TE OGH 1989/3/16 12Os25/89

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Veröffentlicht am 16.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.März 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sonja G*** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 16.Juni 1988, GZ 16 U 352/88-4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der vor (ohne vorangegangene) Anhörung der Beschuldigten Sonja G*** gefaßte Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 16.Juni 1988, 16 U 352/88-4, auf Widerruf der dieser Beschuldigten in den Verfahren 10 a E Vr 1859/86 des Kreisgerichtes Wels und 16 U 63/88 des Bezirksgerichtes Wels gewährten bedingten Nachsicht von Freiheitsstrafen verletzt die Bestimmung des § 494 a Abs. 3, erster und zweiter Satz, StPO.

Gemäß § 292 StPO wird dieser Beschluß aufgehoben und dem Bezirksgericht Wels aufgetragen, seine über diese Widerrufsentscheidung an das Kreisgericht Wels zu 10 a E Vr 1859/86 und an das Bezirksgericht Wels zu 16 U 63/88 ergangenen Verständigungen (§ 494 a Abs. 7, erster Satz, StPO) sowie die Mitteilung des Widerrufs an das Strafregister (§ 2 Abs. 1 Z 4 lit. e StRegG) zu berichtigen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 16.Juni 1988, 16 U 352/88-4, wurde Sonja G*** in Abwesenheit (§ 459 StPO) des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15 Abs. 1, 127 StGB schuldig erkannt und über sie eine Freiheitsstrafe verhängt. Unter einem erging ferner - in Stattgebung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages des Bezirksanwaltes (S 19) - der Beschluß auf Widerruf der bedingten Nachsicht zweier über sie vom Kreisgericht und vom Bezirksgericht Wels (siehe Spruch) verhängter Freiheitsstrafen.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Widerrufsbeschluß verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 494 a Abs. 3, erster und zweiter Satz, StPO, wonach das Gericht vor der Entscheidung (unter anderem) den Angeklagten zu hören hat und hievon nur bei Fällung eines Abwesenheitsurteiles dann absehen darf, wenn nach § 494 a Abs. 1 Z 1 oder 2 StPO kein Widerruf erfolgt. Ist aber das Gericht zur Anhörung - wie vorliegend - nicht in der Lage und fällt es ein Abwesenheitsurteil, dann kommt die Entscheidung nach § 494 a Abs. 1 Z 3 oder 4 StPO nicht ihm, sondern dem sonst für den nachträglichen Strafausspruch oder den Widerruf zuständigen Gericht zu (Bericht des Justizausschusses zum Strafrechtsänderungsgesetz 1987, 359 BlgNr XVII. GP, 53, rechte Spalte unten). Einen förmlichen Beschluß, wonach die Entscheidung über den Widerruf dem Gericht vorbehalten bleibt, dem sonst die Entscheidung zukäme (§ 494 a Abs. 2, letzter Satz, StPO), hat das erkennende Gericht in solchen Fällen allerdings nur zu fassen, wenn es sachlich - im Hinblick auf das Ausmaß der Strafe oder des Strafrestes - unzuständig wäre (arg. "soweit das erkennende Gericht sonach eine Entscheidung nach Abs. 1 Z 4 nicht treffen darf ...."). Bei gegebener sachlicher Zuständigkeit hat es hingegen nach Fällung des Abwesenheitsurteiles von der Widerrufsentscheidung Abstand zu nehmen, ohne einen Vorbehaltsbeschluß zu fassen. Auch ohne förmlichen Vorbehaltsbeschluß bleibt sodann (wie hier) der Widerruf der bedingten Strafnachsicht durch das sonst zuständige Gericht zulässig, weil er durch die Bestimmung des § 494 b StPO nur dann ausgeschlossen wird, wenn das erkennende Gericht bei der Urteilsfällung einen Ausspruch nach § 494 a Abs. 1 Z 3 oder 4 StPO zu Unrecht unterlassen und der Ankläger dessen Unterbleiben nicht angefochten hat (eine Rechtsmeinung, die auch schon im Einführungserlaß des BMfJ zum Strafrechtsänderungsgesetz 1987, GZ 318.006/100-II 1/88, XIV 3.1. vertreten wird: JABl. 1988 S 6 rechte Spalte).

Im gegebenen Fall hätte die Entscheidung über den vom Bezirksanwalt beantragten Widerruf der bedingten Nachsicht beider Vorstrafen sohin nicht in der Hauptverhandlung ergehen dürfen, sondern wäre durch die nach § 495 Abs. 1 StPO zuständigen Gerichte, nämlich das Kreisgericht Wels im Verfahren 10 a E Vr 1859/86 und das Bezirksgericht Wels im Verfahren 16 U 63/88, zu fassen gewesen. Da sich der aufgezeigte Verstoß zum Nachteil der in ihrem Anhörungsrecht verletzten Beschuldigten ausgewirkt hat, war in Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E17143

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0120OS00025.89.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19890316_OGH0002_0120OS00025_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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