TE OGH 1989/3/7 5Ob18/89

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Veröffentlicht am 07.03.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin P*** B*** K*** KG,

Mariahilferstraße 15, 1060 Wien, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien wider den Antragsgegner Alexander B***, Inhaber der Firma H*** T***, Erna S*** Nfg. Alexander B***, Mariahilferstraße 15, 1060 Wien, vertreten durch Ing. Helmut Niemeck, Prokurist, Mariahilferstraße 15, 1060 Wien, wegen §§ 37 Abs 1 Z 9, 17 MRG, infolge Rekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. November 1988, GZ 41 R 440/88-52, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Februar 1988, GZ 42 Msch 18/85-40, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens wird der neuen Entscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Mit dem am 21. Februar 1985 bei der Schlichtungsstelle des Magistratischen Bezirksamtes für den 6. und 7. Bezirk gegen Alexander B*** als Eigentümer des Hauses Wien 6., Mariahilferstraße 15, erhobenen Antrag begehrte die P*** B*** K*** KG die Festsetzung der Betriebskostenanteile unter Berücksichtigung neu geschaffener Räume. In den letzten Jahren seien im Dachgeschoß eine größere Anzahl von Hotelzimmern geschaffen und im Keller ein Speisesaal sowie ein Wäschereiraum neu eingerichtet worden. Der bisherige Anteil des Bestandgegenstandes der Antragstellerin habe 23,8 % betragen und sei anläßlich der Umstellung auf Quadratmeter geändert worden. Da der Betriebskostenschlüssel die baulichen Veränderungen nicht berücksichtige, sei der Antrag berechtigt.

Die Antragstellerin gab sich mit der ihren Antrag unter Hinweis auf die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 MRG zurückweisenden Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden und rief rechtzeitig das Gericht an (§ 40 Abs 1 MRG). Im Verfahren erklärte die Antragstellerin, den Antrag betreffend die Betriebskostenvorschreibung über das gesamte Jahr 1984 auszudehnen. Ab 1. Jänner 1984 sei ein neuer Betriebskostenschlüssel zu errechnen, nach dem auf ihr Objekt voraussichtlich 3,3 % entfallen würden. Die Antragstellerin stellte sodann den Antrag 1.) im Wege eines Zwischenantrages auf Feststellung die Höhe des Betriebskostenschlüssels ihr Objekt betreffend mit 3,3 % festzustellen, und 2.) auszusprechen, daß durch die Vorschreibungen des Antragsgegners das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten worden sei.

Der Antragsgegner bestritt seine Passivlegitimation sowie die Aktivlegitimation der Antragstellerin und sprach sich gegen den Antrag aus. Das Mietverhältnis unterliege gemäß § 1 Abs 2 MRG nicht dem MRG. Außerdem sei der Betriebskostenschlüssel von der Antragstellerin anläßlich einer Verhandlung vor der Schlichtungsstelle zu Schli 1, 2/84 mit 23,8 % außer Streit gestellt worden.

Das Erstgericht stellte mit Sachbeschluß den Anteil des Mietgegenstandes der Antragstellerin in dem genannten Hause an den Gesamtkosten zum 1. März 1985 mit 0 % fest und wies das "darüber hinausgehende Begehren" ab. Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Bis zum 17. Juni 1941 war die Antragstellerin als

