TE OGH 1989/8/8 11Os85/89

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Veröffentlicht am 08.08.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.August 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vrabl-Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter M*** und andere wegen des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und 2, erster Fall, StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Karl Heinz B*** sowie über die Berufung des Angeklagten Peter M*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9.November 1988, GZ 12 a Vr 3.135/87-81, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, des Angeklagten Karl Heinz B*** und des Verteidigers

Dr. Philipp sen., jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Peter M*** zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, gemäß dem § 290 Abs 1 StPO in Beziehung auf beide Angeklagte im Strafausspruch aufgehoben, und es wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit den Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl Heinz B*** des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt und ebenso wie der des gleichen Deliktes sowie des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und 2, erster Fall, StGB schuldig gesprochene Peter M*** zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt; gemäß dem § 43 a Abs 4 StGB wurde beiden Angeklagten ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von jeweils zwei Jahren bedingt nachgesehen. Die Festsetzung einer Probezeit ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

Karl Heinz B***, der allein Nichtigkeitsbeschwerde erhob, liegt zur Last, in der Zeit vom 19.Dezember 1986 bis Juni bzw "Mitte" 1987 in Wien in Gesellschaft des Mitangeklagten Peter M*** als Beteiligter (§ 12 StGB) als kaufmännischer Angestellter der C*** Immobilien GesmbH mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in vierzehn Fällen durch Vortäuschen einer reellen Weitergabe von Mietobjekten Personen zu Anboten und zur Leistung von Treuhandzahlungen, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet zu haben, welche sie um insgesamt 997.502 S schädigten.

Laut den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Peter M*** Geschäftsführer und seit 4.Februar 1986 auch alleiniger Gesellschafter der C*** Immobilien GesmbH, deren Geschäftstätigkeit vorwiegend in der Vermittlung von Mietwohnungen bestand. In diesem Unternehmen war der Angeklagte Karl Heinz B*** zunächst als Mitarbeiter und ab März/April 1986 als "Büroleiter" tätig, wobei ihm in der Folge wegen häufiger Abwesenheit des Peter M***, der die Geschäftsführung vernachlässigte, die Stellung eines faktischen Geschäftsführers zukam. Spätestens ab Mitte 1986 war die GesmbH nicht mehr in der Lage, ihre Zahlungsverpflichtungen zur Gänze zu erfüllen. Seit diesem Zeitpunkt wußte auch Karl Heinz B***, daß sich die Firma in finanziellen Schwierigkeiten befand. Spätestens

Ende November 1986 erkannte er anläßlich des Geschäftsfalles Maria B*** (A/I des Schuldspruchs), daß Treuhandgelder, die von Wohnungswerbern erlegt wurden, von Peter M*** nicht widmungsgemäß verwendet wurden und weder für Rückzahlungen an die Wohnungswerber bei Nichtzustandekommen eines Mietvertrages, noch für die Weiterleitung an den Vormieter bei Abschluß eines Mietvertrages zur Verfügung standen. Dennoch führten die beiden Angeklagten die GesmbH einverständlich weiter, und veranlaßten Kunden zu Zahlungen, obwohl sie es ernstlich für möglich hielten und sich damit billigend abfanden, daß die treuhändig übernommenen Gelder für Rückzahlungen oder für eine Weiterleitung nicht mehr vorhanden sein würden. Dieses Tatverhalten beurteilte das Erstgericht im Sinn der Eventualanklage der Staatsanwaltschaft (Band II, S 304 d.A) als Betrug. In den vom Schuldspruch nicht erfaßten Punkten der Anklage und Eventualanklage wurden Freisprüche gemäß dem § 259 Z 3 StPO gefällt (wobei es sich bei den Punkten B/I und III allerdings um formell verfehlte Qualifikationsfreisprüche handelt). Während der Schuldspruch des Angeklagten Peter M*** in Rechtskraft erwuchs, ficht der Angeklagte Karl Heinz B*** das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 a und 9 lit b (sachlich 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO an; den Strafausspruch bekämpfen die beiden Angeklagten mit Berufung.

Als Verfahrensmangel im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes rügt der Angeklagte Karl Heinz B*** die Abweisung seines Antrages auf Beischaffung diverser Kontoauszüge zum Beweis dafür, daß er die zu seinen Handen geleisteten Beträge auf Firmenkonten eingezahlt habe (Band II, S 302 d.A).

Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers konnten hiedurch jedoch schon deshalb nicht beeinträchtigt werden, weil ihm eine unrechtmäßige Zueignung anvertrauter Gelder zu eigenem Vorteil gar nicht angelastet wird (Band II, S 326; III, S 56 ff d.A). Gegenstand seines Schuldspruchs ist vielmehr die betrügerische Herauslockung von Treuhandgeldern im Bewußtsein, daß sie von Peter M*** anderweitig verwendet und für eine vereinbarungsgemäße Rückzahlung oder Weitergabe an die Berechtigten nicht zur Verfügung stehen werden. Zur Widerlegung dieses Vorwurfs waren die angebotenen Beweise aber von vornherein ungeeignet.

Aus diesem Grund versagt auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine unwiderlegt gebliebene Verantwortung, die von den Kunden bezahlten Beträge jeweils unverzüglich auf Firmenkonten überwiesen bzw an die Firmenkasse oder bei Anwesenheit des Peter M*** an ihn ausgefolgt zu haben und auf den von Peter M*** eingestandenen vereinbarungswidrigen Verbrauch dieser Gelder für eigene (private) Zwecke. Ebensowenig ist für die Beurteilung seines Tatverhaltens als Betrug von Bedeutung, daß er gegen Peter M*** rückständige Lohnforderungen geltend machte. Sein Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO erweist sich sohin als nicht geeignet, Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch wegen Betruges zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

In rechtlicher Hinsicht verkennt der Beschwerdeführer, daß beim Betrug das Bewußtsein und der Wille des Täters vorhanden sein müssen, sein faktisches Vermögen oder das eines Dritten zu vermehren. Der Täter muß, wie sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut ergibt, nicht mit dem Vorsatz handeln, durch das Verhalten des Getäuschten sich selbst unrechtmäßig zu bereichern; genug daran, daß die unrechtmäßige Bereicherung, welche der Täter anstrebt, im Vermögen eines Dritten eintritt. Für die Tatbestandsverwirklichung bleibt demnach ohne Belang, daß der materielle Vorteil aus den Betrugshandlungen nicht dem Angeklagten Karl Heinz B*** zukam oder zukommen sollte, sondern dem Mitangeklagten Peter M*** oder dessen Unternehmen. Das Motiv seines Handelns, bei aufrechtem Dienstverhältnis die ihm obliegenden Arbeiten zu erbringen, um hiedurch seinen Arbeitsplatz und sein Einkommen zu sichern, schließt die Bereicherungstendenz nicht aus. Insoweit haftet dem Schuldspruch daher keine Nichtigkeit gemäß der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO an. Unbegründet ist aber auch der - der Sache nach ebenfalls aus dem Grund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene - Einwand, der Beschwerdeführer wäre als (bloß) faktischer Geschäftsführer nicht in der Lage gewesen, sich gegen den Willen des Geschäftsführers Peter M*** der Fortführung der C*** Immobilien GesmbH zu

widersetzen und an dessen Stelle die Auflösung der Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden:

