TE OGH 1990/2/27 15Os3/90

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Veröffentlicht am 27.02.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Februar 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kluwik als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt H*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 7. November 1989, GZ 26 Vr 888/89-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten Kurt H*** und des Verteidigers Dr. Josef Weixelbaum, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und an Stelle des nicht bedingt nachgesehenen Teils (von vier Monaten) der (gesamten) Freiheitsstrafe (von einem Jahr) gemäß § 43 a Abs 2 StGB eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen,

den Tagessatz zu 200 S (zweihundert Schilling),

verhängt.

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen festgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 11.Juli 1962 geborene Gendarmerierevierinspektor Kurt H*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I/1) und des Vergehens der Unterdrückung eines Beweismittels nach § 295 StGB (I/2) schuldig erkannt und nach §§ 28 (Abs 1), 302 Abs 1 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, von der ihm gemäß § 43 a Abs 3 StGB ein Teil in der Dauer von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Darnach hat er

am 4.Mai 1989 ab etwa 11 Uhr und am 5.Mai 1989 in Wilhering als Gendarmeriebeamter mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er während des Dienstes trotz massiver subjektiver Verdachtsmomente gegen seinen Kollegen Wolfgang M***, einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden verursacht zu haben, es unterließ, diesen Verdachtsmomenten umgehend und gründlich nachzugehen und überdies Handlungen setzte, um die Ausforschung des Täters zu verhindern oder zu verzögern, indem er gegenüber Inspektor Johann S*** erklärte, er glaube zu wissen, daß Insp. Wolfgang M*** im Unfallszeitpunkt keinen Personenkraftwagen der Marke Ford Granada, sondern einen solchen der Marke Porsche besaß und mit Insp. Manfred M*** und Hans N*** Außendienst auch zur Ausforschung des Unfallfahrzeuges versah, obwohl er den Standort dieses Fahrzeuges kannte (I/1) und

am 4.Mai 1989 in Wilhering und Hörsching dadurch, daß er den Personenkraftwagen Ford Granada silber, mit dem Wolfgang M*** einen Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht hatte, gemeinsam mit diesem von seiner Wohnung in eine Scheune nach Hörsching brachte und dort abstellte, ein Beweismittel, das zur Verwendung in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren bestimmt war und über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß das Beweismittel im Verfahren gebraucht werde (I/2).

Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen verschuldete der Gendarmerierevierinspektor Wolfgang M*** am 4.Mai 1989 gegen 2 Uhr früh mit seinem silberfarbenen PKW Marke Ford Granada zwischen Eferding und Alkoven einen Verkehrsunfall, bei dem der Lenker eines Kleinmotorrades und dessen Mitfahrer schwer verletzt wurden. Da der Personenkraftwagen zufolge Abmeldung nicht mehr zum Verkehr zugelassen war und ein Versicherungsschutz nicht mehr bestand, beging M*** Fahrerflucht. Gegen 7 Uhr desselben Tages lenkte er das beschädigte Fahrzeug zu seinem Freund und Amtskollegen, dem Angeklagten Kurt H***, dem er mitteilte, er habe in der Nacht einen Unfall gehabt und müsse sein Auto "verschwinden lassen" und den er ersuchte, ihm beim Verbringen des Fahrzeuges behilflich zu sein. Hierauf versteckten beide den PKW, nach welchem seit 2.30 Uhr gefahndet wurde, womit der Angeklagte rechnete und sich abfand, mit dem Ziel, dessen Verwendung als Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren zu verhindern, in der Scheune des ihnen bekannten Wolfgang K***.

Etwa eine Stunde später trat der Angeklagte beim Gendarmerieposten Wilhering seinen Dienst an. Dort wurde er von seinem Kollegen Rev.Insp. Manfred M***, den er ablöste, dahin informiert, daß sich in der vergangenen Nacht im Bereich des Gendarmeriepostens Eferding ein Verkehrsunfall mit Fahrerflucht seitens des schuldtragenden PKW-Lenkers ereignet habe, bei dem zwei Personen verletzt worden seien. Es werde nach einem blaumetallic lackierten PKW Ford Granada gefahndet. Zwischen 9 Uhr und 9.30 Uhr erschien auch M*** bei seiner Dienststelle, wo ihn der Angeklagte über den Verkehrsunfall informierte, ohne ihn mit seinem gegen ihn gehegten Verdacht zu konfrontieren.