"P*** B*** K***" mit dem Standort Wien 1.,

Weihburggasse 10 und dem Betriebsgegenstand "Handel mit Schreib- und Papierwaren, Fotografien, Originalgemälden etc." im Handelsregister eingetragen. Zu dieser Zeit waren zwei weitere Betriebsstätten an der Adresse Wien 6., Mariahilferstraße 15 vorhanden. In der Folge wurde das Unternehmen von dessen Inhaber liquidiert und die Firma am 17. Juni 1941 im Handelsregister gelöscht. Das Geschäft in Wien 6., Mariahilferstraße 15 wurde von einem "neuen Erwerber" als nicht protokolliertes Einzelunternehmen weitergeführt. Dieses Unternehmen stellte wirtschaftlich die Fortsetzung des unter der Firma P*** B*** K*** betriebenen Unternehmens dar. Das Unternehmen wurde unter der Bezeichnung P*** B*** K*** betrieben und als Kommanditgesellschaft ins Handelsregister eingetragen. Am 6. Oktober 1980 trat Minna B*** als persönlich haftende Gesellschafterin aus und als Kommanditistin in die Gesellschaft ein; gleichzeitig trat Marylin K*** als persönlich haftende Gesellschafterin und am 7. November 1980 Friedrich K*** ebenfalls als persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft ein. Mit Kaufvertrag vom 3. Jänner 1979 erwarb der Antragsgegner die gegenständliche Liegenschaft. Das Geschäftslokal der Antragstellerin ist in dem auf der Liegenschaft befindlichen H*** T*** optisch eingegliedert, von diesem jedoch räumlich getrennt. Die Antragstellerin betreibt in diesem Lokal das Gewerbe des Postkartenverlages und -verkaufes. Kunden des gegenständlichen Geschäfts sind ua in einer nicht mehr bestimmbaren Anzahl Hotelgäste. Anläßlich eines Außerstreitverfahrens vor dem Magistratischen Bezirksamt für den 6. und 7. Bezirk wurde am 8. November 1984 von der Antragstellerin der Betriebskostenschlüssel vor dem Jahr 1984 mit 23,8 % außer Streit gestellt. Da der Antragsgegner im Zuge des Verfahrens sich weigerte, das Haus vermessen zu lassen, blieben die Versuche zweier vom Erstgericht beigezogener Sachverständigen, die Nutzfläche im Haus festzustellen, erfolglos.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den vorliegenden Sachverhalt dahin, daß die Aktivlegitimation der Antragstellerin gegeben sei, der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 1 MRG nicht vorliege, weil das Gewerbe der Antragstellerin mit dem Gewerbe eines Fremdenbeherbergungsgewerbes nichts zu tun habe und schließlich die Antragstellerin keinen Betriebskostenanteil zu zahlen hätte, weil der Antragsgegner sich der Vermessung der Nutzfläche wiederholt widersetzt habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem von der Antragstellerin lediglich im Kostenpunkt erhobenen Rekurs nicht Folge, hob jedoch in Stattgebung des Rekurses des Antragsgegners den angefochtenen Sachbeschluß auf und verwies die Rechtssache unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung zurück.

