TE OGH 1989/10/18 14Os127/89

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Veröffentlicht am 18.10.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Oktober 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter E*** und einen anderen wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB nF über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Walter E*** sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Walter E*** und Wolfgang R*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 10. Juli 1989, GZ 10 a Vr 264/89-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten Walter E*** und der Verteidiger Dr. Weber und Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Wolfgang R***, zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Walter E*** wird verworfen.

II. Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der den beiden Angeklagten angelasteten strafbaren Handlung als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB nF, sowie

demgemäß auch in den Strafaussprüchen (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs gemäß § 38 StGB) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Walter E*** und Wolfgang R*** haben durch die im Schuldspruch bezeichneten Tathandlungen das Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB aF begangen und werden hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu Freiheitsstrafen, und zwar

Walter E*** in der Dauer von 10 (zehn) Monaten und Wolfgang R*** in der Dauer von 16 (sechzehn) Monaten

verurteilt.

III.Mit seiner Berufung wird der Angeklagte E*** auf die Entscheidung zu Punkt II. verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 3.Februar 1953 geborene Walter E*** und der am 24.Juli 1962 geborene Wolfgang R*** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB nF schuldig erkannt. Darnach haben sie am 22.April 1989 in Krems an der Donau "als Beteiligte (§ 12 StGB)" Rosamunde P*** mit Gewalt gegen ihre Person und durch gefährliche Drohung, indem sie ihr mit Händen und Füßen Schläge versetzten, ihr ein Messer an die Kehle setzten und Walter E*** einen Kleiderbügel in ihren After steckte, zu einem Mundverkehr mit Wolfgang R*** genötigt. Dieser Schuldspruch wird vom Angeklagten E*** und von der Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, die von dem genannten Angeklagten auf die Gründe nach Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO und von der Staatsanwaltschaft (zungunsten beider Angeklagten) auf den Grund der Z 10 der bezeichneten Gesetzesstelle gestützt wird.

Als Undeutlichkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen rügt der Angeklagte E***, daß dem Urteil nicht entnommen werden könne, welche Tathandlungen ihm und dem Mitangeklagten Wolfgang R*** zugeordnet wurden und wer von ihnen Haupt- oder Beteiligungstäter gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge (Z 5) versagt. Abgesehen davon, daß aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ohnedies klar ersichtlich ist, in welcher Weise die Angeklagten tätig geworden sind und welche Akte der Gewalt jeder von ihnen gesetzt hat, ist das Erstgericht von einem einverständlichen, auf die Nötigung der Rosamunde P*** zu Unzuchtshandlungen gerichteten Zusammenwirken beider Angeklagten ausgegangen. In einem solchen Fall hat aber jeder an der Tatausführung Beteiligte den im gemeinsamen Vorsatz gelegenen Erfolg als Mittäter zu verantworten, ohne daß er das gesamte Tatbild selbst verwirklichen müßte. Geschlechtliche Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB nF setzt - ebenso wie Nötigung zum Beischlaf (§ 202 Abs 1 StGB aF), Nötigung zur Unzucht (§ 204 Abs 1 StGB aF) und der (anders als die Notzucht alten Rechts) nunmehr als Nötigungsdelikt konstruierte Tatbestand der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB nF - Eigenhändigkeit nicht voraus, sodaß als unmittelbarer Täter auch anzusehen ist, wer eine Person zu einem Geschlechtsverkehr oder zu einer Unzuchtshandlung mit einem anderen nötigt (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 RN 14; Pallin im WK Rz 3, 4 je zu § 202 aF). Zudem kommt der Frage, ob Mittäterschaft oder bloß Beitragstäterschaft des Angeklagten Walter E*** vorlag, angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Begehungsformen des § 12 StGB keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (SSt. 53/57 ua). Mit der - dem Vorbringen des Verteidigers im Gerichtstag zufolge nur aus Versehen (nominell) auf "Z 11" anstatt richtig auf Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten - Tatsachenrüge wendet der Beschwerdeführer ein, das Erstgericht habe die Angaben der Rosamunde P*** zu Unrecht als geeignete Beweisgrundlage für die Widerlegung seiner leugnenden Verantwortung erachtet und ihm entgegen der Zeugenaussage des Karl G*** eine nachträgliche Absprache mit dem Tatopfer unterstellt. In den Urteilsgründen wurde jedoch in schlüssiger Weise dargelegt, warum der Darstellung der Rosamunde P***, insbesondere jener im Vorverfahren, trotz ihres Versuches, zu Beginn ihrer Zeugenaussage in der Hauptverhandlung die Tathandlungen überwiegend dem Angeklagten R*** anzulasten, letztlich Glauben geschenkt wurde. In diesem Zusammenhang wurde zwar darauf hingewiesen, daß die Zeugin den ihr bekannten Walter E*** in der Zeit zwischen seiner Enthaftung und der Hauptverhandlung wieder getroffen hat, jedoch nicht angenommen, daß der Genannte dabei an sie das Ansinnen gestellt hat, ihn durch wahrheitswidrige Angaben zu entlasten. Es wurde aber auch die Aussage des Zeugen Karl G*** nicht übergangen, sondern ihr wegen der offensichtlich bestehenden Bekanntschaft mit Walter E*** Relevanz für die Wahrheitsfindung abgesprochen (vgl. S 238, 239). In Wahrheit unternimmt der Beschwerdeführer damit lediglich den Versuch, die Beweiskraft der Aussage der Zeugin P***, der die Tatrichter Glauben schenkten, anzuzweifeln und solcherart seiner (abgelehnten) Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Die reklamierte Urteilsnichtigkeit (Z 5 a) kann darin aber nicht erblickt werden (EvBl 1988/109). Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten E*** war daher zu verwerfen.