Nachdem gegen 10 Uhr an der Unfallsstelle silbermetallicfarbene Lacksplitter aufgefunden worden waren, wurde die Fahndung hinsichtlich der Farbe des unfallbeteiligten PKWs berichtigt. Gegen 11 Uhr wurde dies dem Angeklagten von Bezirksinspektor Johann S*** des Gendarmeriepostens Eferding telefonisch mit dem Ersuchen mitgeteilt, M*** zu überprüfen und dessen Fahrzeug zu besichtigen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hielt es der Angeklagte für wahrscheinlich, daß Wolfgang M*** der Lenker des gesuchten Unfallfahrzeuges war. Um den Verdacht gegen seinen Freund und Kollegen zu entkräften oder zumindest abzuschwächen und dessen Ausforschung als fahrerflüchtigen Lenker zu verhindern oder doch wenigstens zu verzögern, unterließ er es, das Versteck des PKWs bekanntzugeben. Der Angeklagte erklärte vielmehr Bez.Insp. S***, er habe vor einigen Tagen von M*** erfahren, daß dieser seinen silberfarbenen Ford Granada verkauft habe und nunmehr einen PKW Marke Porsche fahre; er habe jedoch M*** schon einige Tage nicht gesehen und sei deshalb nicht sicher, ob dieser das neu angeschaffte Fahrzeug schon besitze. Nach dem Wiederantritt des Dienstes durch Revierinspektor M*** um 12 Uhr, versah der Angeklagte gemeinsam mit diesem Außendienst. Er unterrichtete seinen Kollegen zwar über das Erhebungsersuchen betreffend den PKW des M***, unterließ es jedoch abermals, bei der Fahndung das ihm bekannte Versteck des Fahrzeugs preiszugeben.

Bei der Dienstablöse am 5.Mai 1989 um 8 Uhr morgens informierte der Angeklagte den Gendarmeriegruppeninspektor Hans N*** über den Verkehrsunfall, die Fahndung nach dem Unfallfahrzeug und das Ersuchen um Überprüfung des Kollegen M***. Sein sonstiges Wissen teilte er auch jetzt nicht mit. Gegen 13.30 Uhr legte M*** gegenüber Gruppeninsp. N*** und in weiterer Folge beim Gendarmerieposten Eferding ein Geständnis ab. Währenddessen trat N*** mit dem Angeklagten den Außendienst an. Im Zuge dieser Tätigkeit erkundigte sich ersterer mehrfach, ob der Angeklagte nicht doch etwas über den Standort des Fahrzeugs wisse, was dieser zunächst weiterhin verneinte. Gegen 15 Uhr ersuchte der Angeklagte telefonisch Wolfgang K***, dieser möge das in dessen Scheune abgestellte Fahrzeug, welches er als sein eigenes bezeichnete, noch einige Tage stehen lassen. Erst gegen 17 Uhr gab er im Zuge der weiteren Suche nach dem Unfallfahrzeug auf einen direkten Vorhalt seines Wissens darüber, den Standort des PKWs preis.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a, 8, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch zudem mit Berufung.

Zum Urteilsfaktum I/2:

Mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, das Erstgericht habe ihm im Hinblick darauf, daß eine bereits zur Tatzeit, also beim Verstecken des PKWs, vorgelegene Kenntnis seinerseits "über die näheren Folgen des Unfalles, insbesondere in zeitlicher und modaler Hinsicht oder gar seinen Folgen" nicht erweislich sei (US 5 Mitte, 12 f), zu Unrecht den bedingten Vorsatz angelastet, daß das Fahrzeug schon zu dieser Zeit als Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren bestimmt gewesen sei; damit ist er nicht im Recht. Denn dadurch, daß er - wie das Schöffengericht jedenfalls feststellte (US 5 unten, 12, 17 f) - nichtsdestoweniger bereits bei seiner Hilfeleistung mit einer behördlichen Fahndung nach dem PKW rechnete und sich damit abfand, erstreckte sich sein Vorsatz, der Beschwerdeauffassung zuwider, sehr wohl auf einen zur Tatzeit bereits existent gewesenen Entschluß der Behörde, das Fahrzeug in einem konkreten Verfahren der bezeichneten Art als Beweismittel zu gebrauchen (vgl. Leukauf-Steininger StGB2 § 295 RN 3). Bei der zuletzt relevierten Feststellung aber handelt es sich im Gegensatz zum Urteilsverständnis des Angeklagten durchaus um eine Tatsachenkonstatierung und keineswegs, wie er vermeint, um eine (mit Rechtsrüge bekämpfbare) "rechtliche Folgerung". Eben diese Tatsachenannahme wurde von den Tatrichtern entgegen der Mängelrüge (Z 5) logisch und empirisch einwandfrei aus dem Inhalt der Mitteilung des M*** an den Angeklagten, aus dessen beruflicher Ausbildung und Erfahrung und aus dessen Gesamtverhalten erschlossen (US 11 f, 17 f). Daß auch andere Schlußfolgerungen denkmöglich gewesen wären, steht dem nicht entgegen. Die darauf bezogenen Beschwerdeargumente erwecken auch keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der insoweit dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5 a), zumal die Behauptung, "nach der Sachverhaltsannahme" bleibe die Möglichkeit offen, daß der Unfall erst unmittelbar vor der Kontaktaufnahme mit dem Angeklagten durch M*** stattgefunden habe, in den Entscheidungsgründen keinerlei Stütze findet.

