TE OGH 1989/11/28 2Ob153/89

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Veröffentlicht am 28.11.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Richard P***, Maurer, Treffelsdorf 12, 9064 Pischelsdorf, 2. VVS V*** FÜR V*** UND H*** IN S***, Hütteldorferstraße 79, 1150 Wien, beide vertreten durch Dr. Hartmut Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** Versicherungs AG, Mattiellistraße 2-4, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Manfred Melzer, Dr. Erich Kafka, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 487.329,38 und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. Juli 1989, GZ 15 R 131/89-80, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Endurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Jänner 1989, GZ 28 Cg 743/83-75, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts und das Ersturteil werden hinsichtlich eines Teilbetrages von S 183.249,93 aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Auf die Kosten des Revisionsverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung:

Der Erstkläger erlitt bei einem Verkehrsunfall am 24. Jänner 1981 schwere Verletzungen. Die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei als Haftpflichtversicherer ist unbestritten. Der Erstkläger, über dessen Feststellungsbegehren bereits rechtskräftig entschieden wurde, zedierte seine Schadenersatzansprüche der zweitklagenden Partei. Von den geltend gemachten Ansprüchen von zuletzt S 487.329,38 ist nur die Forderung wegen Verdienstentgangs Gegenstand des Revisionsverfahrens. Aus diesem Titel wurden nach mehrfachen Klagsausdehnungen und -einschränkungen zuletzt S 301.745,38 begehrt (ON 73).

Das Erstgericht gab dem Begehren der zweitklagenden Partei vollinhaltlich statt. Zum Verdienstentgang traf es folgende wesentliche Feststellungen:

Der Erstkläger war vor dem Unfall in Maria Saal als Speditionsarbeiter beschäftigt. Nach dem Unfall bezog er durch eineinhalb Jahre Krankengeld, vom 21. August 1984 bis 7. September 1986 war er als Wachorgan in Klagenfurt tätig (12-Stundendienst bei 5 Arbeitstagen pro Woche). Ohne den Unfall hätte der Kläger fiktiv als Speditionsarbeiter bei einer 40-Stunden-Woche unter Berücksichtigung von Diäten und kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen in der Zeit von 1981 bis zum 20. August 1984 netto S 563.234,30 verdient. Tatsächlich erhielt er in dieser Zeit S 454.388,39 (Einkommen im Jahr 1981 vor dem Unfall, Krankengeld, Leistungen der P*** DER

A*** und Arbeitslosenunterstützung). Der Nettoverdienstentgang betrug daher bis 20. August 1984 S 108.845,91. In der Zeit vom 21. August 1984 bis 7. September 1986 hätte der Kläger als Speditionsarbeiter netto S 351.344,67 verdient. Hätte er als Wachorgan wöchentlich 40 statt 60 Stunden gearbeitet, dann hätte der fiktive Verdienst als Wachorgan insgesamt S 158.445,20 betragen und der Nettoverdienstentgang in der Zeit vom 21. August 1984 bis 7. September 1986 daher S 192.899,47. Der Gesamtnettoverdienstentgang beträgt daher S 301.745,38. Dieser Gesmatverdienstentgang ergibt sich daraus, daß der Verdienst des Erstklägers bei der Speditionsfirma unter Heranziehung einer 40-Stunden-Woche gerechnet wird, dem gegenübergestellt der effektive Verdienst beim Wachdienst, jedoch herabgemindert von einer 60- auf eine 40-Stunden-Wochen.

Zur rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht hinsichtlich des Verdienstentganges lediglich aus, in eventu sei auch bei dieser Position die Bestimmung des § 273 ZPO zur Anwendung gebracht worden. Die beklagte Partei bekämpfte den Zuspruch eines Teilbetrages von S 297.464,93 (darin S 206.834,93 Verdienstentgang) mit Revision. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil hinsichtlich eines Betrages von S 34.000,- sowie im Kostenpunkt als nichtig auf, gab der Berufung im übrigen aber nicht Folge und bestätigte den Zuspruch von S 263.464,93 mit Teilurteil. Im bestätigenden Teil ist der Verdienstentgang enthalten. Das Berufungsgericht, das die Revision für nicht zulässig erklärte, führte zum Verdienstentgang folgendes aus:

"Zunächst sei festgehalten, daß im Gegensatz zur Auffassung der Berufungswerberin Eigenersparnis als Vorteilsausgleichung (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht2 I 199 f, 203 ff) nur einen Abzugsposten vom an sich gegebenen Ersatzanspruch des Geschädigten darstellt, nicht aber einen eigenen einklagbaren Anspruch des Schädigers. Aus diesem Grund ist eine Geltendmachung in Form einer Aufrechnungseinwendung verfehlt. Weiters entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß Zulagen zum Verdienst zählen, daß aber nur derjenige Betrag zu ersetzen ist, der über dem Aufwand liegt, wenn sie der Aufwandsbestreitung dienen (SZ 42/140 = ZVR 1970/90 und insb. ZVR 1957/101; Reischauer in Rummel II Rz 24 zu § 1325 ABGB), wobei diese Trennung unter Bedachtnahme auf § 273 ZPO vorzunehmen ist (ZVR 1957/101). Dies führt dazu, daß Auslagen des Erstklägers für Fahrten, die er vor und nach dem Unfall tätigen mußte, für sich allein noch zu keiner Minderung seines Ersatzanspruchs führen. Unrichtig ist es auch, daß das Erstgericht davon ausgegangen sei, daß der Kläger Diäten im Ausmaß von etwa S 800,- monatlich erhalten hat. Dieses ging weitgehend im Einklang mit der Klagsbehauptung vielmehr davon aus, daß die Diäten S 1.200,- bzw. S 900,- betragen hätten, von denen im Sinne der oben dargestellten Judikatur aber nur S 800,- als Verdienst entgangen seien (vgl. nur AS 6 f). Ob der Erstkläger Diäten für Auswärtsessen vollverbraucht hat (AS 11), ist für sich allein bedeutungslos, weil er damit die Kosten für das Essen am Wohnort sparte. Schließlich ist es möglich, daß das Arbeitsleid des Erstklägers, der nach dem Unfall eine leichtere Tätigkeit angenommen hat, geringer ist als vor dem Unfall. Eine Rechtsgrundlage für die vermögensrechtliche Berücksichtigung dieses Umstandes ist jedoch nicht erkennbar und wird von der Berufungswerberin auch nicht angegeben. Es sei daher in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß nach der herrschenden Rechtsprechung des Freiwerdens der Arbeitskraft der Witwe durch den Wegfall der häuslichen Pflichten gegenüber dem getöteten Ehemann kein anrechenbarer Vorteil ist (zuletzt etwa SZ 53/155 = ZVR 1982/28). Dieser Rechtsgrundsatz muß erst recht für den Fall gelten, daß der Geschädigte wegen der Unfallsfolgen eine leichtere Arbeit annehmen muß."

Zur Nichtzulassung der Revision führte das Berufungsgericht aus, im wesentlichen sei nur über Ermessensfragen abzusprechen gewesen, deren Bedeutung nicht über den konkreten Fall hinausreiche, das Berufungsgericht könne sich im übrigen auf die oben wiedergegebene höchstgerichtliche Judikatur stützen.

Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit außerordentlicher Revision, macht die Anfechtungsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß ein Teilbetrag von S 183.249,93 abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die zweitklagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

An den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Unzulässigkeit der Revision ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden. Die Revision ist entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz zulässig, denn bei der Frage, ob bei der Ermittlung des Verdienstentgangs das Einkommen, das der Geschädigte nach der Verletzung tatsächlich bezogen hat oder nur jenes, das er bei einer 40-Stunden-Woche erzielt hätte, zu berücksichtigen ist, handelt es sich um eine solche, der erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (in der derzeit noch geltenden Fassung) zukommt. Die Revision ist auch berechtigt.

