TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/14 2003/08/0072

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Veröffentlicht am 14.09.2005
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Index

E3R E05204020;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

31971R1408 WanderarbeitnehmerV;
ASVG §122 Abs4;
BSVG §262 Abs3;
BSVG §5 Abs2 Z4;
BSVG §78 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 24. Februar 2003, Zl. 221.367/2-6/02, betreffend Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: M in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Berufungsbescheid hat die belangte Behörde in Abänderung des Einspruchsbescheides des Landeshauptmannes von Burgenland vom 17. April 2002 festgestellt, dass die Mitbeteiligte vom 25. Juli 2001 bis 8. Jänner 2002 nicht der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG unterlegen sei.

Zwischen der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt und der mitbeteiligten Partei ist strittig, ob auf Letztere im fraglichen Zeitraum weiterhin die Ausnahmebestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG anzuwenden gewesen ist. Dazu stellte die belangte Behörde fest, dass die Mitbeteiligte einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem EUR 1.500,-- übersteigenden Einheitswert führe. Sie führe diesen Betrieb seit 1. Jänner 2002 auf gemeinsame Rechnung mit ihrem Ehemann. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei bis 21. Mai 2001 unselbständig erwerbstätig gewesen. Ab 19. Juni 2001 habe er eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen, die wegen eines Auslandsaufenthaltes vom 25. Juli 2001 bis 7. August 2001 unterbrochen gewesen sei. In der Folge habe er bis 8. Jänner 2002 wiederum eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen, sei vom 9. Jänner 2002 bis 16. März 2002 ohne Beschäftigung und ohne Bezug einer solchen Leistung gewesen und ab 7. März 2002 wieder unselbständig erwerbstätig. Der Ehemann und die Mitbeteiligte seien Eltern einer Tochter.

Zur Anwendung der Übergangsbestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzung des § 267 Abs. 5 BSVG vorliege. Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 262 Abs. 3 BSVG nach dem 25. Juli 2001 (gemeint: bis 8. Jänner 2002) sei darauf hinzuweisen, dass diese Norm als Übergangs- und Ausnahmebestimmung "schon vom Grundsatz her restriktiv auszulegen" sei. Voraussetzung der Anwendung dieser Bestimmung sei, dass im wesentlichen Sachverhalt keine Änderung eintrete. Dabei sei gesetzlich normiert, dass der Bezug von Arbeitslosengeld nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes gelte. Im gegenständlichen Fall hätte auch ab 25. Juli 2001 Arbeitslosengeld gebührt, wenn nicht die Leistungspflicht des Arbeitsmarktservice durch einen Auslandsaufenthalt vorübergehend weggefallen wäre (Ruhen der Leistung). Ein Krankenversicherungsschutz habe nach § 122 ASVG weiterhin bestanden. Die belangte Behörde sehe daher keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes auch trotz der einschränkenden Betrachtung der Ausnahmebestimmung. Es gelte auch die Wertung des Gesetzgebers, Zeiten der Arbeitslosigkeit denen der unselbständigen Erwerbstätigkeit gleichzusetzen, "umzusetzen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt hat unter Bezugnahme auf das mittlerweile ergangene Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0217, eine Äußerung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es ist nicht strittig, dass die mitbeteiligte Partei einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr führt und dass bei ihr an sich die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 BSVG auf Grund der durch die 21. Novelle zum BSVG eingetretenen Gesetzesänderungen vorliegen. Strittig ist, ob sie auf Grund einer bestehenden Pflichtversicherung ihres Ehemannes in der Krankenversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG auch über den 25. Juli 2001 hinaus (weiterhin) von der Krankenversicherung nach dem BSVG ausgenommen ist.

Die in diesem Zusammenhang maßgebende Bestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG in der zuletzt in Geltung gestandenen, ab 1. Jänner 1998 geltenden Fassung lautete:

"(2) Von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung sind überdies ausgenommen:

...

4. der Ehegatte einer Person, die auf Grund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften, ausgenommen die Bestimmungen des § 68 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 und des § 47 Heeresversorgungsgesetz, in der Krankenversicherung pflichtversichert ist oder Anspruch auf Kranken- oder Wochengeld hat, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder die auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers nach anderer bundesgesetzlicher Vorschrift in Anstaltspflege steht. Hiebei kommt jedoch nur ein Ehegatte in Betracht, der nicht dem in § 78 Abs. 6 angeführten Personenkreis angehört."