Berechtigt ist hingegen die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Nach Ansicht des Erstgerichtes ist das Strafgesetz, das zur Zeit der Tat gegolten hat (§ 204 Abs 1 StGB aF), für die beiden Angeklagten in seiner Gesamtauswirkung nicht günstiger als das zur Zeit der Entscheidung geltende Gesetz, weil ein Mundverkehr keine einem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung im Sinn des § 201 StGB nF darstelle, sondern nunmehr den Tatbestand der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 Abs 1 StGB nF) erfülle. Zudem sei § 201 Abs 2 StGB nF wegen der strengeren Strafdrohung im Verhältnis zu § 204 Abs 1 StGB aF, die Qualifikation des § 202 Abs 2 (dritter Fall) StGB nF hinwieder deshalb unanwendbar gewesen, weil diese zur Tatzeit noch nicht bestanden habe.

Zutreffend weist die Anklagebehörde zunächst darauf hin, daß es bei der Prüfung der Frage, ob das zur Tatzeit oder zur Zeit der Urteilsfällung geltende Recht günstiger ist, auf die Gesamtauswirkungen ankommt, die den Täter nach dem alten und nach dem neuen Recht treffen. Der in § 61 StGB vorgesehene Günstigkeitsvergleich ist daher stets in toto vorzunehmen, wobei eine strafrechtliche Zurechnung von Qualifikationen der Tat, die nach dem bisherigen Recht nicht vorgesehen waren, nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Bei Anwendung der am 1.Juli 1989 (durch die Strafgesetznovelle 1989, BGBl. Nr. 242) in Kraft getretenen Rechtslage hätten die Angeklagten, wie von der Staatsanwaltschaft gleichfalls richtig erkannt wurde, jedenfalls einen der Tatbestände der Vergewaltigung nach § 201 StGB nF zu verantworten (ohne daß hier auf das Vorliegen der für die Differenzierung der beiden Deliktsfälle maßgeblichen Begehungsmittel eingegangen werden müßte), weil unter geschlechtlichen Handlungen, die dem Beischlaf gleichzusetzen, dh nach dem allgemeinen Verständnis in der Summe ihrer Auswirkungen und Begleiterscheinungen einem solchen vergleichbar sind, "jede auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichtete Form einer oralen, vaginalen oder analen Penetration" zu verstehen ist (JAB zur Vergewaltigung, Punkt 7). Entgegen der Meinung des Erstgerichts kommt es dabei nicht darauf an, ob die Tathandlung der geschlechtlichen Befriedigung beider Partner dient; durch die Gleichstellung von Beischlaf und beischlafsähnlichen Sexualakten sollte vielmehr der vergleichbaren Intensität und sexuellen Inanspruchnahme des Opfers und der Schwere des Eingriffes in die sexuelle Selbstbestimmung sowie dem Ausmaß der Demütigung und Erniedrigung Rechnung getragen werden. Hinzu kommt, daß der Tatbestand der Vergewaltigung nunmehr geschlechtsneutral gefaßt ist und sohin auch den sexuellen Mißbrauch zwischen Personen desselben Geschlechts erfassen soll. Aus all dem folgt, daß ein Mundverkehr strafrechtlich wie ein Beischlaf zu behandeln und diese Form der geschlechtlichen Betätigung als eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung zu werten ist, wobei diese Auslegung im Wortlaut des Gesetzes durchaus Deckung findet.

