TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/19 2005/08/0083

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Veröffentlicht am 19.10.2005
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Index

E3R E05204020;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

31971R1408 WanderarbeitnehmerV;
AlVG 1977 §33;
ASVG §122 Abs4;
BSVG §262 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Lugeck 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 8. April 2005, Zl. BMSG 228540/0003-II/A/3/2005, betreffend Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Marianne P in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Berufungsbescheid hat die belangte Behörde in Abänderung des Einspruchsbescheides der Landeshauptmanns von Burgenland vom 22. Oktober 2004 festgestellt, dass die Mitbeteiligte vom 26. August 2003 "bis laufend" nicht der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG unterlegen sei.

Zwischen der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt und der mitbeteiligten Partei ist strittig, ob auf sie im fraglichen Zeitraum weiterhin die Ausnahmebestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG anzuwenden gewesen ist. Dazu stellte die belangte Behörde fest, dass die Mitbeteiligte einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von EUR 6.000,-- führe. Der Ehemann der Mitbeteiligten habe bis zum 25. August 2003 Notstandshilfe bzw. ab 10. Oktober 2003 einen Pensionsvorschuss (gemeint: Notstandshilfe als Pensionsvorschuss im Sinne des § 23 AlVG) bezogen. In der Zeit vom 26. August bis 11. September 2003 habe der Ehemann der Mitbeteiligten keine Bezüge nach dem AlVG erhalten, weil er sich geweigert habe, einer Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung nachzukommen. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2003 sei ihm die Notstandshilfe für den genannten Zeitraum aberkannt worden.

Zur Anwendung der Übergangsbestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen des § 277 Abs. 5 BSVG in der Fassung der 24. Novelle zum BSVG, BGBl. I Nr. 103/2001, ebenso vorlägen wie jene des § 294 Abs. 4 BSVG in der Fassung des Art. 3 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 105; dies sei auch nicht bestritten worden. Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 262 Abs. 3 BSVG auch nach dem 26. August 2003 verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0217. Im vorliegenden Fall bestehe auch im Zeitraum der Leistungsunterbrechung im Notstandshilfebezug des Ehemannes gemäß § 40 Abs. 1 AlVG iVm § 122 Abs. 2 Z. 2 ASVG eine Leistungsberechtigung für die mitbeteiligte Partei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift abzusehen. Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie - wie auch die belangte Behörde - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es ist nicht strittig, dass die Mitbeteiligte einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr führt und dass bei ihr an sich die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 BSVG auf Grund der durch die 21. Novelle zum BSVG eingetretenen Gesetzesänderungen vorliegen. Strittig ist, ob die Mitbeteiligte auf Grund einer bestehenden Pflichtversicherung ihres Ehemannes in der Krankenversicherung auch über den 28. August 2003 hinaus (weiterhin) von der Krankenversicherung nach dem BSVG ausgenommen ist.

Die in diesem Zusammenhang maßgebende Bestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG in der zuletzt in Geltung gestandenen, ab 1. Jänner 1998 geltenden Fassung lautete:

"(2) Von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung sind überdies ausgenommen:

...

4. der Ehegatte einer Person, die auf Grund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften, ausgenommen die Bestimmungen des § 68 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 und des § 47 Heeresversorgungsgesetz, in der Krankenversicherung pflichtversichert ist oder Anspruch auf Kranken- oder Wochengeld hat, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder die auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers nach anderer bundesgesetzlicher Vorschrift in Anstaltspflege steht. Hiebei kommt jedoch nur ein Ehegatte in Betracht, der nicht dem in § 78 Abs. 6 angeführten Personenkreis angehört."

Die 21. Novelle zum BSVG hat im Abschnitt I u.a. § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgehoben (§ 262 Abs. 2 Z. 2 BSVG). Die gleichzeitig mit der Aufhebung in Kraft getretene Übergangsbestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG hiezu lautet:

"Personen, die am 31. Dezember 1998 gemäß § 5 Abs. 2 Z. 4 oder als Ehegatten gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 von der Krankenversicherung ausgenommen waren, bleiben ausgenommen, solange jener Sachverhalt unverändert bleibt, der für die Ausnahme von der Krankenversicherung am 31. Dezember 1997 maßgeblich war. Dabei gilt der Anfall einer Pension nach diesem Bundesgesetz bzw. der Bezug eines Arbeitslosengeldes nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes."

In der Folge führte der Gesetzgeber in § 277 Abs. 5 BSVG in der Fassung der 24. Novelle zum BSVG, BGBl. I Nr. 103/2001, und in § 294 Abs. 4 BSVG in der Fassung des Art. 3 des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2004, BGBl. I Nr.105, zusätzliche Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Ausnahme aus der Pflichtversicherung nach § 262 Abs. 3 BSVG ein, deren Vorliegen hier aber nicht strittig ist.