Die 21. Novelle zum BSVG hat im Abschnitt I u.a. § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgehoben (§ 262 Abs. 2 Z. 2 BSVG). Die gleichzeitig mit der Aufhebung in Kraft getretene Übergangsbestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG hiezu lautet:

"Personen, die am 31. Dezember 1998 gemäß § 5 Abs. 2 Z. 4 oder als Ehegatten gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 von der Krankenversicherung ausgenommen waren, bleiben ausgenommen, solange jener Sachverhalt unverändert bleibt, der für die Ausnahme von der Krankenversicherung am 31. Dezember 1997 maßgeblich war. Dabei gilt der Anfall einer Pension nach diesem Bundesgesetz bzw. der Bezug eines Arbeitslosengeldes nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0217, ausgesprochen, dass der Grund für die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG nicht das Bestehen einer Pflichtversicherung des anderen Ehepartners in der Krankenversicherung gewesen sei, sondern das Bestehen eines daraus abgeleiteten Leistungsanspruches für die (z.B. in der Landwirtschaft tätige) Ehefrau als "mitversicherte Angehörige". Dies ergebe sich nicht nur aus den Materialien zur Vorgängerbestimmung des § 3 Z. 6 B-KVG (784 Blg. NR X. GP, 45), sondern habe überdies jedenfalls in der zuletzt in Geltung gestandenen Fassung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG auch im Gesetz insoweit einen Ausdruck gefunden, als im letzten Satz der Gesetzesstelle klargestellt wurde, dass die Ausnahme nur für jene Ehepartner gelte, die tatsächlich als Angehörige leistungsberechtigt seien (wozu nicht der in § 78 Abs. 6 BSVG genannte Personenkreis gehöre). Mit der Anknüpfung an die Pflichtversicherung des Ehepartners in der Krankenversicherung meine der Gesetzgeber daher in Wahrheit die (in aller Regel ohnehin deckungsgleiche) Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehepartners, die auch allein geeignet sei, überhaupt eine Verbindung zwischen der Krankenversicherung des Ehemannes und der in der Landwirtschaft tätigen Ehefrau herzustellen, welche die Ausnahme aus der Pflichtversicherung der Letztgenannten sachlich zu rechtfertigen vermochte; auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Nach dem Sachverhalt des genannten Erkenntnisses vom 19. März 2003 bewirtschaftete die (damalige) Mitbeteiligte einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr. Ihr Ehemann, der in der Krankenversicherung nach dem ASVG pflichtversichert war, bezog bis Freitag, den 9. April 1999, Krankengeld. Nach dem Wochenende, also am darauf folgenden Montag, dem 12. April 1999, war er erneut nach dem ASVG pflichtversichert. Hiezu führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass auch während des Wochenendes gemäß § 122 Abs. 1 ASVG eine Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehemannes für die Mitbeteiligte bestanden habe. Eine für die Ausnahme aus der Pflichtversicherung maßgebliche Änderung des Sachverhaltes im Sinne des § 262 Abs. 3 BSVG sei daher nicht eingetreten. Der am 31. Dezember 1997 gegebene, die Ausnahme aus der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG begründende Sachverhalt liege daher so lange vor, als die Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehemannes andauere.

Diese Rechtsauffassung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Februar 2004, 2004/08/0013, aufrecht erhalten. An dieser Rechtsansicht ist auf Grund des klaren Wortlautes des § 262 Abs. 3 zweiter Satz BSVG auch für die hier vorliegende Konstellation festzuhalten, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die früher bestandene Vollversicherung des Ehemannes der Mitbeteiligten durch eine mit dem Bezug von Arbeitslosengeld vermittelte Krankenversicherung abgelöst worden ist. Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des § 262 Abs. 3 BSVG liegt daher solange nicht vor, als die Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehemannes ohne Unterbrechung andauert.

Bezieher von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sind gemäß § 40 Abs. 1 AlVG jedoch nur "während des Leistungsbezuges" bei der Gebietskrankenkasse ihres Wohnortes krankenversichert. Für diese Versicherung gelten nach dem zweiten Satz der zitierten Gesetzesstelle

"die Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes über die gesetzliche Krankenversicherung für Pflichtversicherte, soweit sich nicht aus den folgenden Bestimmungen abweichendes ergibt".

