TE OGH 1989/7/20 7Ob586/89

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Veröffentlicht am 20.07.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm L***, Gesellschaft mbH, St. Martin/Traun, Aumühlstraße 6, vertreten durch Dr. Werner Mäntler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) B*** W*** & Co., 2.) Simon

M***, Kaufmann, beide Wien 1., Liliengasse 1, beide vertreten durch Dr. Harry Neubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 500.000,- s.A. infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Jänner 1989, GZ 1 R 273, 274/88-62, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 16. August 1988, GZ 11 Cg 47/87-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 500.000,- samt 5 % Zinsen seit 15. April 1981 zuzüglich 18 % Umsatzsteuer aus den Zinsen binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 316.344,62 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 28.010,- Barauslagen und S 26.734,62 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt von der erstbeklagten Partei und deren zweitbeklagtem Komplementär den Ersatz des Verdienstentganges aus einem Importgeschäft, das von der Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (VFK) genehmigt worden wäre, wenn die erstbeklagte Partei eine von der A*** & CO KG (im folgenden nur kurz Firma A***) zugunsten der klagenden Partei beauftragte Banksicherstellung nicht aus ihrem Verschulden erst nach Ablauf der Frist übermittelt hätte. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang statt. Nach seinen Feststellungen hatte die VFK am 4. September 1980 zur Einreichung von Anboten für die Einfuhr von Fleischschweinen in Hälften in zwei Qualitätsklassen bis 15. September 1980, 12 Uhr, aufgefordert. Die klagende Partei, die wegen ihres Sitzes bei Linz mit der Firma A*** zusammenarbeitet, kaufte aufgrund dieser Ausschreibung in Finnland 200 Tonnen Schweinefleischhälften zum Preis von 20 S bzw. 19,50 S pro Kilogramm. Den finnischen Verkäufern war bekannt, daß die Ware nur für den Weiterverkauf in Österreich bestimmt war und hier erst eine Kommission den Zuschlag erteilen mußte. Die klagende Partei hatte die Ware gleichzeitig an die B***-F*** mbH & Co KG für 33 S pro Kilogramm

weiterverkauft. Sie hätte so einen Gewinn von 2,50 S pro Kilogramm erzielen können.