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht ging mit mängelfreier Begründung davon aus, daß Karl Heinz B*** auf die Geschäftsführung der GesmbH maßgeblicher Einfluß zustand und er daher die Stellung eines de-facto Geschäftsführers innehatte (Band III, S 11 ff, 33 ff d.A). Aus dieser Annahme wurde aber weder die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als leitender Angestellter im Sinn des nur auf die §§ 156, 158, 159 und 162 StGB abgestellten § 161 (in Verbindung mit § 309) StGB, noch die ausschließlich den Organen der GesmbH zukommende gesellschaftsrechtliche Befugnis abgeleitet, über Weiterführung oder Liquidierung der Gesellschaft zu entscheiden. Vielmehr ging es hier um die Gesamtverantwortlichkeit der beiden Angeklagten für alle im Unternehmen verübten Betrugshandlungen. Wie das Erstgericht richtig erkannte, ist nicht entscheidungswesentlich, wer gerade den Kunden gegenüber agierte, rechtsgeschäftliche Erklärungen abgab und für die C*** Immobilien GesmbH Geldbeträge entgegennahm. Denn zum einen kommt es bei Annahme unmittelbarer Täterschaft nicht auf eine eigenhändige Tatbestandsverwirklichung, sondern auf die Ausübung der Tatherrschaft an (vgl Burgstaller in RZ 1975, 16 ff), die Karl Heinz B*** schon dadurch ausübte, daß er Geldbeträge in Kenntnis des Umstandes, daß eine widmungsgemäße Verwendung infolge der unredlichen Gestion des Peter M*** ernstlich in Frage gestellt war, im Rahmen des Geschäftsbetriebes unter seiner Aufsicht und Kontrolle treuhändig entgegennehmen ließ. Zum andern kann eine Täuschung durch konkludentes Handeln begangen werden; maßgebend ist hiebei, welcher bestimmte irreführende Erklärungswert dem Verhalten des Täters nach der Verkehrsanschauung zukommt (vgl Kienapfel BT II2, § 146 StGB Rz 44 und die dort zitierten E). Mit der Übernahme der Treuhandgelder galt im redlichen Geschäftsverkehr als miterklärt, die GesmbH sei willens und in der Lage, diese Beträge bei Abschluß eines Mietvertrages an den Vormieter weiterzuleiten und bei Nichtzustandekommen eines Vertrages an den Wohnungswerber zurückzuzahlen. Soweit der Beschwerdeführer daher durch sein Auftreten keine Bedenken in der Richtung aufkommen ließ, die GesmbH könnte die Kundenzahlungen in ihr freies Eigentum überführen, ohne für einen präsenten Deckungsfonds Vorsorge zu treffen, ergibt sich die tatbildmäßige Täuschung über Tatsachen schon aus seinem Gesamtverhalten. Unter der - hier gleichfalls

gegebenen - Voraussetzung, daß solcherart ein Irrtum hervorgerufen wurde, der den Getäuschten zu einer Vermögensverfügung verleitete, welche bei ihm oder einem Dritten einen tätergewollten Vermögensschaden herbeiführte, verwirklichte das inkriminierte Tatverhalten des Beschwerdeführers den Tatbestand des Betruges. Den Beschwerdeausführungen zuwider kann Karl Heinz B*** nicht exkulpieren, daß er, ebenso wie alle übrigen Mitarbeiter der Firma, nach dem Inhalt des Dienstvertrages verpflichtet war, Anbote zur Vermittlung von Mietverträgen zu beschaffen und treuhändig erlegte Beträge zur Abgeltung von Investitionen des Vormieters entgegenzunehmen und abzuliefern, weshalb Äußerungen gegenüber Kunden, die sie zur Änderung ihrer Absichten veranlassen sollten, der ihm als Angestellten obliegenden Treuepflicht widersprochen hätten. Auf die Straflosigkeit eines Betruges könnte sich B*** nur dann berufen, wenn ihm entschuldigender Notstand zustatten käme. Eine Notstandssituation im Sinn des § 10 StGB war hier aber nicht indiziert und wurde vom Beschwerdeführer auch gar nicht substantiiert behauptet. Der bloße Hinweis auf das Angestelltenverhältnis reicht insoweit nicht aus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl Heinz B*** war darum zu verwerfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde war gemäß dem § 290 Abs 1 StPO wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil insofern mit einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach dem ersten Fall der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO behaftet ist, als die bedingte Nachsicht eines Teiles der über die beiden Angeklagten verhängten Strafen (§ 43 a Abs 4 StGB) ohne Festsetzung einer Probezeit und damit ohne Angabe eines Endzeitpunktes (der Bewährung) ausgesprochen wurde, obwohl das Gesetz bei dieser Rechtswohltat zwingend eine Probezeit von höchstens drei Jahren vorsieht (§ 43 Abs 1 StGB). Da dem Schöffengericht bei der Ausmessung der Unrechtsfolgen für die beiden Angeklagten somit eine Überschreitung seiner Strafbefugnis unterlief, mußte das angefochtene Urteil von Amts wegen aus dem angeführten Nichtigkeitsgrund - und zwar zur Ermöglichung eines einheitlichen Strafbemessungsvorganges - im gesamten Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen werden. Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf diesen kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E18211

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00085.89.0808.000

Dokumentnummer

JJT_19890808_OGH0002_0110OS00085_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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