In Erledigung des Rekurses des Antragsgegners ging das Gericht zweiter Instanz davon aus, daß die erstgerichtliche Entscheidung eine "Nicht-Entscheidung" darstelle. Im anzuwendenden Außerstreitverfahren könne der Richter eine Entscheidung nicht mit der Begründung ablehnen, daß der Sachverhalt nicht habe ermittelt werden können. Vielmehr sei ein einmal eingeleitetes Außerstreitverfahren so lange durchzuführen, bis Klarheit geschaffen werde. Nichtaufklärung habe zur Folge, daß das Verfahren nicht abgeschlossen werden könne. Der Antrag könne nicht infolge "Beweisnotstandes des Gerichtes" abgewiesen werden. Den Außerstreitrichter treffe damit die Pflicht, ohne Rücksicht auf Parteienverhalten den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln (vgl. Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht, Allgemeiner Teil, 75). Gemäß § 37 Abs 1 Z 9 MRG sei die Verteilung der Gesamtkosten und Anteil eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten (§ 17 MRG) im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Absatz 3 des § 37 MRG lege dazu verschiedene Besonderheiten fest. So sei im Falle der Notwendigkeit von Sachverhaltsermittlungen zwingend eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben, für die Aufnahme von Beweisen und die Protokollierung gälten grundsätzlich die Vorschriften der ZPO. Die im Außerstreitverfahren geltende Untersuchungsmaxime sei aber durch die Anwendbarkeit der Vorschriften über die zugestandenen Tatsachen (§§ 266, 267 ZPO) eingeschränkt, § 183 Abs 2 ZPO gelte jedoch nicht (vgl. Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 511). Im vorliegenden Fall verlange das Gesetz (§ 17 Abs 3 MRG), daß die für den Verteilungsschlüssel maßgebliche Nutzfläche nach dem Naturmaß zu berechnen sei. Die Anwendung von Beweislastregeln im Sinne einer "Mitwirkungspflicht der Parteien" (vgl. Würth aaO S. 522 ff) erweise sich im vorliegenden Mehrparteienverfahren dabei als schwierig. Das Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 9 MRG habe nämlich ausschließlich die Prüfung des gesetzlichen Verteilungsschlüssels zum Gegenstand. So könne in diesem Verfahren nicht geprüft werden, ob vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter getroffen worden seien (vgl. MietSlg. 38.528). Wenn auch die mangelnde Beweisbarkeit von Tatsachen zu Lasten der Partei gehe, welche auf sie Rechte gründe (vgl. MietSlg. 38.551), so habe dennoch das Gericht hier den für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen (vgl. MietSlg. 33.425). Die Erkenntnis des Gerichtes, bestimmte Tatsachen nicht feststellen zu können, setze demnach jedenfalls voraus, daß das Gericht zuvor alle in Betracht kommenden Beweismittel, ohne an Parteienanträge gebunden zu sein, ausgeschöpft habe (vgl. MietSlg. 29.423). Dem sei das Erstgericht aber nicht nachgekommen. Soweit der Rekurswerber sich nicht auf das gegenständliche Schlichtungsverfahren Schli 1/85 beziehe, gehe sein Vorbringen allerdings ins Leere. Eine Ausdehnung des Antrages auf das gesamte Jahr 1984, wie dies im gegenständlichen Verfahren erfolgt sei, erscheine wohl nicht zulässig (vgl. MietSlg. 33.440 ff), doch sei dem durch "Abweisung des Mehrbegehrens" vom Erstgericht ohnedies Rechnung getragen worden. Es treffe auch nicht zu, daß das Gericht im außerstreitigen Verfahren etwa an die im Parteienantrag begehrte Höhe eines Verteilungsschlüssels gebunden wäre, vielmehr habe das Gericht von Gesetzes wegen den Auftrag, die richtige Höhe von Amts wegen festzustellen (vgl. MietSlg. 38.372). Wie schon angedeutet, könne im vorliegenden Mehrparteienverfahren einer Außerstreitstellung nicht die gleiche Wirkung zukommen, wie in einem Zweiparteienverfahren. Darüber hinaus sei die vom Rekurswerber angeführte "Außerstreitstellung" über den Betriebskostenschlüssel des Jahres 1983 in einem anderen (Schlichtungs-)Verfahren erfolgt. Der Betriebskostenschlüssel des Jahres 1983 sei überdies hier nicht Verfahrensgegenstand. Gemäß § 47 Abs 2 MRG habe der Vermieter bis 31. Dezember 1983 den bei Inkrafttreten des MRG maßgebenden Verteilungsschlüssel weiter anwenden dürfen. Auf Grund der durch das MRG erfolgten Umstellung des Verteilungsschlüssels für Betriebskosten entsprechend der Nutzflächenrelationen sei aber eine Neuberechnung des Schlüssels, auch ohne daß bauliche Veränderungen durchgeführt worden seien, erforderlich geworden. Es komme daher nicht darauf an, ob der Antragstellerin der Beweis solcher die Nutzflächenrelationen verändernder baulicher Tätigkeit am gegenständlichen Haus gelungen sei oder nicht. Die Behauptung des Rekurswerbers, daß durch die Vermessung der Nutzfläche im Hotel, welches "nun einmal nicht wegen Renovierung" schließe, eine