Die für die VFK notwendige Bankgarantie über 15 % des Gesamtwertes wurde zugunsten der klagenden Partei von der Firma A*** bei der erstbeklagten Partei in Auftrag gegeben, nachdem die Firma A*** am selben Vormittag bereits zwei andere Bankgarantien für sich selbst beauftragt hatte. Die Firma A*** steht in ständiger Geschäftsverbindung mit der beklagten Partei und hat zur Kenntnis genommen, daß im Geschäftsverkehr mit der beklagten Partei die ihr zugegangenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen (im folgenden kurz AGBKr) Geltung haben. In der Branche ist es notorisch und allen damit Befaßten bekannt, daß die Anbote an die VFK immer erst am letzten Tag und die Bankgarantien erst eine Stunde vor Anbotsschluß überreicht werden. So ging jenes Telex, mit dem die Firma A*** den Auftrag an die erstbeklagte Partei betreffend die Bankgarantie zugunsten der klagenden Partei gab, erst am gleichen Tag vor 11 Uhr hinaus, wobei als Termin des Einlangens der Bankgarantie bei der VFK 11 Uhr desselben Tages genannt wurde. Bevor der Sachbearbeiter der Firma A***, Alfred T***, zwischen 11,15 Uhr und 11,30 Uhr zwecks Abgabe aller Offerte zur VFK in Wien 1 fuhr, telefonierte er noch mit der Angestellten der erstbeklagten Partei Friederike K***. Diese erklärte über seine Frage, ob "die Banksicherstellungen" in Ordnung gehen, daß es in Ordnung gehe. Bei dem Telefonat erwähnte Alfred T***, daß die Banksicherstellungen bis 12 Uhr bei der Kommission eingelangt sein müssen. Ob der Friederike K*** zu diesem Zeitpunkt das Telex betreffend die Bankgarantie für die klagende Partei bereits vorlag, konnte nicht festgestellt werden. Tatsächlich hat Friederike K*** dieses Telex erst zwischen 11,15 Uhr und 11,30 Uhr erhalten. Sie gab es im Bewußtsein der Dringlichkeit ihrer Mitarbeiterin Tina W*** mit den Worten "Rennen Sie sofort los" zur Durchführung weiter. Tina W*** bereitete das Telex (betreffend die Bankgarantie) vor, wofür sie gewÄhnlich 20 bis 25 Minuten braucht. Obwohl eine zumutbare Bearbeitungsfrist noch immer gegeben war, langte die Bankgarantie bei der VFK erst um 12,30 Uhr ein. Der Fernschreiber bei der VFK war in der Zeit bis 12 Uhr nicht dauernd besetzt. Nach einem Fernschreiben um 11,20 Uhr langte das nächste und letzte Fernschreiben vor Mittag um 11,45 Uhr bei der VFK ein. Dazwischen könnten drei kurze Fernschreiben gewesen sein. Der Fernschreiber der VFK war auch nicht durch hinausgehende Fernschreiben blockiert; zwischen 11,46 Uhr und 12 Uhr wurde kein Fernschreiben abgesendet. Ein telefonisches Aviso der Bank reicht aus, insbesondere wenn der Fernschreiber besetzt ist. Hievon hatte die beklagte Partei bereits früher mehrmals, insbesondere auch bei Übermittlung von Bankgarantien für die Firma A*** Gebrauch bemacht. Die rechtzeitig eingelangten Anträge der klagenden Partei wurden von der VFK wegen der verspäteten Vorlage der Sicherstellung abgelehnt. Dies war der einzige Grund der Abweisung. Nach Verhandlungen ist es der klagenden Partei gelungen, aus dem Vertrag mit den finnischen Verkäufern herauszukommen. Ein anderweitiger Verkauf in Österreich oder in einem anderen Land war aufgrund der gegebenen Preislage nicht möglich.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes habe die erstbeklagte Partei die Bankgarantie schuldhaft verspätet erstellt. Der Auftrag sei schon zu spät zur Sachbearbeiterin Friederike K*** gekommen, dennoch sei aber hinreichend Zeit für die Verfassung und Durchgabe der Bankgarantie mittels Telex gewesen, zumal die objektiv angemessene Zeit hiefür 20 bis 25 Minuten (einschließlich der Durchgabe) betrage und diese Zeit der beklagten Partei jedenfalls zur Verfügung gestanden und der Fernschreiber der VFK nicht dauernd besetzt gewesen sei. Letztlich habe die beklagte Partei auch die Möglichkeit eines Telefonavisos nicht genützt. Der Schaden sei für die beklagte Partei vorhersehbar gewesen, sodaß Punkt 16 der AGBKr nicht zum Tragen komme. Die beklagten Parteien könnten sich auch nicht auf die Haftungsfreizeichnung des Punkts 33 Abs2 der AGBKr berufen, weil der erstbeklagten Partei grobe Fahrlässigkeit zur Last falle und der Haftungsausschluß für grobe Fahrlässigkeit sittenwidrig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht. Ergänzend führte das Berufungsgericht aus, daß der Haftungsausschluß nach Punkt 33 Abs2 AGBKr schon wegen seines mit der Einleitung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unvereinbaren Inhalts grundsätzlich unwirksam sei. Für grobe Fahrlässigkeit könnte die Haftung auch nicht abbedungen werden. Punkt 33 Abs2 AGBKr regle den Haftungsausschluß überdies nur so weit, als sich aus den Geschäftsbedingungen nichts anderes ergebe. Aus Punkt 16 Abs3 AGBKr ergebe sich aber eine Haftung der Bank. Die dort vorgesehene Haftungsbeschränkung auf den Zinsenausfall komme nicht zum Tragen, weil die Gefahr eines darüber hinausgehenden Schadens für die Angestellten der erstbeklagten Partei aus dem Auftrag der Firma A*** ersichtlich gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Parteien ist berechtigt.

