TE OGH 1989/12/20 14Os90/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Dezember 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Toth als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Matthias T*** wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11. Mai 1989, GZ 20 s Vr 10684/88-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, der (im übrigen unberührt bleibende) Wahrspruch der Geschwornen zu der den Angeklagten Matthias T*** betreffenden Eventualfrage 7 und zu der hiezu gestellten Zusatzfrage 1 und demgemäß das (ansonsten gleichfalls unberührt bleibende) angefochtene Urteil in Ansehung des Angeklagten Matthias T*** in dem auf dem obbezeichneten Wahrspruch beruhenden Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB (Punkt 3. des Urteilssatzes) sowie infolgedessen auch in dem den genannten Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht - dem gemäß § 349 Abs. 2 StPO aufgetragen wird, die aufrecht gebliebenen Teile des Wahr-(und Schuld-)spruchs der Entscheidung mit zugrunde zu legen - zurückverwiesen.

II. Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch wegen Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2. des Urteilssatzes) gerichtet ist, wird sie zurückgewiesen.

III. Mit seiner Berufung wird Matthias T*** auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem genannten Angeklagten die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde, soweit diese erfolglos geblieben ist, zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Matthias T*** und Helmut S*** (zu 1.) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, (zu 2.) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und (zu 3.) des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben Matthias T*** und Helmut S*** am 5. November 1988 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als

Mittäter

(zu 1.) Julius G***-H*** durch Versetzen von Schlägen, die ein Brillenhämatom zur Folge hatten, am Körper verletzt; (zu 2.) Julius G***-H***, indem sie ihn aus seinem PKW zerrten und ihm Schläge versetzten und sodann gewaltsam in ihren PKW drückten, zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen seines PKW und zum Einsteigen in den PKW des Helmut S*** genötigt; (zu 3.) Kristof G***-H***, indem sie ihn durch die

gefährliche Drohung, sie würden seinen entführten Sohn erst dann freilassen, wenn er (Kristof G***-H***) Wechsel über 29.000 S unterfertige, zu einer Handlung, nämlich zur Unterfertigung dieser Wechsel nötigten, am Vermögen zu schädigen versucht, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern.

Die Anklagebehörde hatte den beiden Angeklagten das "Vergehen" (richtig: Verbrechen) der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs. 1 StGB zur Last gelegt, begangen dadurch, daß sie am 5. November 1988 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter den Julius G***-H*** ohne dessen Einwilligung mit Gewalt entführten, indem sie ihn aus seinem PKW zerrten, Matthias T*** ihm Faustschläge ins Gesicht versetzte und beide ihn in den PKW des Helmut S*** zerrten, um einen Dritten, nämlich Kristof G***-H***, zur Unterfertigung von Wechseln über insgesamt 29.000 S zu nötigen (ON 22 dA).

Die Geschwornen haben die anklagekonform gestellten Hauptfragen 1 und 2 (in Richtung des Verbrechens nach § 102 Abs. 1 StGB) jeweils stimmenmehrheitlich verneint, hingegen die Eventualfragen 1 und 2 (in Richtung des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB), 7 und 8 (in Richtung des Verbrechens nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB) sowie 9 und 10 (in Richtung des Vergehens nach § 105 Abs. 1 StGB) jeweils einstimmig bejaht; weiters haben sie die zu den Eventualfragen 7 und 8 sowie 9 und 10 gestellten Zusatzfragen 1 und 2 sowie 3 und 4 des Inhalts, ob die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck den guten Sitten widerstritten hat, gleichfalls einstimmig bejaht.

Dieses Urteil, das in Ansehung des Angeklagten Helmut S*** unangefochten geblieben ist, wird vom Angeklagten Matthias T*** - der Sache nach nur im Schuldspruch wegen Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2. des Urteilssatzes) und wegen versuchter Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB (Punkt 3. des Urteilssatzes) - mit einer auf die Z 6, 8, 10 a, 12 und 13 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Dem Rechtsmittel kommt, soweit es gegen den Schuldspruch wegen versuchter Erpressung gerichtet ist, Berechtigung zu. Dem Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung (§ 314 Abs. 1 StPO) zufolge hat der Beschwerdeführer beim Abnötigen der Wechselakzepte nicht unmittelbar mitgewirkt; diese Tathandlung wurde vielmehr durch den Mitangeklagten Helmut S*** allein, während sich der Beschwerdeführer mit Julius G***-H*** im PKW des S*** vor dem Haus des Kristof G***-H*** befand, vorgenommen (vgl. S 241, 249, 264 f, 268 ff, 279 iVm 51 bis 54, 59 f, 90, 114, 119, 133, 135 bis 138, 173, 176, 178 f, 181 f, 184 und 286 dA). Da sohin in der Hauptverhandlung Tatsachen, die die Annahme einer unmittelbaren (Mit-)Täterschaft des Beschwerdeführers in bezug auf die versuchte Erpressung hätten rechtfertigen können, nicht hervorgekommen sind, sondern die Verfahrensergebnisse vielmehr darauf hindeuteten, daß der Beschwerdeführer einen sonstigen Tatbeitrag zur Tatausführung des Mitangeklagten S*** leistete, wäre gemäß der Vorschrift des § 314 Abs. 1 StPO in Ansehung des Beschwerdeführers die Eventualfrage 7 nicht nach unmittelbarer Täterschaft, sondern nach Beitragstäterschaft iS § 12 dritter Fall StGB zu stellen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Da in der von den Geschwornen bejahten Eventualfrage 7 die Beteiligung des Beschwerdeführers in tatsachenmäßiger Beziehung nicht zum Ausdruck kommt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß der eine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z 6 StPO bewirkende (von der Beschwerde gerügte) Verstoß gegen Vorschriften über die Fragestellung keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluß hätte üben können (§ 345 Abs. 3 StPO).