wesentliche Beeinträchtigung des Hotelbetriebes eintrete, sodaß eine "Befundaufnahme während des laufenden Betriebes nicht möglich sei", erscheine wenig stichhältig. Komme es doch auch "während laufenden Hotelbetriebes" wohl ständig zum Betreten der Gästezimmer durch Bedienungspersonal, welches zB Reinigungsarbeiten durchführe, fallweise sicherlich auch durch diverse Reparaturen und allenfalls Ausmessungen durchführende Handwerker (überdies würde die Nichtzulassung der Vermessungsarbeiten das Erstgericht nicht der Pflicht entheben, die Nutzfläche nach dem Naturmaß zu berechnen). Was den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation der Antragstellerin betrifft, erscheine das im Verfahren vor dem Erstgericht vom Antragsgegner erstattete Vorbringen nicht geeignet, die Aktivlegitimation der Antragstellerin in Zweifel zu ziehen. Der Antragsgegner gehe nämlich selbst davon aus, daß ein Mietvertrag bestehe, welcher jedoch angeblich "im Jahre 1949 erschlichen" worden sei (AS 8). Mit Schriftsatz ON 9 habe der Antragsgegner "gemäß § 934 ABGB die Aufhebung des Mietvertrages wegen Verkürzung unter die Hälfte des wahren Wertes" eingewendet und eine diesbezügliche Zwischenentscheidung beantragt (S. 31, 33). Auch dabei gehe der Antragsgegner von einem bestehenden Mietvertrag aus. Daß eine erfolgreiche Anfechtung des Mietvertrages im hiefür ausschließlich zuständigen streitigen Prozeßweg erfolgt sei, sei vom Antragsgegner nicht behauptet worden. Die Rechtsfolgen der Täuschung und der Verkürzung über die Hälfte seien die Anfechtbarkeit durch Klage oder Einrede im Prozeßweg (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 870 und Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 934). Erst die erfolgreiche Anfechtung im Prozeßweg führe die Vernichtung des Vertrages herbei. Das Erstgericht sei daher zu Recht von der vorliegenden Aktivlegitimation der Antragstellerin ausgegangen. Soweit der Antragsgegner in seinem Rekurs davon ausgehe, daß das Mietverhältnis nach "7.11.1960" zustandegekommen sei, stelle diese eine unbeachtliche Neuerung dar. Überdies würde dieser Umstand der Aktivlegitimation der Antragstellerin keinen Abbruch tun. Im Ergebnis erweise sich aber der Rekurs des Antragsgegners im Sinne des Aufhebungsantrages im Hinblick auf die bereits aufgezeigten wesentlichen Verfahrensmängel als gerechtfertigt. Wie das Erstgericht zutreffend in seiner rechtlichen Beurteilung ausführe, würde sich nämlich auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse jede Festlegung eines Betriebskostenschlüssels als "Phantasiebetriebskostenschlüssel" erweisen. Dies müsse allerdings auch für den vom Erstgericht festgesetzten Betriebskostenschlüssel "Null" gelten. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren an Hand der Naturmaße die Nutzflächen sowohl des Mietobjektes der Antragstellerin (sowie allfälliger weiterer Mietobjekte) und die Nutzfläche aller vermieteten, vom Vermieter benützten oder trotz ihrer Vermietbarkeit unvermieteten Wohnungen oder sonstigen Wohnflächen des Hauses im Sinne des § 17 Abs 1 MRG festzustellen haben. Dem Erstgericht werde es dabei nicht erspart bleiben, die Rechtssache mit den Parteien neuerlich zu erörtern, wobei allenfalls auch der Antragsgegner (nicht nur der Antragsgegnervertreter) einzubeziehen sein werde. Dabei würden auch die Folgen einer allfälligen weiteren Verweigerung der Mitwirkung des Antragsgegners am Verfahren in Aussicht zu stellen sein. Sollte nämlich weiterhin eine Vermessung des Hauses zur Feststellung der Naturmaße durch den Antragsgegner verweigert werden, so wären die Naturmaße allenfalls an Hand der gültigen Baupläne (Bauakt) im Sinne des § 273 ZPO zu ermitteln. Sollte dies ebenfalls nicht möglich sein, so bliebe noch die weitere Möglichkeit, daß vom Sachverständigen die Naturmaße, soweit dies vom Antragsgegner zugelassen werde, ermittelt werden, d.h., daß der Sachverständige allenfalls nur eine Vermessung des Gebäudes von außen durchführe und sodann, ohne Berücksichtigung vorhandener Mauern, entsprechend der erkennbaren Stockwerksaufgliederung die Gesamtnutzfläche feststelle. Dieser Gesamtnutzfläche wären die Nutzflächen des Mietobjektes der Antragstellerin (und etwaiger anderer Mieter) gegenüberzustellen. Durch die sich dadurch für den Antragsgegner offenkundig ergebenden Nachteile, könnte sich dieser dann infolge seiner mangelnden Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung nicht als beschwert erachten. Die Anwendung von Zwangsmitteln im Sinne des § 19 AußStrG würde sich dadurch erübrigen (s.a. MietSlg. 16.535/54, Würth in Korinek-Krejci, S. 510 ff). Dem Rekurs des Antragsgegners sei somit im aufgezeigten Sinn Folge zu geben gewesen.