Zu § 262 Abs. 3 BSVG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. März 2003, 2000/08/0217, ausgesprochen, dass der Grund für die (durch § 262 Abs. 3 BSVG aufrechterhaltene) Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG nicht das Bestehen einer Pflichtversicherung des anderen Ehepartners in der Krankenversicherung gewesen sei, sondern das Bestehen eines daraus abgeleiteten Leistungsanspruches für die (z.B. in der Landwirtschaft tätige) Ehefrau als "mitversicherte Angehörige". Dies ergebe sich nicht nur aus den Materialien zur Vorgängerbestimmung des § 3 Z. 6 B-KVG (784 Blg. NR X. GP, 45), sondern habe überdies jedenfalls in der zuletzt in Geltung gestandenen Fassung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG auch im Gesetz insoweit einen Ausdruck gefunden, als im letzten Satz der Gesetzesstelle klargestellt wurde, dass die Ausnahme nur für jene Ehepartner gelte, die tatsächlich als Angehörige anspruchsberechtigt seien (wozu nicht der in § 78 Abs. 6 BSVG genannte Personenkreis gehöre). Mit der Anknüpfung an die Pflichtversicherung des Ehepartners in der Krankenversicherung meine der Gesetzgeber daher in Wahrheit die (in aller Regel ohnehin deckungsgleiche) Anspruchsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehepartners, die auch allein geeignet sei, überhaupt eine Verbindung zwischen der Krankenversicherung des Ehemannes und der in der Landwirtschaft tätigen Ehefrau herzustellen, welche die Ausnahme aus der Pflichtversicherung der Letztgenannten sachlich zu rechtfertigen vermochte; auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

In seinem Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2001/08/0157 hat sich der Verwaltungsgerichtshof erstmals zur Frage einer Unterbrechung der Krankenversicherung geäußert, welche die Frist des § 122 Abs. 2 Z. 1 ASVG überschritten hat; er hat in diesem Erkenntnis den Fortbestand einer Anspruchsberechtigung aus der Krankenversicherung nach § 122 Abs. 2 Z. 2 ASVG als ausreichend erachtet: Diese liegt vor, wenn die anspruchsberechtigte Person innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Ausscheiden aus der durch eine Beschäftigung begründeten Pflichtversicherung mindestens 26 Wochen oder unmittelbar vorher mindestens 6 Wochen versichert war und zugleich nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung erwerbslos geworden ist und der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung eintritt. Unter Erwerbslosigkeit ist nach § 122 Abs. 4 ASVG auch eine Beschäftigung zu verstehen, bei welcher das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dies in seinem Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2003/08/0072, auch auf einen Fall der Unterbrechung eines Bezuges von Arbeitslosengeld wegen Ruhens des Arbeitslosengeldes bei Auslandsaufenthalt übertragen, jedoch auf § 122 Abs. 4 dritter Satz ASVG hingewiesen, welcher anordnet, dass Leistungen nach Abs. 2 Z. 2 u.a. dann nicht gewährt werden, sobald sich die betreffende Person ins Ausland begibt, es sei denn, es handelt sich um ein Land, für welches in der VO (EWG) 1408/71 oder in einem besonderen zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen anderes gesagt wird (ebenso das Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2003/08/0109).

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall eine unveränderte Fortdauer des Krankenversicherungsschutzes der Mitbeteiligten aus der Pflichtversicherung ihres Ehemannes während der Unterbrechung des Bezuges der Notstandshilfe nach § 122 Abs. 1 Z. 2 ASVG angenommen. Dagegen wendet die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt unter wiederholter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 19. März 2003. Zl. 2000/08/0217, ein, dass die Mitbeteiligte ab dem ersten Tag des Entzuges der Notstandshilfe auf Grund des Eintrittes der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG die Angehörigeneigenschaft nach § 123 Abs. 1 (gemeint: Z. 2) ASVG verloren habe und dass eine Pflichtversicherung der Mitversicherung vorgehe.

Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet:

§ 262 Abs. 3 zweiter Satz BSVG ergänzt den Begriff des "unveränderten Sachverhaltes" in der Weise, dass der "Anfall einer Pension nach diesem Bundesgesetz" (also nach dem BSVG) und der "Bezug von Arbeitslosengeld" nicht als eine "Änderung des maßgeblichen Sachverhalts" gilt. Notstandshilfe unterscheidet sich hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen von Arbeitslosengeld; ihr Bezug und ihre Höhe hängen vom Bestehen von Notlage und dem Ausmaß der anzurechnenden Familieneinkünfte ab (vgl. die §§ 33 ff AlVG). Das Gesetz stellt nun aber nicht etwa - anders als die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides meint - "vergleichbare Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz" dem Arbeitslosengeld gleich. Weder lässt der Gesetzeswortlaut eine solche Auslegung zu, noch läge dies auf Grund der Verschiedenheit der beiden Leistungsarten nahe. Mangels einer ausdrücklichen Gleichstellung bedeutet daher der Bezug von Notstandshilfe - anders als jener des Arbeitslosengeldes - nicht, dass der Sachverhalt im Sinne des § 262 Abs. 3 BSVG als unverändert zu beurteilen ist. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Mitbeteiligte während der Bezugsunterbrechung der Notstandshilfe in der Krankenversicherung nach § 122 Abs. 2 Z. 2 ASVG anspruchsberechtigt gewesen ist, da sie gemäß § 262 Abs. 3 BSVG bereits seit dem Beginn des Notstandshilfebezuges des Ehemannes nicht mehr von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG ausgenommen war.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Oktober 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005080083.X00

Im RIS seit

25.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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