Verdienstentgang ist nach Lehre und Rechtsprechung positiver Schaden (Koziol II2 132; ZVR 1976/107 ua). Durch die Körperverletzung wird das Vermögensgut der Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt (Koziol aaO). Die Berechnung eines Vermögensschadens erfolgt durch Vergleichung des Geldwertunterschieds zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustands vor und nach der Beschädigung (SZ 50/50, SZ 56/126; vgl auch Koziol2 I 13). Der Verdienstentgang ist daher in der Weise zu errechnen, daß der vom Verletzten für den gesamten in Betracht kommenden Zeitraum erzielte tatsächliche Verdienst von jenem Betrag abgezogen wird, den der Verletzte ohne die Körperverletzung erzielt hätte (2 Ob 532/50; 5 Ob 209,235/72; 8 Ob 224/76 ua; vgl auch SZ 41/46). Im vorliegenden Fall war es richtig, das Nettoeinkommen, das der Erstkläger ohne die Verletzung erzielt hätte, fiktiv zu ermitteln. Davon ist aber das Einkommen, das der Erstkläger nach der Verletzung tatsächlich erzielt hat, abzuziehen. Ein Grund, nicht das tatsächlich erzielte Einkommen (die Arbeitszeit von 60 Wochenstunden entspricht laut Auskunft des Österreichischen Wachdienstes, Beilage O, dem Kollektivvertrag für Wachorgane im privaten Bewachungsgewerbe), sondern nur jenes zu berücksichtigen, das einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden entsprechen würde, besteht nicht. Zu vergleichen sind das fiktive Einkommen, das der Erstkläger ohne die Verletzung erzielt hätte, und das nach der Verletzung tatsächlich erzielte. Daß die Arbeit eines Speditionsarbeiters schwerer ist als jene eines Wacheorgans, ist ebensowenig zu berücksichtigen wie der Umstand, daß die Arbeitszeit eines Wacheorgans länger ist.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren den Verdienstentgang derart neu zu berechnen haben, daß von dem Einkommen, das der Erstkläger ohne den Unfall fiktiv bei der Speditionsfirma bezogen hätte, die noch festzustellenden tatsächlichen Einkünfte als Wacheorgan abgezogen werden. Auch hinsichtlich der Diäten und der Eigenersparnis an Fahrtkosten ist die Revision berechtigt. Zulagen zählen wohl zum Verdienstentgang, doch ist in Fällen, in denen sie der Aufwandsbestreitung dienen - dies wird bei Diäten in der Regel der Fall sein - nur jener Betrag zu ersetzen, der über dem Aufwand liegt (Reischer in Rummel, ABGB, Rz 24 zu § 1325; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 25 zu § 1325 je mwN). Gewiß wird eine Ermittlung des Verdienstentgangs aufgrund von Diäten im allgemeinen nicht ohne Heranziehung der Vorschrift des § 273 ZPO möglich sein. Das Erstgericht hat jedoch nicht einmal festgestellt, in welcher Höhe der Kläger Diäten bezog, ebensowenig, für welche Aufwendungen er diese erhielt und welchen Aufwand er damit tatsächlich abdeckte. Bei der Berechnung des Verdienstentgangs ging das Erstgericht ohne nähere Klarstellung entsprechend dem Sachverständigengutachten von Nebengebühren (Diäten) in der Höhe von S 800,- monatlich aus und berücksichtigte diese voll. Es bedarf daher auch hinsichtlich der Diäten einer Ergänzung des Verfahrens. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Vorbringen der beklagten Partei über die Eigenersparnis an Fahrtkosten (AS 175) Bedacht zu nehmen sein. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, Auslagen, die der Kläger vor und nach dem Unfall habe tätigen müssen, führten für sich allein noch zu keiner Minderung seines Ersatzanspruchs, lassen unberücksichtigt, daß der Kläger nun an einem anderen Dienstort beschäftigt ist und eine andere Arbeitszeit hat, so daß nicht davon ausgegangen werden kann, die Fahrtauslagen seien gleich hoch geblieben.

Schließlich weist die Revision mit Recht darauf hin, daß der Kläger bei seiner Verdienstentgangsberechnung in der Tagsatzung vom 27. Jänner 1986 eine Entgeltfortzahlung von S 3.933,- für die Zeit vom 1. Februar 1981 bis 9. Februar 1981 berücksichtigte, das Erstgericht darauf aber nicht Bedacht nahm. Der Sachverständige hat die von der K*** G*** in Beilage K angeführte Entgeltfortzahlung von S 7.866,- mit der Begründung nicht berücksichtigt, diese Entgeltfortzahlung sei dem Erstkläger nicht zugekommen. Dies mit Recht, denn bei diesem Betrag handelt es sich um einen Erstattungsbetrag im Sinne des § 8 EFZG, der nicht dem Kläger, sondern seinem Dienstgeber zugekommen ist. Der Betrag, den der Dienstgeber dem Kläger gemäß § 2 EFZG bezahlt hat, ist hingegen als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen.

Der Revision war daher Folge zu geben. Das Teilurteil des Berufungsgerichts und das Ersturteil waren im Umfang der Anfechtung aufzuheben, die Rechtssache war zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E19714

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00153.89.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19891128_OGH0002_0020OB00153_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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