Der Ehemann der Mitbeteiligten war im Zeitraum vom 25. Juli bis 7. August 2001 kein "Bezieher von Arbeitslosengeld" im Sinne des § 40 Abs. 1 AlVG, weil dieser Anspruch gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG infolge eines Auslandsaufenthaltes geruht hat. Er unterlag daher in diesem Zeitraum nicht der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung im Sinne des § 40 AlVG. Eine Fortsetzung der Anspruchsberechtigung für einen bestimmten Zeitraum, wie er seit der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 in § 40 Abs. 3 AlVG normiert ist, war im hier zu beurteilenden Zeitraum im Gesetz noch nicht vorgesehen.

Auch in dem vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2001/08/0157, zu beurteilenden Fall war die Pflichtversicherung des Ehemannes der damaligen Beschwerdeführerin aus einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach dem ASVG vom 9. bis 14. April 2000 wegen Krankheit unterbrochen, weil für diesen Zeitraum kein Entgeltfortzahlungsanspruch bestanden hat und auch die Leistung des Krankengeldes gemäß § 142 Abs. 1 ASVG versagt worden war. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch den Fortbestand einer Anspruchsberechtigung aus der Krankenversicherung nach § 122 Abs. 2 Z. 2 ASVG als ausreichend erachtet: Diese liegt vor, wenn die leistungsberechtigte Person innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Ausscheiden aus der durch eine Beschäftigung begründeten Pflichtversicherung mindestens 26 Wochen oder unmittelbar vorher mindestens 6 Wochen versichert war und zugleich nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung erwerbslos geworden ist und der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung eintritt. Unter Erwerbslosigkeit ist nach § 122 Abs. 4 ASVG auch eine Beschäftigung zu verstehen, bei welcher das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt.

Die belangte Behörde hat auch im vorliegenden Fall eine unveränderte Fortdauer des Krankenversicherungsschutzes während der Unterbrechung des Bezuges von Arbeitslosengeld "nach § 122 ASVG" angenommen und hat dies auf Nachfrage des Verwaltungsgerichtshofes in ihrer Gegenschrift dahin präzisiert, dass ihrer Meinung nach die "allgemeine dreiwöchige Schutzfrist" des "§ 122 Abs. 2 erster Satz ASVG" (gemeint offenbar: § 122 Abs. 2 Z. 2 erster Satz ASVG) zum Tragen komme.

Abgesehen davon, dass die belangte Behörde dazu zumindest Feststellungen über das Vorliegen der in dieser Gesetzesstelle genannten Anspruchsvoraussetzungen einer Mindestdauer der Versicherung zu treffen gehabt hätte, übersieht sie, dass § 122 Abs. 4 dritter Satz ASVG anordnet, dass Leistungen nach Abs. 2 Z. 2 u.a. dann nicht gewährt werden, wenn sich die betreffende Person ins Ausland begibt. Diese Bestimmung ist zwar dann nicht anzuwenden, wenn sich die betreffende Person in ein Land begibt, für welches in der VO (EWG) 1408/71 oder in einem besonderen zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen anderes gesagt wird (so Teschner/Widlar, ASVG, § 122, Anm. 11 (81. ErgLfg)).

Daraus lässt sich hier für die Mitbeteiligte aber nichts gewinnen:

Sie hat sich nach der Aktenlage im fraglichen Zeitraum mit ihrem Ehemann in Tunesien aufgehalten. Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tunesischen Republik über soziale Sicherheit, BGBl. III Nr. 197/2000, sieht bei einem Aufenthalt im Ausland eine aushilfsweise Sachleistung in der Krankenversicherung zu Lasten des zuständigen (österreichischen) Trägers nur für Pensionsbezieher vor (vgl. Art. 10 Abs. 2 des Abkommens; Siedl/Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Tunesien, d (38. Erg. Lfg.)).

Der Ehemann der Mitbeteiligten war daher im fraglichen Zeitraum auf Grund des Ruhens des Arbeitslosengeldes weder krankenversichert, noch für sich (und damit auch für die Mitbeteiligte) nach § 122 ASVG anspruchsberechtigt. Darin liegt aber eine Änderung des Sachverhaltes, die zum Wegfall des Ausnahmegrundes des § 262 Abs. 3 BSVG führt. Die mitbeteiligte Partei unterlag daher (unter Berücksichtigung des § 6 Abs. 1 BSVG) schon ab dem 25. Juli 2001 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. September 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003080072.X00

Im RIS seit

20.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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