Im Hinblick auf die somit (§ 349 Abs. 1 StPO) erforderliche Aufhebung des Wahrspruchs der Geschwornen zur Eventualfrage 7 und zur Zusatzfrage 1, des darauf beruhenden Schuldspruchs des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung (Punkt 3. des Urteilssatzes) sowie (demgemäß auch) des den Beschwerdeführer betreffenden Strafausspruchs erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen zu diesem Schuldspruch sowie (im Hinblick auf die Rüge aus § 345 Abs. 1 Z 13 StPO) zum Strafausspruch.

Lediglich zur Klarstellung sei - insoweit auch den in Ansehung des in Rede stehenden Schuldspruchs das Fehlen des Vorsatzes des Beschwerdeführers auf unrechtmäßige Bereicherung und demnach die Stellung einer Eventualfrage in Richtung der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB in bezug auf das Abnötigen der Wechselakzepte reklamierenden Beschwerdeausführungen erwidernd - bemerkt:

Nach der Verantwortung des Beschwerdeführers und des Mitangeklagten S*** (S 240, 247 dA) sowie den Bekundungen der Zeugen Julius G***-H*** und Kristof G***-H*** (S 264, 267 dA) hatte sich zwar der Letztgenannte anläßlich des mit seinem Sohn (über Andringen der beiden Angeklagten) geführten Telefongesprächs bereit erklärt, zur Abdeckung der Schulden seines Sohnes gegenüber den Angeklagten Wechsel zu unterschreiben und solcherart für seinen Sohn gutzustehen (S 267 dA). Aus dieser den Angeklagten noch im Lokal "LA S***" bekanntgewordenen Erklärung des Kristof G***-H***, so wie sie in der Hauptverhandlung auch von den Angeklagten wiedergegeben wurde, konnten die Angeklagten aber nicht den Schluß ziehen, Kristof G***-H*** habe die Schulden seines Sohnes Julius

G***-H*** übernommen und sei solcherart als "neuer" Schuldner an die Stelle des "alten" Schuldners getreten, sodaß der Angeklagte S***, als er Kristof G***-H*** zur Unterfertigung der Wechselakzepte zwang, dies tat, um einen ihm (und dem Beschwerdeführer) gegen den Genötigten zustehenden vermögensrechtlichen Anspruch durchzusetzen. Die bisherigen Verfahrensergebnisse indizierten demnach keinen Sachverhalt, bei welchem die Annahme eines Handelns mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Genötigten sich (oder einen Dritten) unrechtmäßig zu bereichern, ausgeschlossen sein könnte, womit aber eine Tatbeurteilung als Nötigung nicht in Betracht kommt. Was die gegen den Schuldspruch zu Punkt 2. des Urteilssatzes erhobene, allein auf § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO gestützte Rüge betrifft, so vermag die Beschwerde keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Der diesbezügliche Wahrspruch findet seine Stütze in den Aussagen des genötigten Julius G***-H*** vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter sowie, wenn auch abgeschwächt, zum Teil in der Hauptverhandlung (S 53 f, 138 f iVm 259 f, 262, 285 f dA), denen die Geschwornen ersichtlich gefolgt sind. Im bezeichneten Umfang erweist sich demnach die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß §§ 285 d Abs. 1 Z 2, 344 StPO in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen war.

Was hingegen die in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde angeordnete Verfahrenserneuerung in erster Instanz betrifft, so war die Sache an das nunmehr zuständige Schöffengericht zu verweisen (§ 349 Abs. 2 StPO); denn über den die Kompetenz des Geschwornengerichtes begründenden Anklagevorwurf wurde durch Verneinung der diesbezüglichen Hauptfrage im insoweit unangefochtenen und aufrecht gebliebenen Wahrspruch endgültig abgesprochen und es ist im zweiten Rechtsgang nur mehr über eine strafbare Handlung zu erkennen, die nicht in die Zuständigkeit des Geschwornengerichtes fällt (vgl. SSt. 47/11; idS auch 12 Os 20/75, 12 Os 141/75, 11 Os 51/82, 13 Os 181/85, 14 Os 83/87; vgl. im übrigen auch EvBl. 1989/106).

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle (s. hiezu Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 11 zu § 390 a).

Anmerkung

E19421

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0140OS00090.89.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19891220_OGH0002_0140OS00090_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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