Bei der Bankgarantie ist zwischen dem Garantievertrag, der von der Bank mit dem Begünstigten abgeschlossen wird und dem zwischen der Bank und ihrem Kunden abgeschlossenen Garantiekreditvertrag zu unterscheiden (vgl. Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 II 292). Soll nach dem letzteren die Bank die Haftung für die Leistung nicht ihres Vertragspartners (ihres Kunden), sondern für einen Dritten übernehmen, handelt es sich bei dem Garantiekreditvertrag um einen echten Vertrag zugunsten Dritter. Beim echten Vertrag zugunsten Dritter kann der Schuldner dem Dritten alle Einwendungen entgegensetzen, die ihm gegenüber dem Versprechensempfänger zustehen (Koziol-Welser8 I 291 f). Im vorliegenden Fall sollte nach dem zwischen der erstbeklagten Partei und der Firma A*** abgeschlossenen Garantiekreditvertrag die erstbeklagte Partei die Haftung für die Leistung der klagenden Partei gegenüber der VFK übernehmen. Es liegt demnach ein Vertrag zugunsten eines Dritten, der klagenden Partei, vor. Die beklagte Partei konnte daher der klagenden Partei Einwendungen aus den mit der Firma A*** vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegensetzen. Die Berufung auf den nach Punkt 33 Abs2 AGBKr vereinbarten Haftungsausschluß war auch noch im fortgesetzten Verfahren zulässig. Durch die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils gemäß § 496 Abs1 Z 3 ZPO tritt das Verfahren in den Stand vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurück. Die Parteien haben daher grundsätzlich alle Befugnisse, die ihnen im erstinstanzlichen Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt zukommen. Sie können daher insbesondere neue Tatsachen vorbringen und Einwendungen erheben. Nur von der aufhebenden Instanz abschließend erledigte Streitpunkte können nicht wieder aufgerollt werden (RZ 1984/1 mwN). Wie der Oberste Gerichtshof schon in seinem Aufhebungsbeschluß vom 28. März 1985 (ON 22) ausgesprochen hat, gilt für Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht der Grundsatz "iura novit curia". Bestimmungen Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind daher nur insoweit zu berücksichtigen, als sich die Parteien darauf berufen haben. Nach herrschender Ansicht ist die Nichtigkeit einer Vereinbarung aus dem Grund der Sittenwidrigkeit grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern nur im Falle ihrer Geltendmachung zu beachten. Die Geltendmachung muß zwar nicht ausdrücklich unter formeller Berufung auf § 879 ABGB geschehen. Eine zumindest schlüssige Geltendmachung durch entsprechendes Sachvorbringen unter Hinweis auf den Rechtsmißbrauch ist aber erforderlich (GesRZ 1978, 131; SZ 46/69; EvBl. 1973/277; RZ 1965, 46; EvBl. 1961/95;

1 Ob 666/88; 7 Ob 21/85; 7 Ob 69/83; 5 Ob 525/82; 7 Ob 732/81;

Krejci in Rummel ABGB Rz 248 zu § 879; Gschnitzer in Klang2 IV/1 171 f; insbesondere zu § 879 Abs3: Krejci in HBzKSchG 174 f und Welser in JBl 1979, 450 f). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei dem Einwand des Haftungsausschlusses nach

Punkt 33 Abs2 AGBKr entgegengesetzt, daß die AGB nicht Vertragsbestandteil und der klagenden Partei unbekannt seien. Für den Fall, daß sie Vertragsbestandteil seien, wurde vorgebracht, daß der erstbeklagten Partei erkennbar gewesen sei, daß im Falle nicht rechtzeitiger Erledigung des Auftrags ein über den Zinsenausfall hinausgehender Schaden drohe, und auf die Entscheidungen SZ 5/112 (die den Fall einer vorsätzlichen Schadenszufügung betrifft) und 17 R 151/87 des Oberlandesgerichtes Wien verwiesen. Ein sachliches Substrat für die Behauptung einer Sittenwidrigkeit der maßgeblichen Vertragsklausel fehlt; desgleichen die Behauptung eines sich aus den AGBKr selbst ergebenden Erklärungsmangels. Die Sittenwidrigkeit der Freizeichnungsklausel ist daher ebensowenig zu prüfen wie die Unwirksamkeit aufgrund einer der sonstigen Bestimmungen der AGBKr. Die Auffassung, daß Punkt 33 Abs2 AGBKr wegen der Einleitung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen überhaupt unwirksam sei (Avancini-Iro-Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I 83) kann überdies nicht geteilt werden. Die Pflicht zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ergibt sich schon aus § 347 Abs1 HGB. Die Pflicht zur Interessenwahrung ist selbstverständlicher Bestandteil der von der Bank abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsverträge. Ein echter Widerspruch liegt daher nicht vor. Die Freizeichnungsklausel ist eine selbständig zu beurteilende Vertragsbestimmung (vgl. Schinnerer-Avancini aaO I 248). Punkt 33 Abs2 AGBKr enthält allerdings die Einschränkung, daß er nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Geschäftsbedingungen nichts anderes bestimmen. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß sich die Haftung der beklagten Bank schon aus Punkt 16 Abs3 AGBKr ergebe, kann nicht geteilt werden. Diese Bestimmung enthält nur eine Regelung des Umfanges des Ersatzes, wobei aber Punkt 33 Abs2 immer mitzuberücksichtigen ist (Schinnerer-Avancini aaO 213). Ist aber von Punkt 33 Abs2 AGBKr auszugehen, ist dem Anspruch der klagenden Partei die Grundlage entzogen.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E18707

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00586.89.0720.000

Dokumentnummer

JJT_19890720_OGH0002_0070OB00586_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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