Der Umstand schließlich, daß das Fahrzeug in der Fahndung vorerst hinsichtlich der Farbe ungenau (blau- statt silbermetallic) beschrieben worden war, ändert nichts daran (Z 9 lit a), daß es schon zu diesem Zeitpunkt als Beweismittel für ein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Verfahren bestimmt war.

Zum Urteilsfaktum I/1:

Die Feststellung einer bewußten Wahrheitswidrigkeit der Erklärung des Angeklagten gegenüber Bez.Insp. S***, er habe von M*** vor einigen Tagen erfahren, daß dieser seinen Ford Granada verkauft habe und nunmehr einen Porsche fahre (US 7), ist weder undeutlich, noch steht sie im Widerspruch zur weiteren Konstatierung (US 4), daß M*** am Vortag den Ford Granada ab- und mit demselben Kennzeichen einen Porsche angemeldet hatte. Denn die Annahme einer wissentlichen Unrichtigkeit einer Erklärung erstreckt sich nach dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe (US 7, 10 f, 16) in Verbindung mit seiner weiteren Falschbehauptung, er habe M*** schon einige Tage nicht gesehen und sei daher nicht sicher, ob dieser den Porsche tatsächlich schon besitze, unmißverständlich nur auf das Erwecken des Anscheins, daß M*** zum Unfallszeitpunkt den Ford Granada nicht mehr besessen habe: Insoweit aber steht der Feststellung einer bewußten Wahrheitswidrigkeit seiner Darstellung die Konstatierung seiner Kenntnis von der vorausgegangenen behördlichen Ummeldung der Fahrzeuge keineswegs entgegen, da er doch festgestelltermaßen selbst dabei war, als M*** den Ford Granada noch nach dem Unfall ins Versteck brachte.

Als Nichtigkeit nach Z 8 des § 281 Abs 1 StPO macht der Angeklagte geltend, die Anklage sei insofern überschritten worden, als ihm abweichend von der Anklageschrift (ON 4) und deren Ausdehnung (S 162) im Urteil zudem noch vorgeworfen werde, seine Amtsgewalt durch aktives Tun mißbraucht zu haben, indem er gegenüber Bez.Insp. S*** die soeben relevierte sinngemäße Erklärung abgab, er glaube zu wissen, daß Wolfgang M*** im Unfallszeitpunkt nicht mehr einen PKW der Marke Ford Granada, sondern schon einen solchen der Marke Porsche besessen habe.

Nach ständiger Rechtsprechung geht aber die Identität von Anklage und Urteil nicht verloren, wenn andere oder zusätzliche Handlungen, die in den Rahmen des inkriminierten Gesamtgeschehens fallen und auf denselben Deliktserfolg zielen, wie die in der Anklage genannten, im Urteil als strafbar erklärt werden (vgl. Foregger-Serini StPO Kurzkommentar4 S 370; Mayerhofer-Rieder StPO2, ENr. 10 zu § 281 Abs 1 Z 8 ua); denn diesbezüglich könnte auch keine neue oder gesonderte Anklage erhoben werden. Das zeigt deutlich, daß damit auch jenes Verhalten schon von der ursprünglichen Anklage erfaßt sein muß.

Mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO bekämpft der Beschwerdeführer die rechtliche Beurteilung seines Verhaltens als Mißbrauch der Amtsgewalt. Er habe ungeachtet späterer dienstlicher "Erkenntnisse" durch sein privat erworbenes Wissen über den Unfall in bezug auf die Ausforschung des Täters keine "Garantenstellung" erlangt und sei daher zur Verwertung dieses Privatwissens im Dienst nicht verpflichtet gewesen; überdies sei deren Unterlassung einer amtsmißbräuchlichen Schädigung des staatlichen Verfolgungsrechtes durch ein aktives Tun nach Lage des Falles nicht gleichwertig (§ 2 StGB). Soweit ihm überdies auch eine solcherart aktive Hilfestellung für M*** vorgeworfen werde, habe es sich zum Teil wieder nur um das Verschweigen seines privaten Wissensstandes, mithin in Wahrheit ebenfalls bloß um eine (nach dem zuvor Gesagten seiner Ansicht nach nicht tatbestandsmäßige) Unterlassung gehandelt, wogegen die inkriminierte Erklärung gegenüber Bez.Insp. S*** gar nicht falsch gewesen und außerdem von ihm nicht in amtlicher, sondern in privater Funktion sowie zu einem Zeitpunkt abgegeben worden sei, in welchem er mit Bezug auf die ihm angelastete vorausgegangene Beweismittelunterdrückung materiell die Stellung eines Beschuldigten gehabt habe. Auch die Rechtsrüge ist unbegründet.

Gewiß ist es richtig, daß zur Verwirklichung eines Mißbrauchs der Amtsgewalt durch Unterlassung (§ 2 StGB) vorausgesetzt wird, daß der Beamte jene Information, welche die Vornahme oder Veranlassung eines Hoheitsaktes im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben erforderlich macht, in seiner amtlichen Eigenschaft erlangt hat und daß ihn bloß privat erworbenes Wissen zu einem dienstlichen Tätigwerden nicht verpflichtet (idS 9 Os 52/87; Bertel im WK § 302 StGB Rz 75 und 77). Einen Beamten, dem eine Straftat außerdienstlich bekannt geworden ist, trifft daher - unter dem Gesichtspunkt des § 302 StGB - weder eine Anzeigepflicht gemäß § 84 StPO noch die Pflicht zu sonstigem behördlichem Einschreiten.

Anders stellt sich die Rechtslage aber dar, sobald der Beamte von einem Sachverhalt, von dem er bereits außerdienstlich erfahren hat, in der Folge zudem in seiner amtlichen Eigenschaft Kenntnis erlangt und auf Grund dieser amtlichen Information oder eines derartigen Auftrags nunmehr einen Hoheitsakt vorzunehmen oder zu veranlassen verpflichtet ist: In einem solchen Fall muß er sich entweder jeder amtlichen Tätigkeit wegen Befangenheit enthalten (vgl. SSt. 56/72) oder aber sein Amt pflichtgemäß ausüben und die ihm aufgetragenen Hoheitsakte unter Verwertung seines gesamten Wissensstandes vornehmen (vgl. SSt. 38/12, sowie Bertel aaO Rz 77). Als der Angeklagte am 4.Mai 1989 gegen 11 Uhr von den Verdachtsmomenten gegen M*** durch Bez.Insp. S*** dienstlich in Kenntnis gesetzt wurde und über dessen Ersuchen im Rahmen seiner Aufgaben als Gendarmeriebeamter Ermittlungen vorzunehmen sowie den Standort des Unfallfahrzeuges auszuforschen hatte, wäre er demnach zwar berechtigt gewesen, unter Befangenheitserklärung von jeder weiteren hoheitlichen Tätigkeit Abstand zu nehmen; keinesfalls durfte er unter Beibehaltung seiner dienstlichen Funktion die ihm kraft seines privaten Wissens bekannten (zusätzlichen) Verdachtsmomente gegen M*** verschweigen oder gar durch irreführende Äußerungen zu entkräften oder abzuschwächen trachten. Nach seinem Entschluß, in dieser Sache als Gendarmeriebeamter Dienstfahrten zu unternehmen, um das gesuchte Fahrzeug zu finden und den flüchtigen Lenker auszuforschen, war er daher kraft seines Amtes zu uneingeschränkter Wahrheitsfindung verpflichtet: Er hatte alles zu unternehmen, um seinem dienstlichen Auftrag nachzukommen und war insoweit nicht berechtigt, sein auf privaten Informationen beruhendes Wissen zu "vergessen" oder gar zur Hinderung einer zielführenden Amtshandlung einzusetzen.

