TE OGH 1989/9/28 13Os115/89

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Veröffentlicht am 28.09.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Toth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef P*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 2. Mai 1989, GZ. 15 E Vr 218/89-54, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Tschulik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 2. Mai 1989, GZ. 15 E Vr 218/89-54, verletzt den § 43 a Abs. 3 StGB. iVm. § 5 Z. 9 JGG 1988.

Text

Gründe:

Mit dem rechtskräftigen Urteil des Kreisgerichts Wels vom 2. Mai 1989, GZ. 15 E Vr 218/89-54, wurde der am 8. Jänner 1970 geborene (zu den jeweiligen Tatzeiten noch jugendliche) Hilfsarbeiter Josef P*** des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 und 15 StGB. sowie der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB., des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und 2 StGB. und des Eingriffs in fremdes Jagd- und Fischereirecht nach § 137 StGB. schuldig erkannt. Er wurde nach § 129 StGB. unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB. und des § 5 (Z. 4) JGG. 1988 unter gleichzeitiger Straffestsetzung zum Urteil des Kreisgerichts Wels vom 5. Mai 1986, AZ. 15 Vr 413/86 (§ 494 a Abs. 1 Z 3 StPO.), zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Monaten verurteilt. Gemäß § 43 a (Abs. 3) StGB. wurde ein Teil der Strafe im Ausmaß von drei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Vom Widerruf der bedingten Nachsicht einer weiteren Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten (AZ. 15 Vr 532/87 des Kreisgerichts Wels) wurde gemäß § 494 a Abs. 1 Z. 2 StPO. abgesehen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB. ist beim Ausspruch einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahren, wenn weder die ganze Strafe bedingt nachgesehen, noch nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle vorgegangen werden kann, unter den Voraussetzungen des § 43 StGB. ein Teil der Strafe bedingt nachzusehen; der nicht bedingt nachgesehene Teil der Strafe muß mindestens einen Monat und darf nicht mehr als ein Drittel der Strafe betragen. Durch die für jugendliche Rechtsbrecher geltenden Sonderbestimmungen ist diese Vorschrift insofern modifiziert, als nach § 5 Z. 9 JGG. 1988 die §§ 43 und 43 a StGB. bei Ahndung von Jugendstraftaten auch angewendet werden können, wenn auf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei bzw. drei Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre.

Durch § 5 Z. 9 JGG. 1988 werden demnach nur die Obergrenzen des zu verhängenden oder verhängten Strafmaßes ausgeschaltet, wogegen die im § 43 a Abs. 2 und 3 StGB. festgesetzte Mindestfreiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, welche der Angeklagte verwirkt haben muß, unverändert beibehalten wird. Ebenso muß bei Straftaten Jugendlicher die im § 43 a Abs. 3, letzter Satz, StGB. vorgesehene Relation zwischen dem bedingt nachgesehenen und dem unbedingt ausgesprochenen Strafteil gewahrt sein.

Die im Schrifttum vertretene Ansicht, die Einrichtungen der bedingten und der teilbedingten Strafnachsicht könnten bei Jugendstraftaten ohne Beschränkung angewendet werden (Reissig, JGG. 1988, Anm. VII zu § 5), und es seien Einschränkungen der §§ 43, 43 a StGB. in Jugendstrafsachen (§ 1 Z. 4 JGG. 1988) nur im Rahmen der spezial- und generalpräventiven Normen der §§ 5 Z. 1, 14 JGG. 1988 beachtlich (Jesionek-Held, JGG. 1988 S. 45 unten, 46 oben) ist ersichtlich auf den Wortlaut der Regierungsvorlage des Jugendgerichtsgesetzes (§ 5 Z. 5) abgestellt, wonach Geld- und Freiheitsstrafen "ohne Rücksicht auf die Strafdrohung und das Ausmaß der zu verhängenden Strafe unter den übrigen Voraussetzungen und Bedingungen der §§ 43 und 43 a ganz oder zum Teil bedingt nachgesehen werden" sollten. Die beiden Literaturmeinungen sind daher auf die vom Justizausschuß neu formulierte, nämlich auf die geltende Fassung des § 5 Z. 9 JGG. 1988 nicht anwendbar. Eine gegenteilige Ansicht läßt sich auch nicht aus § 5 Z. 4 JGG 1988 gewinnen. Wohl greifen die darin normierte Herabsetzung des Höchstmaßes aller angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen auf die Hälfte und der Entfall eines Mindestmaßes bei der Anwendung der einschlägigen d.h. der auf Strafdrohungen abhebenden Vorschriften des Allgemeinen Teils (§§ 1 bis 74) des Strafgesetzbuchs (mit Ausnahme der §§ 17 und 42 StGB.: siehe § 5 Z. 7 JGG. 1988) ein (JAB. zum JGG. 1988 S. 5). Indes stellen die im § 5 Z. 9 JGG. 1988 mit Beziehung auf §§ 43 und 43 a StGB. angeführten Freiheitsstrafen von mehr als zwei bzw. drei Jahren, auf die "erkannt wird oder zu erkennen wäre", keine Strafandrohungen in der Bedeutung des § 5 Z. 4 JGG. 1988 dar. Die im § 5 Z. 9 JGG. 1988 bezogenen Strafmaße von mehr als zwei bzw. drei Jahren sind vielmehr Positionen der individuellen Strafbemessung (auf die "erkannt wird oder zu erkennen wäre"). Daraus folgt, daß zwischen § 5 Z. 4 JGG. 1988 (Strafandrohungen) und § 5 Z. 9 JGG. 1988 (Positionen der Strafverhängung im Einzelfall) eine gedankliche Verbindung gar nicht hergestellt werden kann. Mit anderen Worten: Die Regelungsinhalte der Z. 4 und 9 des § 5 JGG. 1988 gehören verschiedenen Begriffskategorien an und lassen darum wechselseitige porismatische Aussagen nicht zu. Folgerichtig kann auch nicht etwa davon gesprochen werden, Z. 9 normiere eine "Ausnahme" von Z. 4 des § 5 JGG. 1988. Der abstrakte Strafrahmen und die konkrete Strafzumessung sind inkommensurable Größen. - Das Ergebnis dieser Auslegung steht auch mit den Intentionen des Gesetzgebers im Einklang; sollte doch mittels § 43 a Abs. 3 StGB. - in Fortführung des aus § 37 StGB. hervorleuchtenden Gedankens - gerade die Verhängung kurzfristiger "Schockstrafen" in jenen Fällen vermieden werden, in denen sonst eine Geldstrafe oder eine bedingte Freiheitsstrafe verhängt worden wäre (JAB. zum StRÄG. 1987, 359 BlgStenProtNR. XVII. GP. S. 10). Dem liefe es zuwider, bei einem sechs Monate nicht übersteigenden Strafausmaß teilbedingte Freiheitsstrafen zu gestatten. Die Nachsicht eines Teils der über Josef P*** verhängten Freiheitsstrafe von viereinhalb Monaten beruht sonach auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes (§ 33 Abs. 2 StPO.). Da das Kreisgericht Wels mittels Verletzung des § 43 a StGB. seine Strafbefugnis zum Vorteil des Angeklagten überschritten hat, konnte es bei der im § 292 StPO. vorgesehenen Feststellung bleiben.

Anmerkung

E19157

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00115.89.0928.000

Dokumentnummer

JJT_19890928_OGH0002_0130OS00115_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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