Schon eine Gegenüberstellung der Grundstrafdrohungen des § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB nF ("... Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ..." "...Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ...") mit jener des § 204 Abs 1 StGB aF ("... Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ...") zeigt, daß die Anwendung des zur Tatzeit geltenden Strafgesetzes in der Gesamtauswirkung für die Angeklagten günstiger war. Dies träfe, wie der Vollständigkeit halber hinzugefügt sei, im übrigen auch bei gegenüberstellender Gesamtbetrachtung des alten und des neuen Rechts für eine Tat zu, die als geschlechtliche Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 StGB nF zu beurteilen wäre. Die vor Inkrafttreten der Strafgesetznovelle 1989 gesetzten Tathandlungen der beiden Angeklagten hätten demnach rechtsrichtig unter den Tatbestand der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB aF subsumiert werden müssen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft waren daher die Angeklagten des zuletzt bezeichneten Vergehens schuldig zu sprechen.

Bei der durch die Aufhebung (auch) des Strafausspruchs erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafen konnten die vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend konstatierten Strafzumessungsgründe mit der Ergänzung übernommen werden, daß beim Angeklagten R*** angesichts des Umstandes, daß er die vorliegende Straftat rund drei Wochen nach Verbüßung einer dreijährigen Freiheitsstrafe begangen hat (die über ihn unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und schwerer Nötigung verhängt worden war), noch der Erschwerungsgrund des raschen Rückfalls hinzukommt. Entgegen der Meinung des Angeklagten E*** fällt auch ihm die mehrmalige Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Straftaten als besonderer Erschwerungsgrund zur Last.

§ 33 Z 2 StGB verlangt nämlich insoweit nur eine Verurteilung wegen einer Straftat, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen ist (§ 71 StGB). Auf der gleichen schädlichen Neigung wie das dem Angeklagten E*** vorliegend angelastete, mit einer Verletzung des Tatopfers (nämlich mehrfachen Blutergüssen im Gesicht und am Körper - US 7 iVm S 79) verbunden gewesene Unzuchtsdelikt beruhen daher sowohl die Verurteilungen wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 RN 7; Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 4 je zu § 71), als auch die Verurteilung wegen des Vergehens nach § 287 StGB in bezug auf

§ 218 StGB (vgl. ÖJZ-LSK 1980/152).

Ausgehend von den sohin gegebenen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erschienen dem Obersten Gerichtshof angesichts des die beiden Angeklagten treffenden hohen Schuld- und Unrechtsgehalts die bereits vom Erstgericht über sie verhängten Freiheitsstrafen ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld angemessen.

Im Hinblick auf die Art der urteilsgegenständlichen Straftat, vor allem aber auf das Vorleben der Angeklagten fehlt es an den Voraussetzungen für die Gewährung bedingter oder teilbedingter Nachsicht der Strafe. Zur Erreichung der Strafzwecke bedarf es vielmehr bei beiden Angeklagten des Vollzuges der über sie verhängten Sanktion.

Über die Rechtsmittel war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E19173

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00127.89.1018.000

Dokumentnummer

JJT_19891018_OGH0002_0140OS00127_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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