In eben diesem Sinn jedoch hat das Schöffengericht eine Verpflichtung des Angeklagten zur Ausforschung des Unfalltäters unter Auswertung seines gesamten Wissensstandes zufolge einer ihn als Gendarmeriebeamten im besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung, sohin seine Garantenstellung im Sinne des § 2 StGB, entgegen der Beschwerdeauffassung keineswegs etwa schon aus seinem ursprünglichen Privatwissen abgeleitet, welches durch spätere dienstliche "Erkenntnisse" seine "Privatqualität verloren" habe, sondern rechtsrichtig ohnehin ausschließlich aus seiner folgenden dienstlichen Befassung mit den erörterten Fahndungsaufgaben. Soweit er dazu auf einen anderen Entscheidungsinhalt abstellt, bringt er daher die Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Ebenso hat das Erstgericht die, wie dargetan in concreto pflichtwidrige Nichtverwendung seines Privatwissens durch ihn bei der Ausforschung des Unfalltäters im Hinblick darauf, daß er solcherart M*** decken wollte (US 15), durchaus zu Recht als einen dahingehenden Amtsmißbrauch durch ein aktives Tun gleichwertig (§ 2 StGB) erachtet (vgl. Bertel aaO Rz 79, 81, 82). Nicht gesetzmäßig ausgeführt hinwieder ist die Rechtsrüge mit dem im Sinn der Erörterungen zur Mängelrüge urteilsfremden Einwand, die dem Beschwerdeführer zusätzlich als ein derartiger aktiver Amtsmißbrauch angelastete Erklärung seinerseits gegenüber Bez.Insp. S*** sei gar nicht (objektiv und subjektiv) wahrheitswidrig gewesen. Gleiches gilt für die weitere Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe jene Erklärung in "privater Funktion" gleichsam als eine Zeugenaussage, abgegeben: Tat er dies doch nach den Urteilsfeststellungen dementgegen im unmittelbaren Konnex mit dem ihm von S*** erteilten Auftrag, das Fahrzeug M*** zu besichtigen, also unmißverständlich in Ausübung seines Dienstes (US 7); die Frage, ob ihm dabei wegen der vorausgegangenen Beweismittelunterdrückung materiell die Stellung eines Beschuldigten zugekommen sein könnte, ist demnach gar nicht aktuell. Mit der Strafzumessungsrüge (Z 11) schließlich wird weder eine offenbar unrichtige Beurteilung entscheidender Strafzumessungstatsachen (zweiter Fall) noch ein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung (dritter Fall) dargetan.

Mit der (infolge der allzu kursorischen Verbindung zweier Argumente freilich einem dahingehenden Mißverständnis zugänglichen) Begründung seiner Ansicht, daß vor allem generalpräventive Erwägungen der Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB entgegenstehen, hat das Schöffengericht letzten Endes doch deutlich genug entgegen der Beschwerdeauffassung (Z 11 zweiter Fall) nicht etwa einen unmittelbaren Abschreckungseffekt der zu verhängenden Strafe (im Urteil ungenau "der in Betracht kommenden Strafnorm" - US 18) auf die Gesamtbevölkerung releviert, der beim hier strafbestimmenden Verbrechen nach § 302 StGB als einem Sonderdelikt in der Tat nicht denkbar wäre. Mit dem Hinweis auf ein ausgeprägtes "Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsbehörden" (US 18) hat es vielmehr ersichtlich bloß die besondere Wichtigkeit einer generalpräventiven Effizienz der Strafe in bezug auf die im Sicherheitswesen tätigen Beamten hervorgehoben, durch deren unbedingt rechtstreues Verhalten auch das Vertrauen der Gesamtbevölkerung in die Integrität gerade dieses Zweiges der staatlichen Verwaltung (als wesentliche Voraussetzung für ein reibungsloses Zusammenwirken bei der Sicherung der öffentlichen Ordnung) gestärkt werden soll: Darin ist den Tatrichtern im Grund vollauf beizupflichten.

Die Tragweite dieser generalpräventiven Erwägungen im vorliegenden Fall gleichwie gegebenenfalls auch die ihr zugrunde liegende Annahme eines Mißtrauens der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsbehörden als Strafzumessungstatsache aber wird in Erledigung der Berufung zu überprüfen sein.

