da er durch die angefochtenen Zahlungen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eine Befriedigung erhalten habe, hätte er gemäß § 30 Abs. 1 Z 2 KO behaupten und beweisen müssen, daß ihm die Absicht der Gemeinschuldnerin, ihn vor den anderen Gläubigern zu begünstigen, weder bekannt war noch hätte bekannt sein müssen; derartige Behauptungen habe er aber nicht einmal aufgestellt. Da - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes - auch dieser Anfechtungstatbestand geltend gemacht worden sei, brauche auf die Frage, ob auch die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gegeben wären, nicht mehr eingegangen zu werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise stellt der Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Wert des Streitgegenstandes bei Geltendmachung eines Anfechtungsanspruches ist der Wert der von der Konkursmasse erstrebten Beseitigung der ihr aus der anfechtbaren Rechtshandlung erwachsenen Benachteiligung (5 Ob 575/81; Petschek-Reimer-Schiemer,

Das österreichische Insolvenzrecht 413), also jener Betrag, um den der Befriedigungsfonds der Gläubiger durch die anfechtbare Rechtshandlung verringert wurde (Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 62). Wurde ein Begehren auf Unwirksamkeit einer Rechtshandlung mit dem Begehren auf Leistung dessen, was der Beklagte daraus erhalten hat, verbunden (zum Erfordernis eines Rechtsgestaltungsbegehrens siehe nunmehr WBl 1987, 74), dann bestimmt sich der Streitwert somit nach dem Leistungsbegehren (5 Ob 575/81; Steinbach-Ehrenzweig, Kommentar zur Anfechtungsordnung 549 f). Eines Bewertungsausspruches nach § 500 Abs. 2 ZPO hätte es somit im vorliegenden Fall nicht bedurft, weil der Streitgegenstand nach den dargestellten Grundsätzen in Geld besteht. Der Beklagte bekämpft lediglich die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die laufende Gehaltszahlung an einen Dienstnehmer keine Zug-um-Zug-Abwicklung sei. Jede solche Abwicklung bringe es mit sich, daß ein geringer zeitlicher Unterschied zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich noch um eine Zug-um-Zug-Abwicklung handle, sei die Verkehrsauffassung maßgeblich. Es dürfe nicht darauf ankommen, ob die Entgeltzahlung im vorhinein oder im nachhinein erfolgte; Dienstleistungen und Gehaltszahlungen bildeten immer einen einheitlichen geschäftlichen Vorgang. Dem kann nur teilweise gefolgt werden:

Die Anfechtungstatbestände nach § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 KO setzen eine bereits bestehende Gläubigerstellung voraus. Die Forderung des Anfechtungsgegners muß zur Zeit der Sicherstellung oder Befriedigung bereits - zumindest bedingt oder

betagt - bestanden haben; betreffen hingegen die bekämpften Rechtshandlungen gleichzeitig begründete Gläubigerrechte, dann kommt eine Anfechtung wegen dieser Tatbestände grundsätzlich nicht in Betracht (SZ 32/127; SZ 50/57; SZ 52/147; SZ 57/87; Lehmann I 283; BartschPollak I 202; Petschek-Reimer-Schiemer aaO 314; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung, Rz 225 und 291; Jäger-Lent, KO8, 467 Rz 37 zu § 30 dKO, Mentzel-KuhnUhlenbruck, KO10, 587 Rz 23 zu § 30 dKO). Diese Auffassung wird im wesentlichen damit begründet, daß durch die genannten Anfechtungstatbestände nicht solche Geschäfte des Gemeinschuldners in der Krise unterbunden werden sollen, bei denen gleichwertige Leistungen ausgetauscht werden, dem Gemeinschuldner also ein seiner Leistung entsprechender Gegenwert zufließt; auch soll der infolge seiner Zahlungsunfähigkeit kreditunwürdige Schuldner nicht völlig vom Abschluß zweiseitig verbindlicher vermögensrechtlicher Geschäfte ausgeschlossen werden. Die Zug-um-Zug-Abwicklung darf jedoch nicht bloß vereinbart sein; es bedarf vielmehr eines zeitlichen und ursächlichen Zusammenhanges zwischen Leistung und Gegenleistung. Die gleichzeitige Bewirkung von Leistung und Gegenleistung wird allerdings nicht gefordert;

maßgeblich ist vielmehr, ob es sich nach der Verkehrsauffassung um einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang handelt (König aaO Rz 225; Jäger-Lent aaO 468 Rz 37 zu § 30 dKO;

Mentzel-Kuhn-Uhlenbruck aaO Rz 23 a zu § 30 dKO).