Gegen diesen unter Rechtskraftvorbehalt erfolgten Aufhebungsbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Sachbeschluß sinngemäß durch Feststellung, daß dem Antragsgegner ab 1. März 1985 kein Anspruch auf anteiligen Betriebskostenersatz zustehe, wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragte in seiner Rechtsmittelgegenschrift, dem Rekurs der Antragstellerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt. In ihrem Rekurs wendet sich die Antragstellerin gegen die nach Ansicht des Rekursgerichtes aus der Anwendung des im besonderen außerstreitigen Verfahren nach dem MRG geltenden Untersuchungsgrundsatzes für die vorliegende Rechtssache sich ergebenden Konsequenzen. Ausgehend von den vom Gesetzgeber mit den Mieterschutzbestimmungen verfolgten Absichten und der auch im Bereich des § 37 MRG aufrecht erhaltenen vollen Dispositionsbefugnis der Parteien, wonach die Verweigerung der Mitwirkung an der Sachverhaltsermittlung einem materiellrechtlichen Anspruchsverzicht gleichzuhalten sei, müsse bei Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes eine teleologische Auslegung vorgenommen werden, und zwar dahin, daß in Bereichen, in welchen bei voller Dispositionsfreiheit der Parteien ein Schutzbedürfnis des Mieters nicht bestehe, nur von einer relativen Wirkung der Schutzbestimmungen auszugehen sei. Einem Vermieter, der die Ausmessung der "Mietflächen" verweigere, könne daher nicht gegen seinen Willen ein Recht auf eine bestimmte Quote zur Einhebung von Betriebskosten aufgedrängt werden. Ihm stünde vielmehr die Möglichkeit offen, jederzeit durch Nachweis der tatsächlichen Flächenmaße die zulässigen anteiligen Betriebskosten einzuheben. Wollte man es nicht dem Vermieter überlassen, von diesem Recht Gebrauch zu machen, so wäre dies mit dem Grundsatz der Parteiendisposition nicht in Einklang zu bringen. Das Erstgericht habe daher mit Recht es abgelehnt, einen nur durch Schätzung ermittelten, nicht von den gesetzlichen Grundlagen ausgehenden Aufteilungsschlüssel festzusetzen.