Verfehlt ist ferner die Beschwerdeansicht (Z 11 dritter Fall), daß "allein schon deshalb", weil das Erstgericht in Anwendung des § 43 a Abs 3 StGB in Ansehung eines Teils der hier indizierten Freiheitsstrafe die Voraussetzungen ihrer bedingten Nachsicht für gegeben hielt, das Vorliegen eben dieser Voraussetzungen auch im Rahmen des Absatzes 2 der zitierten Strafbestimmung "nicht zweifelhaft" sei, sodaß als zu vollstreckender Teil der Strafe nur eine Geldstrafe verhängt werden dürfe: Hängt doch die Zulässigkeit einer bedingten Nachsicht des verbleibenden Teils der Strafe nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (Abs 2: im Hinblick darauf) insbesondere von jener Effizienz ab, die im Zusammenhang damit der zu vollstreckende Teil der Strafe entfaltet und die naturgemäß - woraus sich ja die Abgrenzung der Anwendbarkeit beider Strafvarianten von einander ergibt - sehr wohl zwar beim Vollzug einer (Teil-)Freiheitsstrafe gegeben, beim Vollzug einer (Teil-)Geldstrafe aber nicht gegeben sein mag.

Die Mißachtung einer (prozessualen) Begründungspflicht (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) hinwieder wäre einem unvertretbaren Verstoß gegen materiellrechtliche Bestimmungen über die Strafbemessung nicht gleichzuhalten, und mit seinen Einwänden gegen die Nichtanwendung des § 43 Abs 1 StGB macht der Beschwerdeführer lediglich Ermessensfehler bei der Strafbemessung geltend, auf welche erst in Erledigung der Berufung einzugehen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zur Berufung:

Das Erstgericht wertete als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd hingegen das überwiegende Geständnis des Tatsächlichen und die Unbescholtenheit des Angeklagten.

Die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB zur Gänze schloß es aus general- und spezialpräventiven Erwägungen aus und auch die Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB hielt es aus den schon in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde erörterten Erwägungen für nicht gerechtfertigt.

Ins Gewicht fallende zusätzliche Milderungsgründe vermag der Rechtsmittelwerber nicht aufzuzeigen. Zwar ist er von seinem Kollegen zur Beweismittelunterdrückung verleitet worden, doch bedeutet das nicht, daß er sich hernach nur in untergeordneter Weise daran beteiligt hätte. Auch von einer Unbesonnenheit, allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung oder besonders verlockenden Gelegenheit zur Tat, kann im gegebenen Fall keine Rede sein. Bei der Würdigung der vorliegenden Strafzumessungsgründe aber wird der Umstand, daß der Angeklagte zugunsten eines Freundes und später zum Teil auch zur Verdeckung dieses Fehlverhaltens delinquierte, durch das im Zusammenwirken sehr hohe Gewicht des Tatunrechts bei weitem überwogen. Das Maß der verhängten Freiheitsstrafe ist daher unbeschadet der Qualität des sonstigen dienstlichen Verhaltens des Berufungswerbers entgegen den Berufungsausführungen gar wohl tat- und tätergerecht (§ 32 StGB) ausgemessen worden. Die gesamte Freiheitsstrafe bedingt nachzusehen (§ 43 Abs 1 StGB), verbietet schon die Art der Taten, die auch ein hohes Maß an Pflichtverletzung zeigen (vgl. § 32 Abs 3 StGB). Entgegen der Ansicht des Erstgerichts bedarf es aber aus den schon erörterten Gründen der Generalprävention vorliegend nicht des Vollzugs eines Teiles der Freiheitsstrafe; auch eine stattdessen zu vollziehende Geldstrafe in ihr entsprechender Höhe vermag in Verbindung mit dem bedingt nachgesehenen Teil der Freiheitsstrafe durchaus eine ausreichende Motivationskraft auf zukünftiges Wohlverhalten zu entfalten. Die Geldstrafe war daher mit 240 Tagessätzen (Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 19 Abs 3 StGB: 120 Tage) zu bestimmen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde nach den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten (keine Sorgepflichten) und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (knapp 13.000 S netto), die nur vorübergehend durch seine Suspendierung reduziert ist, bestimmt.

Nur dahin war demnach der die Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB nicht ausdrücklich anstrebenden Berufung stattzugeben.

Anmerkung

E20213

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00003.9.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19900227_OGH0002_0150OS00003_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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