Die Frage, ob die Erbringung von Arbeitsleistungen und die Zahlung des Entgelts in regelmäßigen Abschnitten auf Grund eines auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen Dienstvertrages als Zug-um-Zug-Abwicklung anzusehen ist, wurde, soweit ersichtlich, in Lehre und Rechtsprechung noch nicht behandelt. Da ein Arbeitsvertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet, das grundsätzlich auf den Austausch von Leistungen beider Seiten - durch die Arbeitspflicht auf Arbeitnehmerseite und die Entgeltpflicht auf Arbeitgeberseite - ausgerichtet ist (Dungl, Handbuch des österreichischen Arbeitsrechtes5, 88), werden auch bei seiner Abwicklung Geld und Arbeit nach dem Zug-um-Zug-Prinzip ausgetauscht. In der Rechtslehre wird in diesem Zusammenhang sogar die Auffassung vertreten, daß bei der fortlaufenden Abwicklung von Dauerschuldverhältnissen die Verbindlichkeiten jeweils nur sukzessive für die betreffenden Zeitabschnitte entstehen (Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnisse 131 mwH).

Die Gleichstellung des fortgesetzten Austausches von Arbeitsleistung und Entgelt mit der Zug-um-Zug-Abwicklung eines Zielschuldverhältnisses ist aber auch sachlich gerechtfertigt: So wie dem Gemeinschuldner während der Krise nicht die Vornahme etwa von Barkäufen, Kreditkäufen mit gleichzeitiger Sicherstellung des Kaufpreises oder Kreditgeschäften gegen Einräumung von Sicherheiten verwehrt sein soll, soll es ihm auch möglich sein, die für die Fortführung des Unternehmens erforderlichen Arbeitskräfte weiterzubeschäftigen und ihnen Zug um Zug gegen Erbringung der Arbeitsleistung auch das vereinbarte Arbeitsentgelt zu zahlen, sofern die Befriedigung dieser Entgeltansprüche nicht anderen Anfechtungstatbeständen als denen der (vermuteten) Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Begünstigungsabsicht unterliegt. Die Zahlung des Arbeitsentgelts für einen bestimmten Verrechnungsabschnitt darf freilich nicht so spät nach dem Eintritt der Fälligkeit geschehen, daß der notwendige zeitliche Zusammenhang mit den bereits erbrachten Arbeitsleistungen nach der Verkehrsauffassung nicht mehr als gegeben angesehen werden kann. Von einer Zug-um-Zug-Abwicklung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses kann jedenfalls dann nicht mehr gesprochen werden, wenn das auf einen bestimmten Verrechnungszeitraum entfallende Arbeitsentgelt erst nach Ablauf der nächstfolgenden Verrechnungsperiode gezahlt wird.

Auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet, ergeben diese Grundsätze, daß die nachmalige Gemeinschuldnerin dem Kläger das Entgelt für die Monate Jänner, Februar und April 1986, das sich der Kläger jeweils mehr als 4 bzw. 6 Wochen nach den entsprechen Monatsletzten gezahlt hat, nicht mehr Zug um Zug gegen Erbringung der entsprechenden Arbeitsleistungen geleistet hat; diese Zahlungen unterliegen daher der Anfechtung nach § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 KO. Die übrigen Gehaltszahlungen stehen dagegen mit der Erbringung der Arbeitsleistung des Beklagten in einem für die Annahme einer Zug-um-Zug-Abwicklung noch ausreichenden zeitlichen Zusammenhang.

Daß die übrigen Anfechtungsvoraussetzungen nach § 30 Abs. 1 Z 2 KO vorliegen, ist im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittig; insoweit kann daher auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Die subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen nach § 31 Abs. 1 Z 2 KO stehen außer Streit (ON 7 S 36).

Aus den angeführten Erwägungen war dem Anfechtungsbegehren nur hinsichtlich derjenigen Zahlungen stattzugeben, die als Entgelt für länger als einen Monat zurückliegende Dienste geleistet wurden; hinsichtlich der übrigen, Zug um Zug erbrachten Entgeltzahlungen war das Anfechtungsbegehren hingegen abzuweisen.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs. 1 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO. Da die Streitteile in allen Instanzen jeweils zur Hälfte obsiegt haben, zur Hälfte aber unterlegen sind, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben.

Anmerkung

E14170

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00514.88.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19880426_OGH0002_0040OB00514_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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