Vor Eingehen in diese Rekursausführungen ist zu der in der Rechtsmittelgegenschrift des Antragsgegners erhobenen Rüge Stellung zu nehmen, die Vorinstanzen hätten wegen des Vorliegens des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 2 Z 1 MRG zu Unrecht die Anwendbarkeit des MRG angenommen. Daß die Antragstellerin das Geschäftslokal entgeltlich benützt, somit ein Mietvertrag vorliegt, ist nicht strittig. Der Antrag wurde gegen Alexander B*** gerichtet, der das gegenständliche Haus im Jahre 1979 erworben hat und der sich auch als solcher am Verfahren beteiligt hat. Inwiefern das von der Antragstellerin benützte Geschäftslokal, in dem schon vor dem Jahr 1941 ein Handelsunternehmen betrieben wurde, "im Rahmen des Betriebes eines Beherbergungsunternehmens vermietet" worden sein sollte, ist den Ergebnissen des Verfahrens nicht zu entnehmen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, Alexander B*** führe seinen Hotelbetrieb in seinem Haus auf Grund eines anderen Titels als kraft Eigentums. Die entgeltliche Gebrauchsüberlassung des Geschäftslokales an die Antragstellerin stellt sich somit nach den bisherigen Verfahrensergebnissen sehr wohl als Hauptmietvertrag dar, auf den die Bestimmungen des MRG anzuwenden sind. Nach § 17 MRG bestimmt sich - von den im Gesetz vorgesehenen, hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahmen abgesehen - der Anteil eines Mietgegenstandes an den Gesamtkosten des Hauses nach dem Verhältnis der Nutzfläche des Mietgegenstandes zur Nutzfläche aller vermieteten, vom Vermieter benützten oder trotz ihrer Vermietbarkeit nicht vermieteten Wohnungen oder sonstigen Mietgegenstände des Hauses, allerdings unter Ausschluß einer Hausbesorgerdienstwohnung, wobei das Gesetz den Begriff der Nutzfläche selbst zwingend (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 17 MRG) definiert und die Ermittlung der Nutzfläche - abgesehen von Gebäuden, für die die Baubewilligung nach dem 1. Jänner 1985 erteilt wurde - ausdrücklich nach Naturmaßen normiert (§ 17 Abs 2 MRG bzw. § 17 Abs 2 und 3 MRG idF des § 58 WFG 1984). Unter Nutzfläche versteht das MRG die gesamte Bodenfläche eines Mietgegenstandes abzüglich der Wandstärken und der im Verlaufe der Wände befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen). Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sind, sowie Treppen, offene Balkone und Terrassen sind bei der Berechnung der Nutzflächen nicht zu berücksichtigen. Da die Vorschrift über die Berechnung der Nutzfläche nach § 17 MRG zwingend ist (vgl. auch Palten in Korinek-Krejci, HBzMRG, 399) und die Berechnung der Nutzfläche auf Grund des behördlich genehmigten Bauplans im Hinblick auf das Alter des Gebäudes nicht möglich ist, macht § 17 MRG eine Neuaufnahme der Maße aller Mietgegenstände notwendig. Nach § 15 Abs 1 MRG besteht der vom Mieter für die Überlassung eines Mietgegenstandes in Hauptmiete zu entrichtende Mietzins ua aus dem Hauptmietzins, aus dem auf den Mietgegenstand entfallenden Anteil an den Betriebskosten und den von der Liegenschaft zu entrichtenden laufenden öffentlichen Abgaben sowie den auf den Mietgegenstand entfallenden Anteil für allfällige besondere Aufwendungen. Wenn nun § 17 MRG als Grundsatz die gleichförmige Verteilung der "Gesamtkosten" des Hauses nach der Nutzfläche zwingend normiert und eine Ausnahme von diesem Grundsatz im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommt, so darf der Vermieter dem Mieter den auf seinen Mietgegenstand entfallenden Anteil an den Betriebskosten, den von der Liegenschaft zu entrichtenden laufenden öffentlichen Abgaben und den Anteil für allfällige besondere Aufwendungen nur nach Maßgabe des im § 17 Abs 1 zwingend normierten Verteilungsschlüssels vorschreiben. Darf der Vermieter aber Betriebskosten, öffentliche Abgaben und den Anteil an besonderen Aufwendungen (§ 24 MRG) gesetzlich zulässig nur nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel auf den Mieter überwälzen, so obliegt ihm allein die Durchführung der (Erst-)Vermessung sämtlicher Mietgegenstände seines Hauses, wobei den Mieter lediglich eine Duldungspflicht im Sinne des § 8 Abs 2 MRG trifft (vgl. Palten, aaO, 399). Überwälzt nun ein Vermieter in gesetzlich unzulässiger Weise die Betriebskosten, laufende öffentliche Abgaben und besondere Aufwendungen für Gemeinschaftsanlagen im Sinne des § 24 MRG, so steht dem Mieter das Recht zu, den Betriebskostenschlüssel bzw. seinen Anteil daran auch ohne Bezug auf bestimmte Vorschreibungen im außerstreitigen Verfahren nach dem MRG feststellen (§ 37 Abs 1 Z 9 MRG) und/oder die ihm vorgeschriebenen Mietzinsbestandteile, die nicht Hauptmietzins darstellen, überprüfen zu lassen (§ 37 Abs 1 Z 12 MRG). Ein solches Antragsrecht des Mieters (vgl. Palten, aaO, 400; Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG 503) bedeutet aber noch nicht, daß das Gericht über einen solchen Antrag inhaltlich positiv zu entscheiden hat. In allen außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG besteht einerseits die Verpflichtung des Richters zur materiellen Prozeßleitung im weitesten Sinn, anderseits aber auch die sich schon aus der Natur der Sache ergebende Mitwirkungspflicht der Parteien (Würth, aaO, 520). Wenngleich der Untersuchungsgrundsatz den Richter verpflichtet, den strittigen und für die Entscheidung wesentlichen Sachverhalt ohne Bindung an Parteienanträge von Amts wegen zu erheben und festzustellen, so hat diese Verpflichtung doch zur Voraussetzung, daß die Parteien im Rahmen ihrer "Mitwirkungspflicht" dem Gericht die für das Verfahren erforderlichen Informationen im weitesten Sinn erteilen. Zu dieser Informationspflicht der Parteien gehört aber nicht nur die Beteiligung an den Verhandlungen und die Erstattung entsprechenden Sachvorbringens, sondern auch die Mitwirkung bei der Beweisaufnahme (Würth, aaO, 523 f), für die gemäß § 37 Abs 3 Z 12 MRG die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung - mit Ausnahme des zweiten Absatzes des § 183 - gelten. In diesem Sinne sind die Parteien verpflichtet, der gerichtlichen Aufforderung zum persönlichen Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung zu entsprechen und die Vornahme von Augenscheinen, allenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen sowie deren Befundaufnahme zu dulden (vgl. §§ 183 Abs 1 Z 1 und 4, 368, 351 ff ZPO, § 37 Abs 3 Z 12 MRG). Um dem Sachverständigen die Befundaufnahme zu ermöglichen, ist das Gericht auch berechtigt, den Parteien in Form eines unanfechtbaren Beschlusses (vgl. Fasching III 493) Aufträge zu erteilen, etwa dem Sachverständigen die zur Gutachtenerstattung erforderlichen Unterlagen zugänglich zu machen (§ 359 ZPO, § 37 Abs 3 Z 12 MRG). Die Verletzung solcher aus der Mitwirkungspflicht erfließenden Obliegenheiten der Parteien hat im Bereich des außerstreitigen Verfahrens nach dem Mietrechtsgesetz zur Folge, daß zu Lasten der sich pflichtwidrig verhaltenden Partei von der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Sachverhaltsannahme auszugehen ist (vgl. Würth, aaO, 523). Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zu folgenden Konsequenzen:

Da der für die Überwälzung von Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben allein maßgebliche Verteilungsschlüssel im Sinne des § 17 Abs 1 MRG im vorliegenden Fall nur nach dem Naturmaß berechnet werden kann, hat das Gericht dem Antragsgegner den Auftrag zu erteilen, die Ergebnisse einer von ihm durchzuführenden oder zu veranlassenden Vermessung sämtlicher Mietgegenstände nach dem Naturmaß bekanntzugeben und im Falle der Bestreitung deren Richtigkeit darüber Befund und Gutachten eines Sachverständigen einzuholen und den Parteien die zur Befundaufnahme erforderlichen Aufträge zu erteilen. Sollte der Antragsgegner auch nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage im aufgezeigten Sinn sich weigern, seiner Mitwirkungspflicht am Verfahren zu entsprechen, so hätte dies zur Folge, daß der allein maßgebliche Aufteilungsschlüssel nicht festgestellt werden kann. Im Hinblick auf den zwingenden Charakter des § 17 MRG und die Bindungswirkung einer Entscheidung nach § 37 Abs 1 Z 9 MRG für allfällige künftige Mieter und Vermieter ist es nicht möglich, daß sich das Gericht mit der Feststellung eines von anderen Maßen ausgehenden Verteilungsschlüssels, etwa in der vom Rekursgericht aufgezeigten Form, begnügt; denn mangels Kenntnis des Vorhandenseins entsprechender Raumeinteilungen im Inneren des Gebäudes läßt sich nicht beurteilen, in welchem tatsächlichen Ausmaß der innerhalb der Außenmauern befindlichen Bodenfläche Nutzflächencharakter zukommt. Verhindert der Vermieter in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 9 oder 12 MRG die Feststellung des maßgeblichen Verteilungsschlüssels, so ist ein solches Verhalten des Vermieters einem Verzicht auf das ihm an sich zustehende Recht, vom Mieter oder den Mietern den Ersatz des auf dessen/deren Mietgegenstand nach dem Gesetz entfallenden Anteils an den Gesamtkosten des Hauses sowie des Anteils an den Betriebskosten und laufenden öffentlichen Abgaben und den anderen Aufwendungen zu verlangen, gleichzuhalten. Kommt ein solches Verhalten aber rechtlich einem Verzicht auf die Überwälzung dieser Kosten des Hauses auf den/die Mieter rechtlich gleich, so fehlt dem antragstellenden Mieter das Rechtsschutzinteresse an der von ihm begehrten gerichtliche Entscheidung. Der Mangel des Rechtsschutzbedürfnisses - unter diesen Umständen ist der Mieter ja auch nicht verpflichtet, die ihm vom Vermieter vorgeschriebenen Beträge zu bezahlen - führt zur Zurückweisung des Antrages. Da auch im besonderen Verfahren nach dem MRG Parteien von einer Rechtsansicht nicht überrascht werden dürfen und die Vorinstanzen von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend den Sachverhalt mit den Parteien nicht hinlänglich erörtert haben, hat es bei der vom Rekursgericht verfügten Aufhebung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses zu verbleiben. Das Erstgericht wird daher - unter Beiziehung allfälliger anderer Hauptmieter des Hauses - mit den Parteien den Sachverhalt im aufgezeigten Sinn zu erörtern, dem Antragsgegner die erforderlichen Aufträge zu erteilen und sodann nach entsprechender Mitwirkung des Antragsgegners eine Sachentscheidung zu treffen, andernfalls aber den Antrag zurückzuweisen haben.

Damit erweist sich aber der Rekurs im Ergebnis als nicht berechtigt, weshalb ihm kein Erfolg beschieden sein konnte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO, § 37 Abs 3 Z 19 MRG; ob und inwieweit dem Antragsgegner die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung der Antragstellerin aufzutragen sein werden, wird erst im Rahmen der zuletzt ergehenden Entscheidung abschließend zu beurteilen sein.

Anmerkung

E16822

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00018.89.0307.000

Dokumentnummer

JJT_19890307_OGH0